Homepage von Oliver Lenz


Kliniken Beelitz GmbH

Neurologische Rehabiltiationsklinik Beelitz-Heilstätten

Entlassungsbericht

Pat.: Lenz, Oliver, geb.: 15.05.1966
wh.: Am Gehölz 7, 14480 Potsdam

Sehr geehrter Herr Gomann, wir berichten über o. g. Patienten, der sich vom 30.06.2003 bis zum 12.08.2003 in unserer stationären Rehabilitationsbehandlung befand.

Diagnosen:

Rehabilitationsergebnisse:

Verbesserung der Mobilität mit Verbesserung der Kraft und damit einhergehend Verbesserung des Gangbildes und Treppe steigen. Verbesserung der allgemeinen Belastbarkeit und Ausdauer. Vollständige Selbständigkeit im ADL-Bereich. Unterstützung in der Krankheitsbewältigung.

A - Anamnese:

- Spezielle Anamnese
Herr L. kommt auf eigene Veranlassung zur stat. neurologischen Reha-Behandlung bei seit 2001 diagnostizierter Encephalomyelitis disseminata. Herr L. befand sich im Oktober 2001 zur ersten stat. Behandlung im St. Josefs Krankenhaus Potsdam, wo eine 5tägige i.v. Methylprednisolonbehandlung erfolgte ohne durchschlagenden Therapieeffekt. Daraufhin erfolgte eine erste Reha-Behandlung in der Klinik Grünheide bis 11/2001. Lt. Pat. trat die Symptomatik initial im Herbst 1997 auf mit Schwäche der Beine und Koordinationsstörung. Es gibt lt. Pat. keine Schübe sowie keine Verschlechterung seit dem Erstauftreten. Aktuell beschreibt der Pat. eine 2 Wochen aufgetretene Verschlechterung der Symptomatik im Rahmen eines grippalen Infekts mit plötzlichem Versagen der Beine beim Treppensteigen. Im Vordergrund steht eine Gangataxie mit Knieinstabilität, eine Harblasendranginkontinenz, Gehstrecke beträgt ca. 1 km, danach zunehmende Fussheberschwäche links.
Der Pat. lehnt eine medikamentöse Behandlung der Erkrankung ab. Er konzentriert sich auf eine vegetarische Ernährung, Vitaminpräparatsubstitution sowie eine supportive Körpertherapie im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung.

- Weitere Erkrankungen/Vorerkrankungen
Z. n. Ebstein-Barr Infektion im Alter von 5 Jahren, seit dem 10. Lebensjahr bekannte Skoliose II. Grades, Z. n. Handflegmone links nach Verletzung 1984. Im übrigen Eigenanamnese leer. Wir nahmen Herrn L. am 30.06.2003 zur stat. neurologischen Reha-Behandlung auf. Im Vordergrund stehen eine Koordinationsstörung, Gangunsicherheit bei ataktischem Gangbild und Knieinstabilität. Treppeabsteigen ist nicht möglich. Aktuelle Gehstrecke ca. 1 km, dnach zunehmende Fussheberschwäche. Der Pat. beobachtet nach geistiger Hochleistung eine körperliche Verschlechterung. Weiterhin intermittierend auftretende Schluckstörung mit häufigerem Verschlucken. Sensible Störungen i. S. von Parästhesien im Bereich des linken Fusses im Bereich der 2. und 3. Zehe sowie seit 14 Tagen aufgetretene Missempfinden im Bereich der linken Hand, im Bereich des Zeige und Ringfingers.

- Familienanamnese
Vater an Lymphknotenkarzinom erkrankt und therapiert. Im übrigen keine familär gehäuft auftretenden Erkrankungen bekannt.

- Vegetative Anamnese
Miktion mit imperativem Harndrang, Zeitfenster bis zum Toilettengang ca. 5 Minuten, Stuhlgang ungestört, keine Allergien bekannt, Appetit gut bei vegetarischer Ernährung.

- Risikofaktoren/Risikoverhalten
Der Patient verneint Nikotin-, Alkohol- und Drogenkonsum.

- Sozialanamnese
Von Berumf Maschinenbauingenieur (Hydrauliking.) war Herr L. bis März 2003 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam angestellt und ist seit März 2003 arbeitslos. Es besteht Behindertenschutz zu 50% aufgrund der Gangstörung. Herr L. ist geschieden, hat 4 eigene Kinder, 2 aus erster Ehe, 2 aus einer 2. Partnerschaft, die vor einem halben Jahr getrennt wurde. Er lebt allein in einer Mietwohnung in der 3. Etage, es sind 3 Doppeltreppen (66 Stufen) zu bewältigen. Das Haus verfügt über keinen Aufzug, die Wohnung ist nicht behindertengerecht.

