Beschluss des SG vom 09.11.16

Aus cvo6
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Inhaltsverzeichnis

Sozialgericht Potsdam

Az.: S 20 SO 152/16 ER

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Oliver Lenz,
Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt Dr. phil. Falko Drescher,
Helene-Lange-Straße 8, 14469 Potsdam
Az.: 111-16-D

- Antragsteller -

gegen

Landeshauptstadt Potsdam
vertreten durch Fachbereich Soziales
Gesundheit und Umwelt
der Landeshauptstadt Potsdam,
Hegelallee 6-8, 14469 Potsdam,

- Antragsgegnerin -

hat die 20. Kammer des Sozialgerichts Potsdam

am 9. November 2016

durch die Richterin am Sozialgericht H.,
b e s c h l o s s e n :

  1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller unter rechnerischer Berücksichtigung der bislang bewilligten Leistungen von monatlich 7.669,54 € (vgl. dazu den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14. Oktober 2016) ab dem 1. November 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Dezember 2016, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 8.800,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 728,00 € zu bewilligen und auszuzahlen. im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
  2. Für den Monat November 2016 hat die Bezahlung nach Bekanntgabe des Beschlusses in Form eines Barschecks an den Antragsteller zu erfolgen und für Dezember 2016 mit dem regulären Rechenlauf.
  3. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 1/3 der außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu erstatten.
  4. Dem Antragsteller wird ab dem 10. Oktober 2016 Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz beim Sozialgericht Potsdam — ohne Zahlung von Raten — unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Falko Drescher aus Potsdam bewilligt.

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Gründe:

I.

Der Antragsteller, über dessen Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 12. August 2016 ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet wurde, wobei der bestellte lnsolvenzverwalter, Rechtsanwalt W. aus Potsdam, die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat, begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets zur Deckung der Assistenzkosten des von ihm durchgeführten Arbeitgebermodells.

Der 50-jährige Antragsteller, von Beruf Dipl.-Ing. für Maschinenbau, bezieht krankheitsbedingt eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Er leidet an einer Form der multiplen Sklerose mit primär chronischem Verlauf. Es bestehen multiple Läsionen (Schädigungen, Verletzungen) der BWS und HWS, eine linksbetonte Tetraparese, schmerzhafte Streck- und Beugespastiken der Beine, deutliche Kraftminderung der Extremitäten und eine fehlende Rumpfstabilität, linksseitige Missempfindungen und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Er ist häufig schnell erschöpft und müde. Die gesundheitlichen Einschränkungen bedingen, dass der Antragsteller nicht laufen kann,

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mit seinen Armen und Händen letztlich keinerlei Gegenstände — vor allem filigrane wie Zahnbürsten u.ä. — halten kann. Dies führt dazu, dass er wegen seiner schnellen Erschöpfbarkeit mehrfach am Tage Ruhezeiten einlegen muss. Zwischenzeitlich ist er ausweislich der Feststellungen des Gutachters Dr. J. vom 27. Mai 2015 (Bl. 165 ff. der Gerichtsakte — GA — S 20 SO 40/15 ER auch nicht mehr nennenswert in der Lage, zumindest teilweise selbstständig zu essen und zu trinken; für ihn müssen abgesehen von sehr untergeordneten Eigenleistungen (z.B. tagesformabhängiges Zurechtrücken einer auf dem Tisch stehenden Tasse und durch Vornüberbeugen des Kopfes mögliches Trinken aus einem Trinkhalm sowie Ausüben von einigen Drehbewegungen der auf dem Schoß liegenden Kaffeemühle in der Horizontale etc.) dem Grunde nach sämtliche Tätigkeiten zur Bewältigung des Alltags einschließlich der pflegerelevanten Tätigkeiten stellvertretend erledigt werden. Die Durchführung der erforderlichen pflegerischen Maßnahmen ist durch häufig auftretende Spastiken bei der Berührung erschwert. Eine Fortbewegung des Antragstellers ist nur mittels eines Rollstuhls möglich.

Das Landesamt für Soziales und Versorgung erkannte dem Antragsteller einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Merkzeichen aG, G, B, H und RF zu. Die zuständige Pflegekasse (Techniker Krankenkasse) gewährt ihm entsprechend des MDK-Gutachtens vom 12. August 2013 Leistungen der Pflegestufe III. Dabei wurde ein Pflegeaufwand für Körperpflege von 158 Minuten pro Tag, für Ernährung von 77 Minuten pro Tag und für Mobilität von 251 Minuten pro Tag, insgesamt für Grundpflege von wöchentlich 56,70 Stunden und für Hauswirtschaft von 23 Stunden, somit 79,70 Stunden wöchentlich‚ festgestellt. Das Pflegegeld von monatlich derzeit 728,00 € wird direkt an den Antragsteller ausgezahlt.

Das stimmt nicht mehr. Das Pflegegeld geht an das Sozialamt. Von dort bekomme ich das Geld ausgezahlt.

Ungeachtet seiner erheblichen körperlichen Einschränkungen nimmt der Antragsteller unverändert wie auch in der Vergangenheit aktiv am gesellschaftlichen Leben teil: Er geht zur „Go-Arbeitsgemeinschaft“ in der Montessori-Schule, dem „Go-Klub" im Neuen Palais (Mittwoch) und in Spandau (Donnerstag), nimmt Bewegungsbäder, singt im Hans-Beimler-Chor in Berlin, macht Zen-Meditation und verabredet sich abends zum geselligen Beisammensein (u.a. Behindertenstammtisch, Stammtisch vom Freifunk Potsdam). Zudem ist er jeweils im Vorstand des Mietervereins Potsdam und des Fördervereins der Montessorischule Potsdam aktiv.

Ich bin nicht mehr im Förderverein aktiv. Aber dafür als Schatzmeister im Chorbeirat des Hans-Beimler-Chores.

