Sinngemäßer Auszug aus dem "Ratgeber für behinderte ArbeitgeberInnen und solche, die es werden wollen".

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Sinngemäßer Auszug aus: "Ratgeber für behinderte ArbeitgeberInnen und solche, die es werden wollen" http://www.forsea.de/tipps/RATGEBER.pdf

Inhaltsverzeichnis

1. Das Assistenzmodell - Finanzierung und Beantragung

Die effektivste Möglichkeit für ein freies Leben in Eigenverantwortung und Selbstbestimmung bietet das so genannte Arbeitgeberinnenmodell (in der Folge als Assistenzmodell bezeichnet). Beim Assistenzmodell beschäftigen assistenznehmende Menschen die von ihnen benötigten Helferinnen (Assistentinnen) in einem eigenen, angemeldeten „Betrieb im eigenen Haushalt“. Das bedeutet, die Assistentinnen stehen in einem abhängigen Arbeitsverhältnis zu den jeweiligen Assistenznehmerinnen. Sie leisten die benötigten Hilfen und werden, wie in jedem anderen Arbeitsverhältnis auch, dafür entlohnt. Beim Assistenzmodell „mutiert“ das „zu pflegende, betreuende und verwaltende Objekt der Hilfebedürftigkeit“ zum selbstbestimmten Subjekt, das seinen Tagesablauf in Eigenregie gestaltet.

1.1 Wer kann Arbeitgeberin werden?

Prinzipiell verkörpert jeder behinderte Mensch, der bei seiner Lebensführung nicht mehr Kompromisse als nötig eingehen will, den potentiellen Arbeitgeber. Dazu gehört die Bereitschaft zur Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, verbunden mit größtmöglicher Freiheit und der Verantwortung gegenüber den beschäftigten Assistentinnen. [] AssistentINen sind ArbeitnehmerInnen mit Rechten und Pflichten. Ganz ohne gegenseitige Rücksichtnahme geht es in keiner menschlichen Beziehung. Nicht nur ArbeitgeberInnen in „normalen“ Betrieben müssen die Rechte ihrer MitarbeiterInnen wahren. Die ArbeitnehmerInnen, sprich die AssistentInnen, haben natürlich auch Ansprüche ihnen gegenüber (Leistung gegen Entlohnung). []

1.1.1 Die Kompetenzen im Einzelnen

  • Personalkompetenz: Behinderte Arbeitgeberinnen entscheiden, wer die Assistenzleistungen erbringt. Sie schließen Arbeitsverträge mit ihren Assistentinnen, erstellen Dienstpläne, Lohnabrechnungen, führen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab.
  • Anleitungskompetenz: Behinderte Arbeitgeberinnen weisen die Assistentinnen selbst in die benötigten Hilfeleistungen ein. Sie wissen am besten, welche Assistenzleistungen sie in welchem Umfang benötigen.
  • Finanzkompetenz: Behinderte Arbeitgeberinnen kontrollieren die Verwendung der ihnen zustehenden Finanzmittel wie Leistungen aus der Pflegeversicherung (SGB XI), der Krankenversicherung, dem SGB XII usw.
  • Organisationskompetenz: Behinderte Arbeitgeberinnen gestalten ihren Tagesablauf in Eigenregie (ohne zeitliche Vorgaben durch ambulante Dienste etc.).
  • Raumkompetenz: Behinderte Arbeitgeberinnen bestimmen, an welchem Ort die Assistenz erbracht wird (z. B. in der eigenen Wohnung, am Urlaubsort, bei Besuchen von Freunden und Familienangehörigen).

1.1.2 Für viele die optimale Lösung

Das Assistenzmodell stellt für viele (aber nicht für jeden) Menschen mit Assistenzbedarf die optimale Lösung dar. Es gibt Menschen, die nie die Bewältigung ihres Alltages erlernt haben. Für diejenigen, die es auch nicht lernen wollen, gibt es die verschiedensten Möglichkeiten der Versorgung. Der Preis dafür ist regelmäßig die mehr oder minder starke Einschränkung der Freiheit und Selbstbestimmung. Jede/r einzelne muss für sich selbst entscheiden, welche Alternative für sie/ihn die richtige darstellt. Außer den oben genannten Kompetenzen sollten (künftige) Arbeitgeberinnen über weitere Eigenschaften verfügen. Diese sind der starke Wille, die eigenen Interessen durchzusetzen und der Mut, unter Umständen einen langen „Kampf“ mit den Kostenträgern durchzustehen. Besonders Menschen mit hohem Assistenzbedarf, der nahezu immer relativ hohe Kosten zur Folge hat, müssen sich oft (glücklicherweise nicht immer) auf langwierige Auseinandersetzungen mit den Behörden und sonstigen Kostenträgern gefasst machen. Diese Tatsache soll niemanden verängstigen oder gar abschrecken, sondern lediglich darauf hinweisen, dass Probleme auftreten können. Kostenträger, insbesondere die Träger der Sozialhilfe, handeln selten unter der Prämisse, die Rechte behinderter Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben zu wahren, sobald das mit Kosten für sie verbunden ist. Dort wird der Mensch häufig auf den Kostenfaktor reduziert.
Besonders schwierig wird es, wenn die Kosten des Assistenzmodells höher als die einer Anstalt sind. Dabei interessiert die Mitarbeiterinnen der Behörden die Lebensqualität der assistenznehmenden Menschen oft nicht. Manchmal kennen Sachbearbeiterinnen das Assistenzmodell und seine Rechtsgrundlagen jedoch auch nicht und scheuen sich schon deshalb, die Kostenübernahme zu bewilligen. Eigene Rechtskenntnis und gute Argumentationen wirken da oft Wunder.
Rein qualitativ ist der Vergleich stationärer Einrichtungen mit ambulanten Möglichkeiten aus der Perspektive der AssistenznehmerInnen absurd.

