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Mein MS-Vortrag

Gehalten am 2.11.2006 bei der monatlichen Gesprächsrunde der Brandenburger Freidenker.

Einleitung

Etwa 130.000 Menschen leiden in Deutschland an MS. Das sind 0,1-0,2 %. Rein statistisch dürften also in Potsdam mit seinen 160.000 Einwohnern 300 Menschen mit MS sein. Das ist eine erstaunlich hohe Zahl!! Um so erstaunlicher ist es, daß über diese Krankheit so wenig bekannt ist. Mein Vortrag soll dazu dienen, diese Unwissen abzubauen.


MS - Was ist das?

MS ist bei jungen Erwachsenen die häufigste Erkrankung des Gehirns und Rückenmarks.

Multiple Sklerose heißt "viele Narben". Der Name leitet sich aus dem Bild ab, denn man findet bei MS-Erkrankten vernarbte (sklerotisierte) Stellen (Herde) in der weißen Substanz von Gehirn und Rückenmark. Diese Narben sind das Ergebnis abgeheilter Entzündungen.

Die Mediziner verwenden gerne den Begriff "Encephalomyelitis disseminata", kurz ED. Warum? Die Ärzte vermeiden den mit so viel Grauen und Vorurteilen verbundenen Begriff "Multiple Sklerose".

Die Nervenfasern (Axone) sind normalerweise von einer fetthaltgen Isolierschicht, dem Myelin, umgeben. Ohne die Myelinschicht können die Nervensignale nicht richtig fließen. Die Isolierschicht (das Myelin) wird durch entzündliche Prozesse zerstört. Es entsteht Narbengewebe, da nicht bzw. nur schlecht in der Lage ist, Nervensignale weiterzuleiten.


Was weiß man über die Ursachen der MS?

Kurz gesagt: NICHTS. Und wenn ich sage NICHTS, dann meine ich das auch so.

Einige Fakten sind bekannt:

Eine sinnvolle Theorie besagt, daß sich ein Virus in frühen Kindertagen im Körper eingenistet hat und sich als körpereigen tarnt. Später wird dieser Virus aktiv und das körpereigene Abwehrsystem attackiert ihn - und die so ähnlich aussehende körpereigene Struktur mit.

Die Mehrzahl der Mediziner ist übrigens der Meinung, daß MS eine Autoimmunerkrankung ist. Ich denke das nicht und weiß mich da mit einigen Medizinern einig. Zuviel spricht gegen die These der Autoimmunerkrankung - und zu wenig dafür.

Meist wird angenommen, daß MS multifaktoriell ist. Da diese These für alle Krankheiten unbekannter Herkunft gebraucht wird (man denke an das Magengeschwür) lehne ich diese These als faul (und zu einfach) ab.


Häufige Fragen

Ist die MS ansteckend?

Nein, das ist bewiesen. Partner von MS-Erkrankten erkranken nicht häufiger an MS, als der Durchschnitt der Bevölkerung. Im Gegenteil: Es wird sogar gesagt, daß Partner SELTENER erkranken... Ansteckend kann die MS also nicht sein.

Gibt es einen MS-Erreger und wenn ja, wer ist der Erreger?

Diese mysteriöse Erreger wurde bisher nicht gefunden. Aber viele Forscher sind der Meinung, daß es ihn gibt.

Früher wurden vorwiegend die Masernviren verdächtigt. Aktuell sind es die Herpes-Viren, und davon wieder der Epstein-Barr-Virus (Verursacher des Pfeifferschen Drüsenfiebers).

Epstein-Barr ist aus zwei Gründen im Verdacht, etwas mit der MS zu tun zu haben:

  1. ALLE MS-Patienten haben Antikörper dagegen
  2. Nach einer Infektion steigt das Risiko einer ED um das zwei- bis dreifache.

Immer häufiger wird der interessante Gedanke geäußert, daß es eine ganze Reihe von Erregern gibt, die unter besimmten Bedingungen eine MS auslösen können. Und es ist auch denkbar, daß, wenn es den Erreger gibt, er eine geringer Rolle spielt, als wir erwarten. (Siehe Petenkofer vs. Robert Koch am 7.10.1892.)

Ist die MS erblich?

Nein. Wenn wir von 0,1% Grundwahrscheinlichkeit bei jedem beliebigen Menschen in Deutschland ausgehen, dann wächst diese Wahrscheinlichkeit bei einem MS-erkrankten Elternteil auf 0,5%. Wenn ein zweieiiger Zwilling MS bekommt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für den anderen Zwilling auf 3%. Bei eineigen Zwillinge beträgt das Risiko dan zwar 26%, aber für eine Erbkrankheit ist das viel zu wenig.

Allerdings können wir feststellen, daß ein Erbfaktor beteiligt sein muß, ohne daß ihm ausschlaggebende Bedeutung zukommt.

