Geschichtslehrbuch fuer Silka

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len – aus heutiger Sicht eine Selbstverständlichkeit – gibt Orientierung auf der Ebene der übergeordneten Strukturen, die klassischerweise nach Epochen und darin in einzelne Ereignisgeschichten untergliedert sind. Die Schülerbände werden von Lehrerbänden flankiert, in denen die Aussage- und Vermittlungsabsichten der einzelnen Schulbuchabschnitte und -bestandteile verdeutlicht werden, und die Hinweise auf Didaktisierungsmöglichkeiten und weitere Informations- bzw. Arbeitsmedien außerhalb des Schulbuchs enthalten. Häufig sind in den Lehrerbänden zumindest teilweise jene wünschenswerten konstruktionstransparenten Informationen enthalten, die für ein reflektiertes Verständnis von Geschichte, also unter anderem von ihrem Konstruktcharakter, unabdingbar sind und deshalb eigentlich in das Schulbuch selbst gehörten.
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len – aus heutiger Sicht eine Selbstverständlichkeit – geben Orientierung auf der Ebene der übergeordneten Strukturen, die klassischerweise nach Epochen und darin in einzelne Geschichtsereignisse untergliedert sind. Die Schülerbände werden von Lehrerbänden flankiert, in denen die Aussage- und Vermittlungsabsichten der einzelnen Schulbuchabschnitte und -bestandteile verdeutlicht werden, und die Hinweise auf Didaktisierungsmöglichkeiten und weitere Informations- bzw. Arbeitsmedien außerhalb des Schulbuchs enthalten. Häufig sind in den Lehrerbänden zumindest teilweise jene wünschenswerten konstruktionstransparenten Informationen enthalten, die für ein reflektiertes Verständnis von Geschichte, also unter anderem von ihrem Konstruktcharakter, unabdingbar sind und deshalb eigentlich in das Schulbuch selbst gehörten.
Eine Besonderheit unter den Geschichtsschulbüchern, die dem geschichtsdidaktischen Paradigmenwechsel in den siebziger Jahren folgten bzw. ihn begleiteten, war das reine Arbeitsbuch „Fragen an die Geschichte”, das in vier Bänden zwischen 1975 und 1999 – zunächst bei Hirschgraben, später bei Cornelsen – erschien und noch bis 2011 vertrieben wurde. Dieses Schulbuch ist gekennzeichnet durch intensive und im Sinne der Lernprogression aufeinander aufbauende Methodenteile, die direkt bzw. über vermittelnde Aufgabenstellungen mit Quellen und historiographischen Darstellungen verknüpft sind. Die Narrationen selbst werden dabei mit Hilfe der im Buch bereits befindlichen Aufgaben sowie durch die didaktischen Impulse der Lehrkraft von den Schüler*innen selbständig erarbeitet. Eine diskursive Überprüfung der eigenen Narration ist in den meisten Kapiteln als fester Bestandteil des historischen Erkenntnisprozesses vorgesehen und wird durch kontroverse Historikertexte oder die Aufforderung zur pluralistischen Diskussion in der Lerngruppe angeregt.1 Aus der geschichtsdidaktisch erwünschten Perspektive eines reflektierten und (selbst-)reflexiven historischen Lernens und Denkens ist „Fragen an die Geschichte” denkbar gut als Lernmedium geeignet. Dennoch hat es sich in den Klassenzimmern nicht gegen den Gebrauch des Lern- und Arbeitsbuches durchgesetzt, das anteilig deutlich mehr vorgefertigte Narrationen enthält, die im Buch selbst nicht reflektiert und zur Diskussion gestellt werden. Eine Begründung dafür liegt in den Arbeitsgewohnheiten aber auch im Grad der Reflektiertheit des historischen Bewusstseins der Lehrkräfte. Das reine Arbeitsbuch erfordert auf Seiten der Lehrkräfte einen sehr hohen Grad an reflektiertem und (selbst-)reflexivem Geschichtsbewusstsein, damit sie den Schüler*innen sinnvolle Umgangsweisen mit diesem Schulbuch nahebringen können.
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Eine Besonderheit unter den Geschichtsschulbüchern, die dem geschichtsdidaktischen Paradigmenwechsel in den siebziger Jahren folgten bzw. ihn begleiteten, war das reine Arbeitsbuch „Fragen an die Geschichte”, das in vier Bänden zwischen 1975 und 1999 – zunächst bei Hirschgraben, später bei Cornelsen – erschien und noch bis 2011 vertrieben wurde. Dieses Schulbuch ist gekennzeichnet durch intensive und im Sinne der Lernprogression aufeinander aufbauende Methodenteile, die direkt bzw. über vermittelnde Aufgabenstellungen mit Quellen und historiographischen Darstellungen verknüpft sind. Die Narrationen selbst werden dabei mit Hilfe der im Buch bereits befindlichen Aufgaben sowie durch die didaktischen Impulse der Lehrkraft von den Schüler*innen selbständig erarbeitet. Eine diskursive Überprüfung der eigenen Narration ist in den meisten Kapiteln als fester Bestandteil des historischen Erkenntnisprozesses vorgesehen und wird durch kontroverse Historikertexte oder die Aufforderung zur pluralistischen Diskussion in der Lerngruppe angeregt.1
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Aus der geschichtsdidaktisch erwünschten Perspektive eines reflektierten und reflexiven historischen Lernens und Denkens ist das Material „Fragen an die Geschichte” denkbar gut als Lernmedium geeignet. Dennoch hat es sich in den Klassenzimmern nicht gegen den Gebrauch des Lern- und Arbeitsbuches durchgesetzt, das anteilig deutlich mehr vorgefertigte Narrationen enthält, die im Buch selbst nicht reflektiert und zur Diskussion gestellt werden. Eine Begründung dafür liegt in den Arbeitsgewohnheiten aber auch im Grad der Reflektiertheit des historischen Bewusstseins der Lehrkräfte. Das reine Arbeitsbuch erfordert auf Seiten der Lehrkräfte einen sehr hohen Grad an reflektiertem und reflexivem Geschichtsbewusstsein, damit sie den Schüler*innen sinnvolle Umgangsweisen mit diesem Schulbuch nahe bringen können.