1.2 Wie wird ein behinderter Mensch Arbeitgeber für seine AssistentInnen?

1.2.1 Ausgangsbasis

Diese Frage ist nicht mit wenigen Sätzen zu beantworten, da keine Lebenssituation - und damit die Ausgangsbasis - der anderen vollkommen gleicht. Die Vorgeschichte jedes einzelnen Menschen ist sehr individuell. Der Eine hatte einen Unfall und wird nach der Rehabilitation in eine für ihn vollkommen fremde Situation entlassen. Die Andere ist seit ihrer Geburt behindert und will sich nun als Erwachsene von ihrem Elternhaus „abnabeln“. Der Dritte hat eine fortschreitende Erkrankung, die es ihm ab einem bestimmten Zeitpunkt unmöglich macht, ohne Assistenz zu leben. Wieder andere verlieren eine/n Angehörige/n, die/der bisher die Assistenz erbrachte. Und nicht zuletzt gibt es immer mehr Menschen, die fremdbestimmte Heimsituationen nicht mehr ertragen und unbedingt wieder ein selbstbestimmtes Leben inmitten der Gemeinschaft führen wollen.
Hinzu kommen die unterschiedlichsten Wohnsituationen. []
Geringeren Koordinationsproblemen stehen diejenigen gegenüber, die in einer barrierefreien Wohnung leben und von einer anderen Möglichkeit der Hilfenahme (z.B. durch Familienangehörige) zum Assistenzmodell wechseln wollen.

1.2.2 Finanzierung

Die Finanzierung stellt oft das größte Problem bei der Umsetzung des Assistenzmodells dar. Zu Zeiten allgemeiner Leistungskürzungen wollen selbstverständlich auch die Kommunen sparen. Die Pflegeversicherung als „Teilkaskoversicherung“ deckt wesentlich weniger Assistenzkosten als vor ihrer Einführung im Jahre 1995 propagiert. Aus diesem Grund sind nach wie vor viele Assistenz nehmende Menschen auf die Kostenübernahme durch die Träger der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe (im Folgenden der Kürze wegen Sozialämter, bzw. Landeswohlfahrtsverbände und Landschaftsverbände genannt) angewiesen. Diese wiederum fühlen sich um hohe Einsparungen betrogen und versuchen, die Einsparungen auf andere Art und Weise zu erreichen.
Die Leistungen der Träger der Rehabilitation sind - außer den Leistungen der Träger der Sozialhilfe (siehe unten) - einkommens- und vermögensunabhängig. Das heißt, sie werden unabhängig der Höhe des Einkommens und Vermögens des Antrag stellenden Menschen gewährt. Wer jedoch bei einem Unfall eine „Mitschuld“ hat, muss benötigte Leistungen entsprechend der (in der Regel vom Gericht ermittelten) Haftungsquote selbst tragen oder über andere eventuell zuständige Rehaträger decken.
Leistungen nach dem SGB XII sind jedoch grundsätzlich nachrangig. Das heißt, zunächst einmal müssen andere Möglichkeiten der Kostendeckung ausgeschöpft werden.
Diese sind
  • Leistungen der Pflegeversicherung (wegen des besonderen Umfangs wird der Pflegeversicherung ein gesondertes Kapitel gewidmet)
  • Leistungen der Krankenversicherung im Rahmen der häuslichen Behandlungspflege
  • Leistungen der Berufsgenossenschaften bei Arbeitsunfällen
  • Schadensersatzansprüche bei Impfschäden, sowie Wehrdienst- und Zivildienstunfällen gegenüber den Versorgungsämtern
  • Schadensersatzansprüche bei ärztlichen Kunstfehlern
  • Schadensersatzansprüche gegenüber Unfall- oder sonstigen Versicherungen
  • Leistungen des Integrationsamtes für Arbeitsassistenz
  • eigenes Einkommen und Vermögen
Verfügt der behinderte Mensch, der Leistungen der Sozialhilfeträger beantragt, über eigenes Einkommen und/oder Vermögen, muss er dieses einsetzen, sofern bestimmte Freibeträge überschritten werden. []
Reichen vorrangige Leistungsansprüche, bzw. das eigene Einkommen und Vermögen nicht oder nur teilweise, um die Assistenzkosten zu finanzieren, können Assistenznehmerinnen Leistungen nach § 65 SGB XII beantragen. Zunächst genügt ein formloser Antrag.
Sinnvoll ist es bei Antragstellung eine Aufstellung der zu erwartenden Kosten beizulegen. Es kommt übrigens nicht darauf an, wie manche Kostenträger irrtümlich meinen, wie viele verschiedene Assistentinnen die Leistungen erbringen. Wichtig ist es, den benötigten zeitlichen Umfang abzudecken. Als Berechnungsbasis für die Höhe der einzelnen Löhne dient der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD). Manche Sozialämter bewilligen begrenzte Festbeträge für die Entlohnung der Assistenz. Das zwingt Arbeitgeberinnen, niedrigere Löhne als nach TVÖD zu zahlen. Zunächst sollte jedoch unbedingt die Bezahlung nach dem TVÖD beantragt werden.
Einige Kostenträger versuchen, behinderte Menschen zu drängen, ihre Assistenz mittels so genannter Honorarkräfte zu organisieren. Nach korrekter Auslegung des Sozialversicherungsrechtes ist das nicht legal, spart der Behörde jedoch Kosten.
Das Sozialamt reagiert, indem es Antragsvordrucke zur Feststellung der Vermögensverhältnisse zuschickt und [] das Gesundheitsamt, den Umfang der Hilfebedürftigkeit festzustellen.
Viele Sozialämter orientieren sich an den Gutachten der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDKs), die zur Feststellung der Pflegestufe im Rahmen der Pflegeversicherung erstellt wurden. Doch Vorsicht, die Pflegeversicherung deckt nur einen Teilbereich der möglichen benötigten Assistenzleistungen ab! Die Bindungswirkung zwischen MDK-Gutachten und Sozialhilfeträger besteht darin, dass der Sozialhilfeträger nicht unterhalb des vom MDK anerkannten Bedarfs bewilligen darf. Da das SGB XII dem Bedarfsdeckungsprinzip untersteht, müssen alle tatsächlich vorhandenen Bedarfe gedeckt werden. Und die gehen weit über den Leistungskatalog der Pflegeversicherung hinaus, wie auch Urteile aus der Urteilssammlung des Forums selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) hinreichend beweisen.
Neben der Hilfe zur Pflege (§ 63ff SGB XII) und Weiterführung des Haushaltes (§ 70 Abs. 1 SGB XII) gibt es die Möglichkeit, Eingliederungshilfe (§ 52 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Satz 7 SGB IX) zu beantragen. AssistenznehmerInnen, die eine „rund-um-die-Uhr-Assistenz“ im Rahmen der Hilfe zur Pflege finanziert bekommen, werden selten zusätzlich Eingliederungshilfe in Form von Personalkosten geltend machen können, da ihnen 24 Stunden am Tag Assistentinnen zur Verfügung stehen. Bekommen jedoch Assistenznehmende z.B. nur 5 Assistenzstunden für Pflege und Hauswirtschaft bezahlt, können sie Eingliederungshilfe beantragen. Die Begründung: Zur Teilnahme am öffentlichen Leben (Theaterbesuch, Teilnahme an Kursen der Volkshochschule, Besuche bei Freunden und vieles andere mehr) wird zusätzlich Assistenz benötigt.
Obwohl es sich beim SGB XII um ein Bundesgesetz handelt, wird es von Land zu Land, selbst von Kommune zu Kommune unterschiedlich ausgelegt. Die Vermögenssituation der Kommunen, aber auch der „gute Wille“ der Sachbearbeiterinnen bei Ermessensspielräumen spielt bei der Bewilligung der Kostenübernahme eine große Rolle.
So bewilligt das eine Sozialamt relativ problemlos eine Kostenübernahme von 9.000 Euro. Andere verweigern die Kostenübernahme, sobald die Kosten für das Assistenzmodell die Kosten einer Anstaltsunterbringung übersteigen. Etliche Gerichtsurteile belegen jedoch, dass ein Kostenvergleich zwischen stationären und ambulanten Kosten nur stattfinden darf, wenn eine ambulante Versorgung nicht möglich, eine stationäre Versorgung zumutbar und eine geeignete Anstalt (incl. freiem „Platz“) vorhanden ist (siehe auch § 13 SGB XII, vormals § 3 bzw. 3a BSHG).

