Ratgeber

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Dies ist mein privater Entwurf einer Überarbeitung.

für behinderte Arbeitgeber*innen und solche, die es werden wollen. Dazu Hinweise und Beispiele rund um Verwaltung und Abrechnung von Assistent*innen
Ausgabe November 2019
Bezugsadresse: ForseA e. V.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Der Ihnen hier vorliegende Ratgeber will Menschen mit Behinderungen Wege aufzeigen, um Arbeitgeber*in für eigene Assistent*innen zu werden. Dieses sogenannte Arbeitgeber*innenmodell erlaubt größtmögliche Selbstbestimmung. Tatsächlich wird dieses Modell sogar vom Gesetzgeber bevorzugt. Aber leider auch, ob aus Unkenntnis, ob aus finanziellen Gründen, ob aus Bequemlichkeit, von den Leistungsträgern (Krankenkasse, Jobcenter, Sozialamt u. a.) in der Regel stiefmütterlich behandelt. Aber das soll uns nicht abschrecken. Es gibt ein Leben zu gewinnen. Unser Leben!
Dieser Ratgeber aber kein Patentrezept liefern, dafür unterscheiden sich Situation, Wünsche und Bedürfnisse der jeweiligen Menschen zu stark voneinander. Aber er kann auftretende Fragen beantworten und Hilfe und Unterstützung bieten.
Angeführte Probleme sollen keinesfalls abschrecken, sondern lediglich auf eventuell auftretende Schwierigkeiten hinweisen. Es werden jeweils Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Der Ratgeber besteht aus zwei Kapiteln. Das 1. Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Finanzierung und Beantragung des Assistenzmodells. Kapitel 2 befasst sich umfassend mit der Verwaltung des Assistenz„betriebes“. Wir haben versucht, die Grundlagen der Betriebsverwaltung ausreichend zu erklären. Wenn Sie etwas nicht verstehen, melden Sie sich bitte bei uns. Denn nur dann können wir Ihnen die Lösung Ihres Problems aufzeigen, aber auch das Handbuch für kommende Anwender*innen an dieser Stelle verständlicher schreiben.
„Behinderte Menschen mit Assistenzbedarf sind selbst die größten Experten in eigener Sache. Sie brauchen keine Pfleger*innen in Anstalten oder von ambulanten Diensten, die sie bevormunden mit der Begründung: „Ich weiß, was gut für dich ist“ und „Ich helfe Dir, aber so, wie ich es für richtig halte.“ Die meisten Menschen mit Behinderungen benötigen Assistent*innen, die ihnen ihre Hände und nicht ihren Kopf ersetzen; die zwar mit- aber nicht vordenken.“ Elke Bartz 25.08.2008
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Mut und viel Erfolg bei der Umsetzung „Ihres“ Assistenzmodells. Gerhard Bartz

Haftungsausschluss

Für unmittelbare oder mittelbare Folgen von Fehlern dieses Ratgebers und des Handbuches übernehmen die Autoren und Herausgeber keine Haftung.
Daher sollten alle Auswertungen vor der Weitergabe an Dritte (z.B. Assistent*in, Banken, Krankenkassen, Finanzamt, Kostenträger) nochmals sorgfältig überprüft werden.
Dies gilt insbesondere für die neuen rechtlichen Grundlagen durch das Bundesteilhabegesetz. Dieses Gesetz, seine Ausgestaltung und seine rechtlichen Wirkungen fließen nach und nach in den Ratgeber ein.

Das Assistenzmodell - Finanzierung und Beantragung

Einleitung

Eine Möglichkeit für ein freies Leben in Selbstbestimmung bietet das sogenannte Arbeitgeber*innenmodell (in der Folge als Assistenzmodell bezeichnet). Beim Assistenzmodell beschäftigen behinderte Menschen die von ihnen benötigten Helfer*innen (Assistent*innen) in einem eigenen „Betrieb im eigenen Haushalt“. Das bedeutet, die Assistent*innen stehen in einem abhängigen Arbeitsverhältnis zu den jeweiligen Assistenznehmer*innen. Sie leisten die benötigten Hilfen und werden dafür entlohnt. Beim Assistenzmodell „mutiert“ das „zu pflegende, betreuende und verwaltende Objekt der Hilfebedürftigkeit“ zum selbstbestimmten Subjekt, das seinen Tagesablauf in Eigenregie gestalten kann.

Wer kann Arbeitgeber*in werden?

Prinzipiell ist es allen Menschen mit Behinderung – sei die Behinderung geistiger, körperlicher oder seelischer Art – möglich, das Arbeitgeber*innenmodell zu wählen. Dazu bedarf es nur der Bereitschaft zur Eigenverantwortung und Selbstbestimmung sowie zur Verantwortungsübernahme gegenüber den Assistent*innen. Falls Betreuung vorliegt, können die gesetzlichen Betreuer*innen stellvertretend für den behinderten Menschen agieren.
Assistent*innen sind Arbeitnehmer*innen mit allen diesbezüglichen Rechten und Pflichten, so wie in einem „normalen“, d. h. gewinnorientierten Betrieb. Alle Arbeitgeber*innen in Deutschland müssen die Rechte ihrer Mitarbeiter*innen wahren. Die Arbeitnehmer*innen haben Ansprüche ihnen als Arbeitgeber*in gegenüber (z. B. Entlohnung gegen Leistung, Entlohnung im Krankheitsfall usw. usf.)
Behinderte Arbeitgeber*innen verfügen über verschiedene Kompetenzen. Fehlen eine oder mehrere Kompetenzen, können diese angeeignet oder anderweitig ausgeglichen werden. (Beispiel Personalkompetenz: Steuerberater, Assistenzgenossenschaften oder „Selbstbestimmt-Leben-Zentren“ können die Lohnabrechnungen erstellen.) Doch dazu später.

Die Kompetenzen im Einzelnen

  • Personalkompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen entscheiden, wer die Assistenzleistungen erbringt. Sie schließen Arbeitsverträge mit ihren Assistent*innen ab, erstellen Dienstpläne und Lohnabrechnungen. Sie führen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab.
  • Anleitungskompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen weisen die Assistent*innen selbst in die benötigten Hilfeleistungen ein. Sie wissen am besten, welche Assistenzleistungen sie in welchem Umfang benötigen.
  • Finanzkompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen kontrollieren die Verwendung der ihnen zustehenden Finanzmittel wie Leistungen aus der Pflegeversicherung (SGB XI), der Krankenversicherung, dem SGB XII (Sozialamt) usw.
  • Organisationskompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen gestalten ihren Tagesablauf in Eigenregie (ohne zeitliche Vorgaben).
  • Ortskompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen bestimmen, an welchem Ort die Assistenz erbracht wird (z. B. in der eigenen Wohnung, am Urlaubsort, bei Besuchen von Freunden und Familienangehörigen).

Für viele die optimale Lösung

Das Assistenzmodell stellt für viele (aber nicht für alle) Menschen mit Assistenzbedarf die optimale Lösung dar. Es gibt Menschen, die nie die Bewältigung ihres Alltages erlernt haben. Für diejenigen, die es auch nicht lernen wollen, gibt es die verschiedensten Möglichkeiten der Versorgung. Der Preis dafür ist die mehr oder minder starke Einschränkung von Freiheit und Selbstbestimmung. Jede*r einzelne muss für sich selbst entscheiden, welche Alternative für sie*ihn die richtige darstellt.
Außer den oben genannten Kompetenzen sollten (künftige) Arbeitgeber*innen über weitere Eigenschaften verfügen. Diese sind der Wille, die eigenen Interessen durchzusetzen und der Mut, unter Umständen einen langen „Kampf“ mit den Kostenträgern durchzustehen. Besonders Menschen mit hohem Assistenzbedarf – was nahezu immer relativ hohe Kosten zur Folge hat – müssen sich oft (glücklicherweise nicht immer) auf langwierige Auseinandersetzungen mit den Behörden und sonstigen Kostenträgern gefasst machen. Diese Tatsache soll niemanden verängstigen oder gar abschrecken, sondern lediglich darauf hinweisen, dass Probleme auftreten können.
Kostenträger, insbesondere die Träger der Sozialhilfe, handeln oft unter der Prämisse, die Rechte behinderter Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben nur dann zu wahren, wenn das nicht mit Kosten für sie verbunden ist. Dort wird der Mensch häufig auf den Kostenfaktor reduziert. Besonders schwierig wird es, wenn die Kosten des Assistenzmodells höher als die in einer Anstalt sind. Oft interessiert die Mitarbeiter*innen der Behörden die Lebensqualität der assistenznehmenden Menschen nicht. Manchmal aber kennen Sachbearbeiter*innen das Assistenzmodell und seine Rechtsgrundlagen nur nicht und scheuen sich schon deshalb, die Kostenübernahme zu bewilligen. Eigene Rechtskenntnis und gute Argumentationen wirken da oft Wunder.
In Bezug auf die Lebensqualität ist der Vergleich stationärer Einrichtungen mit ambulanten Möglichkeiten aus der Perspektive der Assistenznehmer*innen absurd und verbietet sich von vornherein.

Wie wird ein behinderter Mensch Arbeitgeber für seine Assistent*innen?

Ausgangsbasis

Die Vorgeschichte jedes Menschen ist individuell. Der Eine hatte einen Unfall. Die Andere ist seit Geburt behindert und will sich nun als erwachsener Mensch von dem Elternhaus „abnabeln“. Der Dritte hat eine fortschreitende Erkrankung, die es ab einem bestimmten Zeitpunkt unmöglich macht, ohne Assistenz zu leben. Wieder andere verlieren eine*n Angehörige*n, der*die bisher die Assistenz erbrachte. Und selbst wenn eine Form der Versorgung vorliegt: Immer weniger Menschen können die fremdbestimmte Heimsituation ertragen, denn sie wollen ein selbstbestimmtes Leben inmitten der Gemeinschaft führen.
Hinzu kommen die unterschiedlichsten Wohnsituationen. Menschen, die z. B. nach einem Unfall querschnittgelähmt sind, können oft nicht mehr in ihre frühere Wohnung zurück, da es nicht möglich ist, diese barrierefrei umzubauen. Andere haben das Glück, über eine mehr oder minder geeignete Wohnung zu verfügen.
Alle, ob sie aus dem Elternhaus oder aus einer Anstalt ausziehen wollen oder, wie oben angeführt, nach einem Klinikaufenthalt nicht mehr in ihren früheren Wohnungen leben können, stehen vor einer besonderen Problematik. Sie müssen geeignete Wohnungen finden und mit dem Einzug müssen Assistenz und deren Finanzierung gesichert sein, damit keine – unter Umständen lebensbedrohliche – Versorgungslücke entsteht.
Geringeren Koordinationsproblemen haben diejenigen, die sowieso in einer barrierefreien Wohnung leben; von einer anderen Möglichkeit der Hilfenahme (z. B. durch Familienangehörige) zum Assistenzmodell wechseln wollen oder durch eine fortschreitende Erkrankung nur allmählich immer hilfebedürftiger werden.

