21.12.01
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
unser gemeinsamer Patient
Herr Oliver Lenz
geb. am: 15.05.1966
wohnaft in: Am Gehölz 7, 14480 Potsdam
befand sich im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme vom 23.10.2001 - 20.11.2001 in unserem Hause in stationärer Behandlung.
Als Anlage erhalten Sie den Entlassungsbericht zur Kenntnisnahme.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
MEDIAN Klinik Grünheide
gez. Dr. med. B. Zynda Chefärztin
gez. Dr. med. J. Knauß Ltd. Oberärztin
gez. B. Schönherr Stationsarzt
Diagnosen:
Enzephalomyelitis disseminata (Erstmanifestation 1997, Erstdiagnose Oktober 2001),
a. e. primär chronisch-progrediente Verlaufsform DD sekundär-progredient nach
leichteren Schüben
1. Allgemeine und klinische Anamnese:
Spezielle Anamnese:
Der Patient leidet seit ca. 1997 an einer zunehmenden Schwäche in den Beinen
sowie allgemein verminderter körperlicher Belastbarkeit. Ihm fiel ein
zunehmendes Schwanken beim Laufen auf und er sei häufig ins Stolpern gekommen.
Weiterhin seien feinmotorische Abläufe, wie z. B. Schreibmaschineschreiben,
zunehmend erschwert gewesen. Seit ca. einem Jahr betrage die Gehstrecke nur noch 1 km,
dann müsse der Patient eine Ruhepause einlegen. Zum gleichen Zeitpunkt empfand er
subjektiv eine Harnblasenschwäche. Auch die Stimmung habe sich in der letzten Zeit
in Richtung Reizbarkeit und Aggressivität verändert. Wegen eines Taubheitsgefühls
im linken Unterarm wurde der Patient unter der Verdachtsdiagnose einer Enzephalomyelitis disseminata
am 04.10.2001 im Sankt-Josef-Krankenhaus Potsdam aufgenommen. In der dort
durchgeführten ausführlichen Diagnostikk konnte die Verdachtsdiagnose bestätigt werden.
Nach Abschluss der stationären Therapie und Frühmobilisierung erfolgte die Entlassung
am 18.10.2001, am 22.10.2001 wurde der Patient zur Anschlussheilbehandlung stationär aufgenommen.
Familienanamnese:
Leer.
Eigenanamnese:
Fachspezifisch leer.
Vegetative Anamnese:
Leer.
Allergien: Nicht bekannt.
Allgemeine Risikofaktoren:
Keine.
Mitgebrachte Hilfsmittel:
Keine.
2. Jetzige Beschwerden und funktionelle Einschränkungen:
Der Patient berichtet über eine deutliche Verringerung der Gehstrecke, über
eine Verringerung der allgemeinen Belastbarkeit und eine deutliche Störung
der Feinmotorik.
3. Gegenwärtige Therapien, Behandelnde Ärzte:
Der [Patient] wird ambulant von Dr. med. Zomack, FA für Neurologie,
Kurfürstenstr. 20, 14467 Potsdam behandelt. Im Sankt-Josefs-Krankenhaus
erfolgte eine Stosstherapie mit Kortison. Eine Behandlung mit Interferonen
wurde mit dem Patienten diskutiert, zu jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht
eingeleitet.
4. Allgemeine Sozialanamnese:
Der Patient lebt mit seiner Lebensgefährtin zur Zeit in einer
Umsetzwohnung, hatte zuvor in einem Altbau, 4. Etage, gewohnt.
Mit ihm leben zwei Kinder aus erster Ehe und ein Kind
mit der Lebensgefährtin.
5. Arbeits- und Berufsanamnese:
Herr Lenz ist gelernter Maschinenbauingenieur und arbeitet
derzeit am Lebrstuhl für Informatik in der Universität
Potsdam.
6. Aufnahmebefund, Vorbefunde, ergänzende Diagnostik
Allgemein-somatischer Aufnahmebefund:
35-jähriger Patient in gutem AZ und EZ. Unauffälliger Befund
an Haut und Schleimhäuten, Schädel und Hals. Herz, Lunge und
Abdomen unauffällig, Extremitäten o. p. B., Fusspulse bds. kräftig.
Neurologischer Befund:
Kein Meningismus.
Hirnnerven
Ungestörte Pupillomotorik, erschöpflicher horizontaler
Blickrichtungsnystagmus in beide Richtungen, übriger
Hirnnervenstatus unauffällig. Klare Sprache.