[]

So einfach ist es nicht

So einfach, wie es manche Behörden gerne hätten, ist eine Anstaltseinweisung durchaus nicht. Es entspricht der Tatsache, dass grundsätzlich der größte Teil der Anträge zunächst negativ beschieden wird. Alle, die aufgeben und keinen Widerspruch einlegen, sparen den Behörden Kosten. Widersprüche werden oft negativ beschieden, obwohl die Bescheide vor Gericht keinen Bestand haben können. Viele Antragstellenden scheuen den Gang vor das Gericht und geben entmutigt bei einem negativen Widerspruchsbescheid auf. Auch das erspart den Behörden Kosten. Diejenigen, für die das Assistenzmodell die einzig akzeptable Alternative der Assistenznahme darstellt, sollten nicht zögern, den Rechtsweg zu beschreiten. Zwar endet nicht jede Gerichtsverhandlung mit einem positiven Urteil, aber Vergleiche bieten oft akzeptable Kompromisslösungen.
Ein guter Rechtsanwalt ist sehr wertvoll. Nicht jeder Anwalt kennt sich jedoch im Verwaltungs- bzw. Sozialrecht umfassend aus. Das Assistenzmodell kennen viele gar nicht. Das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA e.V.) führt eine Liste im Verwaltungs- und Sozialrechtrecht versierter Rechtsanwälte.
Behinderte Menschen, die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII oder anderen Rechtsgrundlagen beantragen, benötigen diese Leistungen, sobald sie die ersten Lohnabrechnungen erstellen müssen. Die zeitliche Differenz zwischen Antragstellung und -bewilligung ist manchmal sehr problematisch.
Zunächst gilt es „Bedarf zu schaffen“, das heißt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Leistungen müssen vorhanden sein. Ein Vorsprechen beim Sozialamt nach dem Motto: „Liebes Sozialamt, was bist Du bereit zu zahlen?“ schon Monate, bevor Assistentinnen eingestellt werden, ist wenig sinnvoll. Behörden benötigen klare Fakten, nach denen sie Bescheide erlassen können. Andererseits können behinderte Arbeitgeberinnen kaum mehrere Monate für die Löhne ihrer Assistentinnen in Vorleistung gehen.
Die Mitarbeiterinnen der Sozialämter (und anderer Kostenträger) leiden tatsächlich oft unter Arbeitsüberlastung. Die Erfahrungen vieler Antragstellenden lassen jedoch befürchten, dass die Bearbeitung der Anträge bewusst nicht gerade forciert wird. Seit Einführung des SGB IX am 1. Juli 2001 besteht jedoch die Pflicht, Bescheide innerhalb von zwei Wochen zu erstellen, bzw. an den zuständigen Rehaträger weiterzuleiten, falls sich der Erstangegangene als nicht zuständig erweist. Wenn Gutachten notwendig werden, müssen diese innerhalb von drei Wochen erstellt werden (siehe auch § 14 SGB IX). Die entsprechenden Bescheide müssen innerhalb von zwei Wochen ergehen.
Der bzw. die zuständigen Kostenträger sollen den Antragstellenden drei Gutachter benennen (§ 14 [5] SGB IX), von dem dieser sich einen auswählen kann. (In der Praxis ist mir jedoch erst ein einziger Fall bekannt, in dem Gutachter zur Auswahl vorgeschlagen wurden.) Drängt die Zeit und es ist absehbar, dass der/die notwendigen Bescheide nicht rechtzeitig ergehen werden, ist es sinnvoll, einen versierten Rechtsanwalt einzuschalten. Dieser kann dann bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen. In Punkt 1.5 finden Sie Auszüge aus den wichtigsten, hier näher beschriebenen Gesetzestexten.

