Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21.10.2013

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Inhaltsverzeichnis

Sozialgericht Potsdam

Az.: S 20 SO 67/13 ER

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Oliver Lenz,
Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam

- Antragsteller -

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Peter Klink,
Lennéstraße 71, 14471 Potsdam,

gegen

Landeshauptstadt Potsdam,
vertreten durch den Oberbürgermeister, dieser vertreten durch d.

Fachbereich Soziales,
Gesundheit und Umwelt
der Landeshauptstadt Potsdam,
Hegelallee 6-8, 14469 Potsdam

- Antragsgegnerin -

hat die 20. Kammer des Sozialgerichts Potsdam

am 21. Oktober 2013

durch die Richterin am Sozialgericht H.
ohne mündliche Verhandlung
b e s c h l o s s e n :

  1. Ziffer 1) Des Tenors der Kammer vom 11. Oktober 2013 wird wie folgt klargestellt bzw. korrigiert: "Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 1. August 2013 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, ländstens bis zum 31. Juli 2014, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 6.734,25 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von derzeit 700,00 €) zu bewilligen und zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
  2. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 2/3 der außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

1.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen im Rahmen eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets.

Der 47-jährige Antragssteller, von Beruf Dipl.-Ing. für Maschinenbau, leidet an einer Form der multiplen Sklerose mit primär chronischem Verlauf. Es bestehen multiple Läsionen (Schädigungen, Verletzungen) der BWS und HWS, eine linksbetonte Tetraparese, schmerzhafte Streck- und Beugespastiken der Beine, deutliche Kraftminderung der Extremitäten und eine fehlende Rumpfstabilität, linksseitige Missempfindungen und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Er ist häufig schnell erschöpft und müde. Die gesundheitlichen Einschränkungen bedingen, dass der Anttragsteller nicht laufen kann, mit seinen Armen und Händen kaum Gegenstände - vor allem filigrane wie Zahnbürsten u.ä. - halten kann. Dies führt dazu, daß er mehrfach am Tage Ruhezeiten wegen seiner schnellen Erschöpfbarkeit einlegen muss. Ausweislich der dem Gericht zum Verfahren S 20 SO 33/ER übergebenen Pflegedokumentationen der Antragsgegnerin und des von den Assistenten des Antragstellers geführten Pflegetagebuchs müssen abgesehen vom nur teilweise selbstständigen Essen bzw. Trinken des Antragstellers für ihn dem Grunde nach sämtliche Tätigkeiten zur Bewältigung des Alltags einschließlich der pflegerelevanten Tätigkeiten stellvertretend erledigt werden. Dabei ist die Durchführung der pflegerischen Maßnahmen durch häufig auftretende

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Spastiken bei der Berührung erschwert. Eine Fortbewegung des Antragstellers ist nur mittels eines Rollstuhls möglich.

Das Landesamt für Soziales und Versorgung erkannte dem Antragsteller einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Merkzeichen aG, G, B, H und RF zu. Die zuständige Pflegekasse (Techniker Krankenkasse) gewährt ihm ein entsprechend dem MDK-Gutachtens vom 22. Oktober 2012 Leistungen der Pflegestufe III; das Pflegegeld von monatlich 700,00 € wird direkt an den Antragsteller ausbezahlt. In dem genannten MDK-Gutachten wurde festgestellt, dass der Antagsteller einen täglichen Hilfebedarf im Umfang von 136 Minuten für die Körperpflege, von 30 Minuten für die Ernährung und von 157 Minuten für die Mobilität hat. Mit der Pflegekasse stritt der Antragsteller zunächst darum, ob ihm die Pflegestufe 3+ zusteht. In einem aktuellen MDK-Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg e.V. vom 12. August 2013 wurde ihm erneut die Pflegestufe III zuerkannt, wobei ein Hilfebedarf für die Körperpflege von 158 Minuten täglich, für Ernährung von 77 Minuten täglich und für Mobilität 251 Minuten täglich festgestellt wurde.

