Bescheid über Hilfsmittelantrag vom 17.08.16

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Landeshauptstadt Potsdam
Der Oberbürgermeister
FB Soziales und Gesundheit
Hegelallee 6-8
R.
Mein Zeichen: 384202.000079899

Herrn
Oliver Lenz
Carl-v.-Ossietzky-Str. 6
14471 Potsdam

17.08.2016

BESCHEID
über den Hilfsmittelantrag - Tracker One Maus-Simulator für Kopfsteuerung
Für:
Oliver Lenz, geb. am 15.05.1966

Sehr geehrter Herr Lenz,

ich lehne den von der Techniker Krankenkasse weitergeleiteten Hilfsmittelantrag, auf Kostenübernahme für eine "Tracker One Maus-Simulator" für Kopfsteuerung, ab.

Begründung

I.

Sie leiden an Multipler Sklerose. In Folge des Krankheitsfortschrittes besteht eine verschlechterte bis aufgehobene Bewegungsfähigkeit der Extremitäten. Sie sind schwerstpflegebedürftig und beziehen Leistungen der Pflegestufe 3+. Weiterhin wird ein Persönliches Budget zur Deckung eines 24-stündigen Assistenzbedarfes durch die Landeshauptstadt Potsdam gewährt.

Mit Schreiben vom 18.07.2016 hat die Techniker Krankenkasse Ihren am 05.07.2016 o.g. Hilfsmittelantrag nach § 14 SGB IX an die Landeshauptstadt Potsdam weitergeleitet.

Nach Ausführung der Krankenkasse ist das Grundbedürfnis Kommunikation bei Ihnen verbal sichergestellt und eine weitergehende Versorgung nicht möglich, da das Schreiben von Briefen oder Mails das elementare Grundbedürfnis nach Kommunikation übersteigt.

Ach. Und welches Amt verlangt von mir andauernd "Briefe und Mails"? Zuletzt Schreiben_der_LHP_vom_18.08.16 - ich bedauere, daß ich geantwortet habe...
Unten im Text wird ein Urteil eines Landessozialgerichts angeführt, wonach
gehört der Kommunikations- und Informationsbedarf über das Internet und den Computer im Allgemeinen mittlerweile zur normalen Lebensführung und betrifft daher ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens.
Ich frage mich, wie eine Kommunikation über Computer und Internet OHNE tippen Mails und Briefen möglich sein soll???

Dem Weiterleitungsschreiben war ein Rezept des Facharztes für Neurologie im St. Josefs-Krankenhaus Potsdam, Herrn A., vom 27.05.2016 für eine "Headmouse" beigefügt wie ein Anschreiben von Herrn A. vom 27.05.2016, wonach Bedienung einer "normalen" Computermaus ausgeschlossen ist und nach Prüfung eine "Headmouse" ein geeignetes Hilfsmittel sei. Der Weiterleitung war darüber hinaus ein Kostenvoranschlag für o.g. Hilfsmittel der REHAVISTA GmbH in Höhe von insgesamt 1.749,01 EUR vom 05.07.2016 beigefügt, nebst einem REHAVISTA-Beratungsprotokoll.

In Erwiderung auf mein Schreiben vom 09.08.2016 teilten Sie mir am 12.08.2016 schriftlich mit, dass Hilfsmittel zur selbstständigen Bedienung des Computers benötigt werde. Bisher habe der Assistenz längere Texte getippt. Aufgrund des Krankheitsverlaufs sei nunmehr auch für kurze Texte und einfache Klicks die Unterstützung des Assistenten erforderlich. Dem stehe aber ihr Wunsch auf Privatsphäre entgegen.

II.

Mit Weiterleitung Ihres Antrages durch die Techniker Krankenkasse wurde nach § 14 SGB IX meine Zuständigkeit begründet. Der Anspruch ist unter allen für die Leistung infrage kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen.

Das beantragte Hilfsmittel kann nach meiner Prüfung weder nach § 33 SGB V noch nach § 53 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX gewährt werden.

Es ergibt sich kein Anspruch nach § 33 SGB V. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Erforderlichen nicht überschreiten. Der Umfang des geschuldeten Behindertenausgleich bemisst sich dabei entscheidend danach, ob die Leistung des unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird.

Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Hierfür gilt ein möglichst weitgehender Ausgleich des Funktionsdefizits.

Ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich und werden deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt, sind die Krankenkassen nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgmeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zum Grundbedürfnis gehört auch die Erschließung eines geistigen Freiraums, also die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen Menschen.

Das begehrte Hilfsmittel ermöglicht Ihnen die Nutzung des Computers, in dem die Bedienung der Maus statt mit der Hand über den Kopf erfolgt. Damit wird die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht vollständig bzw. ausreichend ersetzt, sondern das Hilfsmittel wird nur benötigt, um Folgen der Behinderung in einem Teilbereich auszugleichen.

Wie?! Dann ersetzt ja ein Rollstuhl ebenfalls nicht vollständig die beeinträchtigte Körperfunktion?!? Das ist zwar zweifellos so; aber deswegen ist doch ein Rollstuhl als Hilfsmittel nicht ausgeschlossen?!

Mithin besteht nur eine Verpflichtung zu einem Basisausgleich.

Nach Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg - Urteil vom 24.08.2010 - L 11 KR 3089/09 - gehört der Kommunikations- und Informationsbedarf über das Internet und den Computer im Allgemeinen mittlerweile zur normalen Lebensführung und betrifft daher ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens.

Jedoch ist vorliegend bereits nach dem GKV-Hilfsmittelverzeichnis ein Anspruch zu versagen. Dieses Verzeichnis begründet keine zwingenden Ansprüche, dient aber der Auslegungshilfe. Unter Positionsnummer 16.99.05.5000 werden behinderungsbedingte Hardwareprodukte zur Eingabeunterstützung nur für den berechtigten Personenkreis benannt, die sich nicht oder nur unzureichend lautsprachlich verständlich äußern können.

Schließlich besteht auch kein Anspruch auf Leistungsgewährung nach § 53 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX. Nach dieser Regelung können Leistungen gewährt werden, die die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder die Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft sichern.

Grundsätzlich ist das begehrte Hilfsmittel geeignet, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft über bzw. durch den Computer zu ermöglichen. Jedoch ist nach dem vorliegenden Sachverhalt die Erforderlichkeit zu verneinen.

Im Rahmen der 24-Stundenassistenz wurden bisher längere Texte von den Assistenten übernommen. Der Umstand, das nunmehr auch kürzere Texte der Unterstützung bedürfen, begründet keine Veränderung. Insoweit ist die Teilhabemöglichkeit weiterhin gewährt und die Privatsphäre unverändert.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe … Widerspruch eingelegt werden.

Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
gez. R.

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