1.2.3 SGB IX

Arbeitsassistenz

Einerseits ist das Schubladendenken, mit dem Assistenz nehmende Menschen konfrontiert werden, oft entwürdigend und belastend. Die Aufteilung in verschiedene Bereiche wie Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Arbeitsassistenz ist lebensfern und bringt nicht selten große Probleme bei der Leistungsbewilligung mit sich. Häufig gibt es Streitpunkte, welcher Kostenträger den jeweiligen Leistungsumfang zu tragen hat. Diese Probleme gäbe es nicht, wenn nicht zwischen den einzelnen Arten der Hilfen unterschieden würde, sondern lediglich der Hilfebedarf in Stunden ermittelt und von einem einzigen Kostenträger zu erstatten wäre. Doch von einem Leistungsgesetz sind wir derzeit noch weit entfernt.
Dennoch kann dieses Splitten auch von Vorteil sein, denn wenn die „Last“ für den einzelnen Kostenträger nicht so hoch ist, wird er einer Kostenübernahme eher zustimmen. Seit dem 1. Oktober 2000 besteht das Recht auf Arbeitsassistenz nach dem SGB III. Dieses Recht wurde nochmals durch das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene SGB IX (§ 102 Abs. 4) verfestigt. Dadurch haben es behinderte Menschen, sofern sie berufstätig sind, mit noch einem weiteren Kostenträger zu tun. Beantragt wird die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz beim Integrationsamt, der früheren Hauptfürsorgestelle.
Wichtig: Die Leistungen zur Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX gelten für einen unbefristeten Zeitraum. Dagegen wird Assistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach § 33 Abs. 8 Satz 3 SGB IX nur bis zu einem Zeitraum von drei Jahren gewährt. Die Leistungen für Arbeitsassistenz werden grundsätzlich einkommens- und vermögensunabhängig 22 gewährt.
Finanziert wird die Arbeitsassistenz aus den Töpfen der Ausgleichsabgabe („Strafen“, die Arbeitgeber zahlen müssen, wenn sie die gesetzliche Beschäftigungsquote nicht erfüllen). Die Integrationsämter empfehlen jedoch, die Kostenübernahmen in der Regel auf 1.000 Euro monatlich - in Ausnahmefällen auf 1.250 Euro - zu begrenzen. Das reicht insbesondere für schwerstbehinderte Arbeitnehmerinnen häufig nicht aus. Die ArbeitsassistentInnen können entweder bei der/dem behinderten ArbeitnehmerIn oder beim Arbeitgeber des behinderten Menschen beschäftigt sein. Ersteres ist insbesondere auch dann sinnvoll, wenn ArbeitsassistentInnen sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatbereich assistieren. Honorartätigkeiten sind rechtlich problematisch. Die Rechtmäßigkeit der Honorartätigkeit sollte stets von der Krankenkasse der Honorarkraft bestätigt werden.
Arbeitsassistenz umfasst ausschließlich Hilfeleistungen zur Ausübung der Erwerbstätigkeit, nicht etwa Hilfen für den Toilettengang, beim An- und Auskleiden und ähnliches.

Gemeinsame Servicestellen

Mit Einführung des SGB IX zum 1. Juli 2001 hat der Gesetzgeber die Rehaträger verpflichtet, flächendeckend so genannte Gemeinsame Servicestellen einzurichten. Die überwiegende Anzahl der Servicestellen ist bei der Deutschen Rentenversicherung und den Krankenkassen angesiedelt.
Die Servicestellen sollen behinderte Menschen bei Anträgen auf Leistungen unterstützen, also eine „Lotsenfunktion“ übernehmen. Diese besteht darin, im Bedarfsfall die jeweils zuständigen Rehaträger zu ermitteln und gegebenenfalls das Antragsverfahren bis zum Abschluss zu begleiten. Noch werden die Servicestellen ihren Aufgaben in vielen Orten nicht wie gefordert gerecht. Baden-Württemberg stellt hier in vielen Gegenden eine positive Ausnahme dar.
Dennoch sollten die Servicestellen in Anspruch genommen werden, denn sie werden künftig - sowohl bei der Beantragung von Persönlichen Budgets, als auch von anderen Rehaleistungen wie der Kostenübernahme für das Assistenzmodell - eine wichtige Rolle spielen.
Die konkreten Aufgaben der Gemeinsamen Servicestellen entnehmen Sie bitte den angefügten Auszügen aus den Gesetzen unter Punkt 1.5.

1.2.4 SGB V - Krankenversicherung

Es ist erst wenige Jahrzehnte her, dass beatmete behinderte Menschen ihr Leben auf Intensivstationen von Krankenhäusern fristen mussten. Verbesserte, mobile Beatmungsgeräte ermöglichen nicht nur das Leben zu Hause, sondern auch das „ganz normale“ Reisen. Hilfen, die wegen der Beatmung benötigt werden, zählen in den Bereich der so genannten häuslichen Behandlungspflege. Diese wird von den Krankenkassen bezahlt. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung. Leistungen der Krankenkasse werden einkommens- und vermögensunabhängig gewährt. Beatmete Menschen, deren Beatmungsgerät rund um die Uhr überwacht werden muss, bzw. die stets auf plötzlich notwendiges Absaugen von Sekret angewiesen sind, können die Kostenübernahme dafür komplett bei ihrer Krankenkasse beantragen. Laut Rechtsprechung müssen dann jedoch die von der Pflegeversicherung erstatteten Leistungen abgezogen werden. Ein eventueller hauswirtschaftlicher Hilfebedarf muss aus eigenen Mittel oder über den örtlichen Träger der Sozialhilfe finanziert werden. Auch hierzu liegt dem ForseA ein entsprechendes Gerichtsurteil vor.
Viele Krankenkassen sind zunächst überfordert, wenn man sie mit einem Antrag auf Kostenübernahme für häusliche Behandlungspflege im Rahmen des Assistenzmodells konfrontiert. Dies gilt besonders, wenn beatmete Antragstellende keine Fachpflegekräfte beschäftigen wollen. Unter Verweis auf die Qualitätssicherung wird die Kostenübernahme häufig zunächst verweigert, (wobei dieselben Krankenkassen nicht nach der Qualität fragen, wenn unerfahrene Angehörige die Hilfen ehrenamtlich erbringen). Das ist nicht korrekt, denn nach § 37 SGB V muss es sich lediglich um eine „geeignete Pflegekraft“, nicht aber um eine Fachpflegekraft handeln, die die Leistungen erbringt. Was für Behandlungspflege für beatmete Menschen gilt, trifft natürlich auch für andere Formen der Behandlungspflege zu.

1.2.5 „Pauschales“ Pflegegeld

Neben der Kostenübernahme für besondere Pflegekräfte (Assistentinnen) nach § 65 SGB XII, haben behinderte Arbeitgeberinnen einen Rechtsanspruch auf das so genannte pauschale Pflegegeld nach § 64 SGB XII (siehe Punkt 1.5.5.3). Es kann jedoch um bis zu 2/3 gekürzt werden, § 66 (2) und (4) SGB XII. Kann der/die Empfängerin des pauschalen Pflegegeldes glaubhaft nachweisen, dass ihm/ihr neben den Assistenzkosten weitere (das verbleibende Drittel übersteigende) Kosten entstehen, muss das Pflegegeld nicht zwangsläufig gekürzt werden.

