Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 29.03.2015

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Rechtsanwalt
Dr. phil. Falko Drescher
Helene-Lange-Str. 8
14469 Potsdam

Sozialgericht Potsdam
Rubensstraße 8
14467 Potsdam

Potsdam, den 29.03.2015

Antrag gem. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG

des Herrn Oliver Lenz, Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam

- Antragsteller -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Falko Drescher, Helene-Lange-Str. 8, 14469 Potsdam

gegen

die Landeshauptstadt Potsdam, vertreten durch den Fachbereich Soziales und Gesundheit, Hegelallee 6-8, 14469 Potsdam

-Antragsgegnerin -

wegen: Leistungen nach §57 SGB XII.

Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantrage ich,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig einen monatlichen Betrag für das persönliche Budgets i.H.v. 7000,00 € zu gewähren.

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Des weiteren bitte ich um Entscheidung über den Antrag,

dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter meiner Beiordnung zu bewilligen.

Dieser ist nicht in der Lage, die Kosten des Verfahrens aufzubringen. Insoweit wird auf die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die noch nachgereicht wird, verwiesen. Der Antrag bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Begründung:

Der Antragsteller leidet an multipler Sklerose. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen. Auch Arme und Hände sind stark in ihrer Funktion beeinträchtigt. Der Grad der Behinderung beträgt 100. Zu dem wurden die Merkzeichen G, aG, B, H und RF zuerkannt. Der Antragsteller bezieht Pflegegeld i.H.v. monatlich 728,00 € (bei anerkannter Pflegestufe III+). Er lebt unverändert in seiner Wohnung in der Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam, wobei er eine 24h-Assistenz benötigt. Der Antragsteller konnte damit - bisher - seinen breit gefächerten gesellschaftlichen Aktivitäten nachkommen.

Die Kosten der Pflege, Assistenz bzw. Teilhabe waren bereits regelmäßig Gegenstand von (auch gerichtlichen) Streitigkeiten. Die Antragsgegnerin weigert sich seit mehreren Jahren, eine neue - nach § 4 BudgetV ausdrücklich vorgesehene - Zielvereinbarung abzuschließen oder auch nur über eine solche zu verhandeln und sperrt sich vehement gegen ein Persönliches Budget.

Zuletzt mit Beschluss vom 27.02.2015 (Az.: S 20 SO 19/15 ER) wurde die Antragsgegnerin jedoch verpflichtet, dem Antragsteller bis einschließlich 31.03.2015 monatlich einen Betrag für das (noch im Hauptsacheverfahren strittige) Persönliche Budget i.H.v. 7000,00 € zu zahlen.

Das Gericht hat hierbei darauf hingewiesen, das die Beteiligten bis Ende März 2015 die Gelegenheit nutzen sollen, "die Regelungen zur benötigten Assistenz bzw. Sachleistung auf der Grundlage von brauchbaren Angeboten von Leistungserbringern zu treffen oder aber zu entscheiden, dass - nach den unerfreulichen Erfahrungen mit in Aussicht gestellten 'Fremdleistungserbringern' - dem Antragsteller das persönliche Budget in der bisherige Form weiter bewilligt wird".

Allerdings hat die Antragsgegnerin nun einseitig mit Bescheid vom 20.03.2015 kurzerhand die Kommunikation hierüber eingestellt. Sie teilt lapidar mit, der Antrag meines Mandanten, eine Budgetkonferenz einzuberufen, "wird abgelehnt".

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Die Antragsgegnerin hat lediglich vage eine Alternativversorgung in Aussicht gestellt, indem noch mitgeteilt wird: "die Bemühungen gehen dahin, ab dem 01.04.2015 die Bedarfe der Herrn Lenz über Sachleistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII zu decken".

Glaubhaftmachung: Bescheid vom 20.03.2015 (in Kopie als Anlage beigefügt)

Der Antragsteller hat jedoch weiterhin gemäß § 57 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX einen Anspruch auf die Mittel für das persönliche Budget.

Diesbezüglich kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen. Diese ist zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Insofern steht dem Antragsteller sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund zur Seite.