- Vorhandene Hilfen
Eine Brille.

- Ergänzungen/Fremdanamnese
Keine.

B - Diagnostik

1. Klinische Untersuchung

1.1 Internistischer Aufnahmebefund

37jähriger Pat. in mässigem AZ und gutem EZ bei normosomer Konstitution. Hauverhältnisse unauffällig, keine LKS, Mund und Rachen reizlos, keine Struma, Schilddrüse verschieblich, Pulmo mit Vesikuläratmen, Thorax mit Skoliose im BWS-Bereich. Hyperlordose, Beckenhochstand rechts diskret, Gelenke frei beweglich, Abdomen weich, Persitaltik regelrecht, kein Kruckschmerz, Hepar nicht tastbar.

1.2 Neurologischer Aufnahmebefund

Rechtshändiger Pat. ohne Meningismus, ohne KKS.

Hirnnerven
Visus korrigiert (Fernbrille), Enstelln Motorik
Armhalteversuch mit Schweregefühl, Supination und diskretem Absinken links, rechts regelrecht. Beinhalteversuch mit Absinken und Schweregefühl links, rechts diskret. Grobe Kraft nach BMRC im Bereich der oberen Extremitäten allseits 5/5, im Bereich der unteren Extremitäten für die Hüftbeugung links 4-5/5, im übrigen 5/5, Fussheberfunktionen in Testsituation 5/5.

Reflexstatus
MER der unteren Extremitäten seitengleich lebhaft auslösbar, im Bereich der oberen Extremitäten nicht auslösbar, keine Kloni, keine Pyramidenbahnzeichen.

Koordination
Gang etwas unsicher, ataktisch mit Knieinstabilität bei Hyperextension, Zehengang möglich, Hackengang begrenzt bei starker Unsicherheit und Fussheberschwäche, Seiltänzergang möglich, Einbeinstand unsicher mit geschlossenen Augen nicht möglich, monopedales Hüpfen rechts unsicher und begrenzt, links nicht möglich, Romberg-Stehversuch mit Fallneigung nach links, Unterberger-Tretversuch ataktisch breitbasig, relativ sicher. Dysdiadochokinese i. S. einer diskreten Ataxie, serielle Fingeropposition bds. ungestört. Knie-Hacke-Versuch und Finger-Nase-Versuch ungestört.

Sensibilität
Im Bereich der linken Hand und des linken Unterarmes im Seitenvergleich abgeschwächt. Vibrationsempfinden für die oberen und unteren Extremitäten seitengleich erhalten.

Nerologisch-psychischer Befund
Bewusstseinsklarer, wacher Pat., zu allen Qualitäten voll orientiert, diskret niedergestimmt bei starker Selbstbeobachtungstendenz, affektiv schwingungsfähig, z. T. vorhandene Defizite bagatellisierend, leicht herabgesetzte Belastbarkeitsspanne. Im übrigen in der orientierenden klinisch neurologisch-psychologischen Untersuchung kein Hinweis auf offensichtliche kognitive Defizite.

1.3 Fähigkeitsstörungen/Funktionsstörungen
1.3.1 Motorik
Mittelgradige Beeinträchtigung der groben motorischen Funktionen der unteren Extremitäten mit Gangataxie, Knieinstabilität und Unfähigkeit zunm Treppen absteigen, Einschränkung der Gehstrecke auf 1 km. Leichtgradige Beeinträchtigung der Armfunktion links.

1.3.2 Sprache
Keine Beeinträchtigung.

1.3.3 Kognition/Psychomotorik
Diskret herabgesetzte Belastbarkeitsspanne mit Stressanfälligkeit, Selbstbeobachtungstendenz, diskrete Niedergestimmtheit, z. T. Bagatellisierungstendenz der eigenen Defizite.

1.3.4 ADL - Fertigkeiten
Leichte bis mittelgradige Beeinträchtigung bei den basalen und erweiterten Verrichtungen des täglichen Lebens bei Gehstreckenbeschränkung, Dranginkontinenz sowie diskreten Funktionsdefizit des linken Armes.

2. Technische Untersuchungen

Labor vom 01.07.2003:
ALAT 0,92, Gamma-GT 1,71, HDL-Chol 1,19, Thrombo 145, im übrigen Normalbefunde für alle routinemässig erhobenen Parameter.

