Klagebegründung zu S 28 SO 144/13

Aus cvo6
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RA Peter Klink
Lennéstr. 71
14471 Potsdam

Sozialgericht Potsdam
- 28. Kammer -
Rubensstraße 8
14467 Potsdam

Potsdam, den 20.12.2013
Mein Zeichen: 00014-13/PK/mk

In dem Rechtsstreit
Lenz, Oliver
gegen
Landeshauptstadt Potsdam
- S 28 SO 144/13 -

wird die Klage vom 26. November 2013 nun mehr wie folgt begründet:

Inhaltsverzeichnis

1.

Der Kläger leidet an einer Form der Multiplen Sklerose mit primär chronischem Verlauf. Es bestehen multiple Läsionen (Schädigungen, Verletzungen) der BWS und HWS, eine linksbetonte Tetraparese, schmerzhafte Streck- und Beugespastiken der Beine, deutliche Kraftminderung der Extremitäten und eine fehlende Rumpfstabilität, linksseitige Mißempfindungen, eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Es besteht eine häufig schnelle Erschöpfbarkeit und Müdigkeit.

Beweis: Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2012 (Anlage K1)

Diese gesundheitlichen Einschränkungen bedingen, dass der Antragsteller nicht laufen kann, mit seinen Armen und Händen kaum Sachen – vor allem

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filigrane Sachen wie Zahnbürsten u. ä. – halten und führen kann und häufig, d. h. mehrfach am Tage, Ruhezeiten wegen seiner schnelle Erschöpfbarkeit einlegen muss.

Der Kläger ist seitens des Versorgungsamtes mit einem GdB von 100 verbeschieden worden. Zudem sind dem Kläger die Merkzeichen „aG“, „G“, „B“, „H“ und „RF“ zuerkannt.

Beweis: wie vor

2.

Der Kläger stellte unter dem 20. Juli 2011 bei der Beklagten einen Antrag auf Assistenzkosten in Form eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell.

Beweis: Antrag vom 20. Juli 2011 (Anlage K2)

Unter dem 28. Juli 2011 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Antragsformular und lud zu einer ersten Fallkonferenz für den 16. August 2011 ein.

Beweis: Schreiben vom 28. Juli 2011 (Anlage K3)

Am 16. August 2011 fand bei der Beklagten eine Fallkonferenz unter Teilnahme des Klägers statt.

Beweis: handschriftliche Aufstellung der ersten Fallkonferenz vom 16. August 2011 (Anlage K4)

Am 1. September 2011 übersandte der Kläger der Beklagten seine Aufstellung für den Assistenz- und Hilfebedarf.

Beweis: Aufstellung des Assistenz- und Hilfebedarfs vom 1. September 2011 (Anlage K5)

Der Kläger teilte in seiner Aufstellung der Beklagten mit, dass er einen täglichen Hilfebedarf an Assistenz und Pflege in Höhe von tagsüber mindestens 16 Stunden und 56 Minuten hat.

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Dabei ging der Kläger zunächst von einem Pflegeaufwand von 425,2 Minuten aus, wobei er Hilfen für die Motomedbenutzung, Brille putzen, Reinigen des Rollators und der Rollstühle, Begleitung zur Physiotherapie sowie zum Arzt mit einbezogen hatte.

An hauswirtschaftlichem Zeitaufwand vermerkte der Kläger 87,2 Minuten sowie an Assistenzen für Ablage von Unterlagen diverser Vereine, Hilfe beim Schreiben vom Mails, postings und wiki-texten, Eintragungen in den Terminkalender, Leeren des Briefkastens, Erledigung der Post, Bedienung der Treppenraupe, Auf- bzw. Abbau des und Umsetzen in den Stoßheberollstuhl bzw. in den Steh-Rollstuhl nebst diversen Handreichungen 147 Minuten.

Wöchentlich kommen nach Angaben des Klägers an Assistenzen hinzu die Arbeitsgemeinschaft Go in der Montessori-Schule, der Go-Klub am Mittwoch im Neuen Palais und am Donnerstag in Spandau, Gesangsunterricht, Bewegungsbad, Singen im Hans-Beimler-Chor in Berlin, Zen-Meditation sowie abends mal ein Bier trinken. Der tägliche Aufwand hierzu beträgt 299,3 Minuten.