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Der Antragsteller stellte erstmals am 20. Juli 2011 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Assistenzkosten in Form eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets. Seither ist zwischen den Beteiligten trotz diverser Fallkonferenzen, Erörterungen zum bestehenden Hilfebedarf und zahlreicher Entscheidungen der Kammer die Höhe der dem Antragsteller zu gewährenden Leistungen streitig, wobei die Antragsgegnerin im Verfahren S 20 S0 40/15 ER zusätzlich noch in Frage gestellt hatte, ob dieser überhaupt einer 24-stündigen Assistenz bedarf. Dazu hatte die Kammer in dem genannten Verfahren in Absprache mit den Beteiligten ein medizinisches Sachverständigengutachten des freiberuflichen sozialmedizinischen Gutachters (Schwerpunkt SGB V, XI und XII) Dr. med. J. mit folgenden Fragen eingeholt:

  1. ) Verfügt der Antragsteller über ein bedarfsgerechtes (behindertengerechtes) Bett? Ist dieses z.B. auch mit einer sog. Wechse1druckmatratze oder ähnlich geeigneten Matratze ausgestattet?
  2. ) Sind beim Antragsteller Mängel in der Pflege erkennbar?
  3. ) Für wieviele Stunden täglich benötigt der Antragsteller an Pflege und Betreuung (Assistenz)? Kann sich bei einer von der Antragsgegnerin angestrebten Reduzierung der Pflege- und Betreuungszeiten eine Gefahrensituation für den Antragsteller ergeben oder ist eine ununterbrochene Anwesenheit notwendig? Können die benötigten Stunden für Pflege und Betreuung z.B. durch andere Hilfsmittel (Notfallknopf, Windeln, Rollstuhlhaltesystem etc.) zumutbar reduziert werden? Ggf. in welchem Umfang?
  4. ) Gibt es in der Wohnung des Antragstellers einrichtungstechnische Gegebenheiten, die die Ausführung der pflegerischen Verrichtungen behindern oder verhindern bzw. den Antragsteller in seiner Selbstständigkeit hindern?
  5. ) Wirken sich die umfangreichen und zeitintensiven Freizeitaktivitäten (z.B. mehrstündige/mehrtägige Go-Turniere) positiv oder negativ auf das Krankheitsbild des Antragstellers aus bzw. beeinflussen diesen den körperlichen Zustand des Antragstellers nicht?
  6. ) Wäre eine stundenweise Abwesenheit des. Assistenten zumutbar und eine hierdurch entstehende Ruhephase dem Gesundheitszustand des Antragstellers dienlich?

Der Sachverständige erstattete dem Gericht das Gutachten nach vorheriger Begutachtung des Antragsteilers in der Häuslichkeit unter dem 27. Mai 2015. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen des Gutachters wird auf Bl. 165 ff. GA S 20 SO 40/15 ER

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Dieser hat sich dem festgestellten Hilfebedarf des MDK vom 12. August 2013 hinsichtlich der erforderlichen Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgungen im Sinne des SGB XI im Wesentlichen angeschlossen, aber ausgeführt, dass die formellen Kriterien für die Anerkennung eines Härtefalls erfüllt seien. Zur Frage des benötigten Assistenzbedarfs hat er folgendes ausgeführt:

„Für den Unterzeichner steht außer Frage, dass der Antragsteller einer lückenlosen, d.h. 24-stündigen Assistenz, bedarf. Dies ergibt sich allein schon daraus, dass er nicht mehr in der Lage ist, banalste Verrichtungen wie Naseputzen oder Verscheuchen einer Mücke selbständig zu tätigen. Zudem sind auch die im SGB-XI-Gutachten dargestellten grundpflegerischen Hilfebedarfe teilweise zeitlich nicht vorhersehbar, hier insbesondere (auch durch einschießende Spastik erforderliche) Positionswechsel sowie die Notdurftverrichtung.

Die Stunden können nicht reduziert werden, etwa durch Einsatz eines Notfallknopfes, Windeln oder eines Rollstuhlhaltesystems. Verzögerungen der erforderlichen Hilfestellungen, z.B. bei einschießender Spastik oder auch nur banalen Hilfestellungen wie Naseputzen, weil erst Hilfe (von außerhalb) herbeigerufen werden muss, sind unzumutbar. Abgesehen davon sehen die gängigen Hausnotrufverträge ausdrücklich keine pflegerischen Hilfen vor, sondern lediglich Notfälle. Ebenso ist der Einsatz von Windeln bei einem ansonsten nicht inkontinenten und zudem hochgradig intertrigogefährdeten Patienten unzumutbar.

Diesem Assistenzbedarf ordnen sich die sonstigen Einzelbedarfe quasi unter: Wie hoch auch immer der grundpflegerische Hilfebedarf gem. SGB-XI-Gutachten, Hauswirtschaft und Teilhabe am Leben sein mag bzw. bewertet wird, ändert dies nichts daran, dass der Antragsteller aus o.g. Gründen einer 24-stündigen Assistenz bedarf.

Es mag für den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die verschiedenen Leistungsarten (Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe) von Belang sein, welcher Anteil z.B. für eine wie auch immer geartete „angemessene“ Teilhabe am Leben aus dem entsprechenden „Topf“ ausgereicht wird, für den Antragsteller bzw. die Gesamtsumme kann dies aber kaum von Belang sein.

Wesentlich ist für ihn, aber auch den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die Kosten, dass die verschiedenen Bedarfe zeitgleich, d.h. durch ein und dieselbe Hilfskraft abgedeckt werden können, und nicht etwa, dass der Eingliederungshelfer, der den Antragsteller zu Veranstaltungen begleitet, nicht in der Lage ist, pflegerische Verrichtungen vorzunehmen, was in einem Bedarf >24 Stunden/Tag resultieren würde.“

Die Antragsgegnerin stellt den 24-stündigen Hilfebedarf des Antragstellers seit dem Beschluss der Kammer vom 25. August 2015 zum Aktenzeichen S 20 SO 40/15 ER nicht mehr in Abrede.

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In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen den Beteiligten in untunlicher Weise erheblich belastet und nach der Einschätzung der Kammer teilweise auch nicht mehr in hinreichender Weise von der gebotenen Sachlichkeit geprägt. Grund hierfür dürfte im Wesentlichen sein, dass der Antragsteller in der Vergangenheit neben den diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen auch tatsächliche oder vermeintliche Hilfe durch politische Gremien gesucht hatte, die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers häufig wechselten und die Kommunikation insgesamt zwischen einzelnen „Akteuren“ der Beteiligten wegen der dem Antragsteller vorgeworfenen fehlenden transparenten und schlüssigen Nachweisführung der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel und der aufgelaufenen Schulden gegenüber dem Finanzamt. den Krankenversicherungen, der Knappschaft und dem Soziaiversicherungsträger nicht störungsfrei verlief. Nach der Einschätzung der Kammer haben die Beteiligten zwischenzeitlich ihren Umgang miteinander professionalisiert.

Daneben ist der Antragsteller seit einiger Zeit mit zivilrechtlichen Verfahren belastet, weil ihm der Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt hat. Eine abschließende Entscheidung hat das Landgericht Potsdam - soweit ersichtlich - bislang nicht getroffen.