Urinstatus vom 01.07.2003:
Normalbefund.

Eiweisselektrophorese vom 03.07.2003:
Fraktion 4,7% (NB - 3,8), im übrigen Normalwerte.

Sonographie Abdomen vom 11.07.2003:
Diskrete Splenomegalie, DD: Normvariante, sonst unauffälliger Befund (mit Abmessungen 12x6 cm).

Medianus-SEP vom 18.07.2003:
Unauffällig.

VEP vom 18.07.2003:
Unauffällig.

VEP vom 18.07.2003:
Etwa seitengleiche, unauffällige Latenz und Amplituden der PN 100 bei Ableitung vom rechten Gesichtsfeld, jedoch bei Ableitung vom linken Gesichtsfeld links gegenüber rechts mässig erniedrigte Amplitude der PN 100 bei seitengleicher Latenz. Somit spricht der Befund für eine leichte Störung der Sehbahn links. Die unauffälligen Medianus-SEP und die leicht path. VEP unterstützen die Verdachtsdiagnose einer disseminierten Erkrankung nur sehr begrenzt. Bei einer Retrobulbärneuritis links wäre auch eine Verlängerung der Latenz des Antwortpotentials in den VEP zu erwarten.

EKG vom 01.07.2003:
Langsamer SR, Steiltyp, PQ im Normbereich, schlanke QRS, unauffällige Repolarisation.

Urologisches Konsil - Blasendruckmessung vom 22.07.2003:
Neurogene Blasenstörung im normotonen hypertonen Bereich, abgeschwächte Somatoviszerosensibilität, Restharn 160 ml. Bei im Verlauf bestätigter Restharnmenge und -zunahme Empfehlung einer anticholinergen Therapie und Selbstkatheterismus. Erneute Messung in 6 Monaten empfohlen.

3. Zusätzliche Untersuchungen aus anderen Fachgebieten
Keine.

4. Psychosoziale/psychosomatische Diagnostik

Sie ausführlichen neuropsychologischen Abschlussbericht.

C - Therapieziele/Therapie:

1. Therapieziele
Verbesserung des Gangbildes mit Reduktion der Ataxie, Verbesserung der Kniestabilität, Verbesserung der Beinfunktionen bds. mit Erlernen von Kompensationsstrategien, Verbesserung des Treppensteigens, Verbesserung der Gehstrecke, Verbesserung des Informationsstandes über die Erkrankung, Unterstützung der Krankheitsbewältigung, Erarbeiten von möglichen therapeutischen Optionen. Die Therapieziele und deren -relevanz wurden mit dem Pat. besprochen und abgestimmt.

2. Therapien
Im Rahmen der komb. Einzel- und Gruppenbehandlung erhielt der Pat. Therapien mit einer Frequenz von 3 - 5 Behandlungen pro Tag, einschliesslich Physio-, Ergo-, Sporttherapie, Musiktherapie, physikalische Anwendungen, neuropsychologische Betreuung, OLogopädie sowie ärztliche Behandlung.

D - Verlauf/Rehabilitationsergebnis/Nachsorgekonzept:
1. Verlauf
Wir integrierten Herrn L. in unser multimodales Behandlungskonzept, bestehend aus o. g. Therapien, wo er motiviert mitarbeitete und in allen Bereichen gute Fortschritte erzielt. Im Vordergrund stand die Reduktion der Gangataxie sowie der Ausbau der Beinfunktionen bds. sowie eine ergänzende Entspannungsbehandlung sowie eine Gesprächstherapie. Der Verlauf blieb komplikationslos. Aufgrund der Schwere der Funktionsdefizite und im Hinblick auf eine berufliche Reintegration war eine Verlängerung der stationären Rehabilitationsmassnahme auf insgesamt 6 Wochen erforderlich.

2. Ergebnis

2.1 Funktionlles Ergebnis
Verbesserungen konnten im Bereich des Gangbildes mit Reduktion der Ataxie erreicht werden. Es kam zu einer Verbesserung der Kniestabilität mit Verbesserung der Beinfunktionen bds. Der Pat. erlernte das Treppensteigen, ein Ausbau der Gehstrecke konnte erzielt werden. Zum Entlassungszeitpunkt ist Herr L. im ADL-Bereich vollständig selbständig.