Finanzierung

Die Finanzierung stellt oft das größte Problem bei der Umsetzung des Assistenzmodells dar. Die Pflegeversicherung deckt ja leider weniger Kosten ab, als vor ihrer Einführung im Jahre 1995 propagiert.
Die Leistungen der Träger der Rehabilitation (Krankenkasse, Rentenversicherung) sind einkommens- und vermögensUNabhängig. Wer jedoch bei einem Unfall eine „Mitschuld“ hat, muss die benötigten Leistungen entsprechend der (in der Regel vom Gericht ermittelten) Haftungsquote selbst tragen oder über andere eventuell zuständige Rehaträger decken.
Aber auch wenn genügend Vermögen im eigenem Haushalt vorhanden ist, stehen dem Assistenzmodell natürlich keine finanziellen Hindernisse im Weg. Aber ACHTUNG: Zugehörige sind direkt betroffen. Diese legen sich oft quer, wenn Vermögen für Assistenz ausgegeben werden soll. Vielen Menschen ist aber aus verständlichen Gründen ein gutes Verhältnis zur Familie wichtig. Da lässt sich nichts machen und diese Menschen müssen eben in einer Anstalt verbleiben. Zumindest bis zum 1.1.2020, denn ab da entfällt zum Glück die Anrechnung von Vermögen des Partners. Aber Achtung 2: Liegt gemeinschaftliches Eigentum vor (zum Beispiel gemeinsamer Besitz einer fremdgenutzten Eigentumswohnung), wird das Sozialamt zuerst die „Versilberung“ des Eigentums verlangen! Dem Familienzwist sind Türen und Tor geöffnet oder die nachfragende Person muss doch in einer Anstalt leben.
Aber wenn kein Vermögen und „nur“ eine Behinderung vorliegt, dann kommt das Sozialamt ins Spiel. Denn wir leben zum Glück in einem Sozialstaat und wer sich nicht selbst helfen kann, dem hilft die Gemeinschaft. Aber Leistungen der Sozialhilfe (d. h. Leistungen nach SGB XII) SIND einkommens- und vermögensabhängig. Und sie sind grundsätzlich nachrangig. Das heißt, zunächst einmal müssen alle anderen Möglichkeiten der Kostendeckung ausgeschöpft werden.
Viele assistenznehmende Menschen sind auf die Kostenübernahme durch die Träger der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe angewiesen. Das Sozialamt – welch Wunder – zahlt aber nicht gerne. Auf Grund der Gesetzeslage muss es das jedoch. Denn es steht jedem behinderten Menschen durch das Wunsch- und Wahlrecht nach § 8, SGB IX frei, die Wohnform zu wählen, in der er*sie leben möchte. Zur möglichen Wohnform gehört auch der eigene Haushalt (die anderen sind Pflegeheim oder Pflege-WG). Wenn zum Leben im eigenen Haushalt Assistenz erforderlich ist, dann eben mit Assistenz. Das ist ein gesetzlicher Anspruch!
Die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit der Sozialhilfe geht gegenwärtig (2019 und davor) soweit, dass das Einkommen und Vermögen von dem*r Partner*in, sowie von Kindern und Eltern angerechnet wird (ggf. unter Berücksichtigung von Freibeträgen). An dieser Stelle bringt das viel gescholtene Bundesteilhabegesetz ab dem 1.1.2020 eine Verbesserung: Die Einkommens- und Vermögensanrechnung von Partnern entfällt. Bedingung: Es werden auch Teilhabeleistungen gezahlt.
Wir unterscheiden: Die Sozialhilfe trägt Kosten sowohl zur „Hilfe zur Pflege“ als auch zur Teilhabe. Im Normalfall interessiert das niemanden: Geld ist Geld; aus welchem Topf auch immer. Bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung des Partners kommt dem „Topf“ eine entscheidende Bedeutung zu. Beispiel: ein Mensch im Wachkoma kann nur „Hilfe zur Pflege“ bekommen, denn Leistungen zur Teilhabe braucht es hier nicht – durch das Wachkoma ist dieser Mensch gehindert, am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Bei diesen Menschen entfällt die Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Partners NICHT.
Noch mal zusammenfassend: Prinzipiell gibt es folgende Finanzierungsquellen:
  • Leistungen der Pflegeversicherung (wegen des besonderen Umfangs wird der Pflegeversicherung ein gesondertes Kapitel gewidmet)
  • Leistungen der Krankenversicherung im Rahmen der häuslichen Behandlungspflege
  • Leistungen der Berufsgenossenschaften bei Arbeitsunfällen
  • Schadensersatzansprüche bei Impfschäden, sowie Wehrdienst- und Zivildienstunfällen gegenüber den Versorgungsämtern
  • Schadensersatzansprüche bei ärztlichen Kunstfehlern
  • Schadensersatzansprüche gegenüber Unfall- oder sonstigen Versicherungen
  • Leistungen des Integrationsamtes für Arbeitsassistenz
  • eigenes Einkommen und Vermögen
  • Leistungen der Sozialhilfe (immer nachrangig!)
Wer jetzt verschreckt die Idee aufgeben will, Arbeitgeber*in für ihre*seine Assistenzkräfte zu werden, sei beruhigt: Die behinderte Person muss zum Glück nicht wissen, welches Amt zuständig ist. Sie stellt einfach einen Antrag auf persönliches Budget bei irgendeiner Stelle. Die Ämter sind vom Gesetz angewiesen, bei eigener fehlender Zuständigkeit an die aus ihrer Sicht zuständige Stelle weiterzuleiten! Der behinderte Mensch ist von der Pflicht befreit, von „Pontilus zu Pilatus“ zu laufen!!
Wie schon oben gesagt, springt im Extremfall, also wenn der behinderte Mensch keine andere Finanzierungsquelle hat, der Träger der Sozialhilfe ein. Verfügt der behinderte Mensch, der Leistungen der Sozialhilfeträger beantragt, über eigenes Einkommen und/oder Vermögen, muss dieses eingesetzt werden, sofern bestimmte Freibeträge überschritten werden. Da sich diese Freibeträge immer wieder ändern und nach Situation differieren (z.B. unterschiedliche Wohnkosten), werden sie hier nicht im Einzelnen angeführt.
Vorab zur Info: Ein vom Antragsteller selbst bewohntes Eigenheim gilt als geschütztes Vermögen, sofern es das übliche Maß an Wert und Größe nicht erheblich überschreitet.
Reichen vorrangige Leistungsansprüche, bzw. das eigene Einkommen und Vermögen nicht oder nur teilweise aus, um die Assistenzkosten zu finanzieren, können Assistenznehmer*innen Leistungen nach § 65 SGB XII beantragen. Zunächst genügt ein formloser Antrag. Sinnvoll ist es bei Antragstellung eine „Aufstellung der zu erwartenden Kosten“ beizulegen. Es kommt übrigens nicht darauf an, wie manche Kostenträger irrtümlich meinen, wie viele verschiedene Assistent*innen die Leistungen erbringen. Wichtig ist es, den benötigten zeitlichen Umfang abzudecken.
Als Berechnungsbasis für die Höhe der einzelnen Löhne dient der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD-K). Manche Sozialämter bewilligen begrenzte Festbeträge für die Entlohnung der Assistenz. Das zwingt Arbeitgeber*innen, niedrigere Löhne als nach TVöD zu zahlen.
Einige Kostenträger versuchen, behinderte Menschen zu drängen, ihre Assistenz mittels so genannter Honorarkräfte zu organisieren. Bei korrekter Auslegung des Sozialversicherungsrechtes und nach Aussage der Deutschen Rentenversicherung ist das nicht legal, spart der Behörde jedoch Kosten.
Das Sozialamt reagiert, indem es Antragsvordrucke zur Feststellung der Vermögensverhältnisse zuschickt und den „Allgemeinen Sozialen Dienst“ oder das Gesundheitsamt (je nach Bundesland) beauftragt, den Umfang der Hilfebedürftigkeit festzustellen.
Viele Sozialämter orientieren sich an den Gutachten der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDKs), die zur Feststellung der Pflegestufe im Rahmen der Pflegeversicherung erstellt wurden. Doch Vorsicht, die Pflegeversicherung deckt nur einen Teilbereich der möglichen benötigten Assistenzleistungen ab! Die Bindungswirkung zwischen MDK-Gutachten und Sozialhilfeträger besteht darin, dass der Sozialhilfeträger nicht unterhalb des vom MDK anerkannten Bedarfs bewilligen darf. Da das SGB XII dem Bedarfsdeckungsprinzip (alle notwendigen Kosten sind zu decken) untersteht, müssen alle tatsächlich vorhandenen Bedarfe gedeckt werden. Und die gehen weit über den Leistungskatalog der Pflegeversicherung hinaus, wie auch Urteile aus der Urteilssammlung des Forums selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) hinreichend beweisen.
Neben der „Hilfe zur Pflege“ (§ 61ff. SGB XII) und „Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes“ (§ 70 Abs. 1 SGB XII) gibt es die Möglichkeit, Eingliederungshilfe (§ 53 SGB XII) zu beantragen. Assistenznehmer*innen, die eine „rund-um-die-Uhr-Assistenz“ im Rahmen der Hilfe zur Pflege finanziert bekommen, werden selten zusätzlich Eingliederungshilfe in Form von Personalkosten geltend machen können, da ihnen 24 Stunden am Tag Assistent*innen zur Verfügung stehen. Bekommen jedoch Assistenznehmende z.B. nur fünf Assistenzstunden für Pflege und Hauswirtschaft bezahlt, können sie Eingliederungshilfe beantragen. Die Begründung: Zur Teilnahme am öffentlichen Leben (Theaterbesuch, Teilnahme an Kursen der Volkshochschule, Besuche bei Freunden und vieles andere mehr) wird zusätzlich Assistenz benötigt.
Allgemein sei aber festgestellt: Es mag für den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die verschiedenen Leistungsarten (Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe) von Belang sein, welcher Anteil z. B. für eine wie auch immer "angemessene" Teilhabe am Leben aus dem entsprechenden "Topf" ausgereicht wird, für die antragstellende Person bzw. die Gesamtsumme kann dies aber kaum von Belang sein.
Obwohl es sich beim SGB XII um ein Bundesgesetz handelt, wird es von Land zu Land, selbst von Kommune zu Kommune unterschiedlich ausgelegt. Die Vermögenssituation der Kommunen, aber auch der „gute Wille“ der Sachbearbeiter*innen bei Ermessensspielräumen spielt bei der Bewilligung der Kostenübernahme eine große Rolle. So bewilligt das eine Sozialamt relativ problemlos eine Kostenübernahme von 9.000 Euro. Andere Sozialämter verweigern die Kostenübernahme, sobald die Kosten für das Assistenzmodell die Kosten einer Anstaltsunterbringung übersteigen. Etliche Gerichtsurteile belegen jedoch, dass ein Kostenvergleich zwischen stationären und ambulanten Kosten nur stattfinden darf, wenn eine ambulante Versorgung nicht möglich, eine stationäre Versorgung zumutbar und eine geeignete Anstalt (incl. freiem „Platz“) vorhanden ist (siehe auch § 13 SGB XII, vormals § 3 bzw. 3a BSHG).
§ 130 SGB XII Übergangsregelung für ambulant Betreute
Für Personen, die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder der Hilfe zur Pflege empfangen, deren Betreuung am 26. Juni 1996 durch von ihnen beschäftigte Personen oder ambulante Dienste sichergestellt wurde, gilt § 3a des Bundessozialhilfegesetzes in der am 26. Juni 1996 geltenden Fassung. Dieser Paragraf ist als Besitzstandsschutz sehr wichtig für die Menschen, die schon vor dem 27. Juni 1996 ambulante Assistenz durch das Assistenzmodell oder einen ambulanten Dienst erhielten. Diese dürfen nicht auf eine stationäre Versorgung verwiesen werden. Bei ihnen darf nur ein Kostenvergleich zwischen verschiedenen ambulanten Angeboten vorgenommen werden. Da das Assistenzmodell in der Regel kostengünstiger als Angebote professioneller Anbieter ist, haben Antragstellende hier also eine gute Position.
So einfach ist es nicht
So einfach, wie es manche Behörde gerne hätte, ist eine Anstaltseinweisung durchaus nicht. Es entspricht der Tatsache, dass grundsätzlich der größte Teil der Anträge zunächst negativ beschieden wird. Alle, die aufgeben und keinen Widerspruch einlegen, sparen den Behörden Kosten. Widersprüche werden oft negativ beschieden, obwohl die Bescheide vor Gericht keinen Bestand haben können. Viele Antragstellenden scheuen den Gang vor das Gericht und geben entmutigt bei einem negativen Widerspruchsbescheid auf. Auch das erspart den Behörden Kosten. Diejenigen, für die das Assistenzmodell die einzig akzeptable Alternative der Assistenznahme darstellt, sollten nicht zögern, den Rechtsweg zu beschreiten. Zwar endet nicht jede Gerichtsverhandlung mit einem positiven Urteil, aber Vergleiche bieten oft akzeptable Kompromisslösungen. Seit die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht sind, ist durch den dortigen selbstvollziehenden Artikel 19 eine Anstaltseinweisung gegen den Willen der betroffenen Person nicht mehr durchsetzbar.
Ein guter Rechtsanwalt ist sehr wertvoll. Nicht jeder Anwalt kennt sich jedoch im Verwaltungs- bzw. Sozialrecht umfassend aus. Das Assistenzmodell kennen viele gar nicht. Das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA e.V.) führt eine Liste im Verwaltungs- und Sozialrechtrecht versierter Rechtsanwälte. Weitere Anschriften entsprechender Rechtsanwälte nimmt ForseA gerne in das Verzeichnis auf. Behinderte Menschen, die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII oder anderen Rechtsgrundlagen beantragen, benötigen diese Leistungen, sobald sie die ersten Lohnabrechnungen erstellen müssen. Die zeitliche Differenz zwischen Antragstellung und -bewilligung ist manchmal sehr problematisch.
Zunächst gilt es „Bedarf zu schaffen“, das heißt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Leistungen müssen vorhanden sein. Ein Vorsprechen beim Sozialamt nach dem Motto: „Liebes Sozialamt, was bist Du bereit zu zahlen?“ schon Monate, bevor Assistentinnen eingestellt werden, ist wenig sinnvoll.
Behörden benötigen klare Fakten, nach denen sie Bescheide erlassen können. Andererseits können behinderte Arbeitgeberinnen kaum mehrere Monate für die Löhne ihrer Assistentinnen in Vorleistung gehen. Helfen könnte eine Feststellungsklage, mit der festgestellt werden kann, dass die zukünftigen Kosten auch übernommen werden. Im übrigen leiden die Mitarbeiter*innen der Sozialämter (und anderer Kostenträger) tatsächlich oft unter Arbeitsüberlastung. Darüber hinaus lässt die Erfahrungen vieler antragstellender Personen befürchten, dass die Bearbeitung der Anträge bewusst nicht gerade forciert wird. Seit Einführung des SGB IX am 1. Juli 2001 besteht jedoch die Pflicht, Bescheide innerhalb von zwei Wochen zu erstellen, bzw. an den zuständigen Rehaträger weiterzuleiten, falls sich der Erstangegangene als nicht zuständig erweist. Wenn Gutachten notwendig werden, müssen diese innerhalb von drei Wochen erstellt werden (siehe auch § 14 SGB IX). Die entsprechenden Bescheide müssen innerhalb von zwei Wochen ergehen. Der bzw. die zuständigen Kostenträger sollen den Antragstellenden drei Gutachter benennen (§ 14 [5] SGB IX), von dem dieser sich einen auswählen kann. Drängt die Zeit und es ist absehbar, dass der/die notwendigen Bescheide nicht rechtzeitig ergehen werden, ist es sinnvoll, eine*n versierte*n Rechtsvertreter*in einzuschalten. Diese*r kann dann bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen.
In Punkt 1.5 finden Sie Auszüge aus den wichtigsten, hier näher beschriebenen Gesetzestexten.

SGB IX

Arbeitsassistenz

Einerseits ist das Schubladendenken, mit dem assistenznehmende Menschen konfrontiert werden, oft entwürdigend und belastend. Die Aufteilung in verschiedene Bereiche wie Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Arbeitsassistenz ist lebensfern und bringt nicht selten große Probleme bei der Leistungsbewilligung mit sich. Häufig gibt es Streitpunkte, welcher Kostenträger den jeweiligen Leistungsumfang zu tragen hat. Diese Probleme gäbe es nicht, wenn nicht zwischen den einzelnen Arten der Hilfen unterschieden würde, sondern lediglich der Hilfebedarf in Stunden ermittelt und von einem einzigen Kostenträger zu erstatten wäre. Doch von einem Leistungsgesetz sind wir auch heute (10/2019) noch weit entfernt.
Dennoch kann dieses Splitten auch von Vorteil sein, denn wenn die „Last“ für den einzelnen Kostenträger nicht so hoch ist, wird er einer Kostenübernahme eher zustimmen. Seit dem 1. Oktober 2000 besteht das Recht auf Arbeitsassistenz nach dem SGB III. Dieses Recht wurde nochmals durch das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene SGB IX (§ 102 Abs. 4) verfestigt. Dadurch haben es behinderte Menschen, sofern sie berufstätig sind, mit noch einem weiteren Kostenträger zu tun. Beantragt wird die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz beim Integrationsamt, der früheren Hauptfürsorgestelle. Wichtig: Die Leistungen zur Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX gelten für einen unbefristeten Zeitraum. Dagegen wird Assistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach § 33 Abs. 8 Satz 3 SGB IX nur bis zu einem Zeitraum von drei Jahren gewährt. Die Leistungen für Arbeitsassistenz werden grundsätzlich einkommens- und vermögensunabhängig gewährt.
Finanziert wird die Arbeitsassistenz aus den Töpfen der Ausgleichsabgabe („Strafen“, die Arbeitgeber zahlen müssen, wenn sie die gesetzliche Beschäftigungsquote nicht erfüllen). Die Höhe der Ausgleichsabgabe hängt von der Anzahl der nicht besetzten „Pflicht“-arbeitsplätzen ab. Die Integrationsämter empfehlen jedoch, die Kostenübernahmen in der Regel auf 1.000 Euro monatlich – in Ausnahmefällen auf 1.250 Euro – zu begrenzen. Das reicht insbesondere für schwerstbehinderte Arbeitnehmer*innen häufig nicht aus.
Die Arbeitsassistent*innen können entweder bei der*dem behinderten Arbeitnehmer*in oder beim Arbeitgeber des behinderten Menschen beschäftigt sein. Ersteres ist insbesondere auch dann sinnvoll, wenn Arbeitsassistent*innen sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatbereich assistieren. Honorartätigkeiten sind rechtlich problematisch. Die Rechtmäßigkeit der Honorartätigkeit sollte stets von der Krankenkasse der Honorarkraft bestätigt werden.
Arbeitsassistenz umfasst ausschließlich Hilfeleistungen zur Ausübung der Erwerbstätigkeit, nicht etwa Hilfen für den Toilettengang, beim An- und Auskleiden und ähnliches.
Gemeinsame Servicestellen
Mit Einführung des SGB IX zum 1. Juli 2001 hat der Gesetzgeber die Rehaträger verpflichtet, flächendeckend so genannte Gemeinsame Servicestellen einzurichten. Die überwiegende Anzahl der Servicestellen ist bei der Deutschen Rentenversicherung und den Krankenkassen angesiedelt.
Die Servicestellen sollen behinderte Menschen bei Anträgen auf Leistungen unterstützen, also eine „Lotsenfunktion“ übernehmen. Diese besteht darin, im Bedarfsfall die jeweils zuständigen Rehaträger zu ermitteln und gegebenenfalls das Antragsverfahren bis zum Abschluss zu begleiten. Noch werden die Servicestellen ihren Aufgaben in vielen Orten nicht wie gefordert gerecht. Baden-Württemberg stellt hier in vielen Gegenden eine positive Ausnahme dar.
Die Servicestellen wurden bis spätestens Dezember 2018 aufgelöst. Die Aufgaben werden nun von den jeweiligen Kostenträgern übernommen.

