Aufgabenbeschreibung Assistenz

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Inhaltsverzeichnis

30.03.2018

Präambel: Selbstbestimmung ist alles

Erläuterung: Meine Assistenz ersetzt meine Hände und Füße, aber nicht meinen Kopf. Eine gesunde Dienstleistungsbereitschaft ist auf Seiten der Assistenz vonnöten. Manche bringen sich mehr in das Arbeitsverhältnis ein, andere weniger. Ihr, als meine Assistent*innen, seid exakt dafür da, daß ich die Dinge so umsetze, wie ich es machen würde, wenn ich mich noch bewegen könnte. Stellt euch nur einmal vor, wie es euch ginge, wenn eure Handlungsfreiheit eingeschränkt wäre - dann bekommt ihr eine Ahnung davon, warum mir die Selbstbestimmung so wichtig ist, daß ich sie hier an erster Stelle setze. - Diese besondere Gelenkstelle in unserem Verhältnis ist der neuralgische Punkt. Ganz besonders hier definiert sich unsere Beziehung, unser Umgang miteinander, an jedem Tag aufs neue. Aushandeln ist möglich, allerdings in einem gewissen Rahmen. Und der ist dadurch definiert, daß ich letzten Endes meine Angelegenheiten auf meine Weise erledigen möchte. Selbst wenn ihr als Assistent*innen anderer Meinung seid. Nur im Falle einer Gefährdung Eures eigenen Wohlergehens darf es dazu kommen, daß ihr eine Tätigkeit ablehnt!
Kurz gesagt: In beliebiger Situation, fragt Euch, wie ich wohl handeln würde, wenn ich könnte. Wenn Ihr das dann tut, dürftet Ihr in 95% der Fälle richtig liegen.

Grundsatz: Kommunikation ist alles

Ich kommuniziere über die Sprache (und muß das ja auch zwangsweise tun).
Jetzt kommt es immer wieder zu Situationen, in denen mich die Assistenz nicht versteht; sei es, weil ich undeutlich oder zu leise spreche; sei es, weil eine Sache schwer in Worte zu fassen ist; sei es, weil die Assistenz gerade geistig woanders ist; usw. usf. In einem solchen Fall gilt: nichts tun und nachfragen!!! Ggf. mehrfach, so lange, bis vollständige Klarheit herbei geführt wurde!
Eine gute Idee ist es, vor einer Handlung, das verstandene Kommando zu wiederholen bzw. die beabsichtigte Aktion anzukündigen. Niemals, und da es mir sehr wichtig ist, wiederhole ich: N-I-E-M-A-L-S dürfen fehlende Informationen durch eigene Vorstellungen ersetzt werden! Denn andere Menschen haben nun mal andere Vorstellungen davon, wie das Leben funktioniert und was gerade dran ist. Das muß also fast zwangsläufig schief gehen! Da gibt es Beispiele!
Aber: Ultra posse nemo obligatur.
Beispiel: Der Rollstuhl wird gerade geschoben. Von mir, dem Insassen des Rollstuhls, kommt ein unklares Geräusch. Jetzt heißt es einfach stehen bleiben, bis zur Klärung. (Jetzt kommt der „gesunde Menschenverstand“ dann doch ins Spiel: Es sei denn, wir sind z. B. gerade mitten auf einer Straßenkreuzung.)
Was definitiv falsch ist: Irgendetwas tun, in der Annahme, ich wünschte rasches Handeln. Nein, das wünsche ich nicht! Lieber etwas langsam und überlegt tun!
Merke: Im Zweifelsfall ist es besser, nichts zu tun, als was falsches!

Umsetzen (von Rollstuhl A nach Rollstuhl B; vom Stehrollstuhl auf das WC; vom Rollstuhl ins Pflegebett etc.)

Damit das klar ist: Kraft ist von Vorteil, aber keinesfalls notwendig!! Technik ist alles!