1.3 SGB XI - Die Pflegeversicherung

Die im Vorfeld viel gepriesene Pflegeversicherung betrifft behinderte ArbeitgeberInnen meistens nur in negativer Weise. Viele haben damit schon ihre Erfahrungen machen müssen. Dennoch werden hier die wichtigsten Bestimmungen und ihre Auswirkungen behandelt, damit sich auch die Unerfahrenen informieren können.

1.3.1 Begutachtung

Assistenznehmerinnen, die schon vor dem 01.04.1995 Pflegegeld nach dem SGB V []
Seit Mai 2006 muss bei der Begutachtung neben der grund- auch der behandlungspflegerische Bedarf vom MDK ermittelt werden. In bestimmten Situationen können Leistungsberechtigte wählen, ob sie die Behandlungspflege im Rahmen der Pflegeversicherung anerkannt bekommen wollen oder im Rahmen der Krankenversicherung (SGB V) erstattet bekommen wollen.
Beim genauen Lesen des Gutachtens kann man erkennen, welche Assistenzleistungen nicht oder zu gering berücksichtigt wurden. [] Im Widerspruchsschreiben sollten die nicht, oder nicht ausreichend berücksichtigten, aber benötigten Assistenzleistungen genau aufgelistet werden. Ein Zweitgutachten durch eine/n andere/n Mitarbeiterin wird im Rahmen des Widerspruchverfahrens erstellt. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, sprich, erfolgt keine Höherstufung, kann ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht angestrengt werden.

1.3.2 Pflegestufen

Zur Einstufung in die jeweiligen Pflegestufen ist ein zeitlich festgelegter Bedarf erforderlich. Wichtig ist in jedem Fall, dass der körperpflegerische Bedarf den hauswirtschaftlichen übersteigt. []
  • Pflegestufe III, mindestens 300 Minuten täglich, (verteilt auf den ganzen Tag, wichtig: auch nachts), davon mindestens 240 Minuten Körperpflege.

1.3.3 Ambulante Leistungen der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung unterscheidet zwischen der Sachleistung (§ 36 SGB XI) und der Geldleistung (§ 37 SGB XI) sowie einer Kombination (§ 38 SGB XI) aus beiden.

1.3.3.1 Sachleistung

Die Höhe der Sachleistung beträgt (Stand: 01.01.2012):

  • in Pflegestufe I 450 Euro
  • in Pflegestufe II 1110 Euro
  • in Pflegestufe III 1550 Euro
  • in Pflegestufe IIIa 1918 Euro
Für Menschen mit einem außergewöhnlichen hohen Pflegebedarf gibt es die so genannte Pflegestufe IIIa. Es dürfen jedoch nur 3% aller Menschen aus Pflegestufe III in die IIIa (Härtefall) eingestuft werden. Hier geht es also nicht nur um den realen Bedarf, sondern um die Einhaltung von Quoten. Das gilt im Übrigen im gesamten Begutachtungsbereich. Damit will der Gesetzgeber angeblich vermeiden, dass mehr Leistungen erbracht als Beitragszahlungen geleistet werden.

1.3.3.2 Geldleistung

Die Höhe der Geldleistung beträgt (Stand 01.01.2012):
  • in Pflegestufe I 235 Euro
  • in Pflegestufe II 440 Euro
  • in Pflegestufe III 700 Euro
Eine erhöhte Summe in Pflegestufe IIIa (Härtefall) ist für Geldleistungsempfängerinnen nicht vorgesehen.

1.3.3.3 Kombinationsleistung

Bei der Kombinationsleistung werden sowohl die Geld- als auch die Sachleistung in Anspruch genommen. Bei Pflegestufe III bedeutet das beispielsweise: Von einem ambulanten Dienst werden Sachleistungen von 775 Euro gleich 50% abberufen. Somit besteht ein zusätzlicher Anspruch auf 350 Euro gleich 50% der Geldleistungen. Diese Kombinationsleistungen kommen für behinderte Arbeitgeberinnen selten in Frage, sind aber nicht gänzlich auszuschließen. In der Regel wünschen die Arbeitgeberinnen, ihre Assistenz komplett über das Assistenzmodell zu sichern.
Ansonsten erhalten Arbeitgeberinnen nur die wesentlich niedrigeren Geldleistungen (siehe oben) der Pflegeversicherung. Das Pflegegeld dient der Sicherstellung der Pflege durch ehrenamtliche Helferinnen. Über diese verfügen behinderte Arbeitgeberinnenin der Regel nicht. Sie müssen, im Gegenteil, für die Assistentinnen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abführen wie ambulante Dienste auch. Dennoch können sie nicht die Sachleistungen mit den Pflegekassen abrechnen. Dazu sind nur anerkannte Vertragspartner der Pflegekassen berechtigt. Diese Anerkennung wird behinderten Arbeitgeberinnen nicht zugestanden, da sie angeblich nicht die Kriterien dafür erfüllen.

1.3.3.4 Versicherungen

Für pflegende Angehörige und sonstige ehrenamtlich pflegende Personen entrichten die Pflegekassen auf Antrag (wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden) Beiträge zur Rentenversicherung (§ 44 Abs. 1 SGB XI). Außerdem sind diese Pflegepersonen automatisch gesetzlich unfallversichert. Assistentinnen behinderter Arbeitgeberinnen sind keine ehrenamtlichen Kräfte. Für sie werden diese Leistungen nicht erstattet.

1.3.3.5 Pflegekurse

Die Pflegekassen bieten für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen kostenlose Schulungskurse an. An diesen können Assistentinnen in Beschäftigungsverhältnissen, aus den gleichen Gründen wie bereits erwähnt, nicht teilnehmen. Genau genommen werden die Paragrafen der Pflegeversicherung stets zu Ungunsten behinderter Arbeitgeberinnen ausgelegt. Einmal werden sie behandelt wie Menschen, die ihre Assistenzleistungen durch Angehörige oder andere ehrenamtliche HelferInnen erhalten. Wenn es um andere Leistungsberechtigungen geht wie Rentenversicherungsleistungen und Pflegekurse werden sie behandelt wie Menschen, die ihre Hilfeleistungen von professionellen Helferinnen (ambulanten Diensten usw.) bekommen.