Zudem hat das Amtsgericht Potsdam, wie dargestellt, mit Beschluss vom 12. August 2016 über das Vermögen des Antragstellers ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet; Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt W. aus Potsdam. Dieser hat ausweislich einer E-Mail an den Antragsteller (Bl. 44 der Gerichtsakte) die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben.

Mit einem ersten Bescheid vom 23. Februar 2012 hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 1. Februar 2012 Leistungen in Form des persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell von 1.469,53 € bewilligt. Die nachfolgenden Bewilligungsbescheide und geführten Auseinandersetzungen hat die Kammer vor allem im Beschluss vom 21. Oktober 2013 zum Aktenzeichen S 20 SO 67/13 ER zusammengefasst, auf den Bezug genommen wird. Dort hatte das Gericht die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Juli 2014, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 6.500,00 € zu bewältigen und auszuzahlen.

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Mit Vergleichsbeschluss der Kammer vom 7. April 2014 schlossen die Beteiligten für die Vergangenheit sodann einen Vergleich, wonach sich die Antragsgegnerin verpflichtet hatte, dem Antragsteller für den Zeitraum von August 2012 bis einschließlich Februar 2013 ein persönliches Budget von insgesamt 2.800,00 Euro monatlich unter Anrechnung des jeweils bislang gezahlten Betrages von 2.373,14 Euro zzgl. des Pflegegeldes von 700,00 Euro zu bewilligen und zu zahlen. Für den Zeitraum ab dem 1. März 2013 bis einschließlich Juli 2014 bewilligt die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Betrag von 6.734,25 Euro für das beantragte persönliche Budget (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 700,00 Euro).

Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2014 ein persönliches Budget. Eine Zielvereinbarung schlossen die Beteiligten für diesen Zeitraum nicht mehr ab, weil die Antragsgegnerin diese nicht unterzeichnete. Stattdessen bewilligte diese dem Antragsteller mit Bescheid vom 17. Juli 2014 zur Deckung des Pflege- und Eingliederungshilfebedarfs für den Zeitraum ab dem 1. August 2014 Sachleistungen, zahlte ihm allerdings bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Leistungen in Form des persönlichen Budgets weiter. Den gegen den Bescheid vom 17. Juli 2014 erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2014 zurück. Über die am 5. Januar 2015 erhobene Klage zum Aktenzeichen S 20 SO 3/15 fand zuletzt am 19. September 2016 eine mündliche Verhandlung statt; eine Entscheidung ist noch nicht ergangen. Die Kammer hat der Antragsgegnerin im Ergebnis der Erörterungen aufgegeben, die Höhe des persönlichen Budgets unter Berücksichtigung einer täglich 24-stündigen Assistenzzeit unter Zugrundelegung eines Arbeitnehmerbruttolohns entsprechend des in der PflegeArbbV vorgesehenen Mindestentgelts von derzeit (ab dem 1. Januar 2016) 9,00 € pro Stunde für das Land Brandenburg bezogen auf die gesamte erforderliche Assistenzzeit pro Tag, d.h. unter Außerachtlassung der bisher von ihr vorgenommenen Einteilung in sog. „aktive Zeit“ und „aktive Bereitschaft“ zu berechnen. Dem ist die Antragsgegnerin nachgekommen. Danach ergibt sich, dass dem Antragsteller ein monatliches persönliches Budget von 8.665,08 € zuzüglich des Pflegegeldes von 728,00 € zustehen würde. Auf die Berechnung der Antragsgegnerin im Verfahren S 20 SO 3/15 (Bl. 406 GA) wird Bezug genommen.

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Im Übrigen hatte der Antragsteller im Februar 2015 zum Aktenzeichen S 20 SO 19/15 ER einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Weitergewährung der Leistungen für das persönliche Budget gestellt, im Rahmen der dazu geführten Erörterungen hatte die Kammer erhebliche Zweifel daran, dass der von der Antragsgegnerin für die Leistungserbringung in Form der Sachleistungen in Aussicht genommene Dienstleister, die Einzelfallhilfe-Manufaktur e.V., dazu berechtigt ist. Gleichwohl hatte der Antragsteller am 17. Februar 2015 sein Einverständnis zur Übertragung der Budgetverantwortung auf diesen Verein erklärt, da dieser einen erheblichen Teil der vom Antragsteller bislang angestellten Personen mangels ausreichenden eigenen Personals übernehmen wollte. Sodann erklärte der Verein, der zuvor als monatlichen erforderlichen Gesamtbetrag für das Budget mindestens 8.500,00 € kalkuliert hatte, nur die Eingliederungshilfeleistungen, nicht aber die pflegerischen Leistungen im Rahmen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets zu übernehmen. Das Vertragsverhältnis kam somit nicht zustande. Daraufhin nahm die Antragsgegnerin mit der Pflegestation „Am Luisenpiatz“ Kontakt auf, damit diese ab Anfang März 2015 die Leistungen entsprechend des letzten MDK-Gutachtens erbringt.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2015 verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin im Verfahren S 20 SO 19/15 ER, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis einschließlich 31. März 2015 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 7.000,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 700,00 € [richtig wäre allerdings 728,00] zu bewilligen und auszuzahlen. Die dagegen von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde verwarf das LSG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 7. Mai 2015 als unzulässig (L 15 SO 121/15 B ER).

Auf seinen erneuten Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Weitergewährung des persönlichen Budgets im Verfahren S 20 SO 40/15 ER verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 25. August 2015 dem Antragsteller unter rechnerischer Berücksichtigung der aufgrund der Hängebeschlüsse der Kammer vom 28. April 2015 und 26. Juni 2015 bereits ausgezahlten Beträge ab dem 1. April 2015 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. November 2015, monatlich einen Betrag für das beantragte

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persönliche Budget von 7.0000,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 728,00 €) zu bewilligen und auszuzahlen.