SGB V - Krankenversicherung

Es ist erst wenige Jahrzehnte her, dass beatmete behinderte Menschen ihr Leben auf Intensivstationen von Krankenhäusern fristen mussten. Verbesserte, mobile Beatmungsgeräte ermöglichen nicht nur das Leben zu Hause, sondern auch das ganz normale Reisen. Hilfen, die wegen der Beatmung benötigt werden, zählen in den Bereich der so genannten häuslichen Behandlungspflege. Diese wird von den Krankenkassen bezahlt. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung. Leistungen der Krankenkasse werden einkommens- und vermögensunabhängig gewährt. Beatmete Menschen, deren Beatmungsgerät rund um die Uhr überwacht werden muss, bzw. die stets auf plötzlich notwendiges Absaugen von Sekret angewiesen sind, können die Kostenübernahme dafür komplett bei ihrer Krankenkasse beantragen. Laut Rechtsprechung müssen dann jedoch die von der Pflegeversicherung erstatteten Leistungen abgezogen werden. Ein eventueller hauswirtschaftlicher Hilfebedarf muss aus eigenen Mitteln oder über den örtlichen Träger der Sozialhilfe finanziert werden. Auch hierzu liegt dem ForseA ein entsprechendes Gerichtsurteil (Az: ???) vor.
Viele Krankenkassen sind zunächst überfordert, wenn man sie mit einem Antrag auf Kostenübernahme für häusliche Behandlungspflege im Rahmen des Assistenzmodells konfrontiert. Dies gilt besonders, wenn beatmete Antragstellende keine Fachpflegekräfte beschäftigen wollen. Unter Verweis auf die Qualitätssicherung wird die Kostenübernahme häufig zunächst verweigert (wobei dieselben Krankenkassen nicht nach der Qualität fragen, wenn unerfahrene Angehörige die Hilfen ehrenamtlich erbringen). Diese Verweigerung ist nicht korrekt, denn nach § 37 SGB V muss es lediglich eine „geeignete Pflegekraft“ sein, die die Leistungen erbringt; es muss sich nicht um eine Fachpflegekraft handeln. Was für die Behandlungspflege für beatmete Menschen gilt, trifft natürlich auch für andere Formen der Behandlungspflege zu.

„Pauschales“ Pflegegeld

Neben der Kostenübernahme für besondere Pflegekräfte (Assistent*innen) nach § 64b SGB XII, haben behinderte Arbeitgeber*innen einen Rechtsanspruch auf das so genannte pauschale Pflegegeld nach § 64a SGB XII (siehe Punkt 1.5.5.3). Es kann jedoch um bis zu 2/3 gekürzt werden, § 63b Abs. 5 SGB XII.
Hierzu hat die Behörde ein zweifaches Ermessen auszuüben und zu begründen: 1. ob und warum sie das Pflegegeld nach SGB XII kürzt und 2. um wie viel sie kürzt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass grundsätzlich um 2/3 gekürzt wird, hätte er dies auch so in das Gesetz geschrieben. Er schrieb jedoch im § 63b Abs. 5 SGB XII: „Das Pflegegeld kann um bis zu zwei Drittel gekürzt werden, soweit die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist."
Erhält die Empfänger*in des pauschalen Pflegegeldes Assistenzkostenerstattung für weniger als 24 Stunden täglich, muss das Pflegegeld also nicht zwangsläufig gekürzt werden. Aber selbst bei einer Rund-um-die-Uhr-Assistenz ist das 1/3-Pflegegeld obligatorisch!

1.3 SGB XI - Die Pflegeversicherung

Die im Vorfeld viel gepriesene Pflegeversicherung betrifft behinderte Arbeitgeber*innen meistens nur in negativer Weise. Viele haben damit schon ihre Erfahrungen machen müssen. Dennoch werden hier die wichtigsten Bestimmungen und ihre Auswirkungen behandelt, damit sich auch die Unerfahrenen informieren können.

1.3.1 Begutachtung

Assistenznehmer*innen, die schon vor dem 01.04.1995 Pflegegeld nach dem SGB V erhielten, wurden ohne Begutachtung durch die Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDKs) automatisch in Pflegestufe II eingestuft. (Achtung: Immer häufiger gehen Pflegekassen dazu über, den Pflegebedarf dieser Menschen durch den MDK überprüfen zu lassen. Das hatte einige Rückstufungen zur Folge. Diese Begutachtungen sind jedoch rechtswidrig (siehe dazu das sehr gut begründete Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.1998 mit dem Aktenzeichen S 4 P 50/97). Uns liegt ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichtes (Az: B 3 P 20/00 R vom 13.03.2001) vor, welches inhaltlich das Gelsenkirchener Urteil bestätigt. Diese und andere Urteile sind auf der ForseA-Homepage gelistet oder gar als Volltext vorhanden. Siehe unter http://www.forsea.de/tipps/urteile.shtml.
Alle, die nach dem 01.04.1995 erstmals assistenzbedürftig wurden, müssen sich grundsätzlich begutachten lassen. Die Begutachtungskriterien werden dabei sehr restriktive angewendet. Viele fühlten und fühlen sich daher (sehr oft zu Recht) zu niedrig eingestuft. Gegen falsche Einstufungen können die Betroffenen Widerspruch einlegen. Dazu ist es sehr sinnvoll, Einsicht in das Gutachten zu nehmen, bzw. eine Kopie des Gutachtens zu verlangen.
Beim genauen Lesen des Gutachtens kann mensch erkennen, welche Assistenzleistungen nicht oder zu gering berücksichtigt wurden. Manche Krankenkassen verweigern die Herausgabe des Gutachtens bzw. dessen Kopie. Die Betroffenen haben jedoch einen Rechtsanspruch darauf. Im Widerspruchsschreiben sollten die nicht, oder nicht ausreichend berücksichtigten, aber benötigten Assistenzleistungen genau aufgelistet werden. Ein Zweitgutachten durch eine*n andere*n Mitarbeiter*in wird im Rahmen des Widerspruchverfahrens erstellt. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, sprich, erfolgt keine Höherstufung, kann ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht angestrengt werden.

Pflegegrade

Die bisherigen drei Pflegestufen (I, II und III) wurden am 01.01.2017 durch fünf Pflegegrade (1 bis 5) ersetzt. Damit wurden auch die Tabellenzeiten einzelner Verrichtungen abgeschafft. Sie wurden durch Beurteilungspunkte ersetzt.

Ambulante Leistungen der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung unterscheidet zwischen der Sachleistung (§ 36 SGB XI) und der Geldleistung (§ 37 SGB XI) sowie einer Kombination (§ 38 SGB XI) aus beiden.

Sachleistung

Die Höhe der Sachleistung beträgt (Stand: 01.12.2019):
  • in Pflegegrad 1 keine Sachleistung
  • in Pflegegrad 2 689,00 Euro
  • in Pflegegrad 3 1.298,00 Euro
  • in Pflegegrad 4 1.612,00 Euro
  • in Pflegegrad 5 1.995,00 Euro

Geldleistung

Die Höhe der Geldleistung beträgt (Stand 01.12.2019):
  • in Pflegegrad 1 keine Geldleistung
  • in Pflegegrad 2 316,00 Euro
  • in Pflegegrad 3 545,00 Euro
  • in Pflegegrad 4 728,00 Euro
  • in Pflegegrad 5 901,00 Euro

Kombinationsleistung

Bei der Kombinationsleistung werden sowohl die Geld- als auch die Sachleistung in Anspruch genommen. Bei Pflegegrad 4 bedeutet das beispielsweise: Von einem ambulanten Dienst werden Sachleistungen von 806 Euro (gleich 50%) abberufen. Somit besteht ein zusätzlicher Anspruch auf 364 Euro (gleich 50% der Geldleistung). Diese Kombinationsleistungen kommen für behinderte Arbeitgeber*innen selten in Frage, sind aber nicht gänzlich auszuschließen. In der Regel wünschen die Arbeitgeber*in, die Assistenz komplett über das Assistenzmodell zu sichern.
Ansonsten erhalten Arbeitgeber*innen nur die wesentlich niedrigeren Geldleistungen (siehe oben) der Pflegeversicherung. Das Pflegegeld dient der Sicherstellung der Pflege durch ehrenamtliche Helfer*innen. Über diese verfügen behinderte Arbeitgeber*innen in der Regel nicht. Sie müssen, im Gegenteil, für die Assistent*innen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abführen wie ambulante Dienste auch. Dennoch können sie nicht die Sachleistungen mit den Pflegekassen abrechnen. Dazu sind nur anerkannte Vertragspartner der Pflegekassen berechtigt. Diese Anerkennung wird behinderten Arbeitgeber*innen nicht zugestanden, da sie angeblich nicht die Kriterien dafür erfüllen.

Versicherungen

Für pflegende Angehörige und sonstige ehrenamtlich pflegende Personen entrichten die Pflegekassen auf Antrag (wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden) Beiträge zur Rentenversicherung (§ 44 Abs. 1 SGB XI). Außerdem sind diese Pflegepersonen automatisch gesetzlich unfallversichert. Assistent*innen behinderter Arbeitgeber*innen sind keine ehrenamtlichen Kräfte. Für sie werden diese Leistungen nicht gezahlt oder erstattet.

Pflegekurse

Die Pflegekassen bieten für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen kostenlose Schulungskurse an. An diesen können Assistent*innen in Beschäftigungsverhältnissen, aus den gleichen Gründen wie bereits erwähnt, nicht teilnehmen.
Genau genommen werden die Paragrafen der Pflegeversicherung stets zu Ungunsten behinderter Arbeitgeber*innen ausgelegt. Einmal werden sie behandelt wie Menschen, die ihre Assistenzleistungen durch Angehörige oder andere ehrenamtliche Helfer*innen erhalten. Wenn es um andere Leistungsberechtigungen geht wie Rentenversicherungsleistungen und Pflegekurse werden sie behandelt wie Menschen, die ihre Hilfeleistungen von professionellen Helfer*innen (ambulanten Diensten usw.) bekommen.

Pflichtpflegeberatung

Behinderte Arbeitgeber*innen werden in mehrfacher Hinsicht benachteiligt. Da sie nur die Geldleistungen erhalten, müssen sie regelmäßig so genannte Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI abrufen. In Pflegegrad 2 und 3 sind sie dazu einmal halbjährlich, in Pflegegrad 4 und 5 einmal vierteljährlich verpflichtet. Seit Inkrafttreten des 4. SGB XI-Änderungsgesetzes am 01.08.1999 müssen die Pflegekassen wenigstens die Kosten für die Beratungseinsätze erstatten.
Die Zwangspflegeeinsätze müssen von anerkannten Vertragspartnern der Pflegekassen (ambulanten Diensten) abgerufen werden. Bei Verweigerung wird das Pflegegeld gekürzt und im Wiederholungsfall entzogen (§ 37 Abs. 3 SGB XI).
In der Praxis ergeben sich dadurch oft kuriose Situationen. Angeblich dienen diese Einsätze der Qualitätssicherung und der Beratung pflegender Angehöriger. Über pflegende Angehörige verfügen behinderte Arbeitgeberinnen in der Regel nicht (siehe oben). Außerdem sind behinderte Menschen selbst die größten Experten in eigener Sache. Sie wissen am besten, welche Hilfeleistungen sie benötigen. Häufig kennen sich die Mitarbeiterinnen der ambulanten Dienste mit den Behinderungsarten und Bedürfnissen der Arbeitgeber*innen nicht aus. Dennoch sollen sie die sachgerechte Ausführung der Pflege prüfen.
Zudem verstößt der Paragraf gegen die in Artikel 13 grundgesetzlich geschützten Rechte aller Bürger*innen, in dem die Unversehrtheit der Wohnung garantiert wird. Im Frühjahr 1997 gab es Bestrebungen gegen dieses Gesetz, wie einen Gesetzesentwurf der Partei Bündnis 90/Die Grünen und eine Petition an den Deutschen Bundestag und damit verbundene Unterschriftenaktion des ForseA. Die Petition und Unterschriftenaktion wurde bundesweit von 85 Vereinen und Verbänden, sowie von 7608 Einzelpersonen unterstützt. Unmittelbar vor der Bundestagswahl 1998 wurde ForseA von der Ablehnung der Petition unterrichtet.

Anrechnung Pflegeversicherung gegenüber dem SGB XII

Die Geld- und die Sachleistungen aus der Pflegeversicherung werden vollständig auf die Leistungen zur Pflege nach dem SGB XII angerechnet, da es sich bei den Leistungen der Pflegeversicherung um vorrangige, gleichartige Leistungen handelt. Leistungen nach dem SGB XII sind grundsätzlich nachrangig! Zuerst sind alle anderen Finanzierungsquellen, einschließlich des eigenen Vermögens, heranzuziehen!

Was ist ein Persönliches Budget (PB)?

Mit Einführung des „Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen” (SGB IX) zum 1. Juli 2001 konnten die Träger der Rehabilitation Persönliche Budgets in Modellvorhaben erproben. Rechtsgrundlage war und ist § 17 SGB IX (siehe Punkt […]). Zuvor gab es bereits Modelle in Rheinland-Pfalz, die sich jedoch auf einen zunächst kleinen Leistungsbereich bezogen (§ 40 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes BSHG).
Seit dem 1. Juli 2004 können Persönliche Budgets bundesweit bei den Trägern der Rehabilitation sowie den Pflegekassen und den Integrationsämtern (die beiden letzteren zählen nicht zu den Trägern der Rehabilitation) beantragt werden und seit dem 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch. Außerdem können Leistungen, die nicht zu den Teilhabeleistungen zählen, bei den Krankenkassen als Persönliches Budget beantragt werden.
Persönliche Assistenz und Persönliches Budget werden manchmal miteinander verwechselt. Während das Persönliche Budget eine Form der Finanzierung darstellt, ist die Persönliche Assistenz die Art der Organisation von Hilfeleistungen. Der leichteren Lesbarkeit halber werden die Träger der Rehabilitation, die Pflegekassen und die Integrationsämter sowie die Krankenkassen im weiteren Text unter dem Begriff Leistungsträger zusammengefasst.