1.3.4 Pflichtpflegeeinsätze

Behinderte Arbeitgeberinnen werden in mehrfacher Hinsicht benachteiligt. Da sie nur die Geldleistungen erhalten, müssen sie regelmäßig so genannte Pflichtpflegeeinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI abrufen. In Pflegestufe I und II sind sie dazu einmal halbjährlich, in Pflegestufe III einmal vierteljährlich verpflichtet. Seit Inkrafttreten des 4. SGB XI Änderungsgesetzes am 01.08.1999 müssen die Pflegekassen die Kosten für die Pflichtpflegeeinsätze erstatten.
Die Zwangspflegeeinsätze müssen von anerkannten Vertragspartnern der Pflegekassen (ambulanten Diensten) abgerufen werden. Bei Verweigerung wird das Pflegegeld gekürzt und im Wiederholungsfall entzogen (§ 37 Abs. 3 SGB XI). In der Praxis ergeben sich dadurch oft kuriose Situationen. Angeblich dienen diese Einsätze der Qualitätssicherung und der Beratung pflegender Angehöriger. Über pflegende Angehörige verfügen behinderte ArbeitgeberInnen in der Regel nicht (siehe oben). Außerdem sind behinderte Menschen selbst die größten Experten in eigener Sache. Sie wissen am besten, welche Hilfeleistungen sie benötigen. Häufig kennen sich die Mitarbeiterinnen der ambulanten Dienste mit den Behinderungsarten und Bedürfnissen der Arbeitgeberinnen nicht aus. Dennoch sollen sie die sachgerechte Ausführung der Pflege prüfen. Zudem verstößt der Paragraf gegen die in Artikel 13 grundgesetzlich geschützten Rechte aller Bürgerinnen, in dem die Unversehrtheit der Wohnung garantiert wird. Im Frühjahr 1997 gab es Bestrebungen gegen dieses Gesetz, wie einen Gesetzesentwurf der Partei Bündnis 90/Die Grünen und eine Petition an den Deutschen Bundestag und damit verbundene Unterschriftenaktion des ForseA. Die Petition und Unterschriftenaktion wurde bundesweit von 85 Vereinen und Verbänden, sowie von 7608 Einzelpersonen unterstützt. Unmittelbar vor der Bundestagswahl 1998 wurde ForseA von der Ablehnung der Petition unterrichtet.

1.3.5 Anrechnung Pflegeversicherung gegenüber dem SGB XII

Die Geld- und die Sachleistungen aus der Pflegeversicherung werden vollständig auf die Leistungen nach dem SGB XII angerechnet, da es sich bei den Leistungen der Pflegeversicherung um vorrangige, gleichartige Leistungen handelt.
Werden die Leistungen aus der Pflegeversicherung vollständig bei der Kostenübernahme für die Assistentinnen (§ 65 SGB XII) angerechnet, dürfen sie nicht zusätzlich auf das Pauschale Pflegegeld nach § 64 Anrechnung finden. Allerdings kann das Pauschale Pflegegeld, insbesondere wenn eine „rund-um-die-Uhr-Assistenz“ über § 6 5SGB XII komplett finanziert wird, um maximal 2/3 gekürzt werden. Diese Kürzung muss der Sozialhilfeträger jedoch ausreichend begründen.

1.4 Persönliches Budget

1.4.1 Was ist ein Persönliches Budget (PB)?

Mit Einführung des “Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen” (SGB IX) zum 1. Juli 2001 konnten die Träger der Rehabilitation Persönliche Budgets in Modellvorhaben erproben. Rechtsgrundlage war und ist § 17 SGB IX (siehe Punkt 1.5.2.1). Zuvor gab es bereits Modelle in Rheinland-Pfalz, die sich jedoch auf einen zunächst kleinen Leistungsbereich bezogen (§ 40 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes BSHG).
Seit dem 1. Juli 2004 können Persönliche Budgets bundesweit bei den Trägern der Rehabilitation sowie den Pflegekassen und den Integrationsämtern (die beiden letzteren zählen nicht zu den Trägern der Rehabilitation) beantragt werden und seit dem 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch. Außerdem können Leistungen (die nicht zu den Teilhabeleistungen zählen) bei den Krankenkassen als Persönliches Budget beantragt werden.
Persönliche Assistenz und Persönliches Budget werden manchmal miteinander verwechselt. Während das Persönliche Budget eine Form der Finanzierung darstellt, ist die Persönliche Assistenz die Art der Organisation von Hilfeleistungen.
Der leichteren Lesbarkeit halber werden die Träger der Rehabilitation, die Pflegekassen und die Integrationsämter sowie die Krankenkassen im weiteren Text unter dem Begriff Leistungsträger zusammengefasst.

1.4.2 Die Leistungsträger

  • Gesetzliche Krankenversicherung
  • Bundesagentur für Arbeit
  • Gesetzliche Unfallversicherung
  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Kriegsopferversorgung
  • Kriegsopferfürsorge
  • Öffentliche Jugendhilfe
  • Sozialhilfeträger
  • Soziale Pflegeversicherung
  • Integrationsämter

1.4.3 Die Antragstellung

Anträge auf Persönliche Budgets können bei jedem beliebigen der zuvor aufgelisteten Leistungsträger beantragt werden. Dies gilt sowohl bei einem ”einfachen“ Persönlichen Budget, für das letztlich nur ein einziger Leistungsträger zuständig sein wird, als auch bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets, bei denen zwei oder mehrere Leistungsträger beteiligt sind (siehe § 14 SGB IX). So können beispielsweise Leistungen verschiedener Leistungsträger wie Persönliche Assistenz und - als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben – Fahrtkostenerstattung für Arbeitswege gleichzeitig bei nur einem Leistungsträger beantragt werden. Mit dieser Möglichkeit will der Gesetzgeber verhindern, dass sich die leistungsberechtigten behinderten Menschen selbst an jeden einzelnen Leistungsträger wenden müssen.
Der zuerst angesprochene Leistungsträger wird damit automatisch zum so genannten Beauftragten, der für die weitere Durchführung des Verfahrens zuständig bleibt, sofern er zumindest mit einer Teilleistung am Persönlichen Budget beteiligt ist.
Sollte sich der zuerst angesprochene Leistungsträger als nicht zuständig erweisen, ist er seinerseits verpflichtet, innerhalb bestimmter Fristen (siehe § 14 SGB IX) die jeweiligen Anträge an den oder die seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. In der Regel wird bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets derjenige Leistungsträger der Beauftragte, der das voraussichtlich größte Teilbudget zu leisten hat.
Anträge auf Persönliche Budgets (und andere Leistungen zur Teilhabe und Rehabilitation) können auch bei den Gemeinsamen Servicestellen (nach SGB IX) gestellt werden, selbst wenn diese letztlich kein (Teil-)Budget zu leisten haben. Die Servicestellen sind dann verpflichtet, den Antrag weiterzuleiten (siehe oben). Wie bei den anderen Leistungen können sie auf Wunsch der Antragstellenden das gesamte Verfahren ”moderieren“.