Dazu Rollstuhl rechtwinklig zum Zielobjekt stellen. Alle Vorderräder nach hinten drehen. Je nach Platzverhältnissen möglichst beide Fußrasten des Stehrollstuhls nach außen klappen. Wenn das nicht geht, nach innen klappen (in diesem Fall die Fußraste unten lassen).
Die Füße von OL in der Wohnung auf eine Antirutschmatte stellen.
Die Brille von OL abnehmen. Bei beiden Rollstühlen die Seitenlehne auf den einander zugewandten Seiten hochklappen.
Die Assistenz umfaßt OL am Oberkörper und beugt den Oberkörper von OL etwas nach vorne. Mit den eigenen Knien sichert die Assistenz die Knie von OL. (Das geht so, indem die Assistenz OLs Knie mit den eigenen Knien etwas zusammendrückt. Dabei so im Winkel von 45° ansetzen, daß die Knie von OL weder nach vorne rutschen noch zur Seite wegrutschen können.) Die Assistenz geht mit geradem Rücken so weit wie möglich in die Hocke. Achtung: Auf sicheren Stand achten!
Auf Kommando von OL ("1, 2, 3") wird OL auf die Füße gestellt. Achtung: Die Bewegung geht geradlinig nach vorne über den Schwerpunkt. DANN nach oben (OL stemmt sich überwiegend selbst nach oben)! (Der Rücken der Assistenz bleibt gerade; lediglich werden die Beine gestreckt.) Ein "Hochheben" ist fast immer unnötig und gefährdet nur den Rücken der Assistenz!
Je nach jetzt einsetzender Spastik bei OL erfolgt der Ruf von OL "Zurücksetzen!" oder "Drehen!". Im ersteren Fall wird alles wiederholt. Die Erfahrung lehrt, daß beim 2. oder 3. Versuch die Spastik abnimmt. Im letzteren Fall schwenkt die Assistenz seinen Körper, bis das Gesäß von OL über Rollstuhl B positioniert ist. Gleichzeitig werden mit den eigenen Knien die Knie von OL geschwenkt.
Beim Absetzen einen kleinen Schubs mit den eigenen Knien geben, so daß OL dichter an der Rückenlehne sitzt. Dabei den eigenen Rücken gerade lassen!
Den Oberkörper festhalten, bis die Seitenlehne wieder heruntergeklappt ist. Die Füße von OL entkreuzen.
Bei Bedarf (OL sagt das an) an den Knien nach vorne ziehen, bis ein sicherer Sitz erreicht ist.
Achtung: Bei einschießender Streckspastik von OL durch Sicherung mit den eigenen Knien ein Herausrutschen von OL verhindern. Die Spastik läßt nach einigen Sekunden wieder nach. Dann können seine Knie angewinkelt und OL aufgesetzt werden.
Achtung2: Falls OL zu Boden geht: Das ist kein Problem und schon ...zig mal passiert. (Ein Problem tritt dann auf, wenn die Assistenz auf Gedeih und Verderb das Zubodengehen verhindern will. Dann gibt es nämlich verdrehte Gelenke etc. Und DAS tut weh!) Also: Kontrolliert zu Boden rutschen lassen ist hier das bestmögliche. Darauf achten, daß sich bei OL keine Gelenke verdrehen oder der Kopf aufschlägt. Wenn OL am Boden liegt, gibt er Kommando, wie weiter zu verfahren ist. (In der Wohnung Personenlifter; unterwegs mindestens zwei Hilfspersonen organisieren; im Extremfall: 112.)

Ein Film sagt mehr als 10.000 Worte: https://www.youtube.com/watch?v=H6bLTbWC_ss&t=30sv (13.5.2018)

Körperpflege

Morgens zum Aufstehen nach der Morgenübung von OL Achseln und Genitalien waschen. Aber keine Angst, OL sagt an und es stehen Latexhandschuhe zur Verfügung. Außerdem vor dem Anziehen der Kompressionsstrümpfe die Zehenzwischenräume waschen und auf Fußpilz kontrollieren; ggf. mit Fungizidsalbe einchremen.
Abends Zähneputzen. Etwas schwierig, wegen des herausnehmbaren Zahnersatz. Auch hier gilt: keine Angst; OL sagt alles an.

Nachts

Ich gehe sehr spät ins Bett. 02:00 Uhr ist üblich. Die Assistenz legt sich gewöhnlich vorher ins Assistenzzimmer zum Schlafen nieder. Dank der Kopfmaus komme ich einige Zeit alleine aus, zumal ich mich nachts etwas besser bewegen kann.
Die Assistenz bleibt aber in Bereitschaft; u. U. muss ich mal pinkeln. Und irgendwann gehe auch ich ins Bett. Dann brauche ich definitiv Assistenz.
Auf dem Bett liegen zwei Gleitmatten. Darauf bin ich hinzulegen; die Gleitmatten helfen beim nächtlichen umlagern.
Die Assistenz könnte in der Nacht wach bleiben. Das geht, und das haben wir auch schon praktiziert. In der Regel schläft die Assistenz aber im Nachbarzimmer auf dem Assistenzbett bei leicht geöffneter Tür. Wenn ich in der Nacht dann rufe, sei es
  • weil ich zu trinken haben möchte,
  • weil ich pinkeln muß,
  • weil das Rückenteil des Pflegebetts aufzustellen ist,
  • weil die Zudecke zu warm oder zu kalt ist,
  • weil ich umgedreht werden möchte,
  • weil ich aufstehen möchte,
  • usw. usf.

