Schriftsatz der Gegenseite 20.2.2015

Aus cvo6
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A S

Landgericht Potsdam - 13. Zivilkammer - Hegelallee 10-12 14469 Potsdam

20.02.2015

13 S 68/13

In der Sache

C. /RA A. S./

gegen

  1. Oliver Lenz
  2. H. L.

/RAin Damrow/

zeigt auch der Schriftsatz des Beklagten vom 05.02.2015, dass der Rechtsstreit längst ausgeschrieben ist. Zu den eigentlichen Themen, die Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2014 waren, hat der Beklagte schon lange nichts mehr vorgetragen. Es kann auch nicht erwartet werden, dass er noch insoweit ergänzend vortragen wird. Im Übrigen dürfte weiterer Tatsachenvortrag des Beklagten ohnehin verspätet sein.

Die Rechtsansicht des Beklagten, wie sie im Schriftsatz_vom_5.2.2015 zum Ausdruck kommen, liegen neben der Sache.

Inhaltsverzeichnis

Seite 2

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Eigenbedarf des Klägers nicht weggefallen.

Selbst wenn - wie nicht - der Eigenbedarf inzwischen weggefallen sein sollte, gelten die in meinem Schriftsatz vom 07.01.2015 mitgeteilten Grundsätze, die der BGH und das Bundesverfassungsgericht aufgestellt haben, im vorliegenden Fall weiter: Danach wäre der Beklagte selbst dann zum Auszug verpflichtet, wenn der Eigenbedarf nachträglich weggefallen wäre. Der maßgebliche Zeitpunkt für den behaupteten Wegfall des Eigenbedarfs liegt weit nach Ablauf der streitgegenständlichen Kündigungsfrist. Nach BGH und Bundesverfassungsgericht wäre der angebliche Wegfall des eigenbedarfs deshalb nicht zu berücksichtigen.

Ich betone allerdings nochmals: Der Eigenbedarf besteht fort.

Wenn der Beklagte auf Seite 1 unten des Schriftsatz_vom_5.2.2015 wörtlich vorträgt, "Die Härte nach § 574 BGB ist schwer zu beurteilen und könnte im vorliegenden Fall auch tatsächlich greifen," fehlt hier offenbar ein Wort "nicht".

Wieso fehlt hier ein Wort "nicht"???

Die Frage, ob der Beklagte seine Pflicht zur Herausgabe schuldlos oder schuldhaft verletzt hat, stellt sich doch nur für den Fall, dass eine Härte nach § 574 BGB gerade nicht vorliegt.

Dass der Beklagte selbst inzwischen davon ausgeht, dass die von ihm behauptete Härte im Sinne des § 574 BGB tatsächlich nicht vorliegt, ist inzwischen evident geworden.

Wie meinen???

Der Beklagte meint lediglich in einem Nebensatz und unter Hinweis auf einen Aufsatz von Häublein aus dem Jahre 2003, es komme "ein Anspruch auf Neuabschluss in Betracht". Diese Rechtsansicht ist unrichtig. Abgesehen davon, dass der Eigenbedarf des Klägers nicht weggefallen ist, verkennt der Beklagte, dass es eine Anspruchsgrundlage für ein derartiges Verlangen nicht gibt. Zwar formuliert Häublein (a.a.O., Seite 972) wörtlich: "... dass dem Vermieter unter der Ägide von Treu und Glauben der Neuabschluss mit dem Vertragtreuen, d.h., seine Wohnung pünktlich räumenden Mieter viel eher angesonnen werden kann." Er übersieht allerdings, dass die Generalklausel des § 242 BGB grundsätzlich keine eigenständige Anspruchsgrundlage abgibt. Das hat bereits Seier in NJW 1988, 1617 (1619) zutreffend erkannt und hierzu unter anderem auf BGH NJW 1981, 1779 sowie 1984, 730 m. w. N. verwiesen.

