Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21.10.2013

Aus cvo6
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Inhaltsverzeichnis

Sozialgericht Potsdam

Az.: S 20 SO 67/13 ER

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Oliver Lenz,
Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam

- Antragsteller -

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Peter Klink,
Lennéstraße 71, 14471 Potsdam,

gegen

Landeshauptstadt Potsdam,
vertreten durch den Oberbürgermeister, dieser vertreten durch d.

Fachbereich Soziales,
Gesundheit und Umwelt
der Landeshauptstadt Potsdam,
Hegelallee 6-8, 14469 Potsdam

- Antragsgegnerin -

hat die 20. Kammer des Sozialgerichts Potsdam

am 21. Oktober 2013

durch die Richterin am Sozialgericht H.
ohne mündliche Verhandlung
b e s c h l o s s e n :

  1. Ziffer 1) Des Tenors der Kammer vom 11. Oktober 2013 wird wie folgt klargestellt bzw. korrigiert: "Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 1. August 2013 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, ländstens bis zum 31. Juli 2014, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 6.734,25 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von derzeit 700,00 €) zu bewilligen und zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
  2. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 2/3 der außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

1.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen im Rahmen eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets.

Der 47-jährige Antragssteller, von Beruf Dipl.-Ing. für Maschinenbau, leidet an einer Form der multiplen Sklerose mit primär chronischem Verlauf. Es bestehen multiple Läsionen (Schädigungen, Verletzungen) der BWS und HWS, eine linksbetonte Tetraparese, schmerzhafte Streck- und Beugespastiken der Beine, deutliche Kraftminderung der Extremitäten und eine fehlende Rumpfstabilität, linksseitige Missempfindungen und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Er ist häufig schnell erschöpft und müde. Die gesundheitlichen Einschränkungen bedingen, dass der Anttragsteller nicht laufen kann, mit seinen Armen und Händen kaum Gegenstände - vor allem filigrane wie Zahnbürsten u.ä. - halten kann. Dies führt dazu, daß er mehrfach am Tage Ruhezeiten wegen seiner schnellen Erschöpfbarkeit einlegen muss. Ausweislich der dem Gericht zum Verfahren S 20 SO 33/ER übergebenen Pflegedokumentationen der Antragsgegnerin und des von den Assistenten des Antragstellers geführten Pflegetagebuchs müssen abgesehen vom nur teilweise selbstständigen Essen bzw. Trinken des Antragstellers für ihn dem Grunde nach sämtliche Tätigkeiten zur Bewältigung des Alltags einschließlich der pflegerelevanten Tätigkeiten stellvertretend erledigt werden. Dabei ist die Durchführung der pflegerischen Maßnahmen durch häufig auftretende

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Spastiken bei der Berührung erschwert. Eine Fortbewegung des Antragstellers ist nur mittels eines Rollstuhls möglich.

Das Landesamt für Soziales und Versorgung erkannte dem Antragsteller einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Merkzeichen aG, G, B, H und RF zu. Die zuständige Pflegekasse (Techniker Krankenkasse) gewährt ihm ein entsprechend dem MDK-Gutachtens vom 22. Oktober 2012 Leistungen der Pflegestufe III; das Pflegegeld von monatlich 700,00 € wird direkt an den Antragsteller ausbezahlt. In dem genannten MDK-Gutachten wurde festgestellt, dass der Antagsteller einen täglichen Hilfebedarf im Umfang von 136 Minuten für die Körperpflege, von 30 Minuten für die Ernährung und von 157 Minuten für die Mobilität hat. Mit der Pflegekasse stritt der Antragsteller zunächst darum, ob ihm die Pflegestufe 3+ zusteht. In einem aktuellen MDK-Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg e.V. vom 12. August 2013 wurde ihm erneut die Pflegestufe III zuerkannt, wobei ein Hilfebedarf für die Körperpflege von 158 Minuten täglich, für Ernährung von 77 Minuten täglich und für Mobilität 251 Minuten täglich festgestellt wurde.