Schließlich schlossen die Beteiligten zum Verfahren S 20 SO 155/15 ER, das der Antragsteller im Oktober 2015 ebenfalls mit dem Ziel der Verpflichtung zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen i.R.d. persönlichen Budgets in Höhe von 8.532,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes) geführt hatte, am 2. Dezember 2015 einen Vergleich. Darin erkannte die Antragsgegnerin den Anspruch des Antragstellers auf die Gewährung eines persönlichen Budgets in Form des Arbeitgebermodells für Dezember 2015 teilweise in Höhe von 7.184,58 € (7.912,58 € abzüglich 728,00 €) und weiterführend ab Januar 2016 unter Berücksichtigung der Änderungen in der ab dem 1. Januar 2016 gültigen Pflegearbeitsbedingungsverordnung und der Änderungen der Sozialversicherungsbeiträge an. Der Antragsteller verpflichtete sich zum Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung. Die Beteiligten waren sich gem. Ziffer 4. des Vergleichs darüber einig, dass der Abschluss der Zielvereinbarung keine Bindungswirkung für die endgültige Höhe des persönlichen Budgets enthält.

Am 11. Februar 2016 unterzeichnete der Antragsteller eine Zielvereinbarung mit der Antragsgegnerin mit einer Gültigkeit für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016.

Mit einem weiteren Beschluss der Kammer vom 26. Mai 2016 zum Aktenzeichen S 20 SO 16/16 ER verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin, dem Antragsteller unter rechnerischer Berücksichtigung der bislang bewilligten Leistungen von monatlich 8.066,76 € ab dem 1. Februar 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Oktober 2016, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 8.500,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes)zu bewilligen und auszuzahlen. Obwohl das Gericht - wie bereits in diversen vorherigen Verfahren auch - der Antragsgegnerin mit Blick auf die nach wie vor bestehenden und eine endgültige Beilegung des Rechtsstreits verhindernden Differenzen betreffend die Frage, ob im konkreten Fall eine Differenzierung der Assistenzzeiten in sog. „aktive Arbeitszeit“ und — weniger vergütete — „aktive Bereitschaftszeit“ zulässig ist, geraten hatte, die Entscheidung vom LSG im Rahmen einer Beschwerde überprüfen zu lassen, wurde auch dieser Beschluss wieder rechtskräftig, während sie im

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Verfahren S 20 SO 3/15 an ihrer bisherigen Auffassung zu der streitgegenständlichen Problematik festhält.

Der Antragsteller hat am 10. Oktober 2016 erneut einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung gestellt. Mit dieser verfolgt er sein Begehren auf Gewährung höherer Leistungen im Rahmen des ihm derzeit gewährten persönlichen Budgets weiter. Er macht geltend: Das Vorgehen der Antragsgegnerin, die Leistungen in Arbeitszeit und aktive Bereitschaftszeit zu unterteilen, sei unzulässig. Der tatsächliche Aufwand von sechs Stunden werde auf diese Weise fiktiv reduziert, so dass nur 4,2 Stunden bezahlt würden. Auf diese Weise werde der Mindestlohn unterschritten. Die Regelungen der 2. Pflegearbeitsbedingungsverordnung würden für ihn nicht gelten. Insbesondere führe er keinen Pflegebetrieb. Er sei mit Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam verpflichtet worden, einer bei ihm tätigen Assistentin die dem Mindestentgelt nach § 2 der 2. PflArbbv entsprechende Vergütung sowie einen 20%igen Zuschlag für die Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 i.V.m. § 2 Abs. 3 ArbZG zu zahlen. Aufgrund der andauernden Unterdeckung des Budgets sei er nicht in der Lage gewesen, seinen Arbeitgeberpflichten u.a. hinsichtlich der Krankenkassenbeiträge nachzukommen. Daher sei ein Regelinsolvenzverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Dabei entstehe ein erheblicher Mehraufwand bei den Regiekosten. Aufgrund des unzureichenden Budgets komme es zu neuen Schulden und weiteren Problemen (Kündigungen von Assistenten, arbeitsgerichtlicher Streit, Strafverfahren). Die Antragsgegnerin habe seinen Antrag vom 11. August 2016 auf Durchführung einer Büdgetkonferenz abgelehnt. Ihm entstünden monatliche Kosten von voraussichtlich 11.658,96 €. Auf seine diesbezügliche Kalkulation (Bl. 48 GA) werde Bezug genommen. Die Sache sei auch eilbedürftig, weil schon mit Ablauf des Monats Oktober 2016 seine Versorgung nicht mehr gewährleistet sei.

Er beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm unter rechnerischer Berücksichtigung der bislang bewilligten Leistungen von monatlich 8.066,76 € ab dem 1. November 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Dezember 2016, monatlich einen Betrag für das persönliche Budget von 11.658,96 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes) zu bewilligen und auszuzahlen.

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Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie macht im Wesentlichen geltend: Es läge weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Grundlage für ihre bisherigen Zahlungen an den Antragsteller seien die jeweiligen Eilbeschlüsse des Sozialgerichts gewesen. Um dem weiteren Fortschreiten der Erkrankung des Antragstellers und dem damit verbundenen zunehmenden Verlust seiner körperlichen „Stabilität Rechnung zu tragen, gehe sie für den Zeitraum ab dem 1. November 2016 davon aus, dass sein Assistenzbedarf bei 20 Stunden (voll zu vergütender) Arbeitszeit und 4 Stunden (entsprechend § 2 PflegeArbbV in Höhe von 25% zu vergütender) Bereitschaftszeit vollständig zu decken sei. Zuzüglich des Pflegegeldes stünde ihm dann ein Budget von monatlich 8.397,54 € zur Verfügung. Soweit der Antragsteller zwischenzeitlich selbst die PflArbbV als Grundlage für die Kalkulation für anwendbar halte, enthalte diese neben der Festlegung des zu zahlenden Mindestlohnes in der Pflegebranche aber auch Regelungen zur Vergütung von Bereitschaftszeiten. Nach ihrer Auffassung entstünden im Rahmen seiner „Rund-um-die-Uhr“-Betreuung auch Zeiten, in denen die Assistenten schlafen bzw. ruhen, zumal diese, wie beispielsweise die Assistentin Frau W., ihn von Mittwoch bis Freitag durchgängig betreuten. Während dieses Zeitraumes gebe es auch Zeiten, in denen die Assistenten schlafen würden. Dies habe er im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens, in dem er eine sog. Kopfmaus begehre, selbst eingeräumt. Auch in dem zivilgerichtlichen Verfahren betreffend die Kündigung seiner Wohnung habe er die Notwendigkeit eines Assistenzzimmers für Schlafens/Ruhezeiten vorgetragen. Der Rückgriff auf die Regelungen der 2. PflArbbV sei auch erforderlich, um Ungleichbehandlungen mit anderen Potsdamer Arbeitskräften in der Pflegebranche (z.B. in Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten) zu verhindern. Eine Vollarbeitskraft hätte demnach im Monat insgesamt 208 Stunden zu leisten, davon 173,3 Stunden Vollarbeitszeit und 34,6 Stunden Bereitschaftszeit. Da die Bereitschaftszeit zusätzlich zur Vollarbeitszeit bezahlt werde, würde der Mindestlohn nicht unterschritten. Sie halte zudem an ihrer Auffassung fest, wonach die unverhältnismäßig hohen Regiekosten, die der Antragsteller an den Büroservice O. zahle, nicht berücksichtigungsfähig seien. An diesen entrichte er teilweise bis zu 1.000,00 € monatlich. Der Büroservice beanspruche eine Stundenvergütung von