Unterstellt man einmal, der Beklagte habe nach Ablauf der Kündigungsfrist schuldlos seine Pflicht zur Herausgabe verletzt, weil er irrig angenommen hat, es liege ein Härtegrund im Sinne § 574 BGB vor, so würde diese Ansicht nichts daran ändern, dass sein Besitz seit Ablauf der Kündigungsfrist rechtswidrig war - und heute ist. Gegenüber einem rechtswidrigen Besitz des ehemaligen Mieters kann der Vermieter wohl schwerlich unter Hinweis auf § 242 BGB verpflichtet sein, dem Mieter trotz der wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses den Neuabschluss anzubieten.

Seite 3

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte jedoch sogar schuldhaft gehandelt und befindet sich noch immer in Verzug mit der Herausgabe. Ein Irrtum über das Vorliegen eines Härtegrundes ist jedenfalls seit den gerichtlichen Hinweisen in der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2014 ausgeschlossen, zumal der Beklagte anwaltlich vertreten und beraten war und ist. Bestenfalls hat der Beklagte fahrlässig geirrt und damit immer noch schuldhaft die Herausgabe verweigert.

Schließlich verweise ich noch darauf, dass der BGH nicht nur in seinem Urteil vom 09.11.2005 (NJW 2006, 220) den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist in den Vordergrund gestellt hat, sondern bereits mit seinem Urteil vom 09.07.2003 (VIII ZR 311/02; NJW 2003, 2604). Zwar ging es in ejnem fall nicht um die Frage einer möglichen Verpflichtung zum Neuabschluss wegen nachträglich weggefallenen Eigenbedarfs, sondern um die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Vermieter dem Mieter gegebenenfalls eine vorhandene Alternativwohnung im selben Haus anbieten müsse. Für beide Fälle gilt jedoch der vom BGH (a.a.O.) beschriebenen Grundsatz:

"Bei einer noch weitergehenden, nach Vertragsende fortgeltenden vertraglichen Anbietpflicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben wäre der Vermieter nicht nur während des Laufs der Kündigungsfrist, sondern auchn noch während eines unter Umständen langwierigen Rechtsstreits durch mehrere Instanzen gehindert, freie oder frei werdende Wohnungen im gleichen Haus an einen anderen Mieter zu vermieten. Durch all diese Nachteile würde er in seinem durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrecht unverhältnismäßig eingeschränkt."

Ergänzend erlaube ich mir, aus dem Aufsatz von Seier "Kündigungsbetrug durch Verschweigen des Wegfalls von Eigenbedarf (NJW 1988, 1617ff.) zu zitieren (a.a.O. Seite 1621):

"Unsachgemäße Privilegierung der Vertragsuntreue.
Weitere Vorbehalte stellen sich sofort ein, wenn wir uns den Mieter als vertragsgerecht handelnd denken. Nach § 556 I BGB ist er verpflichtet, die Mietsache bei Ablauf der Kündigungsfrist zurückzugeben. Erfüllt er diese Frist fristgemäß, so kommt ihm wie allgemein anerkannt, ein späterer Wegfall der Bedarfslage nicht mehr zugute. Mit seinem Auszug hat er sich eines neuerlichen Erfüllungsanspruchs und aller etwaigen Ersatzansprüche begeben. Das kann aber nicht anders sein, wenn der Mieter der Kündigung ekine folge leistet und nach Fristablauf vertragswidrig in der Wohnung verbleibt. Wenn hier die h. A. auf eine nach wie vor andauernde Aufklärungspflicht des Vermieters plädiert, wären Verletzung zivilrechtliche und - bei Vorsatz - auch strafrechtliche Konsequenzen auslöst, dann leitet sie die Besserstellung des Mieters genaugenommen doch aus seinem eigenen rechtswidrigen Verhalten ab. Allein die

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die Leistungsstörung, der Verzug des Mieters, ist es, der ihn belohnt, wenn in der zeit seines unrechtmäßigen Besitzes für ihn zufällig der vwermieterseitige Eigenbedarf untergeht."

