Verschwörungstheorien

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==Was sind „Verschwörungstheorien“==
 
==Was sind „Verschwörungstheorien“==
:Dem Wortsinn nach ist eine Verschwörungstheorie eine Theorie über eine Verschwörung. Jedoch sind Verschwörungstheorien nach gängiger Überzeugung keine Theorie im wissenschaftstheoretischen Sinn. So sind sie nicht falsifizierbar. Mit dem Begriff „Verschwörungstheorie“ geht es um Aussagen über groß angelegte, nachhaltige Einflussnahme auf ganze Staaten und Gesellschaften bis hin zur Weltverschwörung.
 
:Der Philosoph Karl Popper trug wesentlich zur Popularität und negativen Konnotation des Begriffs Verschwörungstheorie bei. In seinem Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ spricht er 1945 von einer „Verschwörungstheorie der Gesellschaft“. Damit meint er Versuche, soziale Phänomene und historische Ereignisse durch den Nachweis zu erklären, „daß gewisse Menschen oder Gruppen an dem Eintreten dieses [Ereignisses] interessiert waren und daß sie konspiriert haben, um es herbeizuführen.
 
: Zumeist die politische Rechte der USA vermutete – oft in weitgehender Übereinstimmung mit Kriterien der Wissenschaftlichkeit – hinter politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen zwischen 1820 bis zu dem 1960er Jahren Gruppen vor Verschwörern. Der Historiker Richard Hofstädter schlug den Begriff Verschwörungsfantasie vor und charakterisierte sie durch einen „paranoiden Stil“ der Welterklärung. Dieser Stil ist gekennzeichnet durch apokalyptische Vorstellungen,
 
 
:Für die systematischen und formal oft in weitgehender Übereinstimmung mit Kriterien der Wissenschaftlichkeit dargestellten Theorien meist der politischen Rechten der USA, die hinter politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen von 1820 bis zu den 1960er Jahren Gruppen von Verschwörern vermuteten, schlug der Historiker Richard Hofstadter 1964 die Bezeichnungen „Verschwörungsfantasie“ vor und charakterisierte sie durch einen „paranoiden Stil“ der Welterklärung. Dieser Stil sei gekennzeichnet durch eine apokalyptische Vorstellungswelt, ein extremes Freund-Feind-Denken, das nur das absolut Gute und das absolut Böse sehe. Das absolut Böse muss ohne Kompromisse vernichtet werden. Dass dies nicht gelinge, werde als weiteres Indiz für die Gefährlichkeit der imaginierten Verschwörer gedeutet.[8]
 
 
:Das Lexikon der Soziologie definiert 1972 „Verschwörer-“ bzw. „Konspirationstheorien“ als Argumentationen, mit denen politische Autoritäten im Sinne einer Sündenbocksuche von eigenen Misserfolgen ablenken und ihre Herrschaft stabilisieren würden. Dadurch würden ihre geschichtsphilosophischen Voraussagen und politischen Rezepte gegen Kritik immunisiert: Die Schuld an negativen Entwicklungen und dem Nichteintreffen eigener Prognosen würde nicht bei den Herrschenden, ihren Fehlern und dem utopischen Charakter ihrer Ideologie gesehen, sondern stets bei dem verderblichen Wirken der angeblichen Verschwörer, zu denen jeweils Gruppen stilisiert würden.
 
 
:Der deutsche Historiker Dieter Groh definiert 1987 eine Verschwörungstheorie als einen Versuch, zu erklären, wieso guten Menschen Böses zustößt. Die Verschwörer, die das Böse verursachten, würden als miteinander solidarische und identifizierbare Herren des Geschichtsverlaufs imaginiert, denen eine Gegensolidarität ihrer vermeintlichen Opfer gegenübergestellt werden müsse.
 
 
:Der britische Historiker Geoffrey T. Cubitt benutzt 1989 den Begriff Verschwörungstheorien für Konkretionen von allgemeineren „Verschwörungsmythen“: Letztere definiert er als für wahr gehaltene Erzählungen, die ein bestimmtes Grundverständnis über das Wesen der Dinge und des Geschichtsablaufs transportierten, in diesem Fall, dass verhängnisvolle Wirkungen in der Vergangenheit auf eine bestimmte Verschwörung zurückzuführen seien. Die Verschwörungstheorie wende dieses Grundverständnis auf einzelne aktuelle Ereignisse oder Entwicklungen an. Verschwörungstheorien und Verschwörungsmythen seien gekennzeichnet durch drei spezifische Aspekte: Sie seien intentionalistisch, weil sie die Absichten der Akteure als wirkungsmächtige Ursachen ansähen, sie seien dualistisch, weil sie die Welt restlos aufteilten in die angeblich einheitlich agierenden bösen Verschwörer und die angeblich ebenso einheitliche nicht-verschwörerische Mehrheit, und sie seien okkultistisch, weil sie scharf unterschieden zwischen dem Anschein der Welt und ihrer angeblich verborgenen „wahren Natur“, die es aufzudecken gelte; diese Überzeugung äußere sich in den von Verschwörungstheoretikern oft benutzten Metaphern des Drahtziehers und des Untergrabens.[11]
 