Eine engl. Studie hat übrigens ergeben, daß MS im mittleren und gehobenen Bürgertum häufiger vorkommt, als in sozial schlechter gestellten Familien.

Lebenserwartung und Schmerzen

An MS stirbt man in aller Regel nicht. Es gibt aber Quellen, wonach 10% der MS-Erkrankten, durch die MS bzw. deren Komplikationen versterben.

MS verursacht in der Regel keine Schmerzen.

Und bei mir?


Wie wird MS diagnostiziert?

  1. Symptomatik (klinisches Bild), als da sind: Mißempfindungen, Sehstörungen, Gangunsicherheit u.v.a.m. Ohne Klinik keine MS!!!
  2. Schubförmiger Verlauf (bei mir nicht)
  3. Entzündungszeichen im Liquor
  4. weiße Flecken im Kernspintomogramm
  5. Verlangsamte Nervenleitung im Sehnerv

Es gilt: 4 der 5 Kriterien, und die Diagnose ist sicher. 3 wahrscheinlich, weniger fraglich.

Die häufigsten Symptome sind

Störung Erstes Auftreten
Lähmung 44 Prozent
Gefühlsstörung 42 Prozent
Sehnerventzündung (z.B. Verschwommensehen, Sehschärfeverlust) 33 Prozent
Muskelanspannung (Spastik) 28 Prozent
Unsicherheit 24 Prozent
Augenmuskellähmung (Doppelbilder, Nystagmus) 14 Prozent
Gesichtsnervenstörung 10 Prozent
Blasen-/Darmstörung 9 Prozent
Intelligenz-/Stimmungsstörung 4 Prozent

Wie verläuft die MS?

In etwas 2/3 der Fälle führt die MS weder zur Rollstuhlabhängigkeit, noch zu einer sichtbaren Behinderung. Tendenz steigend. (Auf Grund besserer Diagnostik...)

Hauptmerkmal der MS sind die Schübe. Daß eine Krankheit in Attacken verläuft, ist Beachtung wert und läßt uns über das Gleichgewicht Abwehr/Erreger nachdenken.

Früher hat man drei Verlaufsformen unterschieden:

  1. Schubförmig
  2. Erst schubförmig, dann schleichend
  3. Von Beginn an schleichend (ca. 10%)

Aber das ist ein zu enges Korsett. MS ist die Krankheit mit den 1000 Gesichtern.


Was ist ein Schub?

Neue Symptome treten nicht schlagartig auf, aber entwickeln sich auch nicht schleichend. In der Regel entwickeln sie sich im Verlauf von Tagen und Wochen und bilden sich in einem vergleichbaren Zeitraum zurück.

Ich habe keine Schübe. Kann aber auch mit der ausgeprägten Rückenmarkssymptomatik zusammenhängen.


Wie wird die MS behandelt?

Ganz klar: Ohne Ursachenwissen ist eine sinnvolle Behandlung ausgeschlossen. Das dürfte klar sein. Und so ist es auch bei MS.

  1. Der akute Schub wird mit Cortison behandelt. (Aber: Verkürzung des Schubs, sonst nichts)
  2. Langzeittherapie mit Interferonen führt zu 1/3 weniger Schübe bzw. 30% verlangsamte Progredienz. Häh???

Jegliche aktuelle Therapie beruht auf der Maßgabe, daß MS autoimmun ist. Und prügelt auf dem Immunsystem herum (Immunsupression, Immun_modulation_). Die Erfolge der Therapie sind aber sehr bescheiden. Mich wundert das nicht. Das einzige: Der Patient und der Arzt haben das Gefühl, daß doch irgendwas getan wird.


Konkret: Wie sind MEINE Aussichten?

Schwierig. Ich habe die Krankheit nun 10 Jahre, 5 Jahre davon mit Ettikett. Von daher erwarte ich nicht, daß es große Verschlechterungen gibt. Und wenn, dann sind sie sekundär (also Folgeerscheinungen)!! Und daher auch leichter zu bekämpfen.

Ein regelmäßiges (2x pro Woche) Aufsuchen der Physiotherapie bedarf nun mal einer Selbstdisziplin, die ich nicht unbedingt habe. Denn: das macht ja kein Spaß! Und kostet Zeit! :-(


Ausflug in die Philosophie

Warum erkranken Frauen doppelt so häufig wie Männer an MS?

Habe ich einen Krankheitsgewinn?

Ganz klar: Ja.

Ich darf Streß meiden.

Ich bin Rentner.

Meine Jahreskarte für den ÖPNV kostet mit 60 EUR.

Ich muß nur noch Dinge tun, die ich für sinnvoll halte, und auf die ich Lust habe.

Die Umwelt (inkl. der Frauen) ist erstaunlich lieb und hilfsbereit.


Erste Veröffentlichung: 03.11.2006 Hinweise, Anmerkungen, Fragen? © 2006 Oliver Lenz
Letzte Änderung: 03.11.2006 Kontaktformular oder Gästebuch
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