Klageschrift vom 20.01.15

Aus cvo6
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Leif Steinecke
Rechtsanwalt
16356 Ahrensfelde

Amtsgericht Potsdam
Hegelallee 8
14467 Potsdam

20.01.15
Az.: 4 C 249/14

Klage

des Rentners Oliver Lenz

- Kläger -

14471 Potsdam, Carl-von-Ossietzky-Str. 9

Hier liegt ein Fehler vor. Ich wohne in der Nummer 6!

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Leif Steinecke
16356 Ahrensfelde, Rebhuhnwinkel 46

gegen

die Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH - ViP

- Beklagte -

14482 Potsdam, Fritz-Zubeil-Str. 96
vertreten durch die Herren Geschäftsführer
M. G. und O. G.

wegen Schadenersatzes und Schmerzensgeldes im Folge Verkehrsunfalls.

Vorläufiger Streitwert: 4.558,00 €

  • Klageantrag Ziff. 1 4.500,00 €
  • Klageantrag Ziff. 2 58,00 €

Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde beantragen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld in vom Gericht festzusetzende Höhe, mindestens jedoch 4.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Inhaltsverzeichnis

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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 58,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten und die Kosten des Rechtsstreits.

Ich rege an, einen frühen ersten Termin zu bestimmen. Sofern das Gericht das schriftliche Vorverfahren anordnet, beantrage ich für den Fall der Fristversäumung sowie des Anerkenntnisses die Beklagte durch Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung zu verurteilen.

Begründung:

I. Anspruchsgrundlage

Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach §§ 7 StVG, 14 BeBedV, 253 und 823 BGB, weil die Beklagte ihre Sorgfaltspflichten bei der Personenbeförderung grob fahrlässig verletzte, dadurch einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem die Gesundheit des Klägers erheblich verletzt wurde.

II. Zur Person des Klägers

Der 48-jährige Kläger bezieht Erwerbsminderungsrente. Er leidet an Multipler Sklerose. Seine Bewegungsfähigkeit ist dadurch so stark eingeschränkt, dass er auf die Benutzung eines Rollstuhls (im Folgenden RS) sowie auf ständige Assistenz angewiesen ist, ein GdB von 100 festgestellt wurde und ihm die Nachteilsausgleiche aG, G, B, H und RF gewährt werden. Außerdem erhält er Leistungen nach Pflegestufe III+ (Pflegestufe 3 mit außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand).

III. Sachverhalt

Der Kläger stieg am 23.12.13, ca. 11.15 Uhr, in Potsdam, an der Station "Bahnhof Charlottenhof" in die Tram der Linie 91, Wagen-Nr. 433, Richtung stadtauswärts. Diese Tram wird durch die Beklagte betrieben. Er saß im RS und war in Begleitung von Frau S.B., die ihm wegen seiner schweren Behinderungen ständig als Assistentin behilflich ist. Ihr Fahrziel war die Station Kastanienallee/Zeppelinstraße, wo der Kläger einen vereinbarten medizinischen Behandlungstermin im Therapiezentrum P. wahrnehmen wollte.

Der Kläger und Frau B. benutzten für den Einstieg die dritte Tür des Wagens (Niederflurbahn, Typ Vario), denn dort befinden sich die Stellplätze für Rollstühle mit der sog. Prallplatte. Dort stand der Kläger mit seinem RS. Seine Assistentin betätigte langfristig vor Erreichen der Station Kastanienallee/Zeppelinstr. den Signalknopf, um dem Fahrer die Absicht anzuzeigen, dort aussteigen zu wollen. Der Kläger und seine Assistentin warteten das Halten der Tram ab und begannen unverzüglich, den RS aus der vorgeschriebenen Position an der Prallplatte heraus zu rangieren, um sich dem Ausgang zuwenden zu können. Hierfür musste er den RS mehrmals vor- und zurück setzen, was ca. 10 Sekunden dauerte. In dieser Zeit schlossen die Türen der Tram sich jedoch wieder, bevor der Kläger den Ausgang erreichen konnte, obwohl die Assistentin wiederholt den Halteknopf drückte, um ein zu frühes Anfahren der Tram zu verhindern. Als sie merkten, dass der Fahrer offensichtlich nciht die Absicht hatte, den Ausstieg des Klägers abzuwarten, schrie er "Bitte stehenbleiben!" Der Kläger bat sodann seine Assistentin, nach vorn