 
Der amerikanische Politikwissenschaftler Daniel Pipes definiert Verschwörungstheorie 1998 als „real nicht existente, aus Angst befürchtete Verschwörung“. Er unterscheidet lokale und Weltverschwörungstheorien, das heißt, imaginierte Verschwörungen mit begrenzten und mit unbegrenzten Zielen. Letztere könne sich bis zu einer Lebensanschauung auswachsen; dann sei von „Verschwörungsdenken, Paranoia-Haltung, Mentalität der heimlichen Hand“ oder „Konspirationismus“ zu sprechen. Weltverschwörungstheorien unterscheidet er nach ihren jeweiligen Feindbildern in zwei Grundtypen: Gegen Geheimbünde (Freimaurer, Illuminaten usw.) und gegen Juden gerichtete Verschwörungstheorien.[12]
 
 
Der deutsche Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber schlägt in einem Aufsatz von 2002 vor, auf das missverständliche Wort Verschwörungstheorie zu verzichten, sondern besser zwischen Verschwörungshypothese, Verschwörungsideologie und Verschwörungsmythos zu unterscheiden. Eine Verschwörungshypothese definiert er als Aussage über die Wirkung einer Verschwörung, die aber offen für Korrekturen und Falsifizierungen durch empirische Gegenbelege formuliert sei. Eine Verschwörungsideologie sei dagegen nicht falsifizierbar, sie setze die Verschwörung, die sie nachweisen wolle, als sicher voraus, sei stereotyp und monokausal. Den Begriff Verschwörungsmythos schließlich definiert er, anders als Cubitt, als eine Übersteigerung und Verdichtung einer Verschwörungsideologie, die auch ohne real existierende Verschwörer auskomme und gleichfalls nicht korrekturfähig sei: Gegenargumente und empirische Belege würden nicht zur Kenntnis genommen oder als Beleg für die Existenz einer Verschwörung umgedeutet, wodurch sich der Verschwörungsmythos gegen jede Widerlegung immunisiere.[13]
 
 
Der amerikanische Philosoph Brian L. Keeley beschreibt 1999 den Begriff Verschwörungstheorie als Erklärungsvorschlag für ein oder mehrere historischer Ereignisse, geprägt durch das Handeln einer relativ kleinen Gruppe, die im Geheimen agiert.[14] Ganz ähnlich ist die Definition des amerikanischen Philosophen Pete Mandik von 2007, der nur den absichtsvollen Charakter der Handlungen der Verschwörer betont.[15] Auch der australische Philosoph Steve Clarke zitiert Keeleys Definition zustimmend und zeigt am Beispiel der verbreiteten Verschwörungstheorie, nach der Elvis Presley seinen Tod 1977 nur vorgetäuscht hätte, dass das Handeln der angenommenen Verschwörer nicht immer verwerflich sein müsse.[16] Der australische Philosoph David Coady dagegen bezeichnet 2003 die von Keeley definierten Erklärungsvorschläge als bloße „Verschwörungserklärungen“; eine Verschwörungstheorie definiert er als Verschwörungserklärung, die in Opposition zu einer offiziellen Version des zu erklärenden Ereignisses stehe.[17] Unter Bezugnahme auf Keeley und Coady definiert der deutsche Philosoph Karl Hepfer Verschwörungstheorie 2015 als „Versuch, (wichtige) Ereignisse“ als Folge von Verschwörungen zu erklären, das heißt von geheimen Absprachen und Aktionen zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Allgemeinheit – von einer „Verschwörung zum Guten“ spreche man ja eher selten.[18]
 
