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"Schönsprech" in der MS-Forschung

Meine kleine Sammlung


Geschrieben von Oliver Lenz am 23. Juni 2005 14:25:01:

Als Antwort auf: Re: Statistik zu EDSS Stadien? geschrieben von daniela am 23. Juni 2005 11:45:47:

Danke für den Link. Ich kommentiere mal den Text.

GROSSE FORTSCHRITTE BEI MS-BEHANDLUNG

OL: Was ist eingentlich der Unterschied zwischen "Fortschritt" und "großer Fortschritt"? Mir persönlich würde ja "Forschritt" reichen. Aber es gibt nur "große Fortschritte". Wenn jedoch ein überflüssiges Attribut ("groß") gebraucht wird, dann meint das eher das Gegenteil. :-(

  Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, ein entzündlicher Prozess, der die Übertragung von Nervensignalen verhindert. Die Krankheit kann schubweise auftreten oder einen chronisch-fortschreitenden Verlauf nehmen. In vielen Fällen führt dies im Laufe des Lebens zu massiven Behinderungen der Betroffenen wie spastischen Lähmungen der Muskulatur, Gehbehinderungen, Koordinationsstörungen, Problemen bei der Blasenentleerung, Osteoporose und in der Folge zu Knochenbrüchen. Es gibt aber auch viele Betroffene, bei denen die Krankheit einen gutartigen Verlauf mit geringen Behinderungen nimmt, der ihnen meist ein normales Alltags- und Berufsleben ermöglicht.

OL: OK.

"Wir können den Verlauf der Multiplen Sklerose inzwischen sehr verbessern und die Symptome deutlich lindern", sagt Professor Judith Haas.

OL: Auch hier würde mir folgendes vollkommen ausreichen: "Wir können den Verlauf der Multiplen Sklerose inzwischen verbessern und die Symptome lindern." Aber so weit sind wir ja nun doch nicht. Wir verbessern "sehr", wir lindern "deutlich" - und im Klartext heißt das doch wohl eher: "Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß wir mit unserer Medikamention eine Verbesserung oder Linderung erreichen."

"Durch die immunmodulatorische Therapie können die Patientinnen und Patienten bis zu fünf Jahre gewinnen, um die beispielsweise eine Gehbehinderung herausgezögert werden kann."

OL: Wenn dem wirklich so ist, wie wäre es dann mit diesem Text: "Durch die immunmodulatische Therapie tritt eine Gehbehinderung fünf Jahre später ein." Aber was lese ich: "können...gewinnen". Vielen Dank. Ich kann auch im Lotto gewinnen, wenn ich spielen würde. Aber da sind mir z.B. die Gewinnchancen deutlich zu gering, um einen Einsatz zu rechtfertigen.

"Ein Mittel, das die Erkrankung heilt, gibt es aber bislang leider nicht." Einen enormen Fortschritt habe 1995 die Zulassung von Betaferon gebracht. "Seitdem gilt die Krankheit überhaupt erst als behandlungsfähig", sagt die Chefärztin.

OL: Enormer Fortschritt"? Ich wäre glücklich, wenn es einfache Fortschritte geben würde. Auf die "enormen" Fortschritte kann ich verzichten. Seit wieviel Jahren folgt ein "enormer Fortschritt" auf den anderen? (Ich selber verfolge das ja erst seit vier Jahren...) Die "enormen" Forschritte können mir gestohlen bleiben. FORTSCHRITTE brauche ich! Na, und das mit dem Betaferon und dem "Seitdem gilt die Krankheit überhaupt erst als behandlungsfähig" ist irgendwie krönender Abschluß. Ich würde mir statt dessen so einen Text wünschen: "Seitdem ist die Krankheit behandelbar."

Daß Frau Dr. Haas solche buttwerweichen Formulierungen verwendet hat, spricht aber eher für sie, als gegen sie. Auf diese versteckte Art ist sie ja dann doch ehrlich.

Vielleicht ist das auch einfach das "Schönsprech" der MS-Forschung. Das machen ja fast alle so.