Monatlich kommen an Assistenzen hinzu eine Vorstandssitzung im Mieterverein Potsdam, eine Vorstandssitzung im Förderverein der Montessourischule Potsdam, eine Vorstandssitzung im Potsdamer Behindertenverband (jetzt nicht mehr), die Teilnahme am monatlichen Behindertenstammtisch, die Teilnahme am monatlichen Stammtisch vom Freifunk Potsdam. Der tägliche Aufwand hierbei beträgt 57 Minuten.

Beweis: wie vor

In der Nacht benötigt der Kläger mehrfach Hilfe beim Wasserlassen und auch beim Trinken durch Reichung der Wasser- und Urinflasche sowie bei spontan und unvermittelt einschießenden Spastiken.

Beweis: eidesstattliche Erklärung des Klägers vom 20. März 2013 (Anlage K6)

Am 28. Oktober 2011 fand beim Kläger ein Hausbesuch statt.

Beweis: Protokoll vom 28. Oktober 2011 (Anlage K7)

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Am 7. November 2011 fragte der bei der Beklagten beschäftigte Herr L. bei einer Frau S. an, auf welche Art und Weise der ermittelte Bedarf in Höhe von 50 Wochenstunden abgedeckt werden könnte.

Beweis: Anfrage vom 7. November 2011 (Anlage K8)

Eine Berechnung, auf welche Art und Weise die Beklagte auf diese 50 Wochenstunden gelangt, ist nicht beigefügt oder anderweitig zu ersehen.

Am 13. November 2011 informiert der Kläger die Beklagte, dort Frau S., darüber, dass seinerseits keine Einzelperson für eine häusliche Pflege nach § 77 SGB XI beantragt und gewünscht gewesen sei, sondern seinerseits ein Antrag auf ein trägerübergreifendes persönliches Budget gemäß § 17 Abs. 2 SGB IX gestellt worden sei.

Beweis: Nachricht vom 13. November 2011 (Anlage K9)

Am 27. Januar 2012 wird dem Kläger eine Zielvereinbarung von der Beklagten zur Unterschrift übersandt.

Beweis: Schreiben vom 27. Januar 2012 (Anlage K10)

Am 1. Februar 2012 übersandte der Kläger die unterschriebene Zielvereinbarung an die Beklagte zurück.

Beweis: Schreiben vom 1. Februar 2012 (Anlage K11)

Am 7. Februar 2012 teilt der Kläger der Beklagten mit, dass er mit den angewiesenen Beträgen seinen Pflichten als Arbeitgeber nicht nachkommen kann.

Beweis: Nachricht vom 7. Februar 2012 (Anlage K12)

Am 23. Februar 2012 erlässt die Beklagte einen Bescheid über die Hilfe für behinderte Menschen zum selbstbestimmten Wohnen nach dem SGB XII.

Beweis: Bescheid vom 23. Februar 2012 (Anlage K13)

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Grundlage der Bescheiderteilung ist unter anderem die vom Kläger unterschriebene Zielvereinbarung sowie eine Aufstellung der durch die Assistenz anfallenden Kosten bei einem angenommenen Stundensatz von 9,00 EUR brutto.

Dem Kläger werden von der Beklagten für 6 Stunden pflegerische Leistungen sowie 1,5 Stunden Teilhabeleistungen gewährt, mithin ein Gesamtumfang in Höhe von 7,5 Stunde/Tag.

Beweis: wie vor

Am 20. März 2012 erhob der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch.

Beweis: Schreiben vom 20. März 2012 (Anlage K14)

Mit Schreiben vom 23. März 2012 begründete der Kläger sodann seinen Widerspruch.