Ungeachtet seiner erheblichen körperlichen Einschränkungen nahm der Antragsteller in der Vergangenheit in erheblichem Umfang am gesellschaftlichen Leben teil: Er geht zur "Go-Arbeitsgemeinschaft" in der Montessori-Schule, dem "Go-Klub" im Neuen Palais (Mitwoch) und in Spandau (Donnerstag), nimmt Bewegungsbäder, singt im Hans-Beimler-Chor in Berlin, macht Zen-Meditation und verabredet sich abends zum geselligen Beisammensein (u.a. Behindertenstammtisch, Stammtisch vom Freifunk Potsdam). Zudem ist er jeweils im Vorstand des Mietervereins Potsdam und des Fördervereins der Montessorischule Potsdam aktiv.

Der Antragsteller stellte erstmals am 20. Juli 2011 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Assistenzkosten in Form eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets. Seither ist zwischen den Beteiligten trotz diverser Fallkonferenzen und Erörterungen zum bestehenden Hilfebedarf die Höhe der dem Antragsteller zu gewährenden Leistungen streitig.

Mit einem ersten Bescheid vom 23. Februar 2012 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 1. Februar 2012 Leistungen in Form des persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell von 1.469,53 €. Dabei ging sie von einem Hilfebedarf des Antragstellers von 6 Stunden für pflegerische Leistungen und 1,5 Stunden für Teilhabeleistungen aus (Bl. 54 ff. der Gerichtsakte - GA - zum Az: S 20 SO 33/13 ER). Auf den dagegen erhobenen

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Widerspruch des Antragstellers änderte die Antragsgegnerin ihren Bescheid am 29. Mai 2012 dahingehend, dass sie ihm ab dem 1. Februar 2012 zusätzlich ein gekürztes Pflegegeld von 233,33 € gewährte sowie von einem Eingliederungshilfebedarf von nunmehr 2 Stunden täglich ausging (Bl. 68 f. GA S 20 SO 33/13 ER).

Mit weiterem Bescheid vom 25. Juni 2012 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Juli 2013 Eingliederungshilfe für täglich zwei Stunden sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege für täglich sechs Stunden. Daraus errechnete sich - abzüglich des dem Antragsteller von der Pflegekasse ausgezahlten Pflegegeldes von 700,00 € - ein Betrag von 2.004,65 € (Bl. 74 ff. GA S 20 SO 33/13 ER). Über den dagegen vom Antragsteller erhobenen Widerspruch hat die Antragsgegnerin - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden.

Mit Änderungsantrag vom 28. Juli 2012 beantragte der Antragsteller, ihm das persönliche Budget als Arbeitgebermodell zu gewähren. Er begründete diesen damit, dass er jedenfalls nunmehr einen 24-stündigen Assistenzbedarf habe; diesen könne er mit dem ihm bewilligten Stundenumfang von insgesamt 8 Stunden nicht decken. Er erhalte zwar ehrenamtliche Hilfe durch seine Familie (Kinder und Eltern) sowie Freunde, dies sei jedoch keine dauerhaft tragfähige und verläßliche Lösung. Zudem beantragte er, ihm Kosten für eine Begleitperson gemäß §22 der Eingliederungshilfeverordnung zu gewähren, weil er nahezu täglich Physiotherapietermine außerhalb und andere Termine zur Aufrechterhaltung seines Gesundheitszustandes wahrzunehmen habe.

Am 6. September 2012 und 13. September 2012 erörterten die Beteiligten die Sach- und Rechtslage erneut in einem persönlichen Gespräch. Mit Bescheid vom 20. September 2012 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 1. August 2012 bis zum 31. Oktober 2012 Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in Form eines persönlichen Budgets für die Hilfen zum selbstbestimmten Leben in der eigenen Wohnung. Dabei ging sie erneut von einem Eingliederungshilfebedarf von 2 Stunden pro Tag sowie einem Bedarf an Hilfe zur Pflege von täglich acht Stunden aus (Bl. 105 ff. GA S 20 SO 33/13 ER). Das Gesamtbudget setzte die Antragsgegnerin unter Einbeziehung des von Pflegekasse gewährten Pflegegeldes auf monatlich 2.373,14 € fest. Dagegen erhob der Antragsteller ebenfalls Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.

