Brief vom 18.11.1955
Potsd. d. 18.11.55
Lieber Vetter Louis,
beiliegenden Brief, beachte bitte das Datum, an dem er von mir geschrieben wurde, fand ich neulich durch Zufall in einem Brief. Damals, im Dezember 1950, glaubt ich ihn abgeschickt zu haben! Da der Inhalt des Briefes durchaus noch Gültigkeit hat, schicke ich ihn nun mit 5 Jahren Verspätung ab.
Ich hoffe, Ihr seid noch alle gesund, was ich von uns hier auch berichten kann. Natürlich haben die Jahre so allerhand gebracht und genommen! Mein Mann und ich stehen nach wie vor auf dem Weg, den unser Staat eingeschlagen hat, denn er führt in eine Zukunft. Aber er ist nicht leicht zu gehen, alles muß neu gelernt werden, Fehler sind nicht zu vermeiden. Und dann sitzt der größte Feind in nächster Nähe und führt seine Schläge. Aber wir werden fertig mit ihnen!
Wir verdienen gut und können angenehm leben.So geht es denen, die mitarbeiten, auch ohne Partei- angehörige zu sein, ich z.B. bin auch parteilos. Ebenso geht es den Privatgeschäftsinhabern und den Hand-
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werkern ausgezeichnet, Wagen und Motorboote werden vor allem von ihnen gefahren.
Mutti ist mit 78 Jahren noch glänzend auf der Höhe, sie hat ihr Haus verkauft und lebt ganz behaglich, die Hungerzeit ist längst vorüber, und sie hat ihren stattlichen Umfang von einst wieder erreicht.
Eine Freude wäre es uns, wenn wir wieder einmal über Euer Ergehen etwas hören würden. Verstehe mich bitte nicht falsch, denn nicht ein Paket ist damit gemeint, sondern ein Brief, der von Dir, Deiner Familie und von Gus erzählt. Das Leben neigt sich für uns alle seinem Ende zu, mein Mann wird 60 Jahre, und ich bin di56, da fängt man an, Rückschau zu halten, weil nicht mehr allzu viel vor einem liegen kann. Und bei der Rückschau tauchen auch die Vettern aus Amerika auf
Dir, lieber Louis, und allen Verwandten wünsche ich auch im Namen meiner Mutter ein schönes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr!
Herzlichst
Deine Base Trude.