Beweis: Schreiben vom 23. März 2012 (Anlage K15)

Der Kläger teilt in seinem Schreiben vom 23. März 2012 mit, dass er mit den von der Beklagten gewährten 7,5 Stunden seinen Bedarf nicht decken könne, da er einen solchen auch nachts und nach Dienstschluss der Assistentinnen und Assistenten habe. Er habe der Beklagten bereits mitgeteilt, dass er einen Bedarf von ca. 16 Stunden/Tag belegt habe. Es sein bei der beigefügten Berechnung kein Pauschalbetrag für Krankheit oder Schwangerschaft enthalten, es seien keine Arbeitgeberanteile enthalten, zudem habe sich ein Rechenfehler bei der Berechnung eingeschlichen. Ganz unterschlagen worden seien Nachtzuschläge, im Übrigen ist der Kläger der Ansicht gewesen, dass, sofern er Leistungen nach §§ 61, 66 SGB XII beziehe, er auch automatisch Anspruch auf das zusätzliche Pflegegeld nach § 64 SGB XII hätte. Rein vorsorglich beantragte der Kläger daher zusätzliches Pflegegeld nach § 64 SGB XII.

Beweis: wie vor

Mit Bescheid vom 29. Mai 2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 23. Februar 2012 teilweise auf, als dem Antrag auf Erhöhung der Assistenzstunden, einem gekürzten Pflegegeld, einem Pauschalbetrag für

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Krankheit und Schwangerschaft und der Gewährung von Samstags-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen an allen bewilligten Stunden voll entsprochen wurde.

Beweis: Bescheid vom 29. Mai 2012 (Anlage K16)

Am 20. Juni 2012 wurde zwischen Kläger und Antragsgegner muß sicherlich "Beklagte" heißen eine neue Zielvereinbarung getroffen.

Beweis: Zielvereinbarung vom 20. Juni 2012 (Anlage K17)

Mit Bescheid vom 25. Juni 2012 wurden dem Kläger von der Beklagten nunmehr Eingliederungshilfe für täglich 2 Stunden gewährt sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege für 6 Stunden.

Beweis: Bescheid vom 25. Juni 2012 (Anlage K18)

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch mit Schreiben vom 23. Juli 2012.

Beweis: Widerspruchsschreiben vom 23. Juli 2012 (Anlage K19)

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 erweiterte der Kläger seinen Widerspruch vom 23. Juli 2012.

Beweis: Schreiben vom 31. Juli 2012 (Anlage K20)

Am 28. Juli 2012 stellte der Kläger sodann einen Änderungsantrag für das persönliche Budget als Arbeitgebermodell.

Beweis: Antrag vom 28. Juli 2012 (Anlage K21)

Der Kläger begründete seinen Antrag damit, dass er insgesamt 24 Stunden mit den von der Beklagten genehmigten 8 Stunden überstehen müsste. Der Kläger wies darauf hin, dass er noch Lohnsteuer an das Finanzamt zu überweisen hätte. Des Weiteren beantragte der Kläger mit diesem Antrag Kosten für eine Begleitperson gemäß § 22 Eingliederungshilfeverordnung.

Beweis: wie vor

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Mit Schreiben vom 3. September 2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, ein neues Gutachten vom MDK einzuholen und sich mit diesem in Verbindung zu setzen. Gleichzeitig wurden Nachweise vom Kläger eingefordert.

Beweis: Schreiben vom 3. September 2012 (Anlage K22)

Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er – spätestens seit dem 1. August 2012 – durchschnittlich täglich 15,62 Assistenzstunden habe in Anspruch nehmen müssen, wobei es auch Nachtstunden gegeben habe. Der Kläger fügte dem Schreiben sodann eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Aufgaben des/der Assistenten/in über den Tag verteilt bei.

Beweis: Schreiben vom 3. September 2012 nebst Anlage (Anlage K23)

Am 6. September 2012 fand dann zwischen dem Kläger und der Beklagten ein persönliches Gespräch statt.

Beweis: handschriftliche Notiz vom 6. September 2012 (Anlage K24)

Inhalt des Gespräches war unter anderem, dass vom Kläger die Transportkosten zu den Therapien als persönliches Budget über die Krankenkasse beantragt werden soll, ebenso sollen die Therapien selbst als Budget beantragt werden.

Am 13. September 2012 wurde im Rahmen eines Hausbesuches beim Kläger erörtert, welche Leistungen erhöht werden müssten und wie diese Leistungen zu erhöhen seien, insbesondere in der Nacht.