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50,00 € pro Stunde. Auch seien weitere Positionen wie der Ansatz von 34 Urlaubstagen bei einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 24 Tagen, der Insolvenzzuschlag oder die Höhe der Kosten der Begleitperson nicht nachvollziehbar. Die Notwendigkeit von Assistenzen beim Bewegungsbad erschließe sich ihr nicht; sie gehe davon aus, dass neben dem Therapeuten eine Assistenz ausreichend sei.

Im Budgetgespräch am 25.10.16 war das ein Thema. Sie konnten sich nicht vorstellen, warum zwei Assistent*innen erforderlich sind. Nach dem Gespräch waren sie überzeugt! Denn: Der Therapeut kann mich im Wasser nicht unterstützen, denn es sind ein bis zwei weitere Leute im Becken. Aber schon gar nicht kann er mir beim Umziehen helfen! Assistenz 1 stellt mich hin, Assistenz 2 trocknet mich ab. Anders geht es nicht, wenn ich nicht naß nach Hause fahren will!

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der diversen Gerichtsakten der in der Vergangenheit hier geführten Verfahren (z.B. zuletzt S 20 SO 40/15 ER; S 20 SO 155/15 ER, S 20 SO 16/16 ER) und die Gerichtsakte zum jetzt entschiedenen Verfahren sowie auf den Inhalt des umfangreichen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin (4 Aktenordner und diverse Widerspruchsordner) Bezug genommen.

II.

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen war er abzuweisen. insbesondere ist der Antragsteller auch zur Führung des Verfahrens berechtigt. Denn der Insolvenzverwalter hat ausweislich einer an den Antragsteller gerichteten E-Mail (Bl. 44 der Gerichtsakte) seine selbstständige Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben.

Der Antragsteller hat einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihm ab dem 1. November 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Dezember 2016, Leistungen von monatlich 8.800,00 € unter Außerachtlassung der Leistungen der Pflegekasse von derzeit 728,00 € in Form des persönlichen Budgets gem. 5 57 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) — Sozialhilfe — i.V.m. §§ 53 ff. und 61 ff. SGB XII und dem SGB IX — Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen —‚ insbesondere § 17 SGB IX, gewährt und auszahlt. Eine zeitlich darüber hinausgehende Bewilligung der Leistungen kam hingegen nicht in Betracht und hat der Antragsteller auch nicht beantragt, weil die zwischen den Beteiligten geschlossene Zielvereinbarung nur bis zum 31. Dezember 2016 gültig ist und nach

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herrschender Auffassung in der Rechtsprechung die Gewährung eines persönlichen Budgets nur dann in Betracht kommt, wenn eine solche Zielvereinbarung vorliegt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das. Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen. wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint, wobei Anordnungsanspruch - das zu sichernde Recht — und Anordnungsgrund - die besondere Eilbedürftigkeit — glaubhaft zu machen sind, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO —. Der Beweismaßstab im Verfahren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen des Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet.

Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren —— wie hier — vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt. Dies gilt auch, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten ist. Zudem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich. so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR/02). Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Ge-

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währleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern.

Gemessen an diesen Grundsätzen war hier im Rahmen einer Folgenabwägung zu Gunsten des Antragstellers in dem tenorierten Umfang zu entscheiden. Derzeit spricht mehr dafür als dagegen, dass dieser einen höheren als ihm derzeit von der Antragsgegnerin bewilligten Anspruch in Höhe von 7.669,54 € zuzüglich des Pflegegeldes von 728,00 €, somit von 8.397,54 €, auf Gewährung von Leistungen nachdem SGB XII im Rahmen des persönlichen Budgets hat.

Die Sache ist eilbedürftig, weil der Antragsteller zur Aufrechterhaltung seines hohen Bedarfes an Hilfe zur Pflege und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (Teilnahme am Go-Club, Chormitgliedschaft, Mediatationskurs, Teilnahme am Behindertenstammtisch, Vorstandstätigkeit im Mieterverein Potsdam und der Montessori-Schule Potsdam etc.) dringend auf die Bewilligung und Auszahlung des begehrten Geldbetrages in Form des persönlichen Budgets angewiesen ist, zumal er ungeachtet des gegen ihn eröffneten Regelinsolvenzverfahrens als Arbeitgeber die laufenden Gehaltskosten für mehrere Angestellte einschließlich der Sozialversicherungsabgaben pünktlich zu leisten hat. Dem ist er in der Vergangenheit schon deshalb nicht gerecht geworden, weil es durch die Vielzahl der geführten Verfahren und deren Laufzeiten praktisch dauernd zumindest zu verzögerten Auszahlungen des Budgetbetrages gekommen ist. Ohne die Regelung bestünde die Gefahr, dass die von ihm benötigten Assistenzleistungen nicht realisiert werden können, weswegen das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache mit Blick auf sein Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG zurückzutreten hat.

Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX, 60 SGB XII‚ § 22 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-VO), auf ergänzende Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII sowie ein Anspruch auf das Pflegegeld gem. § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 c Elftes Buch Sozialgesetzbuch — Soziale Pflegeversicherung — (SGB XI) zu. Denn er gehört aufgrund der in den Gründen zu I. genannten schwerwiegenden Erkrankungen unstreitig zum Kreis

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der Leistungsberechtigten nach §§ 53 ff. SGB XII. Er ist behindert im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, d.h. er ist wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt, weil seine körperlichen Funktionen und geistigen Fähigkeiten länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich auch, dass dem Antragsteller die Leistungen in Form eines (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets gem. §§ 57, 61 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII, § 35a SGB XI i.V.m. den §§ 17 Abs. 2 bis 4, § 159 Abs. 5 SGB IX, 55 1 ff. BudgetV (und nicht als Sachleistungen) zu gewähren sind. Insbesondere haben die Beteiligten hier im Rahmen eines Bedarfsfeststellungsverfahrens eine Zielvereinbarung mit einer Gültigkeit für den Zeitraum vom 1.Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 abgeschlossen (vgl. § 17 Abs. 3 S. 3 und 4 SGB IX, @ 3 Abs. 3 und 4 der Budgetverordnung). Diese enthält nach § 4 Abs. 1 S. 2 Budgetverordnung Regeln über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs und die Qualitätssicherung. Im Verfahren S 20 SO 155/15 ER haben sich die Beteiligten vergleichsweise auch ausdrücklich darauf verständigt, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung keine Bindungswirkung für die endgültige Höhe des persönlichen Budgets enthält (vgl. Ziffer 4.). Diese Regelung war erforderlich, um mit Blick auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten zur Berechnung der Leistungshöhe sicherzustellen, dass der Anspruch des Antragstellers auf das persönliche Budget nicht schon deshalb entfällt, weil eine entsprechende grundsätzliche Zielvereinbarung nicht abgeschlossen wurde.

