Quelltext der Seite Ich möchte aufstehen

Folgende Geschichte, geschehen im September 2012:

:Die Schwester ist alleine für 23 BewohnerInnen  zuständig. Davon haben 6 BewohnerInnen Pflegestufe III, 10 BewohnerInnen die Pflegesstufe II und 7 BewohnerInnen die Pflegestufe I. Mehrere Höherstufungen sind anhängig. (Runterstufungen wären übrigens schädlich für das Pflegeheim...) Normalerweise sind 2 Pflegekräfte für 25 BewohnerInnen im Dienst. Eine Pflegefachkraft und eine Pflegehilfskraft. In diesem Fall war eine Bewohnerin verstorben und das Zimmer noch nicht wieder belegt und ein Bewohner im Krankenhaus (am Vortag abgehauen und im Krankenhaus gelandet). 

:Eine alte Dame (ca. 90 Jahre) sitzt seit 7:30 Uhr im Rollstuhl im Aufenthaltsraum am Tisch. Sie war zu diesem Zeitpunkt (11:30 Uhr) noch nicht einmal zur Toilette oder hat sich irgendwie bewegen können. Lediglich Frühstück hatte sie erhalten, nämlich eine Scheibe Toast mit Marmelade und ein kleines Schälchen "passierte Kost".  Die einzige Schwester kommt vorbeigehetzt. Die Dame spricht die Schwester an: "Ach Schwester, ich möchte so gerne ein paar Schritte laufen." (Sie kann kurze Strecken gehen, ermüdet aber schnell und wird deswegen im Rollstuhl bewegt, weil dies schneller geht.) Gleichzeitig sagt eine andere Bewohnerin, ebenfalls im Rollstuhl: "Ich muß ganz dringend auf Toilette pullern!" Die Schwester hatte aber deweil folgende Aufgaben zu erledigen: Bei 6 Bewohnern die Windel wechseln, 5 Bewohnern das Essen der Zwischenmahlzeit reichen und 23 Akten abzeichnen (d.h. ca. 500 Kürzel und 23 Sätze) und das alles in 30 Minuten, weil es ab 12 Uhr Mittagessen gibt.

:Sie muß sich entscheiden, was sie tut. Also sagt sie der Dame, die aufstehen will, ins Gesicht: "Dazu habe ich leider keine Zeit, es tut mir leid." Der traurige Blick der alten Dame (und  der Blick war sehr traurig, setzen Sie sich doch mal 4 Stunden völlig unbeweglich auf einen Stuhl...)! Die Schwester brachte, weil dringender, denn eine nasse Hose hätte noch mehr Arbeit bedeutet, die andere Dame auf Toilette. Verfolgt von den traurigen Augen der ersten Dame. Und dabei fragte die Schwester sich: Was tue ich hier eigentlich???