Beweis: Protokoll vom 13. September 2012 (Anlage K25)

Am 20. September 2012 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid über die Hilfe für behinderte Menschen zum selbstbestimmten Wohnen nach dem SGB XII in Form des persönlichen Budgets für den Kläger.

Beweis: Bescheid vom 20. September 2012 (Anlage K26)

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Danach erhält der Kläger aufgrund seines Änderungsantrages und des darin beschriebenen nächtlichen Bedarfs eine Leistungsbewilligung Eingliederungshilfe für 2 Stunden/Tag sowie Hilfe zur Pflege für täglich 8 Stunden.

Beweis: wie vor

Das Gesamtbudget soll demnach unter Einbeziehung des von der Pflegekasse zu gewährenden Pflegegeldes monatlich 2.373,14 € betragen.

Beweis: wie vor

Gegen den Bescheid vom 20. September 2012 erhob der Kläger durch seine damalige Rechtsvertretung Widerspruch.

Beweis: Schreiben vom 24. Oktober 2012 (Anlage K27)

Auf den begründeten Widerspruch hin erfolgte Seitens der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2013 die Zurückweisung des Widerspruchs.

Im Wesentlichen begründet die Beklagte die Zurückweisung des Widerspruchs damit, dass der Kläger zwar grundsätzlich dem Personenkreis des §53 Abs. 1 SGB XII und des §61 Abs. 1 SGB XII zuzurechnen sei.

Allerdings sei eine Kürzung des Pflegegeldes angezeigt, da der Kläger keine Angaben über die Verwendung des Pflegegeldes machen wolle und gemacht habe. Daher sei eine Kürzung des Pflegegeldes um 2/3 zu Recht erfolgt.

Weiterhin habe der Kläger für den Zeitraum November 2012 bis Februar 2013 nur zwei Arbeitsverträge vorgelegt. Aus denen habe sich für Frau Sabine Wohnig eine wöchentliche Arbeitszeit in Höhe von 40 Stunden ergeben, für Frau KB sei eine wöchentliche Arbeitszeit von 12,5 Stunden angefallen. Weitere Arbeitsverträge seien erst im März und April 2013 geschlossen worden. Mit dem gewährten Budget in Höhe von 2.704,65 € habe der Kläger daher auskommen können und müssen.

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Ab dem Monat Juni 2013 sei durch gerichtlichen Zwischenvergleich vom 31. Mai 2013 ein monatliches Persönliches Budget in Höhe von 5.750,00 € gewährt worden.

Im Übrigen sei in der Vergangenheit vorgetragen worden, dass der Kläger Schulden bei der Krankenkasse, beim Finanzamt sowie Privatpersonen und seinen Assistenten gehabt hätte, er habe aber trotz wiederholter Aufforderungen keine Nachweise über die Schulden der Beklagten überlassen.

Auch sei die zweckentsprechende Verwendung des Persönlichen Budget nach wie vor nicht schlüssig dargelegt und wiederholt Angestelltenverträge und Honorarverträge nicht vorgelegt worden.

3.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets im Arbeitgebermodell mindestens in dem beantragten Umfang.

Grundsätzlich setzt das persönliche Budget nach § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX einen Anspruch auf Teilhabeleistungen bzw. andere budgetfähige Sozialleistungen voraus. Der behinderte Mensch hat die Möglichkeit und das Recht, diese Leistungsansprüche in Form von Geldleistungen als Alternative zu Sachleistungen zu verwirklichen. Als Budgetnehmer erhält der behinderte Mensch die ihm bewilligten Leistungen als Geldbetrag und kann aufgrund der Zielvereinbarung selbst darüber entscheiden, wann, wo, wie und durch wen er seine der Leistung zugrunde liegenden Bedarfe deckt und wie und wodurch die vereinbarten Ziele erreicht werden.

Beim trägerübergreifenden Persönlichen Budget umfasst die Rolle des Beauftragten im gesamten Verfahren von der Beantragung bis zum Bescheid und gegebenenfalls Widerspruch und Klage sowohl die Erstellung des Bescheides über noch festzustellende Grundansprüche auf Leistungen als auch die Funktion der Ermittlung, Ausführung und Koordination der Leistungsform des Persönlichen Budgets.