Die Leistungsträger

Prinzipiell gibt es folgende Leistungsträger:

  • Gesetzliche Krankenversicherung
  • Bundesagentur für Arbeit
  • Gesetzliche Unfallversicherung
  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Kriegsopferversorgung
  • Kriegsopferfürsorge
  • Öffentliche Jugendhilfe
  • Sozialhilfeträger
  • Soziale Pflegeversicherung
  • Integrationsämter

Die Antragstellung

Anträge auf Persönliche Budgets können bei jedem beliebigen der zuvor aufgelisteten Leistungsträger beantragt werden. Dies gilt sowohl bei einem „einfachen“ Persönlichen Budget (für das letztlich nur ein einziger Leistungsträger zuständig sein wird), als auch bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets, bei denen zwei oder mehrere Leistungsträger beteiligt sind (siehe § 14 SGB IX). So können beispielsweise Leistungen verschiedener Leistungsträger wie Persönliche Assistenz und – als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben – Fahrtkostenerstattung für Arbeitswege gleichzeitig bei nur einem Leistungsträger beantragt werden.
Mit dieser Regelung verhindert die gesetzgebende Instanz, dass sich die leistungsberechtigten behinderten Menschen selbst an jeden einzelnen Leistungsträger wenden müssen. Der zuerst angesprochene Leistungsträger wird automatisch zum sogenannten Beauftragten, der für die weitere Durchführung des Verfahrens zuständig bleibt, sofern er zumindest mit einer Teilleistung am Persönlichen Budget beteiligt ist. Sollte sich der zuerst angesprochene Leistungsträger als nicht zuständig erweisen, ist er verpflichtet, innerhalb bestimmter Fristen (siehe § 14 SGB IX) die jeweiligen Anträge an den oder die seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten.
In der Regel wird bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets derjenige Leistungsträger der Beauftragte, der das voraussichtlich größte Teilbudget zu leisten hat.
Anträge auf Persönliche Budgets (und andere Leistungen zur Teilhabe und Rehabilitation) können auch bei den Gemeinsamen Servicestellen (nach SGB IX) gestellt werden, selbst wenn diese letztlich kein (Teil-)Budget zu leisten haben. Die Servicestellen sind dann verpflichtet, den Antrag weiterzuleiten (siehe oben). Wie bei den anderen Leistungen können sie auf Wunsch der antragstellenden Person das gesamte Verfahren „moderieren“.

Die Bedarfsfeststellung

So wie stets bei der Beantragung von Leistungen wird der jeweilige Bedarf ermittelt. Wer bereits Leistungen bezogen hat und nun lediglich auf ein Persönliches Budget „umsteigen“ will, wird es vermutlich relativ leicht haben, da der Bedarf schon ermittelt wurde. Bei ihr*ihm wird es hauptsächlich um die angemessene „Verpreislichung“ gehen. Wer von den bisherigen Leistungen auf das Persönliche Budget wechseln möchte und gleichzeitig einen erhöhten Bedarf hat, wird dem Leistungsträger den erhöhten Bedarf nachweisen müssen.
Bei Neuanträgen wird der Bedarf wie bei Leistungen, die nicht als Persönliches Budget beantragt werden, ermittelt. Um unnötige zeitliche Verzögerungen und Belastungen durch Mehrfachbegutachtungen der Antragstellenden zu vermeiden, sollen die jeweiligen Leistungsträger bei der Bedarfsfeststellung zusammenarbeiten.
In so genannten Hilfeplan- oder Budgetkonferenzen, an denen die Antrag stellende behinderte Person, eine Vertrauensperson (eventuell Budgetberatung oder -unterstützung), alle beteiligten Leistungsträger und gegebenenfalls die Gemeinsame Servicestelle teilnehmen, soll „auf kurzem Wege“ die Zusammenführung der Teilbudgets erfolgen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn es Schnittstellen gibt. Das kann unter anderem bei der Hilfe zur Pflege oder zur Teilhabe am Erwerbsleben der Fall sein. Besonders bei trägerübergreifenden Budgets können so unzumutbare Zeitverzögerungen vermieden werden. Auch bei „einfachen“ Persönlichen Budgets sind diese Konferenzen sinnvoll, da in deren Rahmen alle Beteiligten kurzfristig ihre Meinungen und Sichtweisen austauschen können.

Traditionelle Bedarfsermittlung

Um den jeweiligen Bedarf glaubhaft darstellen und umsetzen zu können, ist es wichtig, möglichst genau zu wissen, welche Leistungen im jeweiligen Umfang zur Deckung des notwendigen Bedarfes benötigt werden (Beispiel: täglich drei Stunden Arbeitsassistenz, vier Stunden Hilfe zur Pflege, zwei Stunden Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes, drei Stunden Eingliederungshilfe).
Mit dieser Art der Bedarfsermittlung läuft mensch aber zwangsläufig in mehrere „Fallen". Erstens müssen Verrichtungen angeben und zweitens auch noch die Zeiten dazu. Dies birgt die Gefahr, dass Zeiten zwischen den Verrichtungen unter den Tisch fallen. Besser ist, wenn mensch den Tag in drei Gruppen aufteilt:
  • Zeiten, in denen die Assistenz verlässlich anwesend sein muss. In diese Zeiten werden alle planbaren und spontanen Tätigkeiten erledigt.
  • Zeiten, in denen die Assistenz vor Ort ist, in denen jedoch die Bereitschaft im Vordergrund steht. Je nach Einsatzwahrscheinlichkeit ist es möglich, die Bewertung dieser Zeiten zu verringern. Es ist darauf zu achten, dass der Mindestlohn für die Summe beider Zeiten nicht unterschritten werden darf!
  • Zeiten ohne Assistenzbedarf, in denen man wirklich keine Assistenz benötigt, oder Familie oder nahestehende Personen die Assistenz übernimmt.
Bei der „Verpreislichung“ des ermittelten Bedarfes ist unbedingt darauf zu achten, dass mit der Budgetsumme tatsächlich die notwendigen Leistungen eingekauft werden kann. Deshalb ist es wichtig, sich schon im Vorfeld möglichst genau darüber zu informieren, was die einzelnen beantragten Leistungen voraussichtlich kosten werden (Beispiel: Durchschnittsberechnungen von Lohnkosten im Arbeitgebermodell, Kostenvoranschläge von Leistungsanbietern, bei Fahrkostenerstattungen die voraussichtlich zu fahrenden Kilometer und Fahrdienstkosten oder für Taxifahrten etc.).

Die Zielvereinbarung

Sobald der jeweilige Bedarf – sowohl in der Art als auch im Umfang, einschließlich der jeweiligen Geldbeträge – von dem oder den jeweiligen Leistungsträgern ermittelt wurde, schließen die leistungsberechtigte Person und der beauftragte Leistungsträger eine sogenannte Zielvereinbarung ab. Diese Zielvereinbarungen müssen individuell auf die jeweiligen Personen, Leistungen usw. angepasst werden.
Sie enthalten auf jeden Fall, neben den Angaben zur leistungsberechtigten Person und den beteiligten Leistungsträgern, die Ziele, die mit dem Budget erreicht werden sollen. Das können z. B. Sicherung der Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung sein. Die Höhe des bzw. der (Teil-)budgets mit (eventueller Dynamisierung) und die Dauer der Bewilligung sind ebenfalls Bestandteil. Ferner wird vereinbart wie die Verwendung des Budgets nachgewiesen werden muss. Außerdem werden Angaben zum Qualitätsnachweis der erkauften Leistungen gemacht.
Dabei sollte (insbesondere auch bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets) vor allem der Umfang der gekauften Leistungen nachgewiesen werden. Es entspricht nicht dem „Geist“ des Persönlicher Budgets, genau nachzuweisen, wie hoch die eingesetzten Geldbeträge für jedes einzelne Teilbudget tatsächlich waren. Vielmehr soll das Budget erlauben, auch Leistungen eines Teilbudgets zur Finanzierung anderer Leistungen einzusetzen (Beispiel: das Geld für eine Stunde Pflegeleistung kann stattdessen für eine Stunde Begleitung zum Einkaufen verwendet werden).
Der Qualitätsnachweis soll zielorientiert erfolgen. Das bedeutet beispielsweise, wenn mit dem Budget Fahrtkosten zur Arbeitsstelle finanziert werden sollen, kommt es nicht darauf an, ob ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Fahrdienst, ein Taxi, oder das eigene Auto dazu genutzt werden, oder ob der Nachbar als Fahrer einspringt. Wichtig ist es vielmehr, dass der Arbeitsplatz pünktlich und zuverlässig erreicht wird.
Weiterhin enthält eine Zielvereinbarung den Hinweis, unter welchen Bedingungen sowohl die leistungsberechtigte Person als auch der Beauftragte die Zielvereinbarung kündigen können. Festgelegt wird ferner auch, wie verfahren wird, wenn sich die Höhe des Budgets nach einem gewissen Zeitraum als zu hoch oder zu niedrig bemessen erweist. Dieser Zeitraum sollte sinnvoller Weise ein Jahr oder länger sein (außer bei Leistungen, die ohnehin nur über einen kürzeren begrenzten Zeitraum notwendig sind und gewährt werden). Innerhalb dieses Zeitraumes muss es möglich sein, Geldbeträge, die in einem Monat nicht in vollem Umfang eingesetzt werden mussten, auf den oder die Folgemonate zu übertragen.
Zur Überprüfung, ob in der Zielvereinbarung alle wichtigen Details berücksichtigt sind, ist es hilfreich, eine Prüfliste (siehe http://tinyurl.com/y7fmgjae) zu benutzen.

Die Bescheide

Bei einem „einfachen“ Persönlichen Budget erstellt der Leistungsträger einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Bei einem Antrag auf ein trägerübergreifendes PB erstellen die jeweiligen Leistungsträger (Teil-)Bescheide, die vom Beauftragten zu einem Gesamtbescheid zusammengefasst werden, wenn die Antrag stellende Person mit dem Umfang der Leistungen einverstanden ist. Ist die Antrag stellende Person mit dem Bescheid eines oder mehrerer Teilleistungsträger(s) nicht einverstanden, kann sie ihren Widerspruch beim Beauftragten einlegen.
Zum jetzigen Zeitpunkt (12/2019) gibt es diesbezüglich noch wenig Praxiserfahrung. Es empfiehlt sich jedoch, den zu beanstandenden Teilbereich aus dem Gesamtverfahren herauszunehmen und zunächst für die unstrittigen Teilleistungen die notwendige Zielvereinbarung abzuschließen. Ansonsten kann es unter Umständen zu Verfahrensverzögerungen kommen, da auch die unstrittigen Leistungen erst nach Abschluss des Rechtsweges in Anspruch genommen werden können, weil nämlich die obligatorische Zielvereinbarung nicht abgeschlossen wurde.

Budgetberatung

Die Budgetberatung erklärt, was ein Persönliches Budget ist, wie der Antrag gestellt werden sollte, und berät über den Abschluss der Zielvereinbarung. Budgetberatung können theoretisch alle Leistungsträger einschließlich der Gemeinsamen Servicestellen, Behindertenselbsthilfeorganisationen, Dienstleistungserbringer und so genannte Casemanager durchführen. Allerdings kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass von allen Aufgelisteten die Beratung neutral oder ausschließlich im Sinne der Ratsuchenden erfolgt, wenn die beratende Stelle Eigeninteressen hat.

Budgetunterstützung

Budgetunterstützung befähigt behinderte Menschen, mit dem Persönlichen Budget die notwendigen Leistungen bestimmungsgemäß einzukaufen und das Budget zu verwalten. Die meisten Menschen mit Lernschwierigkeiten werden zeitlebens in mehr oder minder großen Umfang auf Budgetunterstützung angewiesen sein (zum Beispiel bei Vertragsabschlüssen mit Leistungserbringern und bei der Verwaltung des Budgets). Das gleiche kann bei psychisch kranken und sinnesbehinderten Menschen gelten. Auch körperbehinderte Menschen können in unterschiedlichem Umfang Budgetunterstützung benötigen (zum Beispiel, wenn sie als Arbeitgeber*in für die Assistent*innen die Lohnabrechnungen nicht selbst erstellen können oder wollen).
Budgetunterstützung kann nicht durch die Leistungsträger erfolgen. Sie sollte aber auch nicht von denjenigen Dienstleistungserbringern erbracht werden, die auch andere Dienstleistungen (z. B. Pflegedienste) für die unterstützte Person erbringen. Die Gefahr, dass hier Eigeninteressen der beratenden Organisation im Vordergrund stehen, ist zu groß. Als Unterstützer sind hier besonders Behinderten(selbsthilfe)organisationen geeignet, oder Casemanager, die nicht Eigeninteressen verfolgen. Die jeweils notwendige Qualifikation der Beratenden hängt stark von den Bedürfnissen der jeweiligen unterstützten Person ab.
Nicht nachvollziehbar ist daher die Position der Leistungsträger, die zwar die Notwendigkeit von Budgetberatung und -unterstützung anerkennen; sie jedoch nicht bei der Bedarfsfeststellung berücksichtigen. Das verstößt nach Meinung von ForseA gegen das geltende Recht (siehe § 17, Abs. 3, SGB IX), nach dem die Persönlichen Budgets so auszugestalten sind, dass die individuellen Bedarfe gedeckt werden und die Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Die Leistungsträger „gestatten” derzeit lediglich, dass die Kosten für die Beratung und Unterstützung aus dem Persönlichen Budget heraus bestritten werden.
Wenn jedoch der Beratungs- und Unterstützungsbedarf bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt (und „verpreislicht”) wird, bedeutet dies, dass für die originären Leistungen (zum Beispiel Pflege oder Fahrtkosten) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht genügen Geld übrig bleibt. Die Folge ist eine nicht akzeptable Unterversorgung. (Wer viel Unterstützungsbedarf hat, muss früher zu Bett!).
Budgetberater*innen und -unterstützer*innen können als Vertrauenspersonen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens und/oder der Budgetnutzung eingeschaltet werden. Allerdings kann es schwierig werden, wenn die Beratung während des Antragsverfahrens nicht kostenlos erfolgt, aber (logischerweise) noch kein Budget gewährt ist. Dann muss sich die antragstellende Person rechtzeitig mit der Budgetberatung über die Zahlungsmodalitäten einigen.
Die Vertrauenspersonen sind berechtigt, die antragstellende Person bzw. die budgetnehmende Person zu allen Gesprächen, Budgetkonferenzen usw. zu begleiten.

Anhang

Antragsbeispiel für Kostenübernahme

Antragsbeispiel für Kostenübernahme durch das Sozialamt. Dieses Beispiel muss natürlich auf die eigenen Bedürfnisse modifiziert werden.