dann muß die Assistenz halt aufstehen. Die Schwierigkeit besteht weniger in der Hilfe, sondern darin, daß die Assistenz anschließend schnell wieder einschläft; jedenfalls schneller, als ich das nächste Mal rufe.

Nachtarbeit ist Zeit zwischen 23:00 und 06:00 Uhr. Sie wird mit 20% Zuschlag entschädigt. Denn gut schlafen ist etwas anderes!

Häusliche Verrichtungen

Keine abschließende Aufzählung:
  • Blumen gießen,
  • Katzen füttern,
  • Spülmaschine bestücken und leeren,
  • Wohnräume säubern (fegen und wischen),
  • Bad reinigen,
  • Waschmaschine befüllen, Wäsche aufhängen, Wäsche abnehmen und weglegen,
  • Mit OL einkaufen,
  • Mittagessen kochen je nach Fähigkeit und Lust,
  • Kaffee mahlen und Kaffee kochen,
  • nach Diktat am Computer arbeiten,
  • Rollstühle aufpumpen,
  • Müll wegbringen,
  • Biomüll in der Wurmkiste unterbuddeln (Gummihandschuhe und Schaufel stehen zur Verfügung),
  • Essen reichen. Es gilt: Mitessen erwünscht! Falls hintereinander gegessen werden soll, dann muß die Assistenz zuerst essen,
  • Trinken reichen (immer mit Strohhalm; OL bestimmt alleine was und wieviel er trinkt).

Aushäusiger Einsatz

  • 1x/Woche Physiotherapie im St. Josefs-KH,
  • 3x/Woche AG Go in der Schule,
  • 1x/Woche Bewegungsbad - im Werner-Alfred-Bad, zwei Assistenzen erforderlich
  • 1x/Woche Chor in Berlin (Hans-Beimler-Chor),
  • 1x/14 Tage Gesangsunterricht in Babelsberg,
  • 1x/Monat Vorstandssitzung Mieterverein,

Unregelmäßig:

  • Chorbeirat,
  • Programmgruppe,
  • Go-Treff am HPI,

Urinieren

Im Normalfall einfach. Zuhause sitze ich nämlich in einem Aufstehrollstuhl. Wenn ich es sage, werde ich an einen Tisch gefahren, aufgestellt, die Hose runtergezogen und die Urinflasche (Ente) angelegt. Hinterher entleeren und ausspülen. Fertig!
Etwas schwieriger wird es, wenn ich unterwegs bin. Dann sitze ich nämlich nicht in einem Stehrollstuhl, sondern in einem "normalen" Rollstuhl. Dadurch ist das Runterziehen der Hose schwieriger und ich pinkle im sitzen.
Noch schwieriger, weil zeitkritischer, ist es, wenn ich mich in irgendeiner sozialen Drucksituation befinde. Zum Beispiel quatschen mit Besuch oder Teilnahme bei der Chorprobe. Dann halte ich länger aus. Wenn ich dann aber urinieren muss, ist es dann wirklich eilig. Dafür kann niemand etwas, das ist einfach so.

Behandlungspflege

Wenig Behandlungspflege; das sind medizinische Leistungen:
  • An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe
  • alle zwei Tage eine Tablette Vitamin D
  • monatlich eine Spritze Vitamin B12 (macht eine Fachkraft)
  • Kontrolle auf Fußpilz, ggf. Salbe auftragen

Computerarbeit

Total wichtig für mich. So sieht die Arbeit aus:
  • Die Assistenz hat einen eigenen Bildschirm und Tastatur sowie Maus. OL hat einen anderen Bildschirm, aber mit dem gleichen Bildinhalt. OL hat weiterhin eine Kopfmaus und kann den Mauszeiger bewegen. Das Klicken macht die Assistenz mit der eigenen Maus und auf Zuruf: „Klick!“ Texte diktiert OL, weiterhin Computerkommandos (Betriebssystem Linux).

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