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Der Antragsteller hatte am 27. Januar 2012 erstmals mit der Antragsgegnerin bzw. der Pflegekasse TKK für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zu 31. Juli 2012 eine Zielvereinbarung zur Sicherstellung von Leistungen personeller Hilfen (Pflege, Haushaltsführung, Arbeitsassistenz etc.) und Mobilität im Rahmen des persönlichen Budgets geschlossen. Diese setzte er als sogenanntes Arbeitgebermodell um und beschäftigte beispielsweise im Mai 2013 insgesamt 7 Personen. Nach Mitteilung der Antragsgegnerin vom 15. Oktober 2013 an das Gericht hat der Antragsteller zuletzt im Juni 2013 eine Zielvereinbarung unterzeichnet (diese liegt dem Gericht allerdings nicht vor). Diese Zielvereinbarung dürfte jedenfalls hinsichtlich der Höhe des persönlichen Budgets unter dem Vorbehalt des Ergebnisses dieses Verfahrens bzw. der laufenden Verwaltungsverfahren stehen.

Der Antragsteller hatte am 20. März 2013 einen ersten Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung zum Az: S 20 SO 33/13 ER beim erkennenden Gericht gestellt. Mit diesem hatte er sein Begehren auf Gewährung eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell mit einem Betrag von mindestens 9.855,27 € weiterverfolgt. Bereits mit der Antragserwiderung vom 5. April 2013 hatte die Antragsgegnerin die Erforderlichkeit der Gewährung eines persönlichen Budgets in Form des Arbeitgebermodells für eine 24-stündige Assistenz zur Deckung des Pflege- und Eingliederungshilfebedarfs des Antragstellers von 3.742,60 € monatlich anerkannt. Dabei stellte sie dar, dass sich die vom Antragsteller benötigte 24-stündige Assistenz in eine tägliche Arbeitszeit von 8,5 Stunden und 15,5 Stunden aktive Bereitschaftszeit untergliedere. Letztere sei mit 30% des Stundenlohnes von 7,75 € netto bzw. 9,42 € brutto (d.h. unter Berücksichtung eines 21,575 %-igen Arbeitgeberanteils = 1,67 €) bzw. ab dem 1. Juli 2013 von 8,00 € netto bzw. 9,70 € brutto zu vergüten. Ein Anspruch auf rechnerische Vergütung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bestehe nicht. Es handele sich insoweit um eine an den TVöD angelehnte freie Entscheidung des Antragstellers diese Leistungen als Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer zu erbringen. Sie sei jedenfalls unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitgebotes des § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX nicht verpflichtet, ihm diese Bestandteile des Arbeitsentgelts zu finanzieren. Auch eine Berücksichtigung von Weiterbildungszeiten für die Assistenten erachte sie nicht als erforderlich. Vertretungen im Krankheitsfall seien aus dem Budget zu finanzieren; Lohnfortzahlungen könnten bei Teilnahme im Umlageverfahren durch die zuständige Krankenkasse erfolgen. Sie übernehme im Rahmen der Finanzierung des Arbeitgebermodells pauschal Lohnfortzahlungen für zehn Krankheitstage pro Jahr. Im Falle länger andauernder Erkrankungen würden Lohnfortzahlungen grundsätzlich von der jeweiligen Krankenkasse des Arbeitnehmers übernommen, wofür sie im Rahmen des persönlichen Budgets entsprechende Beiträge

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berücksichtige. Eine gesonderte Finanzierung von Vertretungen erfolge nicht. Auch Einarbeitungszeiten seien üblicherweise nicht gesondert zu finanzieren. Gleiches gelte für den Dienst an Feiertagen. Im Gesundheits- und Pflegebereich würden Pflegekräfte dafür einen Freizeitausgleich erhalten; darüber hinaus würden keine zusätzlichen Vergütungen für die Feiertagsarbeit gewährt. In Bezug auf die begehrten Regiekosten verweise sie auf die Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX. Als Aufwandspauschale für Regiekosten könnten bei Fremdvergabe an Dritte 30,00 € pro Monat und beschäftigten Arbeitnehmer übernommen werden. Hierfür seien Nachweise zu erbringen. Nur ergänzend verweise sie darauf, dass der Antragsteller sämtliche pflegeerleichternden und zeitaufwandverringernden Pflegehilfsmittel wie ein Pflegebett oder einen Elektrorollstuhl kategorisch ablehne. Auch das Angebot zur Beschaffung einer behindertengerechten Wohnung in seinem Wohnumfeld habe er abgelehnt. Durch einen solchen Umzug würde beispielsweise der zeitaufwendige Transport mit der Treppenraupe entfallen. Durch die Nutzung würde der Antragsteller seine eigenständige Mobilität erhöhen. Durch die Nutzung eines Pflegebettes würden pflegerische Verrichtungen wie das nächtliche Umlagern erleichtert werden.