Das ist Kauderwelsch. Ich habe es fünfmal gelesen und trotzdem keinerlei Sinn gefunden. Stehen da falsche Worte? Möglicherweise falsch von einer Texterkennung erkannt?

Und auch der folgende Absatz desselben Aufsatzes darf in Hinblick auf die bisherige Dauer des vorliegenden Rechtsstreits zitiert werden:

"Aufruf zur Verfahrensverschleppung.
Eine solche Privilegung des säumigen Mieters gegenüber dem vertragskonform Handelnden erscheint umso mehr widersprüchlich und unbillig, als mit ihrer Anerkennung der Mieter zur Vertragsuntreue geradezu ermuntert wird. Jeder Mieter wäre gut beraten, sich in der Hoffnung, dass der Eigenbedarf sich irgendwann erübrigt, gegen die Kündigung zu sperren. Je länger er seinen Widerstand aufrecht erhalten kann, umso mehr wachsen seine Chancen, dass sich der unrechtmäßige Besitzzustand wieder in einen rechtmäßigen umwandelt.
Daß die Chance durchaus realistisch ist, wird deutlich, wenn man sich die Dauer zwischen Kündigung und zwangsweise durchgeführte Räumung vergegenwärtigt. Lässt der widerspenstige Mieter sich durch zwei Instanzen verklagen, bestreitet er hartnäckig den geltend gemachten Bedarf, versteht er sich auf andere prozessverschleppende Maßnahmen und Verzögerungstaktiken, kann er bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts mühelos bis zu zwei Jahren "herausschinden". Hat der Vermieter bis dahin nicht resigniert, kann der Mieter seine Hinhaltemanöver im Vollstreckungsverfahren (§§ 721, 794a, 765a ZPO) fortsetzen, um auf diese Weise vielleicht doch noch zu erreichen, dass der Kündigungsgrund zu seinem Vorteil wegfällt."

Seier spricht von einer Dauer bis zu zwei Jahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts. Im vorliegenden Fall allerdings liegt der Ablauf der Kündigungsfrist (31.03.2012) bereits fast drei Jahre zurück, ohne das diese lange Dauer etwa von der Notwendigkeit langer und aufwändiger Beweisaufnahmen geprägt war.

Fazit: Der behauptete Wegfall des Eigenbedarfs kann nicht zur Unbegründetheit der Klage führen, da das Mietverhältnis jedenfalls mit Ablauf der Kündigungsfrist geendet hat und da der Kläger nicht verpflichtet sein kann, den Beklagten den Neuabschluss des Mietvertrages anzubieten.

Der Eigenbedarf ist im Übrigen nicht weggefallen, sondern besteht unverändert fort.

Seite 5

Überflüssig und unter allen Gesichtspunkten falsch sind die weiteren Ausführungen auf Seite 2 des gegnerischen Schriftsatzes vom 05.02.2015:

Der Kläger darf die Räume in B., [...], sehr wohl als Büro nutzen.

Diese Nutzung ist auch baurechtlich zulässig.

Falsch ist die Behauptung der Beklagten, die Wohnung sei "als Wohnraum genehmigt". Ich hatte bereits mit Schriftsatz vom 25.2.2014, Seite 5, unter Beweisantritt dargelegt, dass sich diese Wohnung innerhalb des Flächennutzungsplans in einer "gewerblichen Baufläche" befindet und deshalb ohne eine baurechtliche Nutzungsänderung vom Kläger gewerblich genutzt werden darf.

Es wird bestritten, das sich aus der Teilungserklärung ergibt, dass die Wohnung als Wohnung zu nutzen sei. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 10.11.2009 (BB 5). Soweit darin nämlich von "Wohnungen" gesprochen wird, geht es allein um den Wohnungsbegriff des Wohnungseigentumsgesetzes. Dieser Begriff ist definiert in Nummer 4 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 BAnz 1974 Nr. 58:

"Eine Wohnung ist die Summe der Räume, welche die Führung eines Haushaltes ermögliche ..."