Unser Wissen über die Multiple Sklerose (MS) nimmt explosionsartig zu. Niemand sollte MS-Kranken heute noch sagen, man könne nichts für sie tun! In den letzten zehn Jahren wurden größere Fortschritte gemacht als in den  vierzig Jahren davor.

Aus: Multiple Sklerose: Symptome aktiv lindern, 2004 TRIAS Verlag in MVS (Schering). Titel der 4. Auflage der amerikanischen Auflage: Managing the Symptoms of Multiple Sclerosis, 2003 by Demos Medical Publishing Co., Inc., New York, USA


Die Hervorhebungen sind von mir.

Eine Behandlung mit Interferon-beta kann die Häfigkeit und Schwere von MS-Schüben vermindern und das Fortschreiten einer Behinderung verzögern.
...
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass es sich dabei überwiegend um chronische Erkrankungen mit seit vielen Jahren bekannter Diagnose handeln dürfte, befindet sich immerhin rund ein Drittel der Betroffenen nicht regelmäßiger fachärztlicher Betreuung durch einen Neurologen oder Nervenarzt. Das könnte dazu führen, dass diese Betroffenen möglicherweise neuere und gut wirksame Behandlungsverfahren vorenthalten werden.
Bei den aufgrund der Antworten von rund 1000 Ärzten und 200 Krankenhäsern auf ganz Deutschland hochgerechnete Zahlen muss außerdem mit einer gewissen Dunkelziffer von MS-Kranken zu rechnen ist, die überhaupt nicht in ärzlicher Betreuung und Behandlung stehen.
...
3. Für den längerfristigen Verlauf der MS hat die überschießende Reaktion des Immunsystems eine besondere Bedeutung. Die Häufigkeit und Schwere von MS-Schüben und das Fortschreiten einer neurologischen Behinderung können durch Beinflussung dieser Immunreaktion gemindert werden (siehe S. 151). Hierzu stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Die immunsuppressiven Medikamente unterdrücken (suprimieren) ganz allgemein die zelluläre Reaktion des Immunsystems, während die immunmodulatorischen Medikamente die veränderte Immunreaktion gezielter beeinflussen (modulieren). Für die Therapie mit Interferon-beta konnte dabei nachgewiesen werden, dass die so genannten Progression (= das Forschreiten einer Behinderung) verzögert werden kann.

Aus: Behandlungsmöglichkeiten bei Multiple Sklerose, Serono GmbH


Durch intensive Forschung weiß man heute mehr über die Störungen des Immunsystems bei der MS. So konnten Arzneimittel entwickelt werden, die gezielter in den Krankheitsprozess engreifen. Die Entwicklung des Interferon beta-1b, Betaferon, ist ein Ergebnis dieses Forschritts in der Medizin.

Aus: Betaferon - ein Leitfaden, Schering Deutschland GmbH, VI. Auflage, Juli 2003


Auch eine konsequente Behandlung mit den bekannten immunmodulatorischen Medikamenten kann das Auftreten behindernder Symptome der Multiplen Sklerose (MS) häufig nicht verhindern.

Aus: "Rehabilitation hilft bei MS", aus "Aktiv", Zeitschrift der DMSG, 3/2003


Eine Frühtherapie der MS ist aus verschiedenen Überlegungen heraus sinnvoll. Die Behandlung mit Immunmodulatoren (Interferone, Glatirameracetat, Azathioprin) beeinflusst die Entzündungsaktivität der Erkrankung, die Wirkung ist insbesonders in den frühen Erkrankungsphasen am deutlichsten und einer drohenden Behinderung ist durch den frühzeitigen Schutz des gesunden Gehirngewebes mit Immunmodulatoren am ehesten vorzubeugen.

Aus: "Die Frühtherapie der Multiplen Sklerose - eine neue Chance", aus "Märkisches MS-Magazin", Zeitschrift der DMSG Landesverband Brandenburg, September 2003


Erste Veröffentlichung: 2003 Hinweise, Anmerkungen, Fragen? © 2003-2005 Oliver Lenz
Letzte Änderung: 20.07.2005 Mail oder Gästebuch
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