Ablehnung des Widerspruchs bei CSVI

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Barmer GEK
die gesundexperten

Widerspruchsstelle

BARMER GEK - 42271 Wuppertal

Herrn
Oliver Lenz
Carl-von-Ossietzky-Str. 6
14471 Potsdam

Wuppertal, den 16.03.11
-1010 - I/1251/11

Erstattung der Kosten für eine ambulante privatärztliche Venographie und Dilatation der Vena jugularis interna links

Sehr geehrter Herr Lenz,

Sie haben am 27.12.10/09.02.11 Widerspruch gegen den Bescheid der BARMER GEK vom 30.11.10/10.01.11 eingelegt. Diesen Widerspruch hat der von der Selbstverwaltung der Kasse eingesetzte Widerspruchsausschuss I am 16.03.11 beraten. An der Sitzung nahmen die im Beiblatt zu diesem Bescheid aufgeführten Ausschussmitglieder teil. Nach Prüfung und Entscheidung im gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahren ergeht folgender

Widerspruchsbescheid

Der Widerspruch wird zurückgewiesen.

1. Es besteht kein Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine ambulante privatärztliche Venographie und Dilatation der Vena jugularis interna links gemäß Liquidation von Prof. Dr. med. H. Sievert/Dr. med. N. Wunderlich/Prof. Dr. med. W.-J. Stelter, Cardio-Vasculares Centrum Frankfurt, vom 23.12.10.

2. Sollten lhnen im Widerspruchsverfahren Kosten entstanden sein, werden diese nicht erstattet. Von Seiten der BARMER GEK werden für dieses Verfahren keine Verwaltungskosten erhoben.

Begründung

Streitig ist die Erstattung von Kosten für eine ambulante privatärztliche Venographie und Dilatation der Vena jugularis interna links gemäß Liquidation des Prof. Dr. med. H. Sievert/Dr. med. N. Wunderlich/Prof. Dr. med. W.-J. Stelter, CardioVasculares Centrum Frankfurt, vom 23.12.10. Den Antrag lehnte die Kasse nach Beurteilung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit Bescheid vom 30.11.10/10.01.11 ab. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Widerspruch vom 27.12.10/09.02.11.

Ansprüche auf Krankenbehandlung werden aus § 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hergeleitet. Ziel der Behandlung ist es, die Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Sie umfasst insbesondere die ärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arzneimitteln. In Ausführung des §72 SGB V ist die ärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen sichergestellt. Diese Verträge beinhalten eine Versorgung der Versicherten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V). In diesem Rahmen wird die Krankenbehandlung als Sachleistung erbracht.

Der Gesetzgeber räumt in § 13 Abs. 2 SGB V den Versicherten anstelle des Sachleistungsbezugs auch die Möglichkeit der Kostenerstattung für Leistungen privat in Anspruch genommener Ärzte oder Einrichtungen ein. Nicht gemäß §76 Abs. 1 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene oder ermächtigte Ärzte oder Einrichtungen dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Die Erstattung ist dabei auf solche Falle begrenzt, die als vertragsärztliche Behandlung nach dem Arzt-/Ersatzkassenvertrag unmittelbar mit der Kasse hatten abgerechnet werden können. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten scheidet bereits deshalb aus, weil Sie die Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V nicht gewählt haben.

Zudem sind dem Versicherten nach § 13 Abs. 3 SGB V Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Voraussetzung 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Voraussetzung 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.

Eine unaufschiebbare Leistung i. S. der Voraussetzung 1 liegt nicht vor, denn darin werden nur Leistungen erfasst, bei denen eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse - insbesondere aus Zeitgründen (Notfallbehandlung) - nicht verlangt werden kann. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor.

Auch hat die Kasse die beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt (Voraussetzung 2). Die streitige ambulante privatärztliche Behandlung - ambulant durchgeführte Venographie und Dilatation der Vena jugularis interna links - gemäß Liquidation des Prof. Dr. med. H. Sievert/Dr. med. N. Wunderlich/Prof. Dr. med. W.-J. Stelter, CardioVasculares Centrum Frankfurt, vom 23.12.10 ist keine Vertragsleistung nach dem Arzt-/Ersatzkassenvertrag. Solche "neuen" Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen nach § 135 Abs. 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Diese Richtlinien haben normativen Charakter; sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die behandelnden Ärzte als auch für die Versicherten (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts vom 16.12.1993, Az.; 4 RK 5/92, S0zR 3-2500 § 13 Nr. 4, vom 20.03.1996, Az.: 6 RKa 62/94, BSGE 78, 70 ff. und vom 16.09.1997, 1 RK 28/95, BSGE 81, 54 ff., 1 RK 32/95, BSGE 81, 73 ff., u.a.).