Motorik/Motilität
Keine Paresen, monopedales Hüpfen verplumpt rechts stärker
als links,
Muskeleigenreflexe bds. gesteigert ohne sichere Seitendifferenz,
keine Pyramidenbahnzeichen, kloniformes Nachzucken der ASR bds.
Koordination
Guter Rumpftonus, Stand und Gang sicher, Seiltänzer- und
Blindstrichgang deutlich unsicher, im Unterberger-Tretversuch
ungezielte Fallneigung. Finger-Nase-Versuch sicher, Finger-Folge-Versuch
links diskret dysmetrisch, Knie-Hacke-Versuch intakt. Eudiadochokionese bds.
Sensibilität:
Intakt.
Vegetativum:
Intakt.
Neropsychologisch/psychisch:
Wacher, voll orientierter Patient. Kein Anhalt für formale oder
inhaltliche Denkstörung, keine Störungen der Mnestik.
Stimmung unauffällig, normal moduliert, kein Anhalt für
akute Suizidität.
Aktuelle und wesentliche Befunde:
Aus dem Sankt-Josefs-Krankenhaus Potsdam wurden folgende Befunde erhoben:
VEP vom 12.10.2001:
Mit deutlich latenzverzögerten VEP bds. als Hinweis für eine
Funktionsstörung des N. opticus bds., wobei eine annehmbare
Seitendifferenz auf eine mehr rechtsseitige Störung hinweist.
Tibialis-SEP vom 15.10.2001
Bei insgesamt unzureichend reproduzierbaren Tibialis-SEP findet sich
keine sichere Funktionsstörung der sensiblen Nervenleitungen.
Liquordiagnostik vom 05.10.2001
Liquor klar, Zellzahl 0, Gesamteinweiss 1.020 mg/l, Albumin 581,
lgG 113, lgA 15,7, lgM 37 mg/l. 7 oligoklonale Banden im Liquor.
Erregerspezifische Antikörper in Serum und Liquor: keine.
Weiterhin erwähnenswert ist, dass in einem ambulant durchgeführten Kerspintomogramm des Kopfes Hinweise auf eine entzündliche ZNS vorlagen.
Weitere hier erhobene Befunde:
Aufnahmelabor (in SI-Einheiten) vom 24.10.2001:
Kleines Blutbild und Gerinnung im Normbereich. Gamma-GT 2,0,
übrige Serumparameter einschl. Elektrolyten,
Nierenretentionswerten, restlichem Leberprofil, Lipidprofil und
basalem TSH unauffällig.
EKG vom 23.10.2001:
Unspezifische ST-Streckenveränderung in allen Ableitungen
bei ansonsten unauffälliger Erregungsbildung und
-rückbildung.
SEP vom 19.11.2001:
Lumbale N18- und N20-Potentiale zeitgerecht, cervikale N30-
Potentiale bds. leicht verzögert. Zentral kortikale
Potentiale deutlich latenzverzögert mit Rechtsbetonung,
Amplituden im unteren Normbereich. Konsekutive
Verlangsamung der spinokortikalen Überleitungszeiten bds.,
von kortikal mehr als von lumbal. Der Befund spricht
für eine demyelinisierende, rechts cerebral betonte bilaterale
Schödigung der zentralen Abschnitte der Tibialis-Afferenzen
mit Störungsschwerpunkt bds. oberhalb des Zervikalmarkes,
passend zum klinischen Befund.
7. Rehabilitationsdiagnosen und Rehabilitationsziele:
Rehabilitationsdiagnosen:
1. Enzephalomyelitis disseminata mit Fatigue-Symptomatik und Gangataxie
Rehabiltationsziele:
Rehabilitationsverlauf
Medizinische Besonderheiten:
Der Patient war kardiopulmonal stabil, fieberhafte Infekte traten nicht auf.
Der Patient berichtete im Rahmen des stationären Aufenthaltes über
Gefühlsstörungen im Bereich des linken Armes und auch später
im Bereich des linken Beines. Am 15.11.2001 fiel in der Untersuchung eine
Schwäche von Mm. biceps und triceps brachii links mit einer
Abschwächung des Becepssehenenreflexes links auf, die in deutlicher
Diskrepanz zum Aufnahmebefund stand, rasch rückläufig war und am ehesten
als Ermüdung im Rahmen der Therapien interpretiert wurde. Im weiteren
Verlauf ließ diese Störung wieder nach und konnte zum
Entlassungszeitpunkt nicht nachgewiesen werden.