Streitig ist somit noch die Höhe der dem Antragsteller im Rahmen des persönlichen Budgets zu gewährenden Leistungen, insbesondere, ob die Antragsgegnerin zur Berechnung berechtigt ist, die Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. PflegeArbbV) zur Anwendung zu bringen und die Assistenzleistungen in sog. „aktive Arbeitszeit“ und „aktive Bereitschaftszeit“ zu unterteilen. Dies hätte für den Antragsteller zur Folge, dass die Antragsgegnerin ihm lediglich die tatsächlichen Arbeitszeiten seiner Assistenten mit 100 % eines Stundenlohnes von 9,00 € Arbeitnehmerbrutto und 10,93 € Arbeitgeberbrutto vergütet (jetzt 20 Stunden pro Tag), während sie die übrigen Anwesenheitszeiten der Assistenten (4 Stun-

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den) mit 25 % des genannten Stundenlohnes veranschlagt hat. Auf die Berechnung auf Bl. 77 der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Sie hat sich in der Vergangenheit für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des SG Dortmund vom 26. März 2012 — S 62 SO 5/10 — zit. nach Juris — berufen. in dieser Entscheidung hatte das Gericht die vom dortigen Beklagten angewandte Rechenmethode, die im Grundsatz von einer individuellen Bedarfsfeststellung ausgehend eine Differenzierung zwischen Nachtwache/Nachtbereitschaftszeiten und Arbeitszeiten vorgenommen hatte, nicht beanstandet, wobei dort — soweit der Kammer ersichtlich — Zeiten der Nachtwache/Nachtbereitschaft mit 50 % des Stundenlohnes vergütet wurden und die gezahlten Stundensätze jedenfalls hinsichtlich der Eingliederungshilfeleistungen deutlich über den hier eingestellten Arbeitsentgelten lagen.

Der Antragsteller bedarf über einen Zeitraum von täglich 24 Stunden der Assistenz. Dies hatte der Sachverständige Dr. med. J. in dem im Verfahren S 20 SO 40/15 ER vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten vom 27. Mai 2015 zweifelsfrei festgestellt und auch begründet, warum die Aussage des Pflegedienstes „Herbstzeit“, wonach drei Einsätze zu vier Stunden sinnvoll, praktikabel und ausreichend sein sollen, „völlig unhaltbar“ sei. Insbesondere würde eine solche Versorgung innerhalb kürzester Zeit zu massiven Pflegedefiziten und damit gesundheitlichen Schäden führen. Der Umfang des Assistenzbedarfes wird zwischenzeitlich von der Antragsgegnerin auch nicht mehr bezweifelt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gutachter erwartbar dargestellt hatte, dass die Wohnung des Antragstellers nicht behindertengerecht ist (3. Stock ohne Aufzug; Badewanne nicht behindertengerecht, zum Wohnraum sind zwei Stufen zu überwinden) und somit die pflegerischen Verrichtungen selbstverständlich erschwert werden. Diesbezüglich hat er allerdings weiter ausgeführt, dass dies betreffend den Assistenzbedarf keine Relevanz hat, da der Antragsteller auch in einer vollständig behindertengerechten Wohnung der 24-stündigen Assistenz bedürfen würde und derzeit aus der Wohnsituation keine Pflegedefizite entstanden sind. Gleiches gilt für das vom Antragsteller verwendete Pflegebett mit einer Matratze aus Weichlagerungsmaterial. Auch insoweit lassen sich nach der überzeugenden Darstellung des. Gutachters keine „Einsparmöglichkeiten“ im Assistenzbedarf erzielen. Denn auch bei einer anderen Matratze wäre er nicht mehr in der Lage, sich eigenständig im Bett umzulagern, so

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dass „so oder so Hilfebedarf bei Lagerungswechseln im Bett besteht. Zudem sei er stark dekubitusgefährdert." Soweit theoretisch der Einsatz einer Wechseldruckmatratze in Betracht käme, habe der Antragsteller dem Gutachter nachvollziehbar dargelegt, dass bei der ausprobierten Wechseldruckmatratze bereits geringe taktile Reize zu Spastiken insbesondere der Beine geführt hätten. Der Gutachter hat auch keine Pflegedefizite festgestellt; auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kammer im Beschluss zum Verfahren S 20 SO 40/15 ER wird Bezug genommen.

Im hiesigen Verfahren hat die Antragsgegnerin auch nicht mehr den Vorwurf aufrechterhalten, der Antragsteller sei unzuverlässig.

Ausgehend von dem 24-stündigen Bedarf des Antragstellers für Assistenzleistungen wird die Kammer im Hauptsacheverfahren abschließend zu entscheiden haben, in welcher Höhe das monatliche persönliche Budget konkret zu bemessen ist. Im Rahmen der hier vorgenommenen Folgenabwägung spricht vieles dafür, dass die von der Antragsgegnerin für ihre Berechnung in Bezug genommene 2. PflegeArbbV‚ welche nach § 2 Abs. 3 eine Unterteilung in Arbeitszeiten und Bereitschaftszeiten zuließe bzw. sogar erforderlich machen könnte, für die Berechnung der Höhe des dem Antragsteller zu gewährenden persönlichen Budgets nicht anzuwenden ist. Denn dieser führt schon keinen Pflegebetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. PflegeArbbV.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. PflegeArbbV sind Pflegebetriebe Betriebe und unselbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pffegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Satz 3 der 2. PflegeArbbV nimmt denn des Weiteren eine Negativdefinition vor, welche Einrichtungen keine Pfiegebetriebe sind, nämlich solche, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser.

