Klageschrift

Aus cvo6
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Der 43-jährige Kläger bezieht seit 1.1.2005 Erwerbsminderungsrente. Er leidet an Multipler Sklerose. Seine Bewegungsfähigkeit ist dadurch stark eingeschränkt, so dass Rollstuhlabhängigkeit besteht, ein GdB von 80 festgestellt wurde und ihm seit 1.3.2006 der Nachteilsausgleich aG gewährt wird.
  • Beweis: Kopie des Schwerbehindertenausweis bzw. des Änderungsbescheid


Er erhält seit 25.7.2005 Pflegeleistung nach Pflegestufe 1 und seit 1.7.2008 Pflegeleistung nach Pflegestufe 2.


Der Kläger fuhr am 09.07.2009, ca. 11.20 Uhr in Potsdam mit dem Bus 695 in Richtung Bahnhof Pirschheide; dieser Bus wird durch die Beklagte betrieben. An der Haltestelle „Bahnhof Park-Sanssouci“ hatte der Fahrer des Busses, Herr K., wie üblich die Rollstuhlrampe ausgeklappt und den im Rollstuhl sitzenden Kläger in den Bus geschoben. (Stoßhebelrollstuhl Marke Meyra, von der Krankenkasse am 13.5.2009 geliefert.)


Dem Fahrer musste folglich bewusst sein, dass er einen besonders schützenswerten Fahrgast zu befördern hatte. Dennoch fuhr er mit hoher Geschwindigkeit durch die in nur 150 m Entfernung befindliche Unterführung am Bahnhof Park-Sanssouci. Unmittelbar vor der Ausgangskurve bremste der Fahrer den Bus stark ab, dass der Kläger mit dem Rollstuhl umkippte. Dabei fiel er mit dem Brustkorb auf den Handhebel seines Rollstuhls. Durch den Sturz erlitt der Kläger so starke Verletzungen, dass er mehrere Minuten vor Schmerzen brüllte.


Bei dem Sturz verletzte der Kläger sich im Bereich des Brustkorbes und der rechten Schulter. Er suchte anschließend den Durchgangsarzt und Chirurgen Dr. Dannenberger auf, welcher nach Röntgenaufnahme einen Bruch der 7. Rippe sowie eine Zerrung in der rechten Schulter diagnostizierte.


Vom 9.7. bis 14.7. musste der Kläger 24 h am Tage zu Hause medizinisch und hauswirtschaftlich betreut werden. Die starken, immer mehr zunehmenden Schmerzen, nicht nur im Brustbereich, sondern auch in der Schulter hatten fast vollständige Bewegungsunfähigkeit zur Folge, zudem bildete sich ein Luftemphysem im gesamten Körper aus.


Vom 14.07.09 bis zum 22.07.09 musste der Kläger aufgrund der Unfallfolgen dann stationär behandelt werden. Es stellte sich heraus, daß sogar zwei Rippen gebrochen waren und die Lunge verletzt wurde. Diagnose: Fraktur der 7. und 8. Rippe, Pneumothorax, Weichteilschaden und Emphysem.


Anschließend musste der Kläger sich vom 14.8.09 bis zum 4.9.09 einer stationären Anschlußheilbehandlung (Reha) unterziehen, um die gröbsten Unfallfolgen zu bewältigen und wieder ins Leben zurückkehren zu können.


Der Kläger erlitt durch das Trauma beim Unfall schlimmste Schmerzen und nachfolgend durch den Rippenbruch und die Zerrung in der rechten Schulter schlimme Schmerzen. Durch die Operation folgten weitere schlimme Schmerzen; weitere erhebliche Schmerzen folgten aus der Woche Bettlägerigkeit und die Unmöglichkeit, aufgrund der angeschlossenen Thoraxdrainage, die Liegeposition zu wechseln.


Bis Oktober waren Schmerzen permanent, vor allem im Rippenbereich. Durch diese körperlichen Einschränkungen war er in seiner Teilnahme am öffentlichen Leben erheblich eingeschränkt. Durch die Unfallfolgen war seine Beweglichkeit noch weiter vermindert. Er konnte bis Mitte September Toilettengänge nicht mehr selbst erledigen. Nur noch mit Hilfe Dritter konnte er seine Wohnung verlassen. Er war seit dem Unfall auf deutlich mehr Hilfe angewiesen. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung zur Sicherstellung der elementarsten Lebensumstände (Nahrung, Toilette) war bis zur Reha erforderlich. Nur knapp ist der Kläger der Pflegestufe 3 entgangen.


Z. B. konnte er den Kurs an der Montessorischule Potsdam erst wieder nach der Anschlußheilbehandlung durchführen und mußte sich bis zum 8.9. vertreten lassen. Darüber hinaus war er komplett unselbständig und nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Der Kontakt zu seinen Kindern (7 und 10 J.), die sich ansonsten jeden Freitag zu Samstag bei ihm aufhalten, musste noch im gesamten September entfallen.