Zum Verfahren S 20 SO 33/13 ER fand am 31. Mai 2013 beim erkennenden Gericht ein Erörterungstermin statt. Dabei schlossen die Beteiligten einen Zwischenvergleich. Danach verpflichtete sich die Antragsgegnerin an den Antragssteller für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis einschließlich 30. Juni 2013 einen Betrag von 5.750,00 € in Form eines persönlichen Budgets für Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Erörterung wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 170 ff. GA S 20 SO 33/13 ER) verwiesen. Eine weitere geplante Erörterung am 28. Juni 2013 erfolgte dann nicht mehr, weil die Antragsgegnerin zwischenzeitlich in einem parallel geführten Rechtsstreit eines anderen Antragstellers den geschlossenen Vergleich widerrufen hatte. Die Antragsgegnerin zahlt nach der übereinstimmenden Mitteilung der Beteiligten an das Gericht seither auf der Basis des am 31. Mai 2013 geschlossenen Zwischenvergleich die Leistungen an den Antragsteller weiter.

Der Antragsteller hat mit Blick auf das Ende der ursprünglichen Bewilligung zum 31. Juli 2013 am 8. Juli 2013 beim Sozialgericht zum Az: S 20 SO 67/13 ER einen erneuten Antrag auf Kostenübernahme des persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bestellt. Er macht geltend: Er habe einen Anspruch auf

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die Leistungen für einen Zeitraum von 24 h täglich an sieben Tagen der Woche. Er benötige den ganzen Tag über Hilfe. Wegen seiner unregelmäßigen, aber immer wiederkehrenden Spastiken benötige er eine durchgehend anwesende Betreuungsperson. Die von der Antragsgegnerin berechnete Höhe des persönlichen Budgets treffe nicht zu. Es sei von einem Stundensatz von 9,42 € auszugehen. Diese benötige er tagsüber 14 Stunden in Höhe von 100 % sowie über einen Zeitraum von 10 Stunden von 50 %, da es sich hierbei um Zeiten mit eingeschränktem Assistenzbedarf handele. Da er an 365 Tagen einen Anspruch auf die oben benannten Ansprüche habe, ergäbe sich ein jährlicher Bedarf von 65.372,45 €. Hinzu kämen Einmalbezüge der Assistenten in Höhe von 50 % für Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jährlich 5.447,00 €, Pauschalen für Krankheit, Einarbeitung, Weiterbildung, Feiertag und Urlaub von 17.898,00 € im Jahr. Weiterhin seien die Arbeitgeberanteile für Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung von jährlich 19.469,20 €, steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit von jährlich 9.437,00 € abzüglich einer Erstattung der fiktiven Lohnfortzahlungskosten von 4.740,50 € zu berücksichtigen. Letztlich seien die Kosten der Berufsgenossenschaft, der Unterkunft, pauschalierte Regiekosten ohne Nachweise sowie Kosten der Lohnabrechnung (Steuerberater) sowie der Begleitperson nach §§22, 23 Eingliederungshilfeverordnung einzubeziehen, somit noch einmal zusätzliche Kosten von jährlich 5.150,00 €. Sein Gesamtanspruch belaufe sich somit auf jährlich mindestens 118.263,22 € und monatlich 9.855,27 €. Er habe zudem ein besonderes Interesse an der vorläufigen Bewilligung, da es ihm auch mit dem von der Antragsgegnerin zuletzt im Wege de Zwischenvergleichs vom 31. Mai 2013 zugestandenen Betrages von 5.750,00 € nicht möglich sei, die für ihn dringend benötigten Leistungen der Pflege, der Eingliederungshilfe, der Assistenz, der Rehabilitation, der häuslichen Krankenpflege und der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft über einen Zeitraum von 24 h täglich abzudecken. Andernfalls bestünde für ihn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Zudem könne er dann weder seinen Verpflichtungen auf Zahlung der Lohnsteuer noch auf Abführung von Sozialabgaben nachkommen.

Er beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens für das beantragte trägerübergreifende persönliche Budget als Arbeitgebermodell monatlich einen Betrag von mindestens 9.855,27 € zu gewähren.

