Redebeitrag

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Version vom 16. Juni 2015, 08:41 Uhr von Lenz (Diskussion | Beiträge)

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Mein Name ist Oliver Lenz. Ich wohne in der Carl-von-Ossietzky-Straße in der Brandenburger Vorstadt.

Die Brandenburger Vorstadt ist als Wohngebiet sehr beliebt. Und somit gehen die Mieten dort auch ganz besonders durch die Decke: Die Kaltmiete bei Neuvermietung beträgt mal eben 10 EUR/qm und mehr.

Nichts für Student*innen, nichts für „Normalverdiener*innen“; nichts für uns.

Nun bin ich aber dort eine Art Fremdkörper. Ich wohne dort schon seit 1990 und habe noch einen Mietvertrag aus DDR-Zeiten. Demzufolge ist meine Miete durchaus niedrig zu nennen.

Ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich bin einfach wohnen geblieben und habe nichts gemacht. Thats all.

Ich habe mir schon gar nicht die Krankheit ausgesucht, weswegen ich jetzt im Rollstuhl vor Euch sitze und mir von einem Assistenten das Redemanuskript gehalten werden muß.

Soweit so gut oder schlecht. 2011 wurde meine Wohnung zwangsversteigert und der Neubesitzer – interessanterweise ein H... Immobilienmakler – kündigte mir wegen (vorgeblichen) Eigenbedarf die Wohnung.

Ein Schelm, wer Arges denkt. Ja, er hatte ein kleines Kind an der Hand und ja, er wollte nach Berlin ziehen. Gut möglich, daß er wirklich Eigenbedarf hat.

Mir ist das aber egal. Im Laufe der jahrelangen Krankheits­verschlechterung (bevor ihr fragt: Multiple Sklerose) wurde alles bei dieser Wohnung für mich angepaßt. Und meine Familie (Kinder, Eltern) wohnt in der Nähe. Die Nachbarschaft ist extrem hilfsbereit und unterstützt mich nach Kräften. Kurz gesagt: Ich will da nicht weg! Und ich kann auch nicht; wie man so sagt, bei Strafe des Untergangs. Ein neues soziales Umfeld in dieser Art werde ich mir schon aus Zeitgründen nicht mehr aufbauen können.

So wie es jetzt ist, macht mir das Leben Spaß. Ein entscheidendender Faktor ist dabei die Wohnung! Nicht nur wegen dem Preis, sondern z. B. auch wegen der Größe. Ich muß viele Hilfsmittel unterbringen, ich benötige ein Zimmer für meine Assistent*innen, last but not least, Platz für meine Kinder.

Um die Geschichte weiter vorzutragen: Ich antwortete auf die Kündigung mit dem Verlangen der Fortsetzung des Mietvertrages, weil eine unbillige Härte vorliegt. Der Vermieter akzeptierte das nicht und verklagte mich 2012 vor dem Amtsgericht Potsdam auf Wohnungsräumung. Das Amtsgericht fällte 2013 das Urteil, daß eine Härte vorliegt und ich trotz Eigenbedarfs wohnen bleiben kann. Klingt erst mal gut. Was aber machte der Vermieter? Er ging umgehend in Revision und seit dem liegt die Sache beim Oberlandesgericht. Zu welchem Urteil das Oberlandesgericht kommt, ist unklar. Denn die Anforderungen an einen „Härtefall“ sind hoch. Das einzige Kriterium ist: Nur wenn durch einen Umzug meine Gesundheit akut gefährdet ist, könnte laut Aussage dieses Gerichts ein Härtefall vorliegen. Das wird zwar so sein, aber von dieser Stelle sage ich trotzdem schon mal: Vielen Dank an unsere unsoziale Gesetzgebung! So ein Gerichtsprozeß stört ja auch überhaupt nicht und unter einem Damoklesschwert lebt es sich ganz hervorrgend!

Eigentum verpflichtet. Theoretisch. Praktisch ist Eigentum in dieser Gesellschaft zum alleinigen Maßstab geworden. Kollateralschäden werden kaltlächend in Kauf genommen. Mag ja sein, daß Kapitalismus so und nicht anders funktioniert. Viele Menschen, gerade die hier anwesenden, lehnen sich dagegen auf. Ich kann nur sagen: Weiter so!!!

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