Vorwort2

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Version vom 18. Februar 2020, 12:54 Uhr von Lenz (Diskussion | Beiträge)

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Liebe Mitglieder und Freund*innen unseres Vereines,

schon wieder sind wir ein Quartal älter geworden und noch immer schwebt das „Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG)“ wie ein Damoklesschwert über uns. Dieses wurde zwar aufgrund lautstarker Proteste in einigen wichtigen Punkten abgeschwächt. Aber wie es dann am Ende ausschaut, weiß heute noch keiner. Das weit größere Problem jedoch ist, dass es einen derartigen Gesetzentwurf überhaupt geben konnte! Ein Gesetzentwurf, der Menschen mit einem hohen Pflegebedarf in Anstalten abschieben wollte! Dies beweist, dass auch im Jahre elf der Behindertenrechtskonvention diese noch nicht in das Regierungs- und Parlamentbewusstsein eingedrungen ist. Ebenso der Artikel 3 GG noch nicht. Die Judikative, die richterliche Staatsgewalt, ist hier schon beträchtlich weiter. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht wissen längst, daß Benachteiligungen abgestellt werden müssen.

Aber was hilft uns das? Unser Bedarf besteht aus einer immerwährenden Notlage heraus, die es uns nicht erlaubt, Jahre auf Bescheide, Widerspruchsbescheide, ein Urteil und manchmal auch auf mehrere Urteile zu warten. Die Menschen, die uns die Nachteilsausgleiche verweigern, wissen das und spielen diese Karte oft gnadenlos aus.

Deutlich wird es auch an der unsäglichen Verweigerung des anteiligen pauschalen Pflegegeldes nach §§ 64a und 63b SGB XII. Dieses wird uns gesetzlich gegeben, weil das Pflegegeld der Pflegekasse von der Sozialhilfe vollständig vereinnahmt wird. Da behinderte Menschen zahlreiche Aufwände haben, die von keiner Stelle erstattet werden können, gibt es als Ausgleich dafür das pauschale Pflegegeld des SGB XII. Es KANN um bis zu 2/3 gekürzt werden. Der Missbrauch dieser doppelten Ermessensentscheidung wird dadurch deutlich, dass es viele Kostenträger der Sozialhilfe von vornherein als Drittelpflegegeld ansehen. Keine Begründung dafür, warum wieviel angerechnet wird. Hätte das der Gesetzgeber so gewollt, dann hätte er es gleich als Drittelpflegegeld ins SGB XII geschrieben. Hat er aber nicht. Dass es aber de facto so ist, hätte er wissen müssen.

Denn an allen Stellen des Gesetzes wird das Ermessen meist so ausgeübt, dass nur das Allernotwendigste Berücksichtigung findet. Und wenn man sich die Begründungen für die generelle Verweigerung des pauschalen Pflegegeldes anschaut, kann man erkennen, dass wir der Fantasie der Kostenträger ausgeliefert sind. Einer streicht, weil es angeblich nur bei der Geldleistung gezahlt würde. Ein anderer, weil es nur die Sachleistungsempfänger beträfe. Wiederum andere, weil keine Namen der Empfänger genannt werden. Und andere, weil keine Liste vorgelegt wurde, wie das Geld verwendet wurde. Alles Unsinn, weil es so nicht im Gesetz steht. Aber in jedem Fall, in dem der Anspruchsberechtigte die Streichung akzeptiert, spart die Behörde Geld und das ist der Behörde schon mal einen Verstoß gegen die §§ 13 und 14 SGB I (Pflicht zur Aufklärung und Beratung) wert.

Auch die dritte Stufe des Bundesteilhabegesetzes diskriminiert. Warum wird die Rente, die ohnehin für die Menschen deutliche Abstriche gegenüber dem Arbeitseinkommen bedeutet, mit einem deutlich höheren „zumutbaren“ Eigenanteil belastet als das gleich hohe Arbeitseinkommen? Warum erkennt der Gesetzgeber nicht, dass es keine behinderten Menschen gibt, an denen 24 Stunden herumgepflegt wird? In jedem Fall ist auch die Eingliederungshilfe mit „im Spiel“. Da bei einer vollständigen Hilfe zur Pflege die alten Einkommensanrechnungen gelten, ist die Verlockung für die Kostenträger groß, an der falschen Klassifizierung der Hilfe festzuhalten. Da an dieser auch die Vermögensfreigrenzen festgemacht sind, ist die Verlockung doppelt so groß. Im Frühjahr wird es sich zeigen, wie die Kostenträger mit der dritten Stufe des Bundesteilhabegesetzes umgehen. Da diese „völlig überraschend“ kam, gibt es derzeit noch keine Bescheide nach den neuen Rechtsnormen. Dafür aber Nachrichten, dass um Verständnis für Verzögerungen geworben wird, da man noch nicht weiß, wie man damit umgehen müsse. Manche haben vorsorglich schon mal die Leistung eingestellt …

Um nochmals auf den Gesetzentwurf zum IPReG zurückzukommen: Dieser Gesetzentwurf zeugt davon, dass der Gesetzgeber vor keinen Tricks zurückschreckt, um Geld zu sparen. Vorzugsweise bedient er sich dabei an den Leistungen für Kranke, Alte und Behinderte. Denn diese haben in unserer Gesellschaft kaum eine Lobby. Die Sozialverbände, die als Lobby infrage kämen, verdienen ihrerseits kräftig an diesen Menschen. Wie kräftig, konnte man wieder aktuell bei einem Sozialkonzern im Rhein-Main-Gebiet erkennen.

Der Gesetzgeber ist nicht ehrlich, er ist nicht für den Menschen da, nur noch für Wirtschaft und Banken. Er macht sich nicht mal die Mühe, dies zu kaschieren. Denn zu Beginn eines Gesetzentwurfes wird nach den Kosten für die Öffentliche Hand, für die Wirtschaft und für die Verwaltung gefragt. Hier sind die Prioritäten. Eigentlich hätte man das vor der Verfassungsänderung oder der Unterschrift unter die Behindertenrechtskonvention klären müssen. Danach sollte es keine Spielräume mehr für ihn geben.

In diesen Tagen werden die Unterlagen für die Schriftliche Mitgliederversammlung unseres Vereines verschickt. Wir würden uns über eine große Beteiligung der Mitglieder sehr freuen, denn das wäre eine Bestätigung für unsere Arbeit. Nun wünschen wir Ihnen ein schönes Frühjahr ohne Behördenstress und ohne Assistenzprobleme!

Freundliche Grüße

Gerhard Bartz Vorsitzender

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