Frieda Mustermann
Blumenweg 200
00000 Beispieldorf

An das
Landratsamt/Sozialamt
Postfach
12345 Musterdorf

Beispieldorf, den 30.01.2019

Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich die Übernahme von Assistenzkosten gemäß beigefügter Kalkulation, aus der mein Bedarf in Zeit und Geld hervorgeht.
Aufgrund meiner Körperbehinderung benötige ich rund um die Uhr Hilfe (Assistenz) bei der Körperpflege und der Haushaltsführung. Der medizinische Dienst der Krankenkasse stufte mich in Pflegegrad 4 ein. Die benötigte Hilfe will ich über das sogenannte Assistenzmodell mit von mir selbst beschäftigten, geeigneten Assistent*innen sicherstellen.
Des weiteren beantrage ich Leistungen nach § 64a SGB XII (pauschales Pflegegeld).
Mit freundlichen Grüßen

Kostenkalkulation

http://forsea.de/ForseA_Dateien/Muster-Kalkulation.xls
Beispiel einer Kostenaufstellung bei einer „rund um die Uhr“-Assistenz mit fest eingestellten Assistentinnen. Bei niedrigerer oder höherer Stundenzahl, gestiegenen Tariflöhnen, anderen Arbeitsverhältnissen (geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen) etc. variieren die Zahlen natürlich entsprechend.
Diese Kalkulation gewinnt in Zeiten des Persönlichen Budgets zunehmend Bedeutung. Bitte beachten Sie, dass Sie zu jedem Zeitpunkt über genügend Reserven verfügen, um auch z.B. eine Grippewelle in Ihrem Assistenzteam finanzieren zu können.
Diese Kalkulation finden Sie in der aktuellen Fassung auch als EXCEL-Tabelle auf den Internetseiten www.forsea.de unter den „Tipps für Arbeitgeber“.
Nachfolgend einige Erläuterungen:
Stundensatz: Wir empfehlen dringend, hier einen Tariflohn einzusetzen und diesen auch mit dem/den Kostenträger/n zu vereinbaren. Dies erspart Ihnen ständige Anpassungsverhandlungen bei Lohnerhöhungen. In ganz Deutschland gilt für die Tarifgruppe PVöÖD-P Gr. P6 Stufe 2 ein einheitlicher Monatslohn. Bedingt durch unterschiedliche Wochenarbeitszeiten kommt es jedoch zu unterschiedlichen Stundenlöhnen:
  • alte Bundesländer, ohne Baden-Württemberg: 38,50 Wochenstunden
  • Baden-Württemberg: 39,00 Wochenstunden
  • neue Bundesländer: 40,00 Wochenstunden
Prozent Arbeit II: Im Gegensatz zu 100% bei Arbeit I können hier Auf- oder Abwertungen vorgegeben werden. Meistens sind es Abwertungen für Bereitschaftszeiten. So kann z. B. bei einer 24-Stunden-Assistenz die Nachtbereitschaft je nach Einsatzwahrscheinlichkeit z. B. auf bis zu 30% abgewertet werden.
Sollte der Mindestlohn entsprechend des Urteiles des Bundesarbeitsgerichtes Berücksichtigung finden, darf hier maximal nur soweit abgewertet werden, dass der Mindestlohn in der Summe Arbeit I und Arbeit II garantiert ist.
Stunden Arbeit I: Das sind die eigentlichen Arbeitsstunden, die durchschnittlich täglich anfallen und voll bezahlt werden sollen.
Stunden Arbeit II: Hier sind die durchschnittlichen Stunden einzutragen, in denen Assistenz gebraucht, jedoch nicht gearbeitet wird (Bereitschaft).
Zu den Stunden für Arbeit I und Arbeit II sowie für den Prozentwert in Arbeit II folgende Anmerkung:
Die meisten von uns sind bestrebt, nicht den ganzen Tag von Assistent*innen umgeben zu sein. Im Gegensatz zur Meinung vieler Leistungsträger hält sich dieses Vergnügen oft in engen Grenzen. Andererseits ist die Evolution mit der Erschaffung von Assistent*innen mit einem „Stand-by-Schalter“, nach dessen Betätigung diese im Keller verschwinden und nicht bezahlt werden müssen und nach erneutem Knopfdruck wieder hilfsbereit präsent sind, deutlich im Rückstand.
Mit anderen Worten: Den Bestrebungen mancher Leistungsträger, den Hilfebedarf auf z. B. 15 Stunden und 37 Minuten täglich zusammen zu dampfen, obwohl ein tatsächlicher Rund-um-die-Uhr-Bedarf besteht, muss widersprochen werden. Denn diese 15 Stunden und 37 Minuten fallen - selbst wenn die Ermittlung fehlerfrei abgelaufen ist - nie „am Stück“ an, sondern sind regelmäßig unvorhersehbar. Abgesehen davon ist es in der Praxis nicht realisierbar, für die zu erwartende Stückelung der Zeiten auch tatsächlich Assistent*innen zu finden. Denn falls die Arbeitszeit unterhalb Rund-um-die-Uhr liegt, müssten diese aus der näheren Umgebung kommen, was die Assistenzsuche wesentlich erschwert. Das Hauptargument jedoch besteht darin, dass z. B. sich der Notdurftdrang des Assistenznehmenden einstellen könnte, wenn die Assistenz gerade gegangen ist und erst in drei Stunden wieder erscheint.
Aus diesem Grund unterteilen wir den Tag in drei Gruppen:
Arbeit 0
In dieser Zeit benötigen Sie keine bezahlte Assistenz. Sie kommen z. B. alleine zurecht oder Lebenspartner*innen, ehrenamtliche Helfer*innen (Freund*innen, Nachbar*innen) unterstützen Sie.
Aus den Erfahrungen langjähriger Beratungsarbeit warnen wir Sie davor, diese Stundenzahl zu hoch anzusetzen. Diese Stunden fließen natürlich nicht in die Kalkulation ein.
Arbeit I
Stunden, die mit dem vereinbarten Lohn in voller Höhe bezahlt werden.
Arbeit II
Hierbei handelt es sich um Bereitschaftsstunden. In dieser Zeit ist die Assistentin anwesend, steht allerdings nur für unvorhergesehen Arbeitseinsätze zur Verfügung: Praktische Beispiele: vereinbarte Pausen, Nachtruhe. Die Bezahlung richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit des Einsatzes. Folgende Abstufung der Bezahlung ist denkbar, soll aber nur als Anhaltspunkt dienen:
a) Ein Einsatz in dieser Zeit ist sehr unwahrscheinlich (weniger als zehn Einsätze im Jahr: Bezahlung 10-20% des Normallohnes.
b) Ein Einsatz in der Bereitschaftszeit kommt immer mal vor (bis zu 50 Einsätze im Jahr): Bezahlung 30-40% des Normallohnes.
c) Ein Einsatz in der Bereitschaftszeit kommt öfters vor (fast jede Nacht): Bezahlung 50% des Normallohnes.
d) Ein Einsatz in der Bereitschaftszeit kommt regelmäßig vor. Hier kann nach Einsatzhäufigkeit in der Nacht abgestuft werden:
  • einmal die Nacht: Bezahlung 70% des Normallohnes.
  • zweimal die Nacht: Bezahlung 90% des Normallohnes.
  • öfters: Hier sollte keine Abwertung mehr stattfinden, da der Erholungswert der Nacht dahin ist. Diese Zeit sollte also der Arbeit I zugeschlagen werden.
Prozentwert Urlaubsgeld: Sollten Sie Urlaubsgeld bezahlen, geben Sie bitte hier einen Prozentsatz ein. Der Betrag wird dann aus dem Monatseinkommen ermittelt.
Prozentwert Weihnachtsgeld: Sollten Sie Weihnachtsgeld bezahlen, geben Sie bitte hier einen Prozentsatz ein. Der Betrag wird dann aus dem Monatseinkommen ermittelt.
Krankheitstage: Bei dieser Stundenzahl handelt es sich um eine kalkulatorische Größe. Es lässt sich selbstverständlich nicht vorhersagen, ob und in welchem Umfang Ihre Assistenz arbeitsunfähig krank wird. Hiermit soll lediglich erreicht werden, dass diese Position nicht vergessen wird. Sie können damit auch Ihr Risiko kalkulieren, indem Sie zwischen 00 und beispielsweise 100 Tagen wechseln und sich die jeweiligen Ergebnisse unten anschauen.
Für die Ermittlung der Höhe eines Persönlichen Budgets wird empfohlen, diesen Wert entweder sehr hoch oder mit O anzusetzen. Wenn der Leistungsträger in die Zielvereinbarung aufnehmen will, dass damit alle Aufwendungen aus den Assistenzverhältnissen abgegolten sind, kann der Wert dafür nicht hoch genug sein (mindestens 50 Tage). Manche Leistungsträger sind auch der Ansicht, dass die Entgeltfortzahlung alleiniges Risiko des Arbeitgebers sind. Da wir jedoch nur Betriebe sind und keine gewinnorientierten Unternehmen haben, können wir auch keine Risiken tragen.
Wird dagegen fairerweise vereinbart, dass entstehende Kosten der Entgeltfortzahlung außerhalb des Budgets "spitz", das heißt, mit den tatsächlichen Kosten (Brutto + AG-Anteil - Erstattung der Krankenkasse) der Entgeltfortzahlung abgewickelt werden, sind hier O einzutragen.
Einarbeitungstage: Sofern Sie neue Assistent*innen von den Kolleg*innen einarbeiten lassen, können Ihnen Mehrkosten entstehen. Es steht Ihnen jedoch auch frei, diese Einarbeitungszeiten geringer oder gar nicht zu bezahlen. Sie können also selbst entscheiden, ob und wie viel Tage Sie hier eintragen.
Weiterbildung: Wenn z. B. bei beatmeten Menschen die ständige Weiterbildung des Assistenzteams erforderlich ist, werden hier die entsprechenden Tage eingegeben.
Feiertage: Gearbeitete Feiertage werden durch bezahlte Freizeit an anderen Tagen ausgeglichen (§ 11 Absatz 3 Satz 2 ArbZG). Zuschläge für gearbeitete Feiertage sind hierin nicht enthalten. Eingetragen wurden die maximal möglichen Feiertage (einschließlich Oster- und Pfingstsonntag).
Urlaubstage: Sie müssen mindestens den gesetzlichen Urlaubsanspruch gewähren. Das sind vier Wochen. Benötigen Sie an 7 Tagen in der Woche Assistenz, müssen Sie 28 Urlaubstage bezahlen. Für die Kalkulation ist es unerheblich, wie viele Assistent*innen sich diesen Anspruch teilen. Hinweise zur Berechnung finden Sie unter „Tipps für Arbeitgeber“ auf der ForseA-Homepage.
Beitragssätze: Diese sollten jeweils aktuell eingestellt sein. Auskunft erteilen die Krankenkassen. Bitte beachten Sie, dass der Zusatzbeitrag zwischen 0,39 und 1,7 % (Stand 2019) differieren kann!
Nachtarbeitszuschlag: Nachtarbeit ist die Zeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr, sofern mindestens zwei Stunden anfallen. „Angemessener“ Nachtarbeitszuschlag ist gesetzlich vorgesehen! In der Regel beträgt die „angemessene“ Höhe 25%.
Sonntagszuschlag: Berechnet wird die tägliche Arbeitszeit, umgerechnet auf 100% mit der Anzahl der durchschnittlichen Sonntage. Sollten weniger oder keine Sonntagszuschläge gezahlt werden, ist hier ein entsprechender Wert einzutragen.
Erstattung der kalk. Entgeltfortzahlungskosten: Hier sollten maximal 70% eingetragen werden, da die jeweilige Krankenkasse Ihrer Assistent*innen unterschiedliche Erstattungssätze anbieten und die frühere Maximalerstattung von 80% nur noch selten anzutreffen ist.
Berufsgenossenschaft: Die Unfallkasse Baden-Württemberg beispielsweise kostet im Jahr 2016 je Vollzeitkraft 48 Euro.
Unterkunftskosten: Ausgleich für die Bereitstellung des zusätzlichen Wohnraumes für die Assistenz. Im Zweifelsfall empfehlen wir den Sachbezugswert für freie Unterkunft (2019 = 231,- € monatlich).
Regiekosten: Mit diesem Betrag werden die Kosten für Stellenanzeigen, Papier, Computer, Druckertinte, Telefon, Porto etc. abgedeckt. Wir empfehlen hier eine nachweislose Pauschale, damit nicht Kleinbelege gesammelt werden müssen.
Kosten der Lohnabrechnung: Ein*e Steuerberater*in kostet je einzelner Lohnabrechnung je Assistenzperson derzeit zwischen 10 und 20 Euro. Hinzu kommen Pauschalen für die Neuanlage Ihres Betriebes sowie für Ein- und Austritte. Es können also schon größere Beträge zusammenkommen. Sofern Sie eine kaufmännische Ader haben und mit dem PC und Internet zurechtkommen, gibt es online preisgünstige Möglichkeiten zur Lohnabrechnung (beispielsweise www.einfachlohn.de).
Kosten der Begleitperson (gem. § 22 der Eingliederungshilfeverordnung): Ob es sich um notwendige Kino- oder Theaterkarten handelt oder auch zusätzliche Reise- und Übernachtungskosten der Assistenz. Diese Kosten sind erstattungsfähig im Sinne der Eingliederungshilfe-Verordnung. Sinnvollerweise wird hier vorsorglich ein Pauschalbetrag eingestellt, der damit in das Budget einfließt. Unterlassen Sie das, müssten Sie entstehende Kosten entweder an den übrigen Assistenzkosten einsparen, z.B. früher ins Bett oder aber separate Anträge an den Kostenträger stellen! Hierher gehören auch Mehrzeiten der Assistenz, wenn auf Reisen mehr Arbeitsstunden als zuhause erforderlich werden.
Beratung und Unterstützung: Kosten für Beratung und Unterstützung sind nach § 29 SGB IX Gegenstand des Bedarfes.
§ 29 Persönliches Budget
(2) Satz 6. Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach Kapitel 4 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann.
Der Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung in Höhe von beispielsweise 0,9% wird ab 2019 wieder von Ihnen und Ihrer Assistent*in hälftig getragen. Der Kinderlosen-Beitrag (0,25%) in der Pflegeversicherung verbleibt weiterhin bei Ihrer Assistent*in in voller Höhe. Dieser Betrag spielt bei der Berechnung des Arbeitgeberanteiles und der Kosten keine Rolle.

Suche geeigneter Assistent*innen

Steht der zeitliche Bedarf fest, ist die Finanzierung beantragt bzw. bewilligt, gilt es zu überlegen, wie viel Assistent*innen diesen abdecken sollen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Assistent*innen, desto leichter überbrückt man Ausfallzeiten der Assistent*innen wie Krankheit, Urlaub etc.
Aber Assistent*innen, die ihren kompletten Lebensunterhalt aus der Assistenztätigkeit bestreiten, benötigen in der Regel einen bestimmten Mindestverdienst und dem entsprechende Arbeitsstunden. Wenige Assistent*innen bedeutet zwar für die einzelne Assistenzkraft durch die daraus folgende höhere Stundenzahl einen höheren Verdienst, aber auch ein größeres Risiko für die Arbeitgeber*innen bei Ausfall einer Assistenzkraft.
Viele Frauen bevorzugen weibliche Assistenz. Besonders im Bereich der Intimpflege wünschen Frauen immer seltener die Hilfeleistungen durch Männer. Da es immer wieder zu sexuellen Übergriffen auf behinderte Frauen kommt, aber auch sonst das Schamgefühl der Frauen verletzt wird, ist diese Forderung durchaus verständlich und legitim.
Assistent*innen kommen aus den verschiedensten Bereichen. Besonders in Städten mit Universitäten und Hochschulen leben viele Student*innen, die auf diese Art und Weise neben dem Studium Geld verdienen möchten. Aber auch jede*r andere kommt für diese Tätigkeiten prinzipiell in Frage, sofern die Vorstellungen von Arbeitgeber*in und Assistent*in übereinstimmen. Die wenigsten behinderten Arbeitgeber*innen benötigen und/oder wünschen ausgebildete Krankenschwestern oder -pfleger. Es gibt die unterschiedlichsten Arbeitsverhältnisse. Welches oder welche Kombination das sinnvollste Modell darstellt, muss jede*r individuell für sich entscheiden.