3.1.

Die Ausführung des Persönlichen Budgets erfolgt dabei nach der Budgetverordnung (BudgetVO).

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Gemäß § 3 der BudgetVO unterreichtet der nach § 17 Abs. 2 SGB IX zuständige Leistungsträger (Beauftragter) unverzüglich die an der Komplexleistung beteiligten Leistungsträger und holt von diesen Stellungnahmen ein. Insbesondere werden Stellungnahmen dazu eingeholt zu dem Bedarf, der durch budgetfähige Leistungen gedeckt werden kann, unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 Abs. 1 SGB IX. Die beteiligten Leistungsträger sollen ihre Stellungnahmen innerhalb von zwei Wochen abgeben. Der Beauftragte und, soweit erforderlich, die beteiligten Leistungsträger beraten gemeinsam mit der Antrag stellenden Person in einem trägerübergreifenden Bedarfsfeststellungsverfahren die Ergebnisse der von ihnen getroffenen Feststellungen sowie die gemäß § 4 BudgetVO abzuschließende Zielvereinbarung.

Insbesondere sei an dieser Stelle noch auf die kurzfristige Durchführung des Verfahrens nach §§ 14, 15 SGB IX hingewiesen.

3.2.

Die dem Kläger zustehenden Ansprüche stellen sich – aufgrund der beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Situation – wie folgt dar:

  • Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß § 61 Abs. 2 S. 1, 3 SGB XII. Bei Schwerstpflegebedürftigkeit (Stufe III), welche beim Kläger vorliegt, hat der Kläger Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von 700,00 € sowie weitere Leistungen wie Aufwendungsersatz, Beihilfen und Alterssicherungsbeiträge, Pflegekraftübernahme, Kommunikationshilfen, Kosten von Beratung und Entlastung.
  • Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII, wobei diese Leistungen neben den Leistungen nach §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX bestehen. Hier seien insbesondere Leistungen wie Kosten der Begleitperson nach der Eingliederungs-Hilfeverordnung genannt
  • Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 26 SGB IX
  • Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 SGB IX, hier insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX. Die einzelnen, hierzu zu zählenden Leistungen, regelt § 58 SGB IX. Dort heißt es, dass die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem Hilfen

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zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen (Nr. 1), Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (Nr. 2) oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen der Art und Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend möglich ist (Nr. 3).

  • Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V für die Medikamentengabe 3 x täglich/7 x wöchentlich sowie das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe

Aufgrund der beim Kläger unstreitig vorliegenden Grunderkrankung hat er einen Anspruch auf die oben benannten Leistungen für einen Zeitraum von 24 Stunden für 7 Tage in der Woche.

Die vom Kläger der Beklagten übergebene Zeitaufstellung entspricht grundsätzlich den Ansprüchen, die der Kläger gegenüber den einzelnen Leistungsträgern hat und die ihm im Rahmen seines Antrages auf ein Persönliches Budget im Arbeitgebermodell monatlich in Form des beantragten Geldbetrages mindestens zur Verfügung gestellt werden müssen.

Dabei dürfen die Leistungen der Behandlungspflege oder Eingliederungshilfe sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht ausschließlich auf die reinen Verrichtungstätigkeiten begrenzt werden, sondern auch die notwendigen Beobachtungszeiten umfassen. Mithin darf die Beklagte nicht – wie bislang geschehen – die Kostenübernahmen auf die reinen Maßnahmen begrenzen (Urteil des BSG vom 10. November 2005, Az.: B 3 KR 38/04 R, Urteil des SG Leipzig vom 12. Februar 2004, Az.: S 13 KR 25/03). Die Behandlungspflege findet beim Kläger nicht nur punktuell statt, sondern beginnt gegen 08.00 Uhr morgens und endet in dem Augenblick, wenn der Kläger zu Bett geht. In der Nacht benötigt der Kläger wegen der bei ihm unregelmäßig, aber immer wiederkehrenden, einschießenden Spastiken ebenfalls durchgehende, wenn auch eingeschränkte, Behandlungspflege. Im Übrigen wird Bezug genommen, auf die vom Kläger bei der Beklagten eingereichten und mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung noch einmal

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eingereichten Stundenübersichten, aus denen sich der Tagesablauf des Klägers und seine Bedarfe ergeben.

