Schriftsatz 6.1.2014

Aus cvo6
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Kanzlei Katja Damrow
Friedrich-Eberst-Str. 38 14469 Potsdam

Landgericht Potsdam
Justizzentrum
Jägerallee 10-12
!4469 Potsdam

6. Januar 2014
Unser Zeichen: 697/12

Aktenzeichen: 13 S 68/13

In der Sache Lenz ./. C. greife ich den Hinweis des Gerichts auf und führe erneut aus:

Inhaltsverzeichnis

1. Neue Tatsachen in der Berufungsinstanz

a) Ummeldung im Handelsregister

Der Kläger meldete sich im Juli 2013 mit seiner Geschäftsadresse in H. um. Diese Ummeldung wurde im Handelsregister publik gemacht, weil der Kläger eingetragener Kaufmann ist.
Die Ummeldung erfolgte nach Urteilsverkündung der ersten Instanz.
Diese Tatsache ist unstreitig.

b) Anerkennung der Pflegestufe III als Härtefall des Beklagten

Mit Schreiben vom 05.12.2013 erkannte die Krankenkasse des Beklagten an, dass der Beklagte in die Pflegestufe III mit außergewöhnlich hohem Pflegebedarf einzustufen ist.

Beweis: Schreiben der Technikerkasse – Anlage BB 1 -

Die Einstufung erfolgt gemäß § 36 Abs. 4 SGB 11. Ein außergewöhnlich hoher Pflegebedarf liegt vor, wenn der Pflegebedarf das übliche Maß der Pflegestufe III weit übersteigt. Speziell im Falle des Beklagten gehört dazu mehrfacher nächtlicher Hilfebedarf.

Zur Definition verweise ich auf die Richtlinien des GKV Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigen nach dem 11. Buch des Sozialgesetzbuches.

Da der Beklagte auch nachts mind. dreimal Hilfe braucht, muss eine Person des Nachts bei ihm sein.

c) Beschluss des SG Potsdam vom 21.10.2013

In seinem Beschluss vom 21.10.2013 (Az: S 20 SO 67/13 ER) führt das Gericht aus, dass zwischen dem klagenden Herrn Oliver Lenz und dem beklagten Oberbürgermeister der Stadt Potsdam unstreitig sei, dass der Beklagte 24 Stunden Assistenz benötige. Aus diesem Grund erhält er auch (im Rahmen der einstweiligen Verfügung) die entsprechenden finanziellen Mittel, um als Arbeitgeber diese Zeiten mit Assistenten abzudecken.
Hintergrund des Streits war nicht der Umfang der Assistenz, sondern nur die Bezahlung der Pflegekräfte für die Zeiten wie die der Nacht, in denen sie nur auf erforderliche Bedarfsfälle reagieren, quasi in Bereitschaft stehen.
Ich biete die Beiziehung der Akten des SG Potsdam an, gleichzeitig werde ich im Falle des weiteren Bestreitens der Notwendigkeit einer 24 h Assistenz den Beschluss einreichen.

2. Wirksamkeit der Eigenbedarfkündigung

Es besteht bereits kein Eigenbedarf.
Zum Zeitpunkt der Kündigung benötigte der Kläger keine Wohnung in Potsdam.
Der Kläger hat in der Klage vorgetragen, dass er nach B. ziehen wolle und daher kündige. Wenn der Kläger nach B. ziehen möchte, benötigt er keine Wohnung in Potsdam.
Soweit der Kläger darauf abstellt, Potsdam sei quasi B., so verkennt er die tatsächlichen Gegebenheiten.
Potsdam ist eine andere Stadt in einem anderen Bundesland mit anderen sozialen und wirtschaftlichen Eigenschaften. Das Schul- und Vorschulwesen für das Kind ist ein anderes, die Erreichbarkeit des angeblichen Büros in B. ist eine andere, es ist ein anderer Wahlkreis mit einer anderen Landes- und Stadtregierung.

Weder zum Zeitpunkt der Kündigung, noch zum Zeitpunkt der Klage bestand also der Wunsch, nach Potsdam zu ziehen.

Erst mit Schriftsatz vom 30.07.2012 erklärt der Kläger, nach Potsdam ziehen zu wollen und bietet dafür das Zeugnis seiner Lebensgefährtin an, die zusammen mit ihm dort hinziehen wolle.

Noch im Mai 2013 erklärt seine Lebensgefährtin auf der Internetseite jedoch, dass sie das Muttersein in H. genieße. Zum Zeitpunkt der Kündigung war sie noch keine Mutter.

Ich bestreite mit Nichtwissen, dass lediglich versäumt wurde, die Internetseite zu ändern. Der Kläger aktualisiert seine Internetseite regelmäßig.

