Vorwort

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Am 1. Januar 2020 beginnt die nächste Stufe des sogenannten Bundesteilhabegesetz. Noch sind nicht alle Änderungen bekannt. Aber es ist nicht zu erwarten, dass damit die Verfassungsverletzungen geheilt werden. In den Anstalten wird es tausende kleine Kriege geben und es steht außer Zweifel, dass die Insassen in diesen Auseinandersetzungen die schlechteren Karten haben. Die Diskriminierungen durch das Gesetz werden erhalten bleiben. Die Willkür bei der Einstufung Eingliederungshilfe und Pflege auch. Ebenfalls die Schlechterstellung der nicht (mehr) arbeitenden Menschen. Nahezu jeder behinderte Mensch braucht Eingliederungshilfe. Denn alle wollen noch im Rahmen ihrer Möglichkeiten am Leben teilhaben. Aber weil es für die Kostenträger der Sozialhilfe günstiger ist, werden viele zu 100 Prozent der Pflege zugeordnet. Dort sind die Freibeträge niedriger. Was hat die Behindertenbewegung nicht alles veranstaltet, um das Medieninteresse für unsere berechtigten Belange zu wecken. Denn ohne die Medien gelingt der Bewusstseinswandel in der Gesellschaft nie. Wenn eine Extrempartei aus dem Bundestag zu einem Pressetermin einlädt, dann sind ihre Akteure von Dutzenden Pressevertretern eingekreist, die ihnen förmlich an den Lippen hängen. Selbiges von der Behindertenbewegung wird eine sehr einsame Angelegenheit. Oft sitzen auf dem Podium mehr Menschen als im Parkett. Und dies trotz Sprung in die Spree, 24-Stunden-Ankettaktionen vor dem Bundestag, Petitionen mit bis zu 340.000 Unterschriften oder zuletzt eine 76-Stunden-Rekordfahrt mit der Deutschen Bahn von Berlin nach Berlin, mit Zwischenstationen in allen deutschen Landeshauptstädten. Trotz Ankündigung gelang es nicht, beim Bundespräsidenten Papiere abzugeben. Wir berichten ausgiebig in diesem Heft über diese Reise.

Noch immer drängt sich der Gedanke auf, dass das sogenannte Bundesteilhabegesetz weitgehend dazu missbraucht wird, die Finanzbeziehung zwischen Bund, Ländern und Kommunen so zu ordnen, dass die jeweils eigene Kasse geschont wird. Diejenigen, die in das Gesetz große Hoffnungen setzten, werden mit geringfügigen Verbesserungen abgespeist. Bereits im Jahre 2008 hatte die verstorbene ForseA-Gründerin Elke Bartz vorhergesagt, dass wir aufpassen sollten, damit uns eben das nicht passiert. Sie mahnte Einigkeit an. Diese kam uns 2014 abhanden. Es steht zu befürchten, dass nicht zuletzt darum der Gesetzgeber machte, wonach es ihm war. Unsere Belange blieben auf der Strecke.

Entgegen den Aussagen des Bayerischen Sozialministeriums und des Bezirks Unterfranken gibt es dort immer noch Menschen, denen seit der Einführung des sogenannten Bundesteilhabegesetzes im Jahre 2017 kein Pauschales Pflegegeld nach dem SGB XII mehr bezahlt wird. Bei einem Menschen aus Unterfranken wurde erst im Herbst 2019 im Zuge der Umstellung der Zuständigkeit auf den Bezirk das Pauschale Pflegegeld eingestellt. Lieber Gesetzgeber, hier hätten wir Ihre Hilfe dringend benötigt. Bei der Unterstützung gegen Kostenträger, die an uns ihre Macht ausleben, in Kauf nehmen, dass unser Leben so sauer wie möglich wird. Und was taten Sie? Sie haben deren Macht noch vergrößert. Es mag sein, dass das auf Kostenträgerseite sportlich gesehen wird. Für uns geht es meist um unser Leben, unsere Freiheit, unsere Selbstbestimmung. Hierzu nochmals ein Zitat aus einem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, das das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 GG wie folgt interpretierte: „Der Teilhabebedarf besteht im Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile; maßgebliche Vergleichsgruppe ist der nichtbehinderte und nicht sozialhilfebedürftige Mensch vergleichbaren Alters" (vom 14.04.2016, Az.: L 7 SO 1119/10). Klingt doch gut. Aber auch Art. 3. Absatz 3 Satz 2 hat schon gut geklungen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Und dennoch werden Menschen, die wegen Ihrer Behinderung (gesetzlich zustehende!) Nachteilsausgleiche benötigen, mit der geballte Macht des Staates konfrontiert. Noch sind Umfang und Auswirkung der 2020 anstehenden Änderungen durch das sogenannte Bundesteilhabegesetz im Detail nicht bekannt. Warten wir also ab, wie wir diese von unseren Kostenträgern erklärt bekommen.

Aber wir wollen nicht nur unken. Warten wir ab, was uns das Jahr 2020 bringt. Wir wünschen Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit, ein schönes Weihnachtsfest im Kreise Ihrer Lieben und ein gesundes, friedliches Jahr 2020 ohne Assistenzprobleme!

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