Assistenzwerbung

Für die Assistenzwerbung bieten sich die verschiedensten Möglichkeiten an. Viele Arbeitsverhältnisse kommen durch Mund-zu-Mund-Propaganda zustande. Weiterhin sind Aushänge an schwarzen Brettern in den Hochschulen oder bei Jugendtreffs sinnvoll. Auch viele Supermärkte verfügen über kostenlose Anschlagtafeln.
Schon seit längerer Zeit hat sich ein online-Stellenmarkt etabliert. Unter der Adresse http://www.assistenzjobonline.de/ ist er aufrufbar. Dort können Sie unter Angabe des beabsichtigten Umkreises Stellenangebote aufgeben, aber auch Stellengesuche auf passende Assistenzpersonen durchblättern. Schließlich bieten die sozialen Netzwerke Möglichkeiten. Stellvertretend seien die Facebook-Gruppen „Assistenzbörse“ und „Assistenzjobbörse“ genannt. Es gibt noch andere.
Arbeitsämter können auch helfen, sind jedoch erfahrungsgemäß nicht sehr flexibel. Sie bieten eine Assistenzstelle in ihren Computern z.&nbsb;B. oft nur Interessent*innen für den hauswirtschaftlichen Bereich an, selbst wenn betont wird, dass der geeignete Personenkreis viel größer ist. Sinnvoller ist es, den Internetservice der Arbeitsämter zu nutzen. Dort können Stellenangebote kostenlos sowohl regional als auch bundesweit offeriert werden.
Sehr gute Möglichkeiten bieten Kleinanzeigen in Tageszeitungen. Manche Tageszeitungen geben ein kostenloses Wochenblatt heraus. Die Kleinanzeigen darin sind oft recht kostengünstig. Sie werden von sehr vielen Menschen gelesen, da sie jeder Haushalt bekommt, selbst wenn er die jeweilige Tageszeitung nicht abonniert hat.
Eine interessante, die Neugier weckende Anzeige, verspricht mehr Erfolg als eine langweilige. Wer schreibt: „Betreuer gesucht…“, darf sich nicht wundern, wenn sich „Betreuer“ melden. Die Bezeichnungen „Pfleger“ oder „Betreuer“ schrecken zudem alle Kandidat*innen ab, die keine entsprechende Ausbildung haben. Kurze, knappe Informationen machen potenzielle Bewerber*innen neugierig. Natürlich rufen immer wieder auch Menschen an, die mit der Bezeichnung Behindertenassistent*in nichts anfangen können. Das findet man jedoch sehr schnell heraus und vor allem, ob das so bleiben soll. Merke: Niemand ist so blind, wie der, der nicht sehen WILL!
Ob die Adresse in einer Anzeige veröffentlicht wird, muss jede*r selbst entscheiden. Alternativ zur Adresse kann eine Chiffre-Nummer angegeben werden. Nicht jede*r Bewerber*in kennt sich jedoch damit aus oder aber es wird die Mühe gescheut, eine schriftliche Bewerbung zu verfassen. Außerdem müssen eingegangene Bewerbungen von der Geschäftsstelle der Zeitung abgeholt werden. Einfacher ist es, eine Telefonnummer anzugeben. In diesem Fall empfiehlt es sich, einen Anrufbeantworter zu schalten.

Anzeigenbeispiele

Der etwas andere Job
Behindertenassistent*in in Blockarbeitszeit gesucht. Keine Vorkenntnisse erforderlich. Näheres unter Tel. …
Sie suchen Arbeit?
Vielleicht habe ich die richtige Stelle für Sie. Suche Behindertenassistent*in in Teilzeit. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Infos erteilt Tel. …
Suche Behindertenassistent*in
Arbeitszeit nach Vereinbarung. Zehn Tage im Monat. Führerschein Voraussetzung. Bitte anrufen bei Tel. …
Behinderte Physikstudentin sucht Assistentin
Zur stundenweise Hilfe und Begleitung. Bitte nur Nichtraucher*innen, melden unter Tel. …
Am Telefon kann man schon die erste Vorauswahl treffen. Nicht jede*r Anrufer*in eignet sich für die angebotene Stelle. Manchmal stimmen die zeitlichen Vorstellungen nicht überein, oder ein*e Bewerber*in stellt sich unter der Anzeige etwas anderes vor, als es seinen*ihren Interessen oder Fähigkeiten entspricht. Jede*r muss selbst wissen, ob und welche Einzelheiten aus der Intim- und Privatsphäre am Telefon erzählt werden. Soll wenig preisgegeben werden, so kann die Antwort auf die Frage nach der Art der Tätigkeit lauten: „Ich benötige bei allen Dingen des täglichen Lebens Hilfe. Das bedeutet Assistenz bei der Körperpflege, wie Waschen, Anziehen und den Toilettengängen. Außerdem muss der Haushalt versorgt werden. Auch wenn ich das Haus verlasse, begleiten mich meine Assistent*innen.“ Welche konkreten Handgriffe beim Anziehen oder bei den Toilettengängen benötigt werden, ist beim persönlichen Vorstellungsgespräch zu klären.
Sowohl beim ersten telefonischen Kontakt als auch beim persönlichen Vorstellungsgespräch erweisen sich „Checklisten“ als sehr hilfreich. Beim Telefonat ist die „Checkliste“ kürzer. Sie verzichtet auf Details und versucht die grundsätzliche Eignung der Bewerber*in zu ermitteln.

„Checkliste“ für das Telefongespräch

  • grobe Beschreibung der Tätigkeiten (Körperpflege, Haushalt, Vorlesen, Begleitung, usw.)
  • zeitlicher Umfang des Assistenzverhältnisses
  • Verdienst
  • Entfernung Wohnort der Assistent*innen und Möglichkeiten zur Arbeitsstelle zu gelangen (eigener PKW, öffentliche Verkehrsmittel)
  • fachliche Qualifikation (schon früher beruflich oder privat Kontakt zu behinderten Menschen, eventuell Pflege von Familienangehörigen, Erfahrung in der Hausarbeit)
  • körperliche Qualifikation (Bewerber*innen mit z. B. Bandscheibenschaden eignen sich selten)
  • falls der Führerschein benötigt wird, danach fragen
  • falls wichtig, fragen ob die Bewerber*in raucht bzw. falls die Assistenznehmer*in raucht, das erwähnen
  • das gleiche gilt für Essgewohnheiten, falls die Bewerber*in im Hause der Assistenznehmer*in isst (vegetarisch, vegan, Diäten)
Stimmen die besprochenen Vorstellungen überein und besteht weiterhin beidseitiges Interesse, wird ein persönliches Gespräch vereinbart. Bitte denken Sie daran, der Bewerber*in vorab zu sagen, besser noch zu schreiben – so dies der Fall ist, dass keine Vorstellungskosten übernommen werden können. Ansonsten wären Sie zur Übernahme verpflichtet!

Vorstellungsgespräch

Natürlich ist es nicht möglich, in einem vielleicht einstündigen Gespräch, einen Menschen genau kennenzulernen. Das sollte uns immer bewusst sein! Tatsächlich sind wichtiger, falls vorhanden, die Referenzen.
Aber ohne Vorstellungsgespräch wird wohl niemand eine Einstellung vornehmen wollen. Denn ob die „Chemie“ stimmt, lässt sich meistens – nicht immer – dann doch feststellen.
Gesprächsleiter*in muss immer die behinderte Arbeitgeber*in sein! Versuchen Bewerber*innen schon bei diesem Gespräch zu dominieren, werden sie das wahrscheinlich auch während der Assistenz tun. Behinderte Arbeitgeber*innen müssen zweifelsfrei vermitteln, welche Art der Assistenz sie benötigen. Die Verantwortung und die Weisungsbefugnis liegen bei ihnen! Sie benötigen Assistent*innen und keine Betreuer*innen! Menschen, die das nicht akzeptieren und dem Arbeitgeber*in die eigenen Lebensansichten aufdrängen wollen, eignen sich nicht für die Assistenz. Wirkt eine Bewerber*in schon beim Vorstellungsgespräch unsympathisch, sollte sich nicht auf ein Arbeitsverhältnis eingelassen werden.
Natürlich sind Assistent*innen keine Sklaven, die nach Belieben kommandiert werden können. Behinderte Arbeitgeber*innen müssen selbstverständlich die Rechte ihrer Assistent*innen wahren. Schikanierte Assistent*innen werden bald kündigen.
Eine Checkliste, die ausführlicher als beim Telefonat ist, hilft auch beim persönlichen Gespräch, wichtige Punkte nicht zu vergessen.

Mögliche Punkte der Vorstellungs-Checkliste

  • Genaue Beschreibung der Tätigkeiten.
    • Manche Bewerber*innen fragen nach dem genauen Tagesablauf. Feste Uhrzeiten für etwaige Tätigkeiten können angegeben werden. Man sollte sich jedoch auf keinen Fall „festnageln“ lassen. Ein freies Leben auBerhalb einer Anstalt beinhaltet unter anderem die Möglichkeit, den Tagesablauf spontan und flexibel zu gestalten.
  • genaue Vorstellung von Arbeitszeit und Umfang (Anzahl der Arbeitstage bzw. -stunden)
  • Art des Arbeitsverhältnisses (geringfügige Beschäftigung, Vollzeitbeschäftigung usw.)
  • genauer Verdienst (brutto). Eine Netto-Summe kann nur geschätzt werden, sie hängt von den konkreten individuellen Steuervoraussetzungen ab.
  • Beginn des Arbeitsverhältnisses
  • Dauer der Probezeit (falls eine solche vereinbart wird)
  • Konditionen während der Probezeit
  • Dauer des Arbeitsverhältnisses (zum Beispiel ein Jahr Praktikum, unbefristet)
  • nochmaliges genaues Befragen bei benötigten Qualifikationen
  • einer Beschäftigung entgegenstehende gesundheitliche Probleme (z. B. Rückenschäden)
  • Führerschein (sicherheitshalber zeigen lassen)
  • falls die Bewerber*in Kinder hat, klären, ob die Versorgung der Kinder während der Arbeitszeit zuverlässig gesichert ist (ein kurzfristiger Ausfall einer Assistenz ist immer schwer zu verkraften)
  • Frage nach eventueller Vertretungsbereitschaft, falls eine der anderen Assistenten*innen kurzfristig ausfällt (zum Beispiel bei Krankheit)
  • Urlaub
  • eventuelles Fahrgeld (falls vom Kostenträger bewilligt)
  • Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld (falls vom Kostenträger bewilligt)
  • Ausfüllen eines Personalbogens (enthält alle Angaben, die für die Lohnbuchhaltung benötigt werden)
  • falls besondere Vorstellungen oder Wünsche bestehen, z. B. abends des öfteren lange fortgehen, diese erwähnen (ein 50-jähriger Assistent hat nicht unbedingt Lust, dreimal in der Woche in die Disco zu gehen)
  • Bedeutung von Zuverlässigkeit betonen
  • unbedingt klären, ob Unsicherheiten oder Fragen der Bewerber*in vorhanden sind
  • Hinweis auf die Schweigepflicht. Den Bewerber*innen gegenüber ausdrücklich betonen, dass sie der Schweigepflicht gegenüber Dritten unterstehen und dass andererseits ihr Recht auf Datenschutz gewährt wird.
Bewerber*innen sollten nicht zu einer sofortigen Entscheidung gedrängt werden, selbst dann nicht, wenn eine dringende Einstellung erforderlich ist. Auch für behinderte Arbeitgeber*innen ist Bedenkzeit hilfreich. Vielleicht stehen weitere Vorstellungsgespräche an. Die endgültige Auswahl kann dann erst nach dem letzten Gespräch getroffen werden.
Gibt es mehrere sympathische Bewerber*innen, fällt die Entscheidung unter Umständen schwer. Absagen und Zusagen sollten, je nach Vereinbarung, schriftlich oder mündlich erfolgen.
Sinnvoll ist bei Absagen seitens der Arbeitgeber*in die Frage zu stellen (natürlich nur bei geeigneten Bewerber*innen), ob der Personalbogen aufbewahrt werden darf. Falls zu einem späteren Zeitpunkt wieder Assistenz gesucht wird, kann zunächst diese, nun schon bekannten, Bewerber*in kontaktiert werden. Außerdem kann die Bewerber*in gefragt werden, ob deren Telefonnummer an andere behinderte Arbeitgeber*innen weitergeben werden darf, falls diese Assistenz suchen.

Einstellung und Einarbeitung der Assistent*innen

Stimmen die Vorstellungen von Assistenznehmer*in und Assistent*in überein und ist die Finanzierung geklärt, kann das Arbeitsverhältnis beginnen. Dafür schließen die Parteien einen Arbeitsvertrag. Ausführliche Erläuterungen zur Verwaltung des Assistenzbetriebes finden Sie in Punkt 2.
In den ersten Tagen der Einarbeitungszeit sollten neu eingestellte Assistent*innen nach Möglichkeit mit erfahrenen Assistent*innen zusammenarbeiten. Vieles kann die Arbeitgeber*in selbst erklären. Oft ist es jedoch sinnvoll, Handgriffe zu sehen, besonders wenn der*die Neue nicht über Erfahrungen im Assistieren verfügt, z. B. bei der Körperpflege, und zunächst einmal Hemmschwellen überwinden muss. Es ist leicht, darüber zu reden, jemandem beim Toilettengang zu helfen, aber nicht ganz so leicht, das dann tatsächlich zu tun.
Natürlich muss vorher geklärt werden, ob die Kostenträger die Überlappung zwecks Einarbeitung bezahlen. Verweigern sie die Bezahlung, kann mensch notfalls vorab mit den neuen Assistent*innen klären, ob diese ein paar Tage ohne Bezahlung „mitlaufen“. Werden nur einfache Assistenzleistungen benötigt, reicht eine Einweisung durch die Assistenznehmer*in aus.
Die Einarbeitungszeit erfordert Geduld von allen Beteiligten. Nicht jede*r verfügt über die gleiche Auffassungsgabe. Manche Menschen lernen sehr schnell, andere brauchen länger, bis sie ihre Aufgaben beherrschen. Selbst bei viel gutem Willen aller Beteiligten zeigt sich manchmal in der Einarbeitungsphase, dass die Assistent*in nicht für die Arbeit geeignet ist. Auftretende Probleme sollten sofort in einem ruhigen Gespräch besprochen werden. Oft kann man Unklarheiten und Missverständnisse auf diesem Wege lösen.
Ständig verdrängte Probleme erzeugen Frustrationen, die sich unter Umständen nicht mehr beseitigen lassen. Eignet sich die Assistent*in nicht oder stellen sich auftretende Probleme als unüberwindbar heraus, sollte das Arbeitsverhältnis gelöst werden.
Im Idealfall wächst zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in ein Vertrauensverhältnis als Basis für ein lang andauerndes Arbeitsverhältnis. Freundschaft kann sich ergeben, muss aber nicht. Gegenseitige Achtung und Respekt, sowie Offenheit und Ehrlichkeit sind Voraussetzungen, ohne die es im Assistenzverhältnis nicht geht.
Behinderte Arbeitgeber*innen müssen ihre Wünsche klar formulieren. Wenn sie das Gefühl haben, die Assistent*in hat die übertragene Aufgabe nicht richtig verstanden, sollte die Arbeitgeber*in die Ursache zunächst bei sich selbst suchen. Besonders in der Einarbeitungsphase sind manche Assistent*innen sehr unsicher. Sie trauen sich nicht nachzufragen, wollen aber auch nicht als ungefällig gelten. Dadurch kommt es manchmal zum so genannten „blinden Aktionismus“. Das heißt, es wird irgendeine Arbeit ausgeführt in der Hoffnung, dass es die richtige sei. Es ist eine allgemeine Beobachtung, dass die meisten Assistent*innen dazu neigen, eher „zu viel“ als „zu wenig“ zu tun. Das andere Extrem gibt es leider auch.
Mit der Zeit kennen die Assistent*innen ihre Aufgaben und die Gewohnheiten ihrer Arbeitgeber*in und die Sicherheit im Umgang miteinander wächst.
Eventuelle Unpünktlichkeit oder Nachlässigkeit und ähnliches müssen von der Arbeitgeber*in *sofort* angesprochen werden, ansonsten ist die Gefahr sehr groß, dass sich das unerwünschte Verhalten verstetigt.