Version vom 29. März 2017, 20:07 Uhr

Inhaltsverzeichnis

Verwendung des Geschichtsschulbuchs und Bedeutung für das historische Lernen

Hinweis an meine geschätzten Leser*innen:
Zur Gestaltung und Nutzung von Geschichtsschulbüchern gibt es noch ein sehr ausführliches Kapitel. Wenn für Eure Bedürfnisse darauf hier zu wenig eingegangen wird, könnt ihr das trotzdem gern anmerken. Ich filter mir später die nützlichen Hinweise heraus.

Eine kurze Geschichte des Geschichtsschulbuchs in Gestaltung, Funktion und Nutzung

Das Geschichtsschulbuch der heutigen Zeit ist Teil einer historischen Entwicklung, die in ihrer Anwendungsform in öffentlichen Schulen seit Beginn des 19. Jahrhunderts weite Verbreitung fand. Aber bereits Vorläufer in Schulbüchern im sich entwickelnden Schulwesens des 18. Jahrhunderts hatte. Und auch die Geschichtsbücher dieser Zeit haben ihre Vorläufer, nämlich in den Büchern bzw. Schriften, die zur - oft genealogischen - historischen Erziehung an Adels- und Herrscherhöfen verwendet wurden. Die Geschichte des Geschichtsschulbuchs befasst sich sowohl mit seiner medialen als auch seiner didaktischen Veränderung über die Zeit. Beide sind untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.

Während der gesamten Zeit seiner Verwendung in den öffentlichen Schulen Deutschlands (bzw. deren Vorläufer), und zwar bis heute, war und ist das gedruckte Schulbuch der „wesentliche mediale Träger“ und hat als solches ein „Selbstverständnis“ als „ältestes Medium in der Schule.“1

1: Becker, Jörg (1978). Schulbuch und politisches System in der Bundesrepublik Deutschland. In: Schallenberger, Horst/Stein, Gerd (Hg.). Das Schulbuch zwischen staatlichem Zugriff und gesellschaftlichen Forderungen. Kastellaun/Hunsrück. S. 13–44, hier S. 15.