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zum Fahrer zu rennen, um ihm Bescheid zu sagen, dass er aussteigen möchte. Doch dann fuhr die Tram bereits los. Da der Kläger inzwischen mit dem RS, an dem die Bremsen gelöst waren, vor der Tür stand, setzte sich der RS durch die Trägheit entgegen der Fahrtrichtung in Bewegung und stieß mit erheblicher Geschwindigkeit gegen die Sitze und der Kläger stürzte aus dem RS. Dort lag er minutenlang am Boden. Der Fahrer kam hinzu. Eine Entschuldigung seinerseits erfolgte nicht. Er sagte aber, er hätte das Drücken des Haltewunschknopfes bemerkt, aber hätte auf anderes geachtet. Er war ein MAnn mittleren Alters, ca. 40 Jahre alt. Nur sehr mühsam und mit Hilfe von anderen Passagieren, des Fahrers und seiner Assistentin schaffte es der Kläger wieder zurück in den RS. An der Haltestelle "Im Bogen" stand die Tram wegen dieses Unfalls ca. 15 min. Der Kläger konnte die Tram erst an der Haltestelle "Luftschiffhafen" verlassen.

Der Kläger verpasste durch den Unfall den oben genannten Termin zur Krankengymnastik, da er wegen des Sturzes Schmerzen hatte und sich nicht mehr in der Lage sah, Termine wahrzunehmen. Er und seine Assistentin fuhren anschließend nach Hause, um sich von dem Schrecken zu erholen.

Beweis: Zeugnis Frau S. B.; B.

IV. Würdigung des Sachverhalts

Dem Fahrer war bewusst oder hätte zumindest bewusst sein müssen, dass er einen besonders schützenswerten Fahrgast beförderte.

Schutzbedürftig wäre wohl das passendere Wort.

Dennoch war die Zeit für das beabsichtigte Aussteigen des Klägers viel zu kurz. Weder das mehrfache Drücken des Halteknopfes noch die Rufe des Klägers und seiner Assistentin haben ihn veranlasst, die Tram ausreichend lange halten zu lassen.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten:

Entweder hat der Fahrer nicht in den Rückspiegel gesehen, wodurch ihm entging, dass der Kläger noch nicht ausgestiegen war und ebenso, dass die Zeugin versuchte, ihn auf diese Tatsache hinzuweisen. Oder der Fahrer hat dies zwar bemerkt, fuhr aber dennoch an, ohne dem Kläger die Möglichkeit zu geben, in Ruhe auszusteigen. Egal, welche Variante hier zutrifft, in jedem Fall gefährdet eine solche Fahrweise nicht nur die Gesundheit und das Leben von behinderten Fahrgästen, sondern auch von allen anderen. Sie verletzt insbesondere die Pflicht zur Rücksichtnahme, die ein Fahrer im Personenverkehr walten lassen muss. Grundsätzlich ist jeder Fahrer eines Kfz zu einer vorausschauenden, den Umständen angepassten, Fahrweise verpflichtet. Für die Fahrer von öffentlichen Verkehrsmitteln gelten jedoch höhere Anforderungen. Sie sind verpflichtet, an den Fahrgästen an die Haltestellen die jeweils erforderliche Zeit für das Ein- und Aussteigen zu geben. Dass Fahrgäste, die auf die Benutzung eines RS angewiesen sind, deutlich mehr Zeit benötigen – diese Selbstverständlichkeit sollte jedem Fahrer von öffentlichen Verkehrsmitteln bekannt sein. Der Fahrer dieser Tram hat jedoch diese Sorgfaltspflicht offensichtlich zumindest grob fahrlässig verletzt. Durch die viel zu kurze Zeit für den Ausstieg des Klägers verursachte der Fahrer den dann eingetretenen Unfall des Klägers. Ein Berufskraftfaher im Personenverkehr, der einen Fahrgast im RS befördert, muss stets so vorausschauend fahren, dass dieser in Ruhe aussteigen kann. Außerdem hat er vor allem bei Anwesenheit von RS-Fahrern heftiges Anfahren und Bremsen zu vermeiden.

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Die Beklagte hatte sich zunächst für dieses "erneute Vorkommnis" entschuldigt.

Beweis: Schreiben v. 30.12.13, Anlage K1

Die Formulierung "erneutes Vorkommnis" bezieht sich auf den Unfall des Klägers in einem Bus der Beklagten am 09.07.09. Auch bei diesem Unfall lehnte die Beklagte eine außergerichtliche Einigung ab, obwohl der Kläger durch eine scharfe Bremsung des Busfahrers in einer Kurve im RS sitzend stürzte und schwere gesundheitliche Schäden erlitt. Erst mit gerichtlicher Hilfe konnte der Kläger seine Ansprüche durchsetzen. Das AG Potsdam verurteilte die Beklagte unter anderem zur Zahlung von 4.000,-- € Schmerzensgeld an den Kläger.

Beweis: Urteil v. 21.03.11, Az.: 37 C 20/10, Anlage K2

Der Kläger hat sich mehrfach um eine außergerichtliche Einigung mit der Beklagten bemüht.