3.3.

Die notwendige Höhe des monatlichen Finanzbedarfs des Klägers ergibt sich aus der anliegenden Übersicht.

Beweis: Übersicht des notwendigen Finanzbedarfs/der durchschnittlichen Lohnkosten (Anlage K28)

Dabei wird von einem Stundensatz von brutto 9,42 € ausgegangen; am Tag über 14 Stunden 100%, d. h. vollem Assistenzbedarf, sowie über einen Zeitraum von 10 Stunden 50%, da es sich hierbei um Zeiten mit eingeschränktem Assistenzbedarf handelt.

Da der Kläger an 365 Tagen Anspruch auf die oben benannten Ansprüche hat, ergibt sich ein jährlicher Bedarf in Höhe von 65.372,45 €. Hinzu kommen Einmalbezüge der Assistenten in Höhe von 50% für Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jährlich 5.447,70 €, Pauschalen für Krankheit, Einarbeitung, Weiterbildung, Feiertage und Urlaub in Höhe

von 17.898,00 € im Jahr. Weiterhin sind zu berücksichtigen die Arbeitgeberanteile für Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung in Höhe von jährlich 19.469,20 €, steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit in Höhe von jährlich 9.400,37 €, abzüglich einer Erstattung der fiktiven Lohnfortzahlungskosten in Höhe von 4.740,50 €. Letztlich sind hinzuzuaddieren die Kosten der Berufsgenossenschaft, der Unterkunftskosten, pauschalierter Regiekosten ohne Nachweise, Kosten der Lohnabrechnung (Steuerberater) sowie Kosten der Begleitperson nach §§ 22, 23 Eingliederungshilfeverordnung, mithin noch einmal zusätzliche Kosten in Höhe von jährlich 5.150,00 €. Die Gesamtkosten belaufen sich für den Kläger somit auf jährlich mindestens 118.263,22 € und monatlich 9.855,27 €.

Beweis: Sachverständigengutachten

3.4.

Der Kläger hat auch ein besonderes Interesse an der Sofortvollziehung, denn mit dem von der Beklagten mit Bescheid vom 20. September 2012

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genehmigten Betrag in Höhe von insgesamt 2.373,14 € ist es dem Kläger unmöglich, die für ihn dringend notwendigen Leistungen der Pflege, der Eingliederungshilfe, der Assistenz, der Rehabilitation, der häuslichen Krankenpflege und der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft über einen Zeitraum von 24 Stunden täglich abzudecken. Die dahinter stehende unmittelbare Gefahr für den Kläger besteht darin, dass er in Situationen, in den er sich nicht selbst behelfen kann, für den Kläger konkret Gefahr für Leib und Leben besteht (z. B. einschießende Spastiken, ohne anwesende Assistenz oder Pflegefachkraft und daraus folgende Bewegungsunfähigkeit im Rollstuhl, auf der Erde, beim Aussteigen aus dem Rollstuhl, etc.).

Im Übrigen besteht aufgrund der bislang durch die Beklagte fehlerhafte Ausführung des Antrages auf ein Persönliches Budget im Arbeitgebermodell die Problematik, dass der Kläger weder seinen Verpflichtungen auf Zahlung der Lohnsteuer für seine Angestellten noch der Abführung der Sozialabgaben für diese nachkommen kann. Auch aus diesem Grunde (Gefahr der Begehung einer Straftat durch Nichtabführung von Sozialabgaben, verursacht durch die fehlerhafte Entscheidung der Beklagte) besteht für den Kläger das besondere Interesse an möglichst zeitnahen Entscheidung durch das erkennende Gericht.

4.