2.2 Ärztliche Abschlussuntersuchung und Patientenselbsteinschäntzung bezüglich des Erreichten.
Im Vergleich zur Aufnahmeuntersuchung Verbesserung der Arm-Handfunktion li. bei voller Kraft und ungestörter Koordination und Feinmotorik. Verbesserung von Motorik und Koordination der UE mit KG re. allseits 5/5, li. Hüftadduktion und Hüftbeugung 4-5/5 im übrigen 5/5. AHV und BHV unauffällig. Gang und Stand sicher. Rhomberg-Stehversuch und Unterberger-Tretversuch mit diskreter Fallneigung nach li. Zehengang, Hackengang gut möglich, Seiltänzergang etwas unsicher.
MER OE li.-betont untermittellebhaft auslösbar, UE li.-betont mittellebhaft auslösbar; erschöpflicher Fussklonus li., keine Pyramidenbahnzeichen. Sensibilität bis auf Hypästhesie für Segment C8 unauffällig.

2.3 Sozialmedizinische Stellungnahme

Herr L. ist von Beruf Maschinenbauingenieur (Hydraulikingenieur) und war bis März 2003 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Potsdam tätig und ist seit dem arbeitslos. Es ist davon auszugehen, dass er ohne zu erwartende Probleme ins häusliche Umfeld zuückkehren kann. Der Pat. ist aktuell in der Lage, die 3 Doppeltreppen zu Fuss zu bewältigen. Herr L. wird zunächst arbeitsunfähig entlassen, bei weiteren Befundverbesserungen durch ambulante Rehabilitationsmassnahmen kann der Pat. beruflich reintegriert werden.

Koordination und Feinmotorik. Verbesserung von Motorik und Koordination der UE mit KG re. allseits 5/5, li. Hüftadduktion und Hüftbeugung 4-5/5 im übrigen 5/5. AHV und BHV unauffällig. Gang und Stand sicher. Rhomberg-Stehversuch und Unterberger-Tretversuch mit diskreter Fallneigung nach li. Zehengang, Hackengang gut möglich, Seiltänzergang etwas unsicher.
MER OE li.-betont untermittellebhaft auslösbar, UE li.-betont mittellebhaft auslösbar; erschöpflicher Fussklonus li., keine Pyramidenbahnzeichen. Sensibilität bis auf Hypästhesie für Segment C8 unauffällig.

2.4 Weitere medizinische Aspekte Wegen einer Genitalmykose behandelten wir lokal antimykotisch, worunter sich die Symptomatik rasch zurückbildete. Herr L. war nach intensiver Aufklärung über medikamentöse Therapiemöglichkeiten diesen gegenüber ablehnend und hält eine prophylaktische Behandlung mit Betainterferon oder anderen Medikamenten aufgrund des unzureichenden Leidensdruckes für aktuell nicht erforderlich.

3. Nachsorgekonzept

3.1 Verordnete Hilfsmittel
Keine. 3.2. Empfehlungen weiterer Diagnostik und Therapie

Wir empfehlen das Fortführen der Therapien im ambulanten Setting, insbesondere Physiotherapie und eine weiterführende Gesprächstherapie. Darüberhinaus empfehlen wir die Weiterführung der imaginären tiefen Körpertherapie.
Im weiteren Verlauf sollten mit dem Pat. die medikamentösen Optionen erneut besprochen werden.

E - Epikrise

Wir nahmen Herrn L. am 30.06.2003 zur stat. neurologischen Reha-Behandlung auf bei einer seit 2001 diagnostizierten Encephalomyelitis disseminata. Im Vordergrund stehen eine Koordinationsstörung, Gangunsicherheit bei ataktischem Gangbild und Knieinstabilität. Herr L. wurde in eine multimodales Therapieprogramm integriert und machte in allen Bereichen gute Fortschritte. Im Rahmen der Reha-Behandlung in unserer Klinik konnte die Mobilität des Pat. verbessert, seine allgemeine Ausdauer und Belastbarkeit sowie Alltagskompetenz gesteigert werden. Wir empfehlen das Fortführen der Therapien im ambulanten Setting, insbesondere Physiotherapie und eine weiterführende supportive Gesprächstherapie. In 6 Monaten sollte eine erneute neurologische Untersuchung erfolgen.

F - Letzte Medikation: keine

Mit freundlichen Grüssen

Prof. Dr. med. J. Wissel
(Chefarzt)

Dr. med. F. Freitag
(Oberarzt)

gez. C. Gabriel
(Arzt)


Erste Veröffentlichung: 06.06.2004 Hinweise, Kommentare, Anmerkungen, Fragen? © 2004 Oliver Lenz
Letzte Änderung: 06.06.2004 Mail oder Gästebuch
http://www.cvo6.de