Ungeachtet seiner erheblichen körperlichen Einschränkungen nahm der Antragsteller in der Vergangenheit in erheblichem Umfang am gesellschaftlichen Leben teil: Er geht zur "Go-Arbeitsgemeinschaft" in der Montessori-Schule, dem "Go-Klub" im Neuen Palais (Mitwoch) und in Spandau (Donnerstag), nimmt Bewegungsbäder, singt im Hans-Beimler-Chor in Berlin, macht Zen-Meditation und verabredet sich abends zum geselligen Beisammensein (u.a. Behindertenstammtisch, Stammtisch vom Freifunk Potsdam). Zudem ist er jeweils im Vorstand des Mietervereins Potsdam und des Fördervereins der Montessorischule Potsdam aktiv.

Der Antragsteller stellte erstmals am 20. Juli 2011 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Assistenzkosten in Form eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets. Seither ist zwischen den Beteiligten trotz diverser Fallkonferenzen und Erörterungen zum bestehenden Hilfebedarf die Höhe der dem Antragsteller zu gewährenden Leistungen streitig.

Mit einem ersten Bescheid vom 23. Februar 2012 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 1. Februar 2012 Leistungen in Form des persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell von 1.469,53 €. Dabei ging sie von einem Hilfebedarf des Antragstellers von 6 Stunden für pflegerische Leistungen und 1,5 Stunden für Teilhabeleistungen aus (Bl. 54 ff. der Gerichtsakte - GA - zum Az: S 20 SO 33/13 ER). Auf den dagegen erhobenen

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Widerspruch des Antragstellers änderte die Antragsgegnerin ihren Bescheid am 29. Mai 2012 dahingehend, dass sie ihm ab dem 1. Februar 2012 zusätzlich ein gekürztes Pflegegeld von 233,33 € gewährte sowie von einem Eingliederungshilfebedarf von nunmehr 2 Stunden täglich ausging (Bl. 68 f. GA S 20 SO 33/13 ER).

Mit weiterem Bescheid vom 25. Juni 2012 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Juli 2013 Eingliederungshilfe für täglich zwei Stunden sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege für täglich sechs Stunden. Daraus errechnete sich - abzüglich des dem Antragsteller von der Pflegekasse ausgezahlten Pflegegeldes von 700,00 € - ein Betrag von 2.004,65 € (Bl. 74 ff. GA S 20 SO 33/13 ER). Über den dagegen vom Antragsteller erhobenen Widerspruch hat die Antragsgegnerin - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden.

Mit Änderungsantrag vom 28. Juli 2012 beantragte der Antragsteller, ihm das persönliche Budget als Arbeitgebermodell zu gewähren. Er begründete diesen damit, dass er jedenfalls nunmehr einen 24-stündigen Assistenzbedarf habe; diesen könne er mit dem ihm bewilligten Stundenumfang von insgesamt 8 Stunden nicht decken. Er erhalte zwar ehrenamtliche Hilfe durch seine Familie (Kinder und Eltern) sowie Freunde, dies sei jedoch keine dauerhaft tragfähige und verläßliche Lösung. Zudem beantragte er, ihm Kosten für eine Begleitperson gemäß §22 der Eingliederungshilfeverordnung zu gewähren, weil er nahezu täglich Physiotherapietermine außerhalb und andere Termine zur Aufrechterhaltung seines Gesundheitszustandes wahrzunehmen habe.

Am 6. September 2012 und 13. September 2012 erörterten die Beteiligten die Sach- und Rechtslage erneut in einem persönlichen Gespräch. Mit Bescheid vom 20. September 2012 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 1. August 2012 bis zum 31. Oktober 2012 Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in Form eines persönlichen Budgets für die Hilfen zum selbstbestimmten Leben in der eigenen Wohnung. Dabei ging sie erneut von einem Eingliederungshilfebedarf von 2 Stunden pro Tag sowie einem Bedarf an Hilfe zur Pflege von täglich acht Stunden aus (Bl. 105 ff. GA S 20 SO 33/13 ER). Das Gesamtbudget setzte die Antragsgegnerin unter Einbeziehung des von Pflegekasse gewährten Pflegegeldes auf monatlich 2.373,14 € fest. Dagegen erhob der Antragsteller ebenfalls Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.

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