Im Hinblick auf die Vorhaltungen der Beklagten, sie gewähre dem Kläger für die genannten Zeiträume das Persönliche Budget nicht in der beantragten und notwendigen Höhe hat die Beklagte selbst dafür gesorgt, dass der Kläger in diese finanzielle Schieflage geraten ist. Den Kläger immer wieder mit zusätzlichen Anforderungen und Arbeitsaufträgen, bei den bei ihm vorliegenden Behinderungen und Einschränkungen im täglichen Leben zu überziehen heißt doch für ihn, dass er in Vergangenheit zusätzliche Hilfe in Anspruch nehmen musste, um den Anforderungen der Beklagten - welche ihr nie genügten - nachzukommen. Dadurch wurde wiederum Assistenzzeiten von Mitarbeitern des Klägers gebunden, die der Kläger bei seinen weiteren Aktivitäten und gesundheitlichen Anforderungen gerne anders verwendet hätte.

Es wird daher zur Kenntnis des Gerichts hierzu überreicht die entsprechenden Unterlagen über die Dienstpläne der Assistenten des Klägers für den Zeitraum Juli 2012 bis Februar 2013 sowie

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Buchungsunterlagen für den Zeitraum 01.Januar 2012 bis 31. Dezember 2012.

Beweis: Konglomerat anliegender Unterlagen (Dienstpläne für den Zeitraum Juli 2012 bis Februar 2013 sowie Buchungsunterlagen Januar 2012 bis Dezember 2012)

5.

Es sei an dieser Stelle noch einmal - wie bereits in den Eilverfahren zu den Aktenzeichen S 20 SO 33/13 ER und S 20 SO 67/13 ER - darauf hingewiesen, dass die Beklagte für den Kläger einen 24-Stunden-Assistenzbedarf anerkannt hat.

Dieser 24-stündige Assistenzbedarf besteht für den Kläger spätestens seit September 2012.

Beweis: Sachverständigengutachten

Im Übrigen geht der 24-stündige Assistenzbedarf für den Kläger auch aus dem Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2012 hervor. Die darin getroffenen Feststellungen der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sind so gravierend, dass bereits seit September 2012 ein derartiger Assistenzbedarf besteht.

Beweis:
  1. Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2012 (Anlage K1)
  2. Sachverständigengutachten

6.

Bezüglich der Behauptungen der Beklagten, es seien nach wie vor die Verwendung von Geldern des Persönlichen Budgets nicht geklärt wird dem erkennenden Gericht überreicht Kontenauskunft für den Zeitraum vom 08. Februar 2012 bis 19. Juni 2013. Weiterhin werden die Bilanzen für den Zeitraum Januar 2012 bis einschließlich 30. Juni 2013 überreicht.

Beweis: Konglomerat von Kontenauskunft für den Zeitraum vom 08. Februar 2012 bis 19. Juni 2013 sowie die Bilanzen für den Zeitraum 2012 und 2013 (bis 30. Juni 2013) nebst Schreiben vom 11. Juli 2013 und 24. September 2012

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Insbesondere die Haltung und Darstellung der Beklagten, dem Kläger wegen angeblich nicht nachgewiesener Mittelverwendung den dringend notwendigen Bedarf des Persönlichen Budgets zu verweigern erscheint in einem besonderen Lichte vor dem Hintergrund, als Mitarbeiter der Beklagten in einer Besprechung mitteilten, dass man sehr wohl wisse, dass die Zurückhaltung von Geldern gegenüber den Betroffenen und dem Kläger, auf dem Rücken der Behinderten und Anspruchssteller und deren Angestellten ausgetragen würden. Dahinter steht - ungeachtet der eventuell vorliegenden Probleme im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter - wohl seitens der Beklagten das Kalkül, einem Berechtigten so lange so wenig an Geldern im Persönlichen Budget zu gewähren, bis dieser von selbst einsieht, dass es keinen Zweck habe, diesen Weg über die Beklagte zu gehen und er (der Betroffene und Kläger) von selbst nur noch Sachleistungen beantragen würde.

7.

Schlussendlich werden dem erkennenden Gericht überreicht die vom Kläger ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen für den Prozesskostenhilfeantrag.

Es wird um eine möglichst vordringliche Bearbeitung und Entscheidung gebeten.

Eine einfache Abschrift anbei.

Peter Klink
Rechtsanwalt

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