1.4.4 Die Bedarfsfeststellung

So wie stets bei der Beantragung von Leistungen wird der jeweilige Bedarf ermittelt. Wer seither schon Leistungen bezogen hat und nun lediglich auf ein Persönliches Budget ”umsteigen“ will, wird es vermutlich relativ leicht haben, da der Bedarf schon ermittelt wurde. Bei ihr oder ihm wird es hauptsächlich um die angemessene ”Verpreislichung“ gehen. Wer von den seitherigen Leistungen wegen eines erhöhten Bedarfes auf das Persönliche Budget wechseln möchte, wird den erhöhten Bedarf nachweisen müssen. Bei Neuanträgen wird der Bedarf wie bei Leistungen, die nicht als Persönliches Budget beantragt werden, ermittelt. Um unnötige zeitliche Verzögerungen und Belastungen durch Mehrfachbegutachtungen der Antragstellenden zu vermeiden, sollen die jeweiligen Leistungsträger bei der Bedarfsfeststellung zusammenarbeiten.
In so genannten Hilfeplan- oder Budgetkonferenzen, an denen die Antrag stellende behinderte Person, eine Vertrauensperson (eventuell Budgetberatung oder -unterstützung), alle beteiligten Leistungsträger und gegebenenfalls die Gemeinsame Servicestelle teilnehmen, soll ”auf kurzem Wege“ die Zusammenführung der Teilbudgets erfolgen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn es Schnittstellen gibt. Das kann unter anderem bei der Hilfe zur Pflege oder zur Teilhabe am Erwerbsleben der Fall sein. Besonders bei trägerübergreifenden Budgets können so unzumutbare Zeitverzögerungen vermieden werden. Auch bei ”einfachen“ Persönlichen Budgets sind diese Konferenzen sinnvoll, da in deren Rahmen alle Beteiligten kurzfristig ihre Meinungen und Sichtweisen austauschen können.
Um den jeweiligen Bedarf glaubhaft darstellen und umsetzen zu können, ist es wichtig, möglichst genau zu wissen, welche Leistungen im jeweiligen Umfang zur Deckung des notwendigen Bedarfes benötigt werden (Beispiel: täglich drei Stunden Arbeitsassistenz, vier Stunden Hilfe zur Pflege, zwei Stunden Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes, drei Stunden Eingliederungshilfe).
Bei der ”Verpreislichung“ des ermittelten Bedarfes ist unbedingt darauf zu achten, dass mit der oder den jeweiligen Budgetsummen tatsächlich die notwendigen Leistungen eingekauft werden können. Deshalb ist es wichtig, sich schon im Vorfeld möglichst genau darüber zu informieren, was die einzelnen beantragten Leistungen voraussichtlich kosten werden (Beispiel: Durchschnittberechnungen von Lohnkosten im Arbeitgebermodell, Kostenvoranschläge von Leistungsanbietern, bei Fahrkostenerstattungen die voraussichtlich zu fahrenden Kilometer und Fahrdienstkosten oder für Taxifahrten etc.).

1.4.5 Die Zielvereinbarung

Sobald der jeweilige Bedarf - sowohl in der Art als auch im Umfang, einschließlich der jeweiligen Geldbeträge - von dem oder den jeweiligen Leistungsträgern ermittelt wurde, schließen die leistungsberechtigte Person und der beauftragte Leistungsträger eine sogenannte Zielvereinbarung. Diese Zielvereinbarungen müssen individuell auf die jeweiligen Personen, Leistungen usw. angepasst werden.
Sie enthalten auf jeden Fall, neben den Angaben zur leistungsberechtigten Person und den beteiligten Leistungsträgern, die Ziele, die mit dem Budget erreicht werden sollen. Das können z. B. Sicherung der Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung sein.
Die Höhe des bzw. der (Teil-)budgets mit (eventueller Dynamisierung) und die Dauer der Bewilligung sind ebenfalls Bestandteil. Ferner wird vereinbart wie die Verwendung des Budgets nachgewiesen werden soll. Außerdem werden Angaben zum Qualitätsnachweis der erkauften Leistungen gemacht. Dabei sollte (insbesondere auch bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets) vor allem der Umfang der gekauften Leistungen nachgewiesen werden. Es entspricht nicht dem ”Geist“ Persönlicher Budgets genau nachzuweisen, wie hoch die eingesetzten Geldbeträge für jedes einzelne Teilbudget tatsächlich waren. Vielmehr soll das Budget erlauben, auch Leistungen eines Teilbudgets zur Finanzierung anderer Leistungen einzusetzen (Beispiel: das Geld für eine Stunde Pflegeleistung kann stattdessen für eine Stunde Begleitung zum Einkaufen verwendet werden).
Der Qualitätsnachweis soll zielorientiert erfolgen. Das bedeutet beispielsweise, wenn mit dem Budget Fahrtkosten zur Arbeitsstelle finanziert werden sollen, kommt es nicht darauf an, ob ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Fahrdienst, ein Taxi, oder das eigene Auto dazu genutzt werden, oder ob der Nachbar als Fahrer einspringt. Wichtig ist es vielmehr, dass der Arbeitsplatz pünktlich und zuverlässig erreicht wird.
Weiterhin enthält eine Zielvereinbarung den Hinweis, unter welchen Bedingungen sowohl die leistungsberechtigte Person als auch der Beauftragte die Zielvereinbarung kündigen können. Festgelegt ferner auch, wie verfahren wird, wenn sich die Höhe des Budgets nach einem gewissen Zeitraum als zu hoch oder zu niedrig bemessen erweist. Dieser Zeitraum sollte sinnvoller Weise ein Jahr oder länger sein (außer bei Leistungen, die ohnehin nur über einen kürzeren begrenzten Zeitraum notwendig sind und gewährt werden). Innerhalb dieses Zeitraumes muss es möglich sein, Geldbeträge, die in einem Monat nicht in vollem Umfang eingesetzt werden mussten, auf den oder die Folgemonate zu transferieren.
Zur Überprüfung, ob in der Zielvereinbarung alle wichtigen Details berücksichtigt sind, ist es hilfreich eine Prüf- bzw. Checkliste (siehe Abb.) zu benutzen.