Die Beklagte lehnte die außergerichtlichen Vergleichsbemühungen des Klägers ab. Sie ist der Auffassung, dass ein schuldhaftes Verhalten ihres Fahrers nicht nachgewiesen werden könne. Sie begründet ihre Auffassung mit den Behauptungen, der Kläger habe den vorgesehenen RS-Platz im Bus nicht benutzt, hätte somit nicht längs zur Fahrtrichtung an der vorgesehenen Prallplatte gestanden und sei nicht mit dem Rollgurt gesichert gewesen. Da sich der Kläger demnach keinen festen Halt verschafft hätte, sei der Unfall von ihm eigen verschuldet.
  • Beweis: Schreiben der ViP v. 20.08.09 Anlage A …


Die Auffassung der Beklagten ist insbesondere aus folgenden Gründen falsch. Verursacher des Unfalls ist allein die Beklagte, indem ihr Fahrer mit unangemessener Geschwindigkeit fuhr und offensichtlich dadurch derart scharf bremsen musste, dass der Kläger samt RS überhaupt umfallen konnte. Die Beklagte äußerte dazu gegenüber dem Behindertenbeauftragten der Stadt Potsdam, Herrn Häschel, daß der Busfahrer so scharf bremsen musste, da ein anderer Bus im Gegenverkehr auftauchte (telefonische Auskunft von Herrn Häschel gegenüber dem Kläger). Nach ingenieursmäßiger Berechnungen des Klägers (er ist Dipl.-Ing. für Maschinenbau) - die durch ein Experiment bestätigt wurde - ist für das Kippen des vom Kläger besetzten RS eine Kraft von 500 N erforderlich. Diese Beschleunigungskraft tritt erst bei einer Bremsbeschleunigung des Bus von 5 m/s^2 auf, was der halben Erdbeschleunigung entspricht. Eine solche Fahrweise gefährdet nicht nur die Gesundheit und das Leben von Behinderten, sondern auch von allen anderen Fahrgästen. Grundsätzlich ist der Fahrer jedes Kfz zu einer vorausschauenden und den Umständen angepasste Fahrweise verpflichtet. Für die Fahrer von öffentlichen Verkehrmitteln gelten jedoch höhere Anforderungen. Sie sind verpflichtet, eine solche Geschwindigkeit zu wählen, die ihnen ermöglicht, jederzeit auf plötzliche Ereignisse im Straßenverkehr reagieren zu können, ohne die Sicherheit und Gesundheit der Fahrgäste zu gefährden. Diese Pflicht hat die Beklagte offensichtlich verletzt, denn durch eine sanfte Bremsung kann ein Mensch samt RS nicht umfallen. Ursächlich für das Umkippen des Klägers ist folglich allein die pflichtwidrig unangepasste Fahrweise der Beklagten!


Ein Berufskraftfahrer im Personenverkehr, der einen Bus führt und zusätzlich einen Fahrgast im Rollstuhl in seinem Bus befördert, muß stets so vorausschauend fahren, daß eine heftige Bremsung aufgrund von normalem (!) Gegenverkehr ausgeschlossen ist. Zumal es sich hier um eine bekannt unübersichtlichen Stelle handelte.


Die weiteren Behauptungen der Beklagten im Einzelnen zielen bestenfalls auf ein etwaiges Mitverschulden des Klägers, doch auch dies ist nicht vorhanden. Der Kläger hat keine Pflichten als Fahrgast verletzt. Er stand genau dort, wo ihn der Fahrer des Busses hingeschoben hatte, nämlich in dem Bereich, der für RS und Kinderwagen vorgesehen ist, und zwar quer zur Fahrtrichtung.


Der Fahrer hatte ihn weder damals, noch auf dem Foto, längs zur Fahrtrichtung gestellt (was ihm möglich gewesen wäre), noch darauf hingewiesen, dass er dies allein tun soll (was allerdings, mangels ausreichendem Rangierraumes, in endlicher Zeit nicht möglich gewesen wäre). Im betreffenden Bus gab es zum Zeitpunkt des Schadens keinerlei Hinweisschilder, dass Fahrgäste mit RS verpflichtet wären, in Fahrtrichtung zu stehen. Entsprechende Schilder in anderen Verkehrsmitteln der Beklagten lauten: „Dieser Platz ist für Rollstuhlfahrer reserviert. Den Rollstuhl bitte entgegen der Fahrtrichtung gegen die Rückenlehne stellen, Bremsen anziehen und Gurt anlegen.“


Selbst diesem Schild ist jedoch keine ausdrückliche Rechtspflicht zu entnehmen, sich längs zur Fahrtrichtung stellen zu müssen, ebenso fehlen Hinweise auf etwaige haftungsrechtliche Konsequenzen im Falle von Pflichtverletzungen der Fahrgäste. Auch über einen Rollgurt verfügte der eingesetzte Bus nicht. Es war dem Kläger also gar nicht möglich, sich mit seinem RS zu sichern. Davon abgesehen fehlt aber auch hier eine ausdrückliche Rechtspflicht der Fahrgäste, etwa vergleichbar mit Autofahrern, RS anzugurten.


Im übrigen benutzte der Kläger öfter die öffentlichen Verkehrsmittel, vor allem den Bus. Dabei steht er immer quer zur Fahrtrichtung, weil er den RS auf so engem Raum nicht rangieren kann. Dies würde seinen Ein- und Ausstieg unnötig erschweren. Er zieht grundsätzlich die Handbremse fest, um nicht hin und her zu rollen und bisher ist er auf diese Art immer unverletzt geblieben und hat sich dabei noch nie einer Gefährdung ausgesetzt gesehen.


Die Höhe des Schmerzensgeldes wird in das Ermessen des Gerichts gestellt. In vergleichbaren Fällen haben Gerichte Schmerzensgeld i.H.v. 4.000,00 € ausgesprochen, wobei die Tendenz zu berücksichtigen ist, dass den Geschädigten zunehmend höhere Forderungen zugesprochen werden.


Sollte das Gericht weiteren Vortrag des Klägers für erforderlich halten, bitte ich ggf. um Hinweise gem. §§ 103 ff. SGG.
Abschrift, beglaubigte Abschrift sowie Vollmacht des Klägers anbei.

Leif Steinecke, Tel. 030-99 27 28 93

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