Die Leistungseinstellung der Antragsgegnerin ist rechtswidrig.

Ihr scheint leider die gesetzliche Zielrichtung, die mit der Einführung von Persönlichen Budgets erreicht werden soll, gänzlich entgangen zu sein.

Dabei hat der Gesetzgeber als Verdeutlichung und "Merkhilfe" in § 17 SGB IX Abs. 2 sogar noch ausdrücklich notiert, dass das Persönliche Budget dazu dient, "den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen".

Des Weiteren scheint der Antragsgegnerin nicht bekannt zu sein, dass persönliche Budgets gemäß § 17 Abs. 3 SGB IX "in der Regel als Geldleistung ausgeführt" werden. (Sie konnte in noch keinem Verfahren nachvollziehbar darlegen, warum sie auf Sachleistungen besteht.)

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erläutert die Rechtslage wie folgt:

Menschen mit Behinderung sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Die meisten können selbst am besten Entscheiden, wer ihnen beim Leben in der eigenen Wohnung oder beim Konzertbesuch helfen soll. Sie wissen, welcher Sprachcomputer für sie sinnvoll und welcher Rollstuhl nützlich ist. Um ihnen in solchen Bereichen Wahlfreiheit zu geben, gibt es das Persönliche Budget. (…) Statt festgelegter Sach- und Dienstleistungen erhalten sie Geld oder Gutscheine. (…) Das Persönliche Budget löst das bisherige Dreieck zwischen Leistungsträger, Leistungsempfänger oder Leistungsempfängerin und Leistungserbringer auf; Sachleistungen werden durch Geldleistungen oder Gutscheine ersetzt. Für ein Persönliches Budget müssen Menschen mit Behinderungen einen entsprechenden Antrag beim Leistungsträger stellen. Seit 1. Januar 2008 besteht auf Leistungen in Form des Persönlichen Budgets ein Rechtsanspruch. Das bedeutet, dass dem Wunsch- und Wahlrecht des potenziellen Budgetnehmer oder Budgetnehmerinnen in vollem Umfang entsprochen wird und bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich alle Anträge auf Bewilligung von Persönlichen Budgets zu genehmigen sind" (http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a722-persoenliches-budget-broschuere.html).

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Die Antragsgegnerin ignoriert dies jedoch konsequent und möchte den Antragsgegner - was sie immer wieder unverblümt zum Ausdruck gebracht hat - sogar in eine Einrichtung drängen (also das Gegenteil von weitgehender Selbstbestimmung erreichen).

Im Beschluss des Sozialgerichtes Potsdam vom 21.10.2013 (Az.: S 20 SO 67/13 ER) wurde bereits festgestellt, dass "eine 24-stündige Assistenz (…) zur Aufrechterhaltung sämtlicher Pflege- und Teilhabebereiche zwingend erforderlich ist". Wegen der konkreten Höhe der monatlichen Aufwendungen hatte das Gericht dann im Beschluss vom 27.02.2015 (Az.: S 20 SO 19/15 ER) mitgeteilt, dass wenigstens von der Zahlung des Mindestlohnes für die beim Antragsteller Beschäftigten auszugehen ist, so das ein monatlicher Finanzbedarf von 7000,00 € besteht.

Die Angelegenheit ist auch besonders eilbedürftig, da schon ab April 2015 die Versorgung des Antragstellers nicht mehr gewährleistet ist.

Wegen weiterer Glaubhaftmachungen, die eventuell noch erforderlich sind, wird zunächst auch auf die umfangreichen Unterlagen verwiesen, die dem Gericht bereits vorliegen; vgl die Aktenzeichen S 20 SO 144/13, S 20 SO 19/15 ER und S 20 SO 67/13 ER.

Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die Antragsgegnerin den Anspruch umgehend anerkennt. Anderenfalls wird angeregt, der Antragsgegnerin Mutwillenskosten gem. § 192 SGG aufzuerlegen.

Eine beglaubigte Abschrift habe ich beigefügt.

Falko Drescher
Rechtsanwalt

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