Diese Bestimmungen sollen sicherstellen, dass neue Behandlungsmethoden erst nach ausreichender Prüfung des Nutzens, der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung zugeordnet werden. Sie zielen darauf ab, durch die Beurteilung des sachverständigen Gremiums Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu gewährleisten.

Eine derartige Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses liegt für die streitige ambulante Behandlung bisher nicht vor. Insofern muss die Kasse unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt eine Erstattung der Kosten ablehnen.

Dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden solange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen sind, bis der Gemeinsame Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat, wurde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 16.09.97 (Az.: 1 RK 28/95) sowie 28.03.2000 (Az.: B 1 KR 11/98 R ) bestätigt. In diesen Entscheidungen fuhrt das BSG im Wesentlichen aus:

,,Das Gesetz schließt eine Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse nicht nur bei ablehnenden Entscheidungen des Bundesausschusses, sondern ausdrücklich auch für den Fall des Fehlens einer solchen Entscheidung aus, denn es soll sichergestellt werden, dass neue Behandlungsweisen erst nach ausreichender Prüfung in dem dafür vorgesehenen Verfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden."

Daruber hinaus hat die Kasse gemäß §275 SGB V den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit einer Beurteilung beauftragt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung stellte unter dem 22.11.10 fest, dass interventionelle Maßnahmen im venösen System des Kopf-/Halsbereichs (hier - soweit dargestellt - im Rahmen der Diagnostik und zur Behandlung einer Multiplen Sklerose) eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode darstellten, für die in der Fachwelt nur vereinzelt eine theoretische Grundlage diskutiert werde. Bezüglich der im Einzelfall geeigneten vertraglichen Alternativen könne auf die ambulante vertragsärztliche Versorgung durch einen mit der Behandlung von MS-Patienten vertrauten Arzt verwiesen werden. Sollte dieser bei der Wahl der Untersuchungs- und Behandlungsverfahren unsicher sein, bestehe darüber die Möglichkeit, Sie an ein zur ambulanten spezialisierten Versorgung zugelassenes Krankenhaus zu überweisen.

Die Beurteilungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sind entsprechend ihrer Zweckbestimmung bei der Entscheidung der Kasse über die Gewährung oder Versagung einer Leistung nach der medizinischen Seite hin richtunggebend. Es bleibt unter Beriicksichtigung der Aussagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung festzustellen, dass auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az.: 1 BvR 347/98, auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden kann.

Auch die weiter vorgetragenen Einwände konnten unter Berücksichtigung der oben dargestellten Sach- und Rechtslage zu keiner anderen Entscheidung führen.

Dem Widerspruch konnte daher nicht zum Erfolg verholfen werden.

Leider konnte die BARMER GEK Ihre Erwartungen nicht erfüllen. Das liegt nicht am fehlenden guten Willen der Kasse. Wir bitten um Ihr Verstandnis und möchten zugleich anmerken, dass die BARMER GEK als Körperschaft des Öffentlichen Rechts in ihrem Verwaltungshandeln an die vorgenannten Rechtsgrundlagen gebunden ist.

Da Ihr Widerspruch nicht erfolgreich war, sind die Ihnen eventuell entstandenen Kosten für das Widerspruchsverfahren nach § 63 SGB X nicht zu erstatten.

Rechtsbehelf

Dieser Bescheid wird bindend, wenn nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht in 14467 Potsdam, Rubensstraße 8, Klage erhoben wird. Die Klage ist schriftlich bei dem genannten Sozialgericht einzureichen oder zur Niederschrift durch den Urkundsbeamten bei der Geschaftsstelle des Sozialgerichts zu erheben.

Die Klage soll neben der Orts- und Tagesangabe die Beteiligten und den Streitgegenstand bezeichnen sowie einen bestimmten Antrag enthalten; sie soll weiter den angefochtenen Bescheid bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person unterzeichnet sein.

Mit freundlichen Grüßen
gez.
Jürgen Göbel
Vorsitzender

Anlage Beiblatt


An der Sitzung des Widerspruchsausschusses I am 16.03.11 haben teilgenommen:

  • Herr Jürgen Göbel (Vorsitzender)
  • Herr P. Z. (stellv. Vorsitzender)
  • Frau H. A.
  • Herr G. K.
  • Herr S. W.
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