Hier erfüllen aber weder der Antragsteller noch seine angestellten Assistenzkräfie die Voraussetzungen des Geltungsbereichs der 2. PflegeArbbV. Der Antragsteller schon

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deshalb nicht, weil er keine der in § 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. PflegeArbbV genannten Leistungen erbringt, sondern diese gerade von seinen Assistenzkräften in Anspruch nimmt. Die Assistenzkräfte werden aber wiederum auf der Basis von Einzelverträgen mit dem Antragsteller für diesen tätig, weshalb diese keinerlei betriebliche Organisationsstruktur aufweisen.

Auch im Zusammenhang mit den Regelungen in Absatz 2 und 3 der 2. PflegeArbbV wird deutlich, dass diese Regelungen im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Angestellten keine Anwendung finden dürften. Denn mit der Formulierung in § 1 Abs. 3, wonach „diese Verordnung nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Pflegebetriebe in folgenden Bereichen gilt“, die dann einzelnen aufgeführt werden; wird klar, dass die dort genannten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen Angestellte eines — hier nicht bestehenden — Pflegebetriebes sein müssen, mithin sowohl ein Pflegebetrieb gegeben sein muss als auch die Arbeitnehmer die in der Verordnung genannten Voraussetzungen erfüllen müssen. Erst bei einem kumulativen Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ist der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet, was hier — wie dargestellt — nicht der Fall ist.

Auch eine analoge Anwendung der Regelungen der Regelungen der 2. PflegeArbbV auf die Budgetberechnung des Antragstellers kommt nicht in Betracht. Das würde voraussetzen, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die ausfüllungsbedürftig ist. Das ist aber nicht der Fall. Hinweise darauf, dass der Verordnungsgeber im Jahre 2014 bei Erlass der 2. PflegeArbbV die Fälle des seit Mitte der 2000er Jahre existierenden persönlichen Budgets in der Anwendungsbereich mit aufgenommen hätte, liegen nicht vor. Die Annahme einer Regelungslücke drängt sich auch schon deshalb nicht auf, weil die Gestaltungsmöglichkeiten eines persönlichen Budgets über die rein pflegerische Versorgung, deren Mindestentgelt sich sicherlich über pau— schale Festlegungen (getrennt nach Gebieten der alten und neuen Bundesländer) brauchbar erfassen lässt, schon mit der Einbeziehung von Eingliederungshilfeleistungen, die — je nach Qualifikation der ausführenden Kraft — deutlich höhere Stundenlöhne erforderlich machen, zu vielfältig sind, als dass sie pauschal festgelegt werden könnten. Einer solchen Regelung bedarf es auch nicht, weil damit die für die Betroffenen erforderlichen und gesetzlich gewollten Gestaltungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt würden.

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Damit verbleibt es für die Bestimmung des Umfangs und der Höhe des (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets bei den Regelungen des § 57 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 3 SGB IX. Dach werden persönliche Budgets in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich (§ 17 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Gem. § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX werden persönliche Budgets auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das persönliche Budget zu erbringenden, Leistungen nicht überschreiten.

Ansatzpunkt der Höhe des festzulegenden persönlichen Budgets muss daher die Höhe des vom Antragsteller mit seinen Mitarbeitern vereinbarten Arbeitsentgelts sein, soweit dieses nicht evident von den regional und branchenüblichen Löhnen abweicht. Das ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller hat mit den diversen Mitarbeitern Verträge vereinbart, die unterschiedliche Stundenlöhne (8,50 € bzw. 9,00 € Arbeitnehmerbrutto) aufweisen. Zuletzt hat er in den Arbeitsverträgen auf die „Entlohnung entsprechend den Vorgaben der Landeshauptstadt Potsdam“ verwiesen (vgl.z.B. den Arbeitsvertrag vom 16. Oktober 2015 mit FF), wobei er damit die Höhe der Mindestentgelte der 2. PflegeArbbV meinen dürfte, auf die sich die Antragsgegnerin in der Vergangenheit stets berufen hat. Die Inbezugnahme der Höhe der Mindestentgelte nach der 2. PflegeArbbV ist auch deshalb nicht zu beanstanden,weil sie zumindest einen Anhaltspunkt dafür liefern, in welcher Höhe Mindestarbeitsentgelte für die Tätigkeiten zu Gunsten des Antragstellers, die schon mit Blick auf das Ausmaß seiner schwerwiegenden körperlichen Behinderungen zu einem großen Teil im Bereich der Pflege und Aktivierung liegen dürften, zu zahlen sind. Gesetzliche Untergrenze ist lediglich der ab dem 1. Januar 2015 allgemein geltende Mindestlohn von 8,50 € brutto für jede geleistete Arbeitsstunde.

Schon daraus folgt, dass es sich ungeachtet dessen, dass die langjährige „Hauptmitarbeiterin“ des Antragstellers, SW, dem Gericht in vergangenen Verfah— ren bereits überzeugend dargestellt hat, dass auch während der Nachtzeiten für den Antragsteller keine nennenswerten „Arbeitsleerläufe“ entstehen, weil dieser regelmä-

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ßig maximal zwei Stunden am Stück schlafe, verbietet, eine von der Antragsgegnerin vorgenommeine Aufteilung der Arbeitszeit der Assistenten in „Arbeitszeit“ und sog.„aktive Bereitschaftszeit“ im konkreten Fall zuzulassen, weil damit hier zwingend eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 € brutto durch den Antragsteller verbunden wäre, zumal die Antragsgegnerin nunmehr entgegen früherer Zugeständnisse, wonach sie als Ergebnis der diversen Erörterungen zu dieser Frage die Zeiten der Nachtbereitschaft gegenüber früheren Berechnungen erheblich verkürzt und dabei die Höhe des angenommenen Entgelte auf 70 % festgelegt hatte, diese nunmehr wieder — wie schon vor Jahren — auf 25 % festgesetzt hat.

Soweit die Antragsgegnerin in diesem Verfahren vorgetragen hat, dass die Regelungen der 2. PflArbbV hierin Gänze auf die Berechnung des persönlichen Budgets für den Antragsteller anzuwenden wären, um Ungleichbehandlungen mit anderen Potsdeiner Angestellten in Pflegeheimen und bei ambulanten Pflegediensten zu vermeiden, zumal die aktiven Bereitschaftszeiten entsprechend — hier mit 25 % des Stundensatzes — vergütet würden, folgt die Kammer dem nicht. Denn der Antragsteller hat, soweit ersichtlich — arbeitsvertraglich mit keinem seiner Assistenten derartige Bereitschaftszeiten über die regulären Arbeitszeiten hinaus vereinbart und er ist auch nicht verpflichtet dies zu tun, weil, wie dargestellt, die Regelungen der 2. PflArbbV auf ihn grundsätzlich nicht anwendbar sind.