 
Der amerikanische Politikwissenschaftler Michael Barkun spricht von „conspiracy beliefs“ („Verschwörungsüberzeugungen“) bzw. einer „conspiracist worldview“ („konspirationistischen Weltsicht“), die durch die Annahme gekennzeichnet sei, eine Organisation agiere böswillig und im Verborgenen. Typisch für dieses Denken sei der Ausschluss von Zufällen – alles Geschehen werde auf die absichtsvollen Handlungen der Verschwörer zurückgeführt –, der Zweifel an allem Offensichtlichen – nichts sei, wie es scheine, es gelte immer, eine geheime Wahrheit zu entdecken – und die Annahme, alles sei miteinander verbunden – nur die Aufdeckung „geheimer Muster“ liefere eine Erklärung für die Geschehnisse. Diese Weltsicht könne sich in Annahmen unterschiedlicher Reichweite zeigen:
 
 
in verschwörungstheoretischen Erklärungen für Einzelereignisse wie das Attentat auf John F. Kennedy 1963 oder den Absturz von Trans-World-Airlines-Flug 800 1996,
 
in systemischen Verschwörungstheorien, in denen der Verschwörergruppe breitere Ziele bis hin zur Weltherrschaft unterstellt würden (zum Beispiel antisemitische, antikatholische oder antimasonische Verschwörungstheorien),
 
im Glauben an „Superverschwörungen“, wenn mehrere Verschwörungstheorien in weltumspannender Weise miteinander verknüpft werden, wie etwa in den komplexen ufologischen Narrativen David Ickes oder Milton William Coopers.[19]
 
 
Der deutsche Soziologe Andreas Anton definiert Verschwörungstheorien wissenssoziologisch als „Spezial- oder Sonderwissen“, das Ereignisse, kollektive Erfahrungen oder gesellschaftliche Entwicklungen als Folgen von Verschwörungen interpretiere. Gleichzeitig grenzt er sie von anderen Wissensformen wie Ideologien, Mythen, Alltagstheorien oder bloßen Meinungen ab und ordnet ihnen vier grundlegende sozialpsychologische Funktionen zu: die Reduktion von Komplexität, die Antizipation von Situationsentwicklungen, die Verständigung über Grenzsituationen und die Erzeugung sozialer Gemeinschaft.[20]
 
 
Der Soziologe und Politologe Samuel Salzborn vertritt die Ansicht, diese Verschwörungsmythen würden nicht geglaubt, weil sie rational und kognitiv überzeugend seien, sondern „weil sie ein Weltbild festigen, das gerade nicht den Prinzipien der Aufklärung folgt“, und „lediglich dazu dienen, Pseudo-Belege für Vorstellungen zu liefern, die im Widerspruch zu allen rationalen Erkenntnissen stehen“. Überhaupt hält er diese Verschwörungsvorstellungen nicht für „Theorien“, „weil sie Wirklichkeit nicht erklären und verstehen wollen, sondern lediglich an ihre psychische Devianz anpassen möchten.“ Das „Ziel der affektiven Mobilisierungsstrategien“ sei, den „Verstand zu suspendieren“. Überdies stellt Salzborn am Beispiel des Glaubens an die Existenz einer jüdischen Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft bzw. der mörderischen Konsequenzen dieses Wahns im nationalsozialistischen Deutschland fest, „dass das, was den Anderen im Verschwörungsmythos vorgeworfen und vorgehalten wird, eigentlich das Eigene ist – die verdrängten und verleugneten Anteile des Selbst, die eigenen Wünsche, die zugleich als so monströs erfasst […] werden, dass sie, zunächst, nur in ihrer projektiven Form formuliert werden.“ Der Verschwörungsglaube als „scheinbare Angst vor Verfolgung und Unterdrückung“ sei letztendlich „Ausdruck wie zugleich Drohung derer, die nichts anderes wollen, als zu verfolgen und zu unterdrücken.“[21]
 
 
Einen Konsens über eine trennscharfe Definition, was Verschwörungstheorie eigentlich ist, gibt es bislang nicht.[22] In den wissenschaftlichen Diskursen sind zwei Begriffe von Verschwörungstheorie gängig: ein enger, werthafter, der Verschwörungstheorien als irrational, nicht korrekturfähig usw. kritisiert, und ein weiter, der darunter sämtliche Aussagen über Verschwörungen subsumiert, ob nun diskussionswürdig oder nicht. Im Folgenden werden zunächst die wissenschaftstheoretisch als unzulänglich bezeichneten Verschwörungsideologien und Verschwörungsmythen dargestellt, dann diskussionswürdige Aussagen und die Schwierigkeiten, zwischen beiden zu unterscheiden.
 
   
 
==Wichtige Verschwörungstheorien==
 
==Wichtige Verschwörungstheorien==

Version vom 5. Mai 2019, 01:01 Uhr

Inhaltsverzeichnis

Was sind „Verschwörungstheorien“

Wichtige Verschwörungstheorien

Satirische Verschwörungstheorie

  • Bielefeld gibt es nicht

Reale Verschwörungstheorie

  • NSA und die Überwachung des Internets

Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?

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