Herr Lenz nutzte in mehreren ausführlichen Arztgesprächen
die Möglichkeit, sich umfassend über verschiedene Verlaufsformen
der MS und schubprophylaktischen Behandlungsoptionen
informieren zu lassen. In Anbetracht des über vier Jahre
eher langsam schleichenden Verlaufs entschieden wir uns
derzeit nicht für eine Einstellung auf eine schubprophylaktische
Medikation.
Krankengymnastik
Es zeigte sich eine untere Rumpf- und Extremitätenataxie mit
hypotoner Bauchmuskulatur, Abnahme der reziproken Innervation
der Beinmuskulatur bds. Die Gleichgewichtsreaktionen
im Stand und Gang waren herabgesetzt, bei Gehen über längere
Zeit beklagte der Patient eine zunehmende Fußheberschwäche
links. Die krankengymnastische Therapie umfasste vor allem die Konditionierung,
die Muskeldehnung und die Bewegungskoordination zur Rumpfataxie.
Ergotherapie:
Herr Lenz nahm an der Feinmotorikgruppe teil und erhielt
sensomotorisch-kognitives Einzeltraining. Es zeigten sich
dezente Koordinationsstörungen linksbetont bei voll
gegebenen Bewegungsausmaß. Der Patient ist im
gesamten Alltag selbstständig. In Einzel- und Gruppentherapien
wurden Sensibiltätsschulungen und Feinmotoriktraining
durchgeführt.
Neuropsychologie:
Im Mittelpunkt der neuropsychologischen Behandlung standen
regelmäßige Gespräche zur Unterstützung und Begleitung
des Aufenthaltes. Aufgrund der dem Patienten noch nicht lange
bekannten Diagnose ergaben sich eine Reihe von Fragen
und Problemen zum Umgang mit der Krankheit. Herr Lenz nutzte
die Gesprächstmöglichkeiten sehr aktiv.
Darüber hinaus nahm Herr Lenz sehr aktiv am wöchentlich
stattfindenden Seminar für Patienten mit MS teil.
Entlassungsbefund:
Wacher, voll orientierter Patient, kein Anhalt für formale
oder inhaltliche Denkstörungen, Stimmung ausgeglichen mit normaler
Modulation.
Kein Meningismus, ungestörte Pupillomotorik, erschöpflicher Blickrichtungsnystagmus
in beide Richtungen, übriger Hirnnervenstatus unauffällig.
Keine Paresen, keine sensiblen Defizite, Muskeleigenreflexe
seitengleich gesteigert, keine Pyramidenbahzeichen, kloniformes des ASR bds.
Stand und Gang ausreichen sicher, Gangversuche mit Unsicherheiten,
Unterberger-Tretversuch unauffällig, alle Zeigeversuche sicher.
Keine Inkontinenz.
Barthel-Index:
Bei Aufnahme: 90 von erreichbaren 100 Punkten.
Bei Entlassung: 100 von erreichbaren 100 Punkten.
9. Sozialmedizinische Epikrise
Der Patient leidet seit 1997 an einer a. e. primär chronisch-progredienten
Encephalomyelitis disseminata, die Erstdiagnose erfolgte im Oktober d. J.
Im Rahmen der Akuttherapie und der anschließenden stationören Behandlung
konnte eine Stabilisierung der motorischen Funktionen insoweit
erreicht werden, dass derzeit keine funktionellen Einschränkungen
bestehen. Die Belastbarkeit ist weiterhin deutlich verringert,
ebenso die Gehstrecke. Es besteht weiterhin eine leichte
Feinmotorikstörung in den Händen. In Anbetracht des bisherigen
klinischen Verlaufes wurde in einem ausführlichen Gespräch mit dem Patienten
auf eine prophylaktische Therapie verzichtet. Zur Zeit besteht
Arbeitsfähigkeit. In Anbetracht der Diagnose und des
zu erwartenden Verlaufes sollten engsmaschige Überprüfungen
der Arbeitsfähigkeit und evtl. Anpassung des Arbeitsumfeldes erfolgen.
Zum Erhalt der motorischen Funktionen wird eine erneute stationäre Heilbehandlung
im Verlauf empfohlen.
Therapieempfehlungen:
Medikation: Keine
Vorsichtige Steigerung der Belastung.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. med. B. Zynda
Chefärztin
gez. Dr. med. J. Knauß
Ltd. Oberärztin
gez. B. Schönherr
Stationsarzt
Erste Veröffentlichung: 04.06.2004 | Hinweise, Kommentare, Anmerkungen, Fragen? | © 2004 Oliver Lenz |
Letzte Änderung: 04.06.2004 | Mail oder Gästebuch | http://www.cvo6.de |