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Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und beantragt,

den Antrag über den dem Antragsteller bereits zugestandenen Betrag von 3.742,60 € hinaus zurückzuweisen.

Sie macht geltend: Sie erkenne eine Erforderlichkeit der Gewährung eines persönlichen Budgets in Form des Arbeitgebermodells für eine 24-h-Assistenz zur Deckung des Pflege- und Eingliederungshilfebedarfes des Antragstellers in Höhe von 3.742,60 € monatlich an in Höhe von 6.112,67 € sei der Antrag abzulehnen. Es verbleibe bei ihrer Auffassung, wonach sich im Rahmen eines Arbeitgebermodells für eine 24-Stunden-Assistenz die tägliche Arbeitszeit in 8,5 Stunden tatsächliche (aktive) Arbeitszeit und 15,5 Stunden sog. aktive Bereitschaftszeit untergliedere, wobei die aktive Bereitschaftszeit in Höhe von 30% des Stundensatzes zu finanzieren sei. Im Übrigen sei ihr mit Blick auf die gravierenden krankheitsbedingten körperlichen Einschränkungen des Antragstellers nicht erklärlich, wie dieser beispielsweise am 16. Juni 2012 an einem elfstündigen Turnier sowie am 28. August 2012 an einem neunstündigen Treffen der Linken habe teilnehmen können. Am 2. Juni 2012 habe er ab 13:00 Uhr an einer Mieterdemo teilgenommen, sei anschließend zum Vorsingen gefahren und habe danach bis 23:00 Uhr noch ein Stadtteilfest besucht. Nach den ihr vorliegenden Zeitaufstellungen des Antragstellers gebe es häufig Tage, an denen dieser ohne Pause mehr als zehn Stunden unterwegs sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 20 SO 33/13 ER und S 20 SO 67/13 ER (3 Bände) sowie den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Denn er hat einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihm ab dem 1. August 2013 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zu dem im Tenor genannten Zeitpunkt (31. Juli 2014), Leistungen von monatlich 6.734,25 € unter Außerachtlassung der Leistungen der Pflegekasse von derzeit 700,00 € in Form des persönlichen Budgets gem. §57 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - i.V.m. §§53 ff. und 61 ff. SGB XII und dem SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewährt und auszahlt.

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Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint, wobei Anordnungsanspruch - das zu sichernde Recht - und Anordnungsgrund - die besondere Eilbedürftigkeit - glaubhaft zu machen sind, § 86b Abs. 2 Absatz 4 SGG i.V. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Vorliegend war ein Antrag auf § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft, weil der Antragsteller mit seinem Antrag Leistungen von der Antragsgegnerin begehrt, die über die mit der Zielvereinbarung bzw. dem geschlossenen Zwischenvergleich gewährten Leistungen in Form des persönlichen Budgets hinausgehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin für die Zeit ab dem 1. August 2013 noch keinen Leistungsbescheid zugunsten des Antragstellers erlassen hat.

Die Sache ist eilbedürftig, weil der Antragsteller zur Aufrechterhaltung seines hohen Bedarfes an Hilfe zur Pflege und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (Teilnahme am Go-Club, Chormitgliedschaft, Meditationskurs, Teilnahme am Behindertenstammtisch, Vorstandstätigkeit im Mieterverein Potsdam und der Montessori-Schule Potsdam etc.) dringend auf die Bewilligung und die Auszahlung des begehrten Geldbetrages in Form des trägerübergreifenden persönlichen Budgets angewiesen ist, zumal er als Arbeitgeber die laufenden Gehaltskosten für mehrere Angestellte einschließlich der Sozialversicherungabgaben pünktlich zu leisten hat. Ohne die Regelung bestünde die Gefahr, dass die von ihm unstreitig in einem Zeitraum von täglich 24 Stunden benötigten Assistenzleistungen nicht realisiert werden können, weswegen das grundsetzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache mit Blick auf sein Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG zurückzutreten hat.

Dass der Antragsteller als schwerstpflegebedürftige Person gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Hilfegewährung in Form des trägerübergreifenden persönlichen Budgets dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Antragsgegnerin hat die Koordinierung der Leistungen, bestehend aus Pflegegeld, ergänzender Hilfe zur Pflege sowie Eingliederungshilfeleistungen übernommen, was eine Beiladung weiterer Leistungsträger nach § 75 SGG entbehrlich macht.

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