Vorbereitung Redebeitrag auf Demo "Stadt für Alle"

Aus cvo6
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Darum geht es: https://stadtfueralle.de/

Geplante Redezeit: 5-10 Minuten

Irgendwo im Internet fand ich die Empfehlung, 100 Worte pro Minute zu sprechen. Geht es schneller, geht die Verständlichkeit verloren.

Stand: 12.06.2015


Mein Name ist Oliver Lenz. Ich wohne in der Carl-von-Ossietzky-Straße; das ist in der Nähe des Bahnhofs Charlottenhof und in der Brandenburger Vorstadt.

Die Brandenburger Vorstadt ist als Wohngebiet aus guten Gründen sehr beliebt. Und somit gehen die Mieten dort ganz besonders durch die Decke: Die Kaltmiete bei Neuvermietung beträgt mal eben 10 EUR/qm und mehr.

Nichts für Student*innen, nichts für „Normalverdiener*innen“, nichts für uns..

Nun bin ich aber dort eine Art Fremdkörper. Ich wohne in der CvO6 schon seit 1990 und habe noch einen Mietvertrag aus DDR-Zeiten. Demzufolge ist meine Miete niedrig. Bei einer sanierten Wohnung und 1,50 EUR kalt pro Quadratmeter kann das so gesagt werden.

Ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich bin einfach wohnen geblieben und habe nichts gemacht. Thats all.

Ich habe mir auch nicht die Krankheit ausgesucht, weswegen ich jetzt im Rollstuhl vor Euch sitze und mir von einem Assistenten das Redemanuskript gehaltenwerden muß.

Soweit so gut oder schlecht. 2011 wurde meine Wohnung zwangsversteigert und der Neubesitzer – interessanterweise ein Hamburger Immobilienmakler – kündigte mir wegen Eigenbedarfs die Wohnung.

Ein Schelm, wer Arges denkt. Ja, er hatte ein kleines Kind an der Hand und ja, er wollte nach Berlin ziehen. Gut möglich, daß er wirklich Eigenbedarf hat.

Mir ist das aber egal. Im Laufe der jahrelangen Krankheitsverschlechterung (bevor ihr fragt: Multiple Sklerose) ist alles bei dieser Wohnung für mich angepaßt worden. Und meine Familie (Kinder, Eltern) wohnen in der Nähe. Die Nachbarschaft ist hilfsbereit und unterstützt mich. Kurz: Ich will da nicht weg! Und ich kann auch nicht, wie man so sagt, bei Strafe des eigenen Untergangs. Ein neues soziales Umfeld in dieser Art werde ich mir schon aus Zeitgründen nicht mehr aufbauen können.

So wie es jetzt ist, macht mir das Leben Spaß. Ein entscheidendender Faktor ist dabei die Wohnung! Nicht nur wegen dem Preis, sondern z. B. auch wegen der Größe. Ich muß viele Hilfsmittel unterbringen, ich benötige ein Zimmer für meine Assistent*innen last but not least Platz für meine Kinder. Es sind übrigens vier. Wir im Osten hatten sowieso nichts anderes zu tun...

Um die Geschichte weiter vorzutragen: Ich antwortete auf die Kündigung mit dem Verlangen der Fortsetzung des Mietvertrages, weil eine unbillige Härte vorliegt. Der Vermieter akzeptierte das nicht und verklagte mich vor dem Amtsgericht Potsdam 2012 auf Wohnungsräumung. Das Amtsgericht fällte 2013 das Urteil, daß eine Härte vorliegt und ich trotz Eigenbedarfs wohnen bleiben kann. Klingt erst mal gut. Was aber machte der Vermieter? Er ging am 1.7.2013 in Revision und seit dem liegt die Sache beim Oberlandesgericht. Zu welchem Urteil das Oberlandesgericht kommt, ist unklar. Die Anforderungen an einen „Härtefall“ sind hoch. Das einzige Kriterium ist: Nur wenn durch einen Umzug meine Gesundheit akut gefährdet ist, könnte laut Aussage des Gerichts ein Härtefall vorliegen. Das wird zwar so sein, aber von dieser Stelle sage ich trotzdem schon mal: Vielen Dank an unsere unsoziale Gesetzgebung! So ein Gerichtsprozeß stört ja auch überhaupt nicht und unter einem Damoklesschwert lebt es sich ganz hervorrgend!

Eigentum verpflichtet. Theoretisch. Praktisch ist Eigentum in dieser Gesellschaft zum alleinigen Maßstab geworden. Kollateralschäden werden kaltlächend in Kauf genommen. Mag ja sein, daß Kapitalismus so und nicht anders funktioniert. Viele Menschen, gerade die hier anwesenden, lehnen sich dagegen auf. Ich kann nur sagen: Weiter so!!!

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