Schriftsatz an das SG vom 01.02.16

Aus cvo6
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Rechtsanwalt
Dr. phil. Falko Drescher
Helene-Lange-Straße 8
14469 Potsdam

Sozialgericht Potsdam
Rubensstraße 8
14467 Potsdam

Potsdam, den 01.02.2016
Mein Zeichen: 008-16-D

Antrag gem. § 86b SGG

des Herrn Oliver Lenz, Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam

- Antragsteller -

Prozessbevollmächtiger: Rechtsanwalt Dr. Falko Drescher, Helene-Lange-Str. 8, 14469 Potsdam

gegen

die Landeshauptstadt Potsdam, vertreten durch den Fachbereich Soziales und Gesundheit, Hegelallee 6-8, 14469 Potsdam

- Antragsgegnerin -

wegen: Leistungen nach § 57 SGB XII.

Blatt 2

Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantrage ich,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache den Differenzbetrag für das persönliche Budget, der sich aus dem anerkannten monatlichen Betrag i.H.v. 8066,76 € und dem Betrag, der sich unter Berücksichtigung der Musterkalkulation der Antragsgegnerin - jedoch ohne Abschläge bei der Nachtarbeit - ergibt, vorläufig zu bewilligen und auszuzahlen.

Des Weiteren bitte ich um Entscheidung über den Antrag,

dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter meiner Beiordnung zu bewilligen.

Dieser ist nicht in der Lage, die Kosten des Verfahrens aufzubringen. Insoweit wird auf die beigefügte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers verwiesen. Der Antrag bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Begründung:
Der Antragsteller leidet an Multipler Sklerose und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Er hat die Pflegestufe "3 plus". Der Grad der Behinderung beträgt 100. Zudem wurden die Merkzeichen G, aG, B, H und RF zuerkannt.

Mit Bescheid vom 17.07.2014 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII in Form eines Persönlichen Budgets ab. Stattdessen wurden Sachleistungen bewilligt, da der Hilfsbedarf hierdurch wirksamer und wirtschaftlicher zu decken wäre.

Glaubhaftmachung: Bescheid vom 17.07.2014 (Bl. 443 ff. d.A.)

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 09.08.2014 Widerspruch

Glaubhaftmachung: Widerspruch vom 09.08.2014 (Bl. 457 ff. d.A.)

Diese wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2014 zurück.

Glaubhaftmachung: Widerspruchsbescheid vom 05.12.2014 (Bl. 201 ff. d.A.)

Daraufhin erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29.12.2014 Klage (Az.: S 20 SO 3/15)

Blatt 3

Durch ein gerichtlich in Auftrag gegebenes Gutachten im weiteren Verfahren S 20 SO 40/15 ER vom 27.05.2015 wurde festgestellt, dass der Antragsteller "einer lückenlosen, d.h. 24-stündigen Assistenz bedarf".

Derzeit erbringt die Antragsgegnerin Leistungen für das Persönliche Budget auf Grundlage einer im Rechtsstreit S 20 SO 3/15 übersandten "Musterkalkulation" i.H.v. 8066,76 €. Hierbei hat sie "18 Stunden Arbeitszeit und 6 Stunden aktive Bereitschaftszeit mit einem Anteil an Arbeitsleistung in Höhe von 70%" zugrundegelegt. Der tatsächliche Zeitaufwand von sechs Stunden wird auf diese Weise fiktiv reduziert, so dass nur 4,2 Stunden bezahlt werden, weshalb der Mindestlohn unterschritten wird. Die Antragsgegnerin meint, dies sei aufgrund der 2. PflegeArbbV zulässig.

Das Vorgehen der Antragsgegnerin ist jedoch rechtswidrig. Der Antragsteller hat gemäß § 57 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX einen Anspruch auf die Mittel für das Persönliche Budget.

Diesbezüglich kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordung treffen. Diese ist zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Insofern stehen dem Antragsteller sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund zur Seite.

Bei der Kalkulation ist in zwingender Weise wenigstens der Mindestlohn anzusetzen.

Eine Ausnahme vom Mindestlohngesetz, die sich auf die 2. PflegeArbbV stützen könnte, liegt nicht vor.

Da der Antragsteller keinen Pflegebetrieb i.S.d. § 1 der 2. PflegeArbbV führt, ist bereits deren Anwendung von vornherein ausgeschlossen. "Auch eine analoge Anwendung der Regelungen des § 2 Abs. 3 PflegeArbbV auf nicht in den Anwendungsbereich der PflegeArbbV fallende Betriebe ist nicht möglich" (Holm, in: Der Betrieb, 2015, S. 441 f.).

Die Angelegenheit ist besonders eilbedürftig, da der Antragsteller den Mindestlohn schuldig bleiben muss, weshalb ihm eine Strafverfolgung droht.

Für die Beitragshöhe zur Sozialversicherung ist nicht das zugeflossene Arbeitsentgelt, sondern allein der geschuldete Lohn maßgeblich, so dass sich der Arbeitgeber gemäß § 266a StGB strafbar macht, wenn er wegen Lohnunterschreitung die Abführung tatsächlich geschuldeter Sozialbeiträge unterlässt (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01. Dezember 2010 - 2 Ss 141/10 -).

Seite 4

Daneben werden Kündigungen von Assistenzkräften und auch Lohnklagen beim Arbeitsgericht provoziert.

Die Unterdeckung beim Persönlichen Budget führt insbesondere zu Schulden bei dem Finanzamt und den Krankenkassen, so dass auch schon konkrete Vollstreckungsmaßnahmen anstehen (z.B. Kontopfändung), die wiederum die gesamte Budgetverwaltung bedrohen, so dass die Versorgung des Antragstellers in Frage gestellt ist; vgl. auch meinen Schriftsatz vom 12.01.2016 im Rechtsstreit S 20 SO 3/15.

Überdies drohen Bußgelder (vgl. § 21 MiLoG).

Wegen weiterer Glaubhaftmachungen, die eventuell noch erforderlich sind, wird auch auf die umfangreichen Unterlagen verwiesen, die dem Gericht bereits in den weiteren Verfahren vorliegen.

Eine beglaubigte Abschrift habe ich beigefügt.

gez. Drescher
Rechtsanwalt

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