Beweis: Schreiben v. 03.02.14, Anlage K3
Beweis: Schreiben v. 30.05.14, Anlage K4

In dem Schreiben v. 03.02.05 heißt es:

Muß 03.02.14 heißen.
Sie teilten ihm mit, dass ihrerseits Ermittlungen durchgeführt werden. Sie hoffen, dass das Sicherheitsgefühl meines Mandanten "trotz des erneuten Vorkommnissen" nicht allzusehr beeinträchtigt wurde. Ihnen ist bekannt, dass mein Mandant zum wiederholten Mal durch die rücksichtslose Fahrweise Ihrer Mitarbeiter geschädigt wurde. Mein Mandant strebte im Rahmen der Geltendmachung seiner Ansprüche beim letzten Unfall (AG Potsdam, Az.: 37 C 20/10)vor allem an, dass Sie Konsequenzen ziehen und Ihre Mitarbeiter wirksam dahingehend unterweisen, dass Rollstuhlfahrern derartige Unfälle zukünftig erspart bleiben. Doch nun musste er einen weiteren, vermeidbaren Unfall erleben. Es war allein glücklichen Umständen zu verdanken, dass mein Mandant scheinbar keine schwerwiegenden, gesundheitlichen Schäden bei dem Unfall erlitt. Dennoch ist der Unfall ein gravierendes Schadensereignis! Zum einen musste mein Mandant den Sturz aus dem Rollstuhl hinnehmen und hatte neben dem Schrecken die Unannehmlichkeit, als hilflose Person am Boden liegen zu müssen und erst nach Minuten wieder in den Rollstuhl gesetzt zu werden. Zum anderen ist sein ohnehin nicht mehr großes Sicherheitsgefühl durch den erneuten Sturz in Ihrem Transportmittel nun endgültig dahin …
Die persönlichen Umstände meines Mandanten sind bei Ihnen aktenkundig. Ich erinnere nur an Folgendes: Herr Lenz leidet an Multipler Sklerose, er ist deshalb in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt und auf die Nutzung des Rollstuhls angewiesen. Er bedarf nicht nur der Pflege, sondern inzwischen auch der ständigen Assistenz. Es ist unbegreiflich, wieso der Fahrer der Tram derartig rücksichtslos fuhr, obwohl er wusste, dass ein Rollstuhlfahrer sich in der Bahn befand. Die äußerst unangenehmen Unfallsituation hat mein Mandant Ihnen ausführlich beschrieben.

Die Beklagte lehnt aber nicht nur eine Einigung ab, sondern bestreitet sogar, dass der Unfall stattgefunden hat.

Beweis: Schreiben v. 19.02.14, Anlage K5
Beweis: Schreiben v. 19.02.14, Anlage K6

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Die Entschuldigung der Beklagten war offensichtlich nur Heuchelei, denn eine ernsthafte Sachverhaltsermittlung unterließ sie ebenso wie eine außergerichtliche Einigung. Dieses Kundengebaren der Beklagten reiht sich natlos ein in die schlechten Erfahrungen, welche der Kläger als Fahrgast der Beklagten sammeln musste. Angesichts dieser Erfahrungen ist das Verhalten der Beklagten besonders verwerflich.

VI. Bemessung des Schmerzensgeldes

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist die zumindest grobe Fahrlässigkeit der Beklagten bei der Personenbeförderung besonders maßgeblich, die sich in der unangemessenen Fahrweise äußerte, welche ursächlich für den Unfall war. Dies gilt umso mehr, weil der Beklagten bekannt war, dass ein Rollstuhlfahrer zu befördern war! Erschwerend kommt hinzu, dass es sich hier um eine wiederholte, grobe Pflichtverletzung der Beklagten handelt, wodurch der Kläger zukünftig noch unsicherer bei der Benutzung von Verkehrsmitteln der Beklagten sein wird. Dies schränkt seine Lebensqualität nicht nur psychisch ein, sondern wirkt sich auf seine Teilnahme am Leben zusätzlich behindernd aus.

VII. Schadensersatz

Der Klageantrag zu 2. ist begründet, weil der Kläger aufgrund des Unfalls die vereinbarte Krankengymnastik nicht wahrnehmen konnte, das Therapiezentrum keine andere Behandlung in dieser Zeit durchführen konnte und es folglich die Kosten für den kurzfristig ausgefallenen Termin in Rechnung gestellt hat.

Beweis: Rechnung R 14-32; Anlage K7

VIII. Kosten

Die Beklagte wird die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 1/1 zu tragen haben, weil die Ansprüche des Klägers berechtigt sind und allein die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Sollte das Gericht weiteren Vortrag des Klägers für erforderlich halten, bitte ich um eine Auflage.

Beglaubigte Abschrift und Abschrift anbei.

gez. Steinecke

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