Bei der Berechnung des vorläufig dem Antragsteller zu bewilligenden Budgets hält es die Kammer im Rahmen der Folgenabwägung für angemessen, die auf Anforderung des Gerichts im Verfahren S 20 SO 3/15 von der Antragsgegnerin erstellte Kalkulation unter Annahme eines vom Antragsteller — soweit ersichtlich — überwiegend gezahlten Stundenlohnes von 9,00 € Arbeitnehmerbrutto und 10,93 € Arbeitgeberbrutto zuzüglich der Lohnfortzahlung während des Urlaubs, der Berufshaft-pflicht/Unfallversicherung sowie der Regiekosten und Kosten der Begleitperson sowie Nachtzuschlägen zu Grunde zu legen, woraus sich abzüglich des Pflegegeldes ein monatlicher Betrag von 8.665,08 € ergäbe (vgl. dazu z.B. die Berechnung auf Bl.406 GA S 20 SO 3/15). Dem Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 19. Juli 2016, bei dem die Kammer allerdings vermutet, dass dieses Verfahren u.a. wegen der hier bislang vertretenen Auffassung, dass Nachtzuschläge nicht zu leisten seien, zur "Steuerung“ der Höhe des zu bewilligenden Budgets geführt wurde, ist mit der Be-

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rechnung Rechnung getragen. Denn Nachtzuschläge sind dabei im Umfang von 5.584,34 € pro Jahr eingestellt.

Den rechnerisch ermittelten Betrag von 8.665,08 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes) hat die Kammer vorliegend um einen Sicherheitszuschlag auf 8.800,00 € erhöht, weil nicht auszuschließen ist, dass mit Blick auf das Insolvenzverfahren des Antragstellers in gewissem Umfang tatsächlich höhere Kosten aufgrund der erforderlichen Bereitstellung von Unterlagen an den Insolvenzverwalter anfallen.

Soweit der Antragsteller für Regie- und Begleitkosten einen deutlich höheren Betrag als aus der Berechnung der Antragsgegnerin ersichtlich veranschlagt hat, nämlich 6.000,00 € pro Jahr, folgt die Kammer dem auch in Ansehung des undatierten Schreibens des O. (Bl. 80 GA) nicht. Ein Stundenlohn von 50,00 € pro Stunde, wie ihn der Antragsteller an O. zahlt, ist völlig unangemessen im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten persönlichen Budgets und lässt sich auch nicht mit den — zweifelsohne anfallenden — vertraulichen Arbeiten in Bezug auf die bzw. das geführte Budgetkonto erklären. Gleiches gilt für den Insolvenzzuschlag ? von 4.800,00 € pro Jahr. Denn es ist vornehmlich die Aufgabe des Insolvenzverwalters. sich die für das Insolvenzverfahren erforderlichen Unterlagen zu beschaffen; die dafür erforderlichen Kosten werden diesem entsprechend vergütet.

Die eingestellten Kosten der Begleitung lassen sich der Höhe ebenfalls nicht nachvollziehen, insbesondere nicht für das von der Krankenkasse bewilligte Bewegungsbad. Insoweit ist es Aufgabe der Krankenkasse sicherzustellen, dass die Therapie regelgerecht erfolgen kann. Der Kammer ist auch nicht ersichtlich, dass für die Durchführung mehrere Assistenten erforderlich sein sollten.

Das Thema ist durch. Die LHP hat sich die Sache am 25.10.16 erläutern lassen und den Bedarf anerkannt.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kann es auch dahinstehen, ob die Leistungshöhe nach einzelnen Bedarfen (Eingliederungshilfe/Teilhabeleistungen bzw. Hilfe zur Pflege) aufzuteilen wäre, zumal der Antragsteller auch in seinen Arbeitsverträgen hinsichtlich der zu zahlenden Arbeitsentgelte eine entsprechende Differenzierung nicht vornimmt.

Mit Blick darauf, dass es den Beteiligten neben der Höhe des zu bewilligenden per-

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sönlichen Budgets vorrangig um die Klärung der Frage geht, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, die von ihr seit Jahren in Bezug genommene 2. PflegeArbbV dem Grunde nach anzuwenden und daraus resultierend eine Unterteilung in „Arbeitszeiten“ und „aktive Bereitschaftszeiten" durchzusetzen, hält die Kammer es für vertretbar, für den tenorierten Zeitraum eine Pauschalisierung in der genannten Höhe von monatlich 8.800,00 € vorzunehmen, während die Einzelheiten nach Klärung der grundsätzlichen Frage der Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben sollen. Nach der Überzeugung der Kammer ist der dem Antragsteller vorläufig zugesprochene Betrag erforderlich, aber auch ausreichend. um seinen Bedarf an Assistenzleistungen abzusichern. Zusätzliche Leistungen wie Urlaubs/Weihnachtsgeld sowie Einarbeitungszeiten und Weiterbildungszeiten für die von ihm angestellten Assistenten waren bei der Berechnung der Höhe des persönlichen Budgets nicht zu berücksichtigen, weil der Antragsteller als Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, derartige Leistungen an seine Mitarbeiter zu erbringen und die Sozialgemeinschaft umgekehrt nicht für freiwillige Leistungen aufzukommen hat.

Einarbeitung ist nicht erforderlich, sondern freiwillig?! Wer bezahlt denn das, wenn sich die Assistenzen aufgrund fehlender Einarbeitung beim Umsetzten von mir den Rücken verheben??? Ich kann sicherlich vieles verbal erklären; nichts geht aber über ein praktisches Beispiel! M.a.W.: Ohne Einarbeitung KANN es nicht gehen!

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend und entspricht dem Anteil des Obsiegens und Verlierens der Beteiligten in dem Verfahren.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin—Brandenburg, Försterweg 2—6, 14482 Potsdam, zulässig. Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Sozialgericht Potsdam,Rubensstraße 8, 14467 Potsdam, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Landessozialgericht Berlin—Brandenburg, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg" in das elektronische Gerichtspostfach des jeweiligen Gerichts zu übermitteln ist. Unter der Internetadresse www.erv.brandenburg.de können weitere informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

H.
Richterin am Sozialgericht

Beglaubigt
gez. R.
Justizbeschäftigte

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