Zwar veränderten sich mit den Inhalten und der Gestaltung auch die didaktischen Funktionen und Ansprüche. Das gedruckte Buch ist jedoch nach wie vor eines der bedeutsamsten Lern- und Vermitt-

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lungsmedien, wenn nicht gar das wichtigste.1

Schönemann und Thünemann attestieren dem papiernen Geschichtsschulbuch jedenfalls noch 2010 – im Gegensatz zu einigen anderen Geschichtsdidaktiker*innen – weiterhin eine nachhaltige Position als „Leitmedium“ des Geschichtsunterrichts, und zwar trotz der bereits stattfindenden Entwicklung hin zum vermehrten Einsatz digitaler Medien.2

Geschichtsunterricht hatte im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Funktion der Vermittlung von in der Öffentlichkeit vorherrschenden und politisch gewollten Geschichtsbildern, die vor allem die nationale Perspektive auf Vergangenheitsdeutungen positiv, das heißt einseitig und oft unkritisch, hervorhob. Auf diese Weise sollten bereits Schüler*innen mental und emotional an den Staat und die Verfolgung seiner Interessen gebunden werden.3

Für diesen, aus heutiger Sicht ideologisch bedenklichen didaktischen Ansatz passte die katechetische Art der Vermittlung durch das Lehrbuch: Es enthielt fertige historische Narrationen, die in der Regel vom Lehrer vorgelesen wurden, und die von den Schüler*innen auswendig gelernt werden mussten – jedenfalls deren zeitliche, räumliche sowie personelle Daten und Fakten und ihre temporalen, kausalen usw. Zusammenhänge – um sie in Form der Reproduktion abprüfbar zu machen.4

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Erzählungen über die Vergangenheit fand nicht statt, ebensowenig wie der Erwerb von Re–Produktionskompetenz zum eigenständigen Erschließen vergangener Ereignisse und der Narrationsbildung darüber. Die Schulbücher waren entsprechend textlastig gestaltet.5

Bilder waren entweder zeitgenössische Darstellungen, die ausschließlich zur Illustration, also der visuellen Unterstützung, der

2: Mit „Bedeutung“ ist seine Prominenz im Hinblick auf die Existenz und den Einsatz des Schulbuchs als Unterrichtsmedium im Vergleich zu anderen Medien gemeint, und damit zum Teil auch auf seine didaktische Funktion, nämlich als Medium des Vermittelns (auf Seite der Lehrenden) und des Lernens (auf Seite der Lernenden). Die Bedeutung für den Lernenden wird hier aber zunächst in rein quantitativer Hinsicht gesehen, also in der Häufigkeit der Verwendung. Auf seine didaktische Sinnhaftigkeit, also seine Qualität in Bezug auf Vermittlung und Erwerb historischer Kompetenzen, wird an späterer Stelle ausführlicher eingegangen.
3: Schönemann, Bernd/Thünemann, Holger (2010). Schulbucharbeit: Das Geschichtslehrbuch in der Unterrichtspraxis. Schwalbach/Ts., S. 9–20.
4: Ref.
5: Ref. Die schulische Geschichtsvermittlung des 19. Jahrhunderts, vor allem im deutschen Kaiserreich, spiegelt nicht die durchaus reflektierte Art und Weise des Umgangs mit Vergangenheit wieder, wie sie von einer großen Zahl von Historikern praktiziert wurde. Zu nennen ist hier nicht zuletzt Gustav Droysen. Auch der damaligen Geschichtswissenschaft war der Aussagewert von Narrationen bekannt. Sie war sich neben der historischen Methode bereits einiger der heute anerkannten historischen epistemologischen Prinzipien wie Selektivität, Perspektivität und Partialität bewusst. Nichtsdestotrotz fanden sich auch unter den damaligen Historikern einige, die einem historistischen deutschen Geschichtsbild anhingen, das ihren persönlichen nationalpolitischen Interessen entgegenkam.
6: Ref.

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Narrationen dienten, oder Bildquellen, die aber ebenfalls nur illustrativ, nicht jedoch als zu analysierende Quellen eingesetzt wurden.1

Bereits zur Zeit der Weimarer Republik fand eine kritische Auseinandersetzung mit dem früheren Geschichtsunterricht, wieder [wieso wieder? Im Text davor ist keine Rede davon!] vor allem dem Geschichtsunterricht in der Kaiserzeit statt. Hier wurden erstmals Geschichtsschulbücher auf den Prüfstand genommen. Ganz im Sinne der jungen Demokratie wurde jetzt, zumindest von wissenschaftlicher Seite, darauf gedrungen, eine eher reflektierte Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Geschichte in den Schulen zu vermitteln. So wurden z.B. Geschichtsschulbücher erstmals international, zumindest intereuropäisch, verglichen. So konnte das eigene, von nationalen Interessen beeinflusste, Bedürfnis an historischer Auseinandersetzung und Identität sichtbar gemacht werden. Die Forschungsergebnisse aus den 1920er Jahren wurden in der BRD nach 1945 wieder aufgegriffen und im Verlauf der Jahrzehnte zwischen 1945 und 1989 von akademischen und schulischen Geschichtsdidaktiker*innen zu immer präziseren geschichtsdidaktischen Prinzipien, Ansprüchen und Zielen ausgearbeitet. Mit einiger zeitlicher Verzögerung hielten diese auch Einzug in die Geschichtsschulbücher.