Was Assistent*innen wissen sollten …

Wird eine Assistent*in eingestellt, sollten mit ihr die grundlegenden Richtlinien für die Tätigkeit als Assistent*in in Ihrer Privatsphäre besprochen werden. Es können von vornherein Missverständnisse vermieden werden, wenn die „neue“ Assistenz weiß, was von ihr erwartet wird. So können zum Beispiel die Richtlinien für neue Assistent*innen formuliert werden:

Was Sie als Assistenz wissen sollten

Mein oberstes Ziel ist es, dass ich mein Leben selbstbestimmt leben kann. Ich entscheide über alle Bereiche meines Lebens. Ich kann selbst für mein Wohlbefinden sorgen. Das ist ein mich ganz allein betreffender Teil meiner Entscheidungen. Sie als Assistenz sind erforderlich, dass ich mein Leben selbstbestimmt leben kann. Ich informiere Sie darüber, wann ich etwas brauche. Es ist wichtig, dass Sie sich das immer wieder bewusst machen. Es geht darum, meine Bedürfnisse und meine Art zu leben zu respektieren. Es geht nicht darum, ob Ihnen meine Art zu leben zusagt oder gefällt.
Sie bewegen sich in meiner Privatsphäre und meinem Haushalt und meine Anweisungen entsprechen natürlich meiner Lebensweise, meinen Empfindungen und meinem Geschmack. Es geht es nicht um Ihre Meinung oder Ihren Geschmack, daher möchte ich ungefragt keine Bewertung von Ihnen als Assistenz. Sie brauchen Ihre Persönlichkeit nicht an der Haustür abzugeben, aber Sie sollten sich zurücknehmen können.
Natürlich gibt es auch Grenzen meiner Selbstbestimmung. Die Grenze ist Ihre Unversehrtheit! Beispiel: Auch wenn ich es von Ihnen fordere, so müssen Sie nicht bei rotem Ampellicht über die Straße gehen. Denn bei einem Unfall wäre nicht nur ich betroffen (was mir ja freistehen würde), sondern auch Sie! Und das geht eindeutig zu weit; meine Selbstbestimmung hin oder her! – Beispiel, wo keine Grenze überschritten wird: Wenn es mein Wunsch ist von angeschimmeltem Brot den unverschimmelten Teil zu essen. Das können Sie hundertmal für schädlich für meine Gesundheit halten; Sie müssen ja nicht mitessen.

Kommunikation

Durch die Nähe in der Persönlichen Assistenz ist es unumgänglich, Probleme und Unzufriedenheiten anzusprechen. Auch können Missverständnisse auftreten. Daher ist es für eine entspannte Arbeitsatmosphäre notwendig, Probleme zu klären und diese aus dem Weg zu räumen. Ich bin offen für Klärungen und bereit für Gespräche. Sollte das einmal ein für mich unpassender Moment sein, werde ich Ihnen einen anderen Zeitpunkt vorschlagen.
Ein anderer wichtiger Punkt sind verschiedene Stimmungen und Launen. Ich bin natürlich auch manchmal traurig oder wütend oder habe einfach schlechte Laune. Sie sollen sich nicht von meiner Laune anstecken lassen und diese nicht persönlich nehmen oder auf sich beziehen.

Anweisungen

Ich formuliere meine Anweisungen und Aufträge für Sie als Assistentin möglichst genau, um Missverständnisse von vornherein auszuschließen. Dennoch kann es sein, dass Sie mich nicht richtig verstehen. Bei Unsicherheiten fragen Sie bitte nach und vergewissern sich, dass Sie mich richtig verstanden haben. Tun Sie nichts, von dem Sie glauben, ich hätte das vielleicht gemeint. Antworten, die Sie mit: „Ich dachte …“ formulieren würden, sind von vornherein falsch. Diese spiegeln Ihre Vorstellung oder Meinung wider und nicht meine.

Kritik

Wenn Ihnen ein Fehler unterläuft, ist mein Hinweis oder meine Kritik berechtigt. Ich werde Fehler oder falsche Ausführung von Anweisungen immer ansprechen, damit Sie diese zeitnah korrigieren (können). Dadurch will ich vermeiden, dass sich einmal eingeschlichene Fehler festsetzen.
Gerade neuen Assistent*innen werden Fehler unterlaufen bis sie alle gängigen Handgriffe gelernt haben. Ich denke nicht automatisch, dass Sie alles falsch machen, wenn Ihnen Fehler passieren. Es ist nicht nötig, auf Kritik verunsichert zu reagieren und es ist unangemessen auf Kritik wütend zu reagieren.
Ich wünsche uns eine gute Zusammenarbeit!

Sie können diese Richtlinien ggf. schriftlich aushändigen. So hat die Assistenz eine Orientierungshilfe und kann bei Unsicherheit nachschauen. Bei Bedarf sollte auf die Schweigepflicht hingewiesen werden.

Genauso hilfreich ist es, Anweisungen, die regelmäßig auf die gleiche Weise erledigt werden sollen bzw. deren Erledigung besondere Beachtung bedarf, in einer Liste zusammen zu stellen.

Hier ist ein Beispiel, wie eine derartige Aufstellung aussehen kann. Das Beispiel ist an die konkreten Bedingungen anzupassen:

  1. Ihr solltet eure Morgentoilette beendet haben, wenn ich aufstehe.
  2. Nach meiner Morgentoilette
    1. das Bett richten (Laken glatt ziehen, Decke aufschütteln, Kissen und Decke zurechtlegen)
    2. Lüften (im Winter vorher die Heizung runterdrehen, Fenster schließen - nicht vergessen)
  3. Nach dem Frühstück
    1. alle Zimmer lüften (keinen Durchzug)
    2. Bad saubermachen (Handtücher zum Trocknen auf den Balkon hängen, Toilette mit Reiniger putzen – kurz einwirken lassen, Waschbecken mit Allzweckreiniger putzen, alle Wasserflecke entfernen – auch an den Armaturen und am Spiegel)
    3. nachschauen, ob Pflanzen Wasser brauchen und ggf. gießen (nicht schütten)
  4. Nach jeder Mahlzeit
    1. Tisch abräumen und abwischen
    2. Essenreste in den Bio-Müll (nicht in die Toilette)
    3. Geschirr in den Geschirrspüler stellen ggf. vorher kurz abspülen
  5. Nach dem Abendessen
    1. Geschirrspüler einschalten
    2. Müll wegbringen und neue Müllbeutel einhängen
    3. nicht spülmaschinengeeignetes Geschirr (empfindliche Gläser, Geschirr mit Goldrand, Besteck mit Holzteilen etc.) von Hand spülen
    4. Küche in Ordnung bringen (Arbeitsplatte, Herd abwischen, Spüle abwischen und trockenreiben - alle Wasserflecke entfernen, auch von der Armatur)
  6. Allgemeines
    1. gewaschene Wäsche trocken abnehmen, zusammenlegen und einsortieren
    2. wenn Dinge rumstehen fragen und wegräumen
    3. nichts einfach wegwerfen, gilt auch für ungenießbar aussehende Lebensmittel (sonst landet der Edelschimmelkäse fälschlicherweise im Müll)
    4. Kleckerflecke sofort wegwischen
    5. Gläser oder Flaschen immer mit Untersetzer auf den Tisch
    6. wenn etwas bald aufgebraucht ist, Bescheid sagen (z.B. Toilettenpapier, Küchenrolle, Müllbeutel, Kalktabs etc.)
    7. keine Essenreste, Papiertaschentücher, Küchenrolle oder andere Hygieneartikel in die Toilette werfen
    8. mit dem Wasserkocher nur soviel Wasser erhitzen wie benötigt, kein Wasser im Wasserkocher lassen
  7. und als letztes …
    1. Als grobe Orientierung nützlich: „Alles sollte so aussehen, wie ihr es euch wünscht, wenn ihr wiederkommt!“

Gar nicht so einfach: Leben mit Assistenz

Es ist nicht einfach, eine persönliche Assistent*in zu sein

Stellen Sie sich vor, Ihre Schicht geht ca. 12 bis 24 Stunden, und in diesen Stunden sind Sie nur für Ihre Arbeitgeber*in und deren Bedürfnisse zuständig. Bei Ihrer Ankunft am Arbeitsplatz wissen Sie nur selten, was Sie in diesen Stunden erwartet:

Bleibt Ihre Arbeitgeber*in zuhause oder geht sie die ganze Nacht feiern? Hat die Arbeitgeber*in heute gute oder schlechte Laune? Ihre Laune — egal, ob gut oder schlecht — zählt an diesem Tag kaum. Sie müssen sich anpassen können. Wenn Sie müde sind oder Liebeskummer haben, Ihre Arbeitgeber*in aber Freunde zu Besuch hat, die sie bekochen möchte, dann müssen Sie ihm Ihre Hände zur Verfügung stellen und die Anweisungen ausführen. Oft führt Ihre Arbeitgeber*in Gespräche, nimmt an spannenden Diskussionen und Veranstaltungen teil, bei denen Sie am liebsten mitmischen und Ihre Meinung sagen würden, aber es ist bei dieser Art der Arbeit nicht erwünscht. Ihre Meinung ist nicht gefragt, denn Sie sind lediglich „Hand und Fuß“, der Schatten und quasi „nicht da“. Morgen, wenn Sie nach Hause gehen, wird Ihre Arbeitgeber*in kein Teil Ihrer Privatsphäre sein, kein Bestandteil Ihres Lebens - lediglich ihr Job.

Es ist nicht einfach, Arbeitgeber*in zu sein

Heute ist ein ganz schlechter Tag. Ich bin müde, ich habe schlecht geschlafen und würde am liebsten im Bett bleiben. Ich habe Liebeskummer. Ich fühle mich dick. Paradoxerweise würde ich aber auch gerne laut Musik aufdrehen, nackt durch die Wohnung tanzen und mir beim Zähneputzen die Beine rasieren, während ich im Kochbuch blättere und gleichzeitig einen Porno angucken.

Nein. Es ist kurz vor voll, und gleich ist Schichtwechsel. Die heutige Assistenz ist toll, offen, wir verstehen uns wunderbar! Wir freuen uns beide jedes Mal sehr auf ein Wiedersehen und quatschen wie Freundinnen über Dies und Jenes. Aber heute will ich allein sein, niemanden sehen und schon gar nicht von jemandem angefasst werden. Morgen wird es mir bestimmt besser gehen, aber morgen ist die eher ruhigere Assistentin da …

Und überhaupt ist das alles nicht einfach: Ich muss ständig JEDE Kleinigkeit kommunizieren. Sei es, welches Glas ich möchte oder welchen Kugelschreiber. Ich muss genau formulieren können, wie ich die Wäsche waschen möchte und auf welche Art und Weise der Herd geputzt werden soll. Und neben den oben erwähnten Sachen muss ich auch noch den üblichen Pflichten einer Arbeitgeber*in nachkommen: Pläne erstellen und das Geld pünktlich zahlen. Na, wenn sonst nichts ist! Aber irgendwas ist ja immer.

Ich will es nicht missen!

Obwohl ich oben eine eher negative Stimmung beschrieben habe, bedeutet für mich Assistenz „Freiheit“. Seit ich die Assistenz habe, gibt es für mich keine Grenzen. Ich reise, ich gehe aus, ich führe meinen Haushalt nach meinen Gewohnheiten und lebe. Alles ganz „normal“, beinahe langweilig, mein Leben.
Und wenn ich an all die Menschen denke, die mir gerade durch meine Situation und „Abhängigkeit“ von Assistenz über den Weg gelaufen und mir auch ans Herz gewachsen sind … Dann finde ich die negativen Argumente dagegen lächerlich. Niemals möchte ich es missen, meine lieben Assistent*innen zu haben!
Danke. An alle.


Die Verwaltung des Assistenzbetriebs

Anmeldung eines Betriebs im Privathaushalt

Steuernummer

Zunächst beantragt die behinderte Arbeitgeber*in eine Steuernummer beim für den Wohnort zuständigen Finanzamt, sofern er*sie nicht ohnehin über eine eigene private Steuernummer verfügt. Danach meldet er*sie sich beim Finanzamt als Arbeitgeber*in an (Achtung: Privathaushalt, kein Gewerbe!).

Betriebsnummer

Des Weiteren muss eine Betriebsnummer beantragt werden. Dies geschieht unter der E-Mail-Adresse: betriebsnummernservice@arbeitsagentur.de

Benötigt wird neben der Anschrift auch die Information über die Art des Betriebes. Wichtig ist hier die Mitteilung: „Kein Gewerbe, sondern Betrieb im eigenen Haushalt“.

Berufsgenossenschaftliche Unfallversicherung

Behinderte Arbeitgeber*innen müssen ihre Assistent*innen bei einer Unfallversicherung/Berufsgenosenschaft anmelden. In den einzelnen Bundesländern sind verschiedene Versicherungen zuständig, so z.B. in Baden-Württemberg die Unfallkasse Baden-Württemberg. Die Adressen sind im Kapitel 2.3.2. aufgelistet

Diese Versicherungen erstatten bei Arbeits- und Wegeunfällen die Krankheitskosten und im Falle einer daraus resultierenden Erwerbsunfähigkeit eine berufsgenossenschaftliche Zusatzrente (zur normalen EU-Rente). Lediglich Assistent*innen im Haushaltscheckverfahren müssen nicht angemeldet werden. Diese sind über die Minijob-Zentrale automatisch mit versichert.

Umlageverfahren und Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Umlageverfahren der gesetzlichen Krankenkassen

Damit Kleinarbeitgeber (bis 30 Beschäftigte) durch Krankheiten ihrer Arbeitnehmer*innen und den damit verbundenen Entgeltfortzahlungen nicht in den finanziellen Ruin getrieben werden, sind sie verpflichtet, am Umlageverfahren U1 und U2 teilzunehmen. Dadurch erhalten Arbeitgeber*innen einen Teil der Entgeltfortzahlungskosten bei Erkrankungen ihrer Assistent*innen auf Antrag zurückerstattet.

Je nach Vereinbarung mit der Krankenkasse erstattet diese die Kosten der krankheitsbedingten Bruttolohnfortzahlungskosten, z.B. 60, 70 oder, heutzutage seltener, 80%. Der Arbeitgeber*innenanteil wird nicht erstattet. Empfehlenswert ist es, die Kostenübernahme der höchsten Stufe zu vereinbaren. Das kostet nur wenig mehr, erspart aber den Arbeitgeber*innen unter Umständen viel Geld, wenn die Assistent*innen (öfter) krank werden.

Die Beiträge für die U1 und U2 sind reine Arbeitgeber*innenbeiträge und werden für alle Assistent*innen gezahlt. Obwohl die Leistungen der U2 nur Schwangere betreffen, müssen diese Beiträge beruhend auf dem Gebot der Gleichbehandlung auch für Assistenten entrichtet werden.