Darüber hinaus erklärte Frau H. als Zeugin in der mündlichen Verhandlung, dass sie mit dem Klägerin, dem Kind und einigen Tieren in B. mit im Büro in nur zwei Zimmern lebe. In der Berufung erklärt der Kläger, dass es sich bei seinem Büro um eine Fünf-Zimmer-Wohnung handle, in der außer ihm und seiner Familie bis heute nur noch eine Mitarbeiterin arbeite. Es wäre also kein Problem, wenn die Familie drei Zimmer nutzen würde. Zusätzlich stünde das Büro für die Mitarbeiterin und das Büro des Klägers zur Verfügung. Die Wohnung des Beklagten hat auch nur drei Zimmer.
Die Aussage der Zeugin H. war also unvollständig oder zugespitzt. Sie lebt mit dem Kläger in einer wesentlich größeren Wohnung als vorgetragen.

Es kommt auf den derzeitigen Status der Wohnung auch nicht an. Der Kläger zog in Kenntnis des Räumungsprozesses in diese Wohnung. Die Wohnumstände sind erst nach der Kündigung entstanden.
Abgesehen davon stellt sich auch die Frage, warum die Familie nicht auch vorübergehend nach Potsdam zieht, wenn sie hier leben möchte. Nach eigenem Vortrag gibt es hier etliche vergleichbare Wohnungen.

Dem Kläger steht es frei, Wohnen und Arbeiten voneinander zu trennen.

Schließlich stellt sich auch die Frage, ob die Wohnung des Klägers nach einem Umzug überhaupt noch als Büro genutzt wird oder ob sie dann zu groß ist. Außerdem müsste hier eine baurechtliche Nutzungsänderung beantragt werden, falls die Wohnung nicht zum Wohnen genutzt wird. Ich bestreite mit Nichtwissen, dass die Wohnung baurechtlich als Büro genehmigt wurde.

Zuletzt meldete der Kläger seine Firma innerhalb H. um, obwohl er mehrfach betonte, seinen Schwerpunkt nach B. legen zu wollen.

Zusammenfassend ergeben sich erhebliche Zweifel im Hinblick auf den Eigenbedarf, weil die Aussagen des Klägers schwanken und die Tatsachen nicht immer mit dem Vorbringen übereinstimmen.

Die Eigenbedarfskündigung ist auch formell unwirksam, weil der Grund nicht in der Kündigung aufgeführt war. Der Kläger erklärte, nach B. umziehen zu wollen. Diese Begründung reicht nicht. Eine andere Begründung wurde nicht dargetan.

3. Härte nach § 574 BGB

Für den Beklagten würde der Umzug eine Härte bedeuten, die auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers nicht zu rechtfertigen ist.
Das Interesse des Klägers liegt nur darin, in seiner eigenen Wohnung zu wohnen. Bisher wurde nicht dargelegt, dass es über das Interesse, in einer eigenen Wohnung in der Nähe von B. zu wohnen, weitere Gründe für den Kläger gibt. Es gibt weder soziale Bindungen in Potsdam, noch besonders kurze Arbeitswege oder sonstige Vorteile, die den Kläger nach Potsdam ziehen lassen.
Der Kläger könnte in jede andere, ähnlich große Wohnung in Berlin, Potsdam, Schönefeld, Teltow, Falkensee, Bernau, Neuenhagen, Woltersdorf oder sonstigen ähnlich gelegenen Orten ziehen.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Kläger weitere Wohnungen in einem der Orte im Eigentum hat, dies können die Beklagten jedoch nicht in Erfahrung bringen.
Der Kläger hat nicht zur Größe der freiwillig gekündigten Wohnung in H. vorgetragen, so dass Platzmangel kein Grund gewesen sein kann.
Ich verweise auch darauf, dass der Kläger den Gesundheitszustand des Beklagten beim Kauf der Wohnung hätte erfahren können. Abgesehen vom persönlichen Kontakt bei der Besichtigung betreibt der Beklagte schon seit 2003 seine bekannte Internetseite.

Auf Seiten des Beklagten würde ein Umzug folgende Nachteile mit sich ziehen:

  • Deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allgemein durch die Angst, in einer neuen Umgebung schlechter zurechtzukommen (wir bieten an, dazu den Beklagten begutachten zu lassen oder sonst Zeugen aussagen zu lassen, z. B. behandelnde Ärzte, Pfleger, Familie. Zur konkreten Benennung bitte ich um Hinweis, ob dies notwendig scheint).
  • Konkrete Gesundheitsgefährdung in neuer Umgebung, weil die Nachbarn einer neuen Wohnung nicht automatisch ähnlich in der Lage sind, dem Beklagten zu helfen, wenn es Notfälle während des unregelmäßigen auftretenden Alleinseins gibt. Sei es aus Unkenntnis, sei es aus mangelndem Mitgefühl – es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bewohner anderer Häuser ähnlich hilfsbereit oder überhaupt auch regelmäßig zu Hause sein werden.
  • Konkrete Gesundheitsgefährdung durch nächtliche Hilfebedürftigkeit: die Mutter kann nicht so schnell anwesend sein, in einer kleineren Wohnung (eine andere ist finanziell nicht leistbar) kann kein Pfleger schlafen
  • Verschlechterung des Gesundheitszustandes, weil die umliegenden Geschäfte der Wohnung wegfallen und der Beklagte nicht jederzeit Essen bestellen kann, das ihm geliefert und notfalls auch serviert wird.
  • Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei jeder Wohnung ohne Klimaanlage, weil die Wärme die genannten Auswirkungen (vgl. Schriftsatz vom 11.12.2012, S. 3 unter Sonstiges) hat. Diese Tatsache ist unbestritten. Einen erneuten Ausbau mit Klimaanlage kann der Beklagte finanziell nicht leisten.
  • Verschlechterung des Gesundheitszustandes, wenn ein Raum zur Durchführung von gesellschaftlichen Ereignissen, wie für den Aufenthalt und die Feiern der Kinder, die Vereinssitzungen und Spieleabende fehlt.
  • Das Bad muss breit genug sein, damit der Beklagte bewegt werden kann und sich (mit Hilfe eines Assistenten) auf das WC umsetzen kann.
  • Es besteht die Gefahr einer Lungenentzündung und einer Winterdepression, wenn der Beklagte nicht regelmäßig frische Luft und Helligkeit bekommt. Das ist nur auf einem Balkon möglich, der für den Rollstuhl groß genug ist.
  • Der Beklagte wäre beim Umzug gezwungen, die Wohnung zu verkleinern. Sobald die kleineren Kinder ausziehen, wäre er wieder gezwungen, umzuziehen, weil er sich ohne Wohngeld für die Kinder keine größere Wohnung leisten kann. Beide Umzüge und die Verkleinerung der Wohnung sind praktisch unmöglich, weil der Beklagte die medizinischen Geräte nicht mitnehmen kann könnte und ein Assistent nicht bei ihm schlafen kann.
  • Der Beklagte braucht ein großes Bett/Matraze, damit dort die notwendigen Physiotherapiemaßnahmen durch geführt durchgeführt werden können. Zur Erhaltung der Lebensqualität sollte das Schlafzimmer jedoch von den sonstigen Räumlichkeiten abgetrennt sein.

Viele Argumente des Klägers konnten vom Amtsgericht und können auch nicht vom Landgerichts beachtet werden, weil sie gegen Art. 3 III 2 GG, Art. 1 GG und auch gegen Art. 19 der UN-Behindertenrechtskonvention verstößt. Diese binden zwar nicht unmittelbar den Kläger, wohl aber den Gesetzgeber und die Gerichte, die den Regelungen durch § 574 BGB gerecht werden können.
Art. 19 UN-Behindertenrechtskonvention sichert dem Beklagten das Recht zu, gleichberechtigt zu entscheiden, wo und wie er lebt, und jede Unterstützung zu erhalten, die ihm die Einbeziehung in das Leben ermöglicht und Isolation verhindert.
Weiterhin soll er würdig leben und nicht benachteiligt werden.
Zu diesen nicht zu beachtenden Argumenten gehört:

  • Der Kläger könne auf seine Kinder verzichten, die könnten ihn schließlich am Tage besuchen.  Ein Assistent müsse nicht in der Wohnung schlafen, es genüge ein Pflegedienst.
  • Zweck der Wohnung sei es nicht, Vereinssitzungen u. ä. abzuhalten.
  • Der Kläger müsse allein im Bett (mit Vorrichtungen) liegen bleiben, um keinem zur Last zu fallen/um ohne Hilfe zurechtzukommen.
  • Der Kläger müsse Katheder/Inkontinenzvorlagen benutzen, um nicht die Toilette benutzen zu müssen.
  • Es reiche ein Zimmer für den Beklagten, denn weder Assistenz noch Kinder müssten in der Wohnung übernachten, ein Zimmer reiche auch für Besuche.

Zusammenfassen lässt sich feststellen, dass der Beklagte im Falle des Verlustes der Wohnung eine deutliche Gesundheitsverschlechterung hinnehmen müsste und höchstwahrscheinlich auch sein soziales Umfeld zum großen Teil verlieren würde.
Wenn der Kläger hingegen die Wohnung nicht bekommt, wäre er zwar gezwungen, sich eine andere Wohnung (oder ein anderes Büro) zu suchen, hätte aber lediglich die Einschränkung hinzunehmen, dass er nicht diese konkrete Wohnung erhält.

Ich bitte um Hinweis des Gerichts, sollte es die Kündigung für wirksam halten und keinen Härtefall in der Situation des Klägers erkennen.

Für das Fortbestehen der Gefahr einer deutlichen Gesundheitsverschlechterung im Falle des Auszuges biete ich ein Sachverständigengutachten als Beweis an. Für die Anwendung des § 574 BGB kommt es auf den momentanen Gesundheitszustand an.

Katja Damrow
Rechtsanwältin

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