Der Einführung des Geschichtsbewusstseins als zentrale Kategorie in die Geschichtsdidaktik folgte auch ein immer elaborierteres geschichtsdidaktisches Verständnis. Die Frage war, wie der bereits in allen Schüler*innen vorhandene Bewusstseinsgrundstock sinnvoll gefördert werden könnte, um die Lernenden zu einer umfassenden und reflektierten gesellschaftlichen Teilhabe im Umgang mit öffentlicher Geschichte zu befähigen. Die Schulbücher wurden dementsprechend von reinen Lehrbüchern mit fertigen Narrationen in Lehr-Lernbücher (gebräuchlicher ist der Begriff Lern- und Arbeitsbücher) umgewandelt. Bei denen neben den funktional begründeten fertigen Narrationen in Form von Darstellungstexten nun immer auch sehr viel Material (d.h. Quellen) zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus enthalten die Schulbücher seitdem nun auch Methodenseiten, die die eigenständige Auseinandersetzung mit Quellen und Vergangenheitspartikeln ermöglichen sollen. Aufgabenstellungen weisen die Schüler*innen an, wie sie die Auseinandersetzung anzugehen bzw. (selbst) zu gestalten haben. Ein Glossar rundet ein gutes Lern- und Arbeitsbuch ab, denn es ermöglicht die schnelle Suche nach Teilinformationen und verweist auf die entsprechenden Stellen im Buch, in denen die Schüler*innen eigenständig vertiefend lesen können. Glossare sind allerdings kein Standardelement in allen Schulbüchern. Ihr Vorhandensein erleichtert allerdings, bei einer entsprechenden Einübung im Umgang mit ihnen, die Verwendung des Schulbuchs. Ein Inhaltsverzeichnis mit Überschriften für Kapitel und Unterkapitel sowie Seitenzah-

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len – aus heutiger Sicht eine Selbstverständlichkeit – geben Orientierung auf der Ebene der übergeordneten Strukturen, die klassischerweise nach Epochen und darin in einzelne Geschichtsereignisse untergliedert sind. Die Schülerbände werden von Lehrerbänden flankiert, in denen die Aussage- und Vermittlungsabsichten der einzelnen Schulbuchabschnitte und -bestandteile verdeutlicht werden, und die Hinweise auf Didaktisierungsmöglichkeiten und weitere Informations- bzw. Arbeitsmedien außerhalb des Schulbuchs enthalten. Häufig sind in den Lehrerbänden zumindest teilweise jene wünschenswerten konstruktionstransparenten Informationen enthalten, die für ein reflektiertes Verständnis von Geschichte, also unter anderem von ihrem Konstruktcharakter, unabdingbar sind und deshalb eigentlich in das Schulbuch selbst gehörten.

Eine Besonderheit unter den Geschichtsschulbüchern, die dem geschichtsdidaktischen Paradigmenwechsel in den siebziger Jahren folgten bzw. ihn begleiteten, war das reine Arbeitsbuch „Fragen an die Geschichte”, das in vier Bänden zwischen 1975 und 1999 – zunächst bei Hirschgraben, später bei Cornelsen – erschien und noch bis 2011 vertrieben wurde. Dieses Schulbuch ist gekennzeichnet durch intensive und im Sinne der Lernprogression aufeinander aufbauende Methodenteile, die direkt bzw. über vermittelnde Aufgabenstellungen mit Quellen und historiographischen Darstellungen verknüpft sind. Die Narrationen selbst werden dabei mit Hilfe der im Buch bereits befindlichen Aufgaben sowie durch die didaktischen Impulse der Lehrkraft von den Schüler*innen selbständig erarbeitet. Eine diskursive Überprüfung der eigenen Narration ist in den meisten Kapiteln als fester Bestandteil des historischen Erkenntnisprozesses vorgesehen und wird durch kontroverse