Der Erstattungsantrag wird an die Krankenkasse der erkrankten Assistent*in gestellt.

Entgelt-/Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Alle Arbeitnehmer*innen haben Anspruch auf 100% Entgelt-/Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet ist. Die sechs Wochen betreffen die gleiche Krankheit innerhalb von sechs Monaten. Nach Ablauf der 6 Wochen (42 Kalendertage) zahlt die gesetzliche Krankenversicherung Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis muss aber ununterbrochen vier Wochen bestanden haben, damit erstmalig ein Anspruch besteht. Sollte die Versicherte in den ersten vier Beschäftigungswochen erkranken, erhält sie auf Antrag Krankengeld. Wenn die Arbeitgeber*in innerhalb der ersten vier Wochen Entgeltfortzahlung leisten will, sollte sie bei der zuständigen Krankenkasse nachfragen, ob diese das unterstützt. Wenn nicht, hat die Arbeitgeber*in keinen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen und muss so die Entgeltfortzahlung allein tragen. (Siehe auch Kapitel [...] Krankheit.)

Entgelt-/Lohnfortzahlung bei Schwangerschaft

Wird eine Assistentin während der Schwangerschaft krank, greift wie oben die U1. Kann sie aber ihre Arbeit schwangerschaftsbedingt nicht mehr ausüben, attestiert entweder die behandelnde Ärzt*in aus medizinischen Gründen ein Beschäftigungsverbot oder die Arbeitgeber*in aus Arbeitsschutzgründen. In diesen Fällen tritt die U2 für die Aufwendungen infolge der Entgeltfortzahlung ein. Die U2 deckt die Entgeltfortzahlungskosten zu 100% (einschließlich Arbeitgeber*innenanteil, allerdings ohne Beiträge für die U1 und U2, während eines evtl. Beschäftigungsverbotes). Mit Beginn des „normalen“ Mutterschutzes erstattet die Krankenkasse der Assistentin direkt bis zu 13 Euro kalendertäglich. Den Rest bis zum normalen Nettoverdienst muss die Arbeitgeber*in der Assistentin als Arbeitgeber*innenzuschuss zum Mutterschaftsgeld bezahlen. Diese Aufwendungen werden zu 100% im Rahmen der U2 von der Krankenkasse der Assistentin erstattet. Da dieser Zuschuss nicht nur steuer-, sondern auch sozialversicherunggsfrei ist, fallen hier keine Arbeitgeber*innenanteile an und brauchen daher auch nicht erstattet werden.

Ihre Meldung bitte!

Angesichts der Tatsache, dass das komplette Melde- und Übermittlungswesen im Bereich Sozialversicherung und Lohnsteuer online und maschinell geprüft abgewickelt werden muss, erübrigen sich genauere Darstellungen. Ohne Lohnbüro geht es unserer Meinung nach sowieso nicht.

Monatliche Meldung der Sozialversicherungsbeiträge

Monatlich werden die Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung und Beiträge für die U1 und U2) mit dem Beitragsnachweis an die Krankenkassen gemeldet. Diese Übermittlung erfolgt elektronisch. Die Beitragsanmeldungen müssen am fünftletzten Arbeitstag (Mo-Fr., ohne Feiertage!) bei den Krankenkassen vorliegen. Dort müssen die Beiträge am drittletzten Bankarbeitstag eingegangen sein.

Lohnsteuer

Lohnsteuerbescheinigung

Mit Ausscheiden einer Assistent*in während des laufenden Jahres oder nach Ablauf des Kalenderjahres muss für jede Assistent*in eine Lohnsteuerbescheinigung erstellt werden. Dies macht jedes Lohnabrechnungsprogramm automatisch und wird vom Lohnbüro erstellt.

„Besondere“ Beschäftigungsverhältnisse und Beschäftigte

Die unterschiedlichsten Beschäftigungsverhältnisse sind möglich. Sie umfassen verschiedenste Formen von Teil- bis Vollzeitbeschäftigungen. Bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und Beschäftigungen im Niedriglohn-Bereich gibt es einige Besonderheiten zu beachten.

Regelungen für Minijobs (bis 450 Euro)

Bei einem Minijob bleibt der Verdienst bis 450 € für die Arbeitnehmer*in versicherungsfrei. Die Arbeitnehmer*in kann ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausüben. Alle Minijob-Entgelte werden zusammenaddiert. Überschreitet die Summe die 450-€-Grenze, werden alle Minijobs versicherungs- und beitragspflichtig.

Für geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse bezahlt die Arbeitgeber*in 12% Pauschalbeiträge, die sich folgendermaßen zusammensetzen: 5% Krankenversicherung, 5% Rentenversicherung, 2% Pauschsteuer. Hinzu kommen noch Umlagesätze für die U1 und U2.

Aufgrund der hohen Pauschalbeiträge ist die Arbeitsstunde einer Minijobber*in teurer als die Arbeitsstunde einer steuerpflichtigen Arbeitskraft.

Um den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, wurde die Knappschaft Bahn/See als zentrale Einzugsstelle (offizielle Bezeichnung: Minijob-Zentrale) für die Pauschalbeiträge eingesetzt.

Das Haushaltsscheckverfahren

Geringfügig entlohnte Beschäftigte im Privathaushalt können, falls ihre Tätigkeit haushaltsnah ist, mit dem Haushaltsscheckverfahren gemeldet werden. Was aber ist „haushaltsnah“? Grob gesagt sind haushaltsnahe Dienstleistungen solche, die gewöhnlich von Familienangehörigen übernommen werden.

Die Gesetzgebung spricht hier ausdrücklich von der „Betreuung von kranken Personen“. Insofern dürfte auch Assistenz im Haushaltsscheckverfahren möglich sein, zumindest solange die „Teilhabe“ im Vordergrund steht.

Vorteil des Haushaltsscheckverfahrens ist die vereinfachte Handhabung. Somit kann das Haushaltsscheckverfahren auch von Laien durchgeführt werden. – Die Meldungen sind unverzüglich einzureichen. Das gilt für jeden Meldeanlaß: bei Beginn der Beschäftigung, bei Änderungen (z. B. Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, Änderung der Adresse) und bei Beendigung der Beschäftigung.

Bleibt das Arbeitsentgelt jeden Monat gleich, kann der Haushaltsscheck als „Dauerscheck“ gekennzeichnet werden und wird nur einmalig eingereicht (siehe Muster Haushaltsscheck Punkt 11).

Wird jeden Monat die Höhe des Arbeitsentgeltes geändert, wird der erste Arbeitsmonat eingetragen (siehe Muster Haushaltsscheck Punkt 12) und das Arbeitsentgelt des ersten Monats (siehe Punkt 13). Weiterhin ist anzukreuzen, dass die Beschäftigung nicht beendet ist (siehe Punkt 14). In diesem Fall braucht der Haushaltsscheck nur halbjährlich eingereicht werden.

Alle nötigen Beitragsnachweise erstellt die Bundesknappschaft. Die Beitragsnachweise werden halbjährlich für die Monate Januar-Juni und Juli-Dezember erstellt. Auch die Beiträge werden halbjährlich, nur möglich per Lastschrift, eingezogen: für den Abrechnungszeitraum Januar-Juni am 15. Juli und für den Abrechnungszeitraum Juli-Dezember am 15. Januar des Folgejahres.

Hier ist zu beachten, dass jede Arbeitgeber*in mit seinem zuständigen Kostenträger vereinbaren muss, ob die Pauschalbeiträge monatlich angegeben und erstattet werden und bis zum Einzugstermin beim Arbeitgeber „ruhen“, oder ob die Angabe und Erstattung auch nur halbjährlich erfolgen soll.

Befreiung von der Rentenversicherunggspflicht

Bereits seit 2012 bestehende Minijob-Arbeitsverhältnisse können mit der jeweiligen Einstellung der Rentenversicherung weitergeführt werden.

Bei ab dem Jahr 2013 gestarteten Minijob-Arbeitsverhältnissen wird das bisherige Verzichtsverfahren umgedreht. Zum Rentenversicherungsanteil der Arbeitgeber*in muss die Assistent*in die Differenz zum normalen Beitragssatz vom eigenen Lohn dazuzahlen. Allerdings kann die Befreiung hiervon, falls gewünscht, beantragt werden. Minijobber können auf die Rentenversicherungsvollzahlung verzichten, d. h. die Arbeitnehmer*in kann sich von der Aufstockung auf den vollen Beitragssatz der Rentenversicherung befreien lassen

Der Verzicht auf die Rentenversicherungs-Vollzahlung wird auf dem Haushaltsscheck erklärt, indem das entsprechende Feld angekreuzt wird. Die Verzichtserklärung kann für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses nicht widerrufen werden und gilt immer für alle gleichzeitig ausgeübten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Die Arbeitnehmer*in muss die anderen Arbeitgeber über den Verzicht informieren. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wird die Verzichtserklärung unwirksam und muss daher bei Aufnahme eines neuen Minijobs neu erklärt werden. Zu beachten ist, dass im Falle des Verzichts auf die RV-Freiheit als Mindestbeitragsbemessungsgrundlage ein Betrag in Höhe von 175 € zugrunde zu legen ist. Erreicht die Arbeitnehmer*in ein monatliches Arbeitsentgelt unterhalb dieses Betrages, muss sie einen erhöhten Aufstockungsbetrag zahlen.

Beispiel: Der Mindestbeitrag beträgt 33,08 € (175 € x 18,7% voller RV-Beitragssatz = 33,08 €); verdient die Arbeitnehmer*in 120 € monatlich, entfallen auf die Arbeitgeber*in 5% RV-Beitrag = 6,00 €. Demnach muss die Arbeitnehmer*in 27,08 € aufstocken, um den Mindestbeitrag von 33,08 € zu erreichen. Weiterhin ist zu beachten, dass als Arbeitsentgelt der Betrag vor Abzug des von der Arbeitnehmer*in zu tragenden Eigenanteils gerechnet wird. Das gilt auch für eventuell anfallende Steuern.

Die Arbeitgeber*in behält monatlich den aufgestockten RV-Beitragsanteil der Arbeitnehmer*in ein, da die Gesamtsozialabgaben inkl. des RV-Beitragsanteils der Arbeitnehmer*in von der Bundesknappschaft halbjährlich eingezogen werden.

Die 2%ige Pauschsteuer

Das Arbeitsentgelt für Minijobs ist steuerpflichtig und die Arbeitgeber*in legt fest, ob sie die Pauschsteuer in Höhe von 2% übernimmt oder über die Lohnsteuerkarte der Arbeitnehmer*in abrechnet. In diesem Fall sind eventuell anfallende Steuern einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen. Steuerpflicht trifft in solchen Fällen nur bei den Steuerklassen V und VI zu.

Als Arbeitsentgelt gilt auch hier der Betrag vor Abzug eventuell anfallender Lohnsteuern (inkl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag).

Einigung zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in

Übt eine Arbeitnehmer*in neben einer Hauptbeschäftigung einen Minijob aus, müsste mit Steuerklasse VI abgerechnet werden, wenn die Arbeitgeber*in die 2% Pauschsteuer nicht übernehmen will. Die Arbeitgeber*in kann sich aber mit der Arbeitnehmer*in dahingehend einigen, dass die Arbeitnehmer*in die 2%ige Pauschsteuer übernimmt, um die Steuerklasse VI zu umgehen.

Der Haushaltsscheck

Der „Haushaltsscheck“ ist dreiteilig, ein Exemplar für die Knappschaft, eins für die Arbeitgeber*in und eins für die Arbeitnehmer*in. Jedes der Exemplare muss von Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*innen unterschrieben werden.

Das Exemplar für die Minijobzentrale muß unverzüglich bei der Bundesknappschaft in 45115 Essen eingereicht werden.

<< Muster eines Haushaltsschecks >>


2.4.2 Regelungen für kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie im Laufe eines Kalenderjahres auf nicht mehr als drei Monate bei mindestens 5 Arbeitstagen pro Woche, oder auf insge- samt 70 Arbeitstage bei weniger als 5 Arbeitstagen in der Woche, begrenzt ist. Die Ur- sprüngliche Rücknahme auf wieder 50 Arbeitstage ab 2019 wurde fallengelassen. Kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse sind für Arbeitgeber und Arbeitnehmer versiche- rungsfrei. Die Lohnsteuer kann über die Lohnsteuerkarte des Arbeitsnehmers abgerech- net werden oder der Arbeitgeber muss einen Pauschalen Lohnsteuersatz in Höhe von 25% an das zuständige Finanzamt abführen.

Die Höhe des Einkommens spielt für die Sozialversicherunggsfreiheit keine Rolle. Wichtig ist nur, dass die kurzfristige Beschäftigung nicht berufsmäßig ausgeübt wird, d. h. sie muss von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sein. Berufsmäßigkeit liegt nicht vor, wenn sie neben einer Hauptbeschäftigung oder von Hausfrauen, Vorruheständlern, Schülern oder Studenten ausgeübt wird.

Kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse nehmen, auch wenn sie im Privathaushalt er- bracht werden, nicht am Haushaltsscheckverfahren teil. Sie werden mit dem üblichen Meldeverfahren an die Bundesknappschaft gemeldet. Obwohl Versicherungsfreiheit be- steht, müssen die Umlage- und Unfallkassenbeiträge an die Bundesknappschaft mit Bei- tragsnachweis gezahlt werden.

Ob Umlagebeiträge gezahlt werden müssen, hängt von der Dauer der kurzfristigen Be- schäftigung ab. Dauert das Arbeitsverhältnis weniger als 28 Kalendertage, wird kein Bei- trag für die U1 fällig, dieser muss ab dem 29. Kalendertage entrichtet werden. Da Arbeit- nehmer in den ersten 4 Wochen ab Eintritt in das Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, und dieser auch durch die Kürze des Arbeitsverhältnisses nicht erworben wird, fällt hier die Zahlung des U1-Beitrages weg. Für den Beitrag für die U2 gilt das nicht, dieser muss ab dem 1. Arbeitstag gezahlt werden.

Überschreiten des „kurzfristigen“ Zeitraumes

Sozialversicherungspflicht tritt wieder ein, wenn entgegen der ursprünglichen Annahme die gültigen Höchstgrenzen überschritten werden.

Wird vor Ablauf der Höchstgrenze deutlich, dass die Beschäftigung länger dauern wird, beginnt die Versicherungspflicht an dem Tag, an dem die Überschreitung erkennbar wird.

2.4.3 Regelungen für Jobs innerhalb der Gleitzone (Midi-Job)

Für Beschäftigte, deren Arbeitsentgelt zwischen 450,01 € und 850,00 € (ab 1.7.2019: 1300,00 €), also innerhalb der sogenannten Gleitzone liegt, gilt eine gestaffelte Versi- cherungspflicht. Mit dieser Regelung wird ein abrupter Anstieg der Sozialversicherungs- beiträge im Niedriglohn-Bereich verhindert.

Bei Verdiensten innerhalb der Gleitzone wird ein reduziertes Entgelt als Berechnungs- grundlage der Sozialversicherungsbeiträge (SV-Beiträge) zugrunde gelegt.

Die Formel für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge wurde ab dem 1.1.2013 geändert. Für Assistentinnen, die bereits vorher über die Midijob-Regelungen abgerech- net wurden, gelten für die Zeit bis zum 31.12.2014 UÜbergangsregelungen.

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