Für den Beklagten offenbar interessierende Unterscheidung zwischen Wohnungs- und Teileigentum kommt es allein auf die bauliche Ausgestaltung der Räume an und die daraus resultierende Zweckbestimmung, nicht jedoch auf die jeweilige Art der tatsächlichen Nutzung. Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Die vom Kläger als Büro und Wohnung genutzten Räumlichkeiten in Berlin ermöglichen zwar die Führung eines Haushaltes. Sie wird deshalb auch "Wohnung" im Sinne der oben zitierten Vorschrift. Das besagt aber über die Zulässigkeit der derzeitigen Nutzung überhaupt nichts.

Soweit der anwaltlich vertretene Beklagte nun zur völligen Überraschung des Klägers auch noch das Zweckentfremdungsgesetz und die Zweckentfremdungsverordnung heranzieht und behauptet, daraus ergebe sich, dass der Kläger sein Gewerbe nicht in der Wohnung ausführen dürfe, ist auch das grob unwahr.

§ 2 Abs. 2 Ziffer 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 29.11.2013 lautet wörtlich:

Seite 6

"Abweichend von Abs. 1 liegt keine Zweckentfremdung vor, wenn
  1. (...)
  2. Wohnraum bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Verordnung nach § 1 Absatz 2 für gewerbliche oder berufliche Zwecke gemäß Absatz 1 Nummer 2 benutzt wird; dies gilt jedoch nur, solange das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bestehende Nutzungsverhältnis nicht beendet wird oder ein zu diesem Zweck in den Räumlichkeiten eingerichteter und ausgeübter gewerblicher oder freiberuflicher Betrieb fortgeführt wird."

Wie unstreitig ist, nutzt der Kläger die Räume in der […] B. schon seit Anfang 2013. Das habe ich erstmals - unbestritten - mit Schriftsatz vom 21.03.2013, Seite 2, mitgeteilt. Die Zweckentfremdungsverbot-Verordnung vom 04.03.2014 ist gemäß deren § 6 am 01.05.2014 in Kraft getreten. Diese Räume werden Kläger also schon sehr weit vor dem Inkrafttreten der Verordnung gewerblich genutzt.

Diese "Grammatik" im Original

An der Art der Nutzung hat sich bislang nichts geändert. Eine Zweckentfremdung im Sinne des oben zitierten Gesetzes liegt somit nhach

Diese "Rechtsschreibung" im Original

dem unstreitigen Sachverhalt und auch nach dem Vortrag des Beklagten offensichtlich nicht vor.

Der Kläger wird sich selbstverständlich keinen anderen Standort für sein B[…] Büro suchen. Schon gar nicht wird er etwa - worauf der Beklagte wohl nicht ernsthaft spekulieren wird - einen anderen Standort für seine provisorische "Wohnung" suchen oder gar die Räume in der […] künftig nur noch als Wohnung nutzen.

Der Kläger besteht vielmehr weiterhin darauf, mit seiner Familie in die streitgegenständliche Potsdamer Wohnung einzuziehen.

Die Ausführungen der Gegenseite im Schriftsatz vom 05.02.2015 sind sämtlich rechtlich unerheblich. Es hätte deshalb auch keiner so ausführlichen Stellungnahme dazu bedurft wie vorstehend. Wenn gleichwohl immer wieder detailliert auf die Ausführungen des Beklagten eingegangen worden ist, beruht dies insbesondere auf dem Umstand, dass der Rechtsstreit zwar eigentlich längst auasgeschrieben ist, dies allerdings in den prozessleitenden Verfügungen des Gerichts bisher nicht zum Ausdruck kommt.

Das Gericht wird nochmals ebenso höflich wie dringend gebeten,

das verfahren zu fördern und nunmehr Haupttermin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Seite 7

Der Kläger ist allerdings ausdrücklich mit einem Übergang in das schriftliche Verfahren einverstanden, um dem Beklagten die Mühen einer mündlichen Verhandlung und sich selbst die Reiskosten seines Prozessbevollmächtigten zu ersparen.

A.
Rechtsanwalt

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