1.4.6 Die Bescheide

Bei einem ”einfachen“ Persönlichen Budget erstellt der Leistungsträger einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Bei einem Antrag auf ein trägerübergreifendes PB erstellen die jeweiligen Leistungsträger (Teil-)Bescheide, die vom Beauftragten zu einem Gesamtbescheid zusammengefasst werden, wenn die Antrag stellende Person mit dem Umfang der Leistungen einverstanden ist. Ist die Antrag stellende Person mit dem Bescheid eines oder mehrerer Teilleistungsträger(s) nicht einverstanden, kann sie ihren Widerspruch beim Beauftragten einlegen.
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es diesbezüglich noch wenig Praxiserfahrung. Es empfiehlt sich jedoch, den zu beanstandenden Teilbereich aus dem Gesamtverfahren herauszunehmen und zunächst für die unstrittigen Teilleistungen die notwendige Zielvereinbarung abzuschließen. Ansonsten kann es unter Umständen zu Verfahrensverzögerungen kommen, da auch die unstrittigen Leistungen erst nach Abschluss des Rechtsweges in Anspruch genommen werden können, weil keine (Gesamt-)Zielvereinbarung abgeschlossen wurde.

1.4.7 Budgetberatung

Budgetberatung ist die Beratung, die darstellt, was ein Persönliches Budget ist, wie der Antrag gestellt werden sollte, und die über den Abschluss der Zielvereinbarung bis zum (Gesamt-)Bescheid berät. Budgetberatung können theoretisch alle Leistungsträger einschließlich der Gemeinsamen Servicestellen, Behindertenselbsthilfeorganisationen, Dienstleitungserbringer und so genannte Casemanager durchführen. Allerdings kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass von allen Aufgelisteten die Beratung neutral oder ausschließlich im Sinne der Ratsuchenden erfolgt, wenn die beratende Stelle Eigeninteressen zu wahren hat.

1.4.8 Budgetunterstützung

Budgetunterstützung ist die Unterstützung, die einen behinderten Menschen befähigt, mit dem Persönlichen Budget die notwendigen Leistungen bestimmungsgemäß einzukaufen und das Budget zu verwalten. Die meisten Menschen mit Lernschwierigkeiten (so genannten geistigen Behinderungen) werden zeitlebens in mehr oder minder großen Umfang auf Budgetunterstützung angewiesen sein (zum Beispiel bei Vertragsabschlüssen mit Leistungserbringern, der Verwaltung des Budgets). Das gleiche kann bei psychisch kranken und sinnesbehinderten Menschen gelten. Auch körperbehinderte Menschen können in unterschiedlichem Umfang Budgetunterstützung benötigen (zum Beispiel, wenn sie als Arbeitgeber für ihre Assistenten die Lohnabrechnungen nicht selbst erstellen können oder wollen).
Budgetunterstützung kann nicht durch die Leistungsträger erfolgen. Sie sollte nicht von denjenigen Dienstleistungserbringern erbracht werden, die auch andere Dienstleistungen (z. B. Pflegedienste) für die unterstützte Person erbringen. Die Gefahr, dass hier Eigeninteressen der beratenden Organisation im Vordergrund stehen, ist sehr groß. Als Unterstützer sind hier besonders Behinderten(selbsthilfe)organisationen geeignet, oder Casemanager, die nicht Eigeninteressen verfolgen. Die jeweils notwendige Qualifikation der Beratenden hängt stark von den Bedürfnissen der jeweiligen unterstützten Person ab. Nicht nachvollziehbar ist daher die Position der Leistungsträger. Diese erkennen zwar die Notwendigkeit von Budgetberatung und -unterstützung an, berücksichtigen sie jedoch nicht bei der Bedarfsfeststellung. Das verstößt nach Meinung von ForseA gegen das geltende Recht (siehe § 17, Abs. 3, SGB IX) nach dem die Persönlichen Budgets so auszugestalten sind, dass die individuellen Bedarfe gedeckt werden und die Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Die Leistungsträger “gestatten” derzeit lediglich, dass die Kosten für die Beratung und Unterstützung aus dem Persönlichen Budget bestritten werden.
Wenn jedoch der Beratungs- und Unterstützungsbedarf bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt (und “verpreislicht”) wird, bedeutet dies, dass für die originären Leistungen (zum Beispiel Pflege oder Fahrtkosten) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht genügen Geld übrig bleibt. Die Folge ist eine nicht akzeptable Unterversorgung (wer viel Unterstützungsbedarf hat, muss dafür früher zu Bett!).
Budgetberater und -unterstützer können als Vertrauenspersonen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens und/oder der Budgetnutzung eingeschaltet werden. Allerdings kann es schwierig werden, wenn die Beratung während des Antragsverfahrens nicht kostenlos erfolgt, aber (logischerweise) noch kein Budget gewährt ist. Dann muss sich die Antrag stellende Person rechtzeitig mit der Budgetberatung über die Zahlungsmodalitäten einigen.
Die Vertrauenspersonen sind berechtigt, die Antrag stellende Person bzw. die budgetnehmende Person zu allen Gesprächen, Budgetkonferenzen usw. zu begleiten.

1.5 Assistenz im Krankenhaus

Assistenz im Krankenhaus ist seit dem 5. August 2009 für behinderte Arbeitgeber, die ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte Pflegekräfte sicherstellen gesetzlich geregelt. Erweitert wurden dafür
  • § 11 SGB V (s. Kapitel 1.6.1.1),
  • § 34 Satz 2 SGB XI (s. Kapitel 1.6.4.2) und
  • § 63 SGB XII (s. Kapitel 1.6.5.3).
Behinderte Arbeitgeber
  • können ihre Assistenten zur umfassenden pflegerischen Versorgung bei einem vollstationären Krankenhausaufenthalt mit aufnehmen lassen
  • erhalten das Pflegegeld nach § 37 SGB XI über die ersten 4 Wochen hinaus weiter gezahlt
  • erhalten Leistungen der Hilfe zur Pflege nach SGB XII bei einem vorübergehendem Aufenthalt im Krankenhaus weiter, diese enden nicht mehr automatisch.

1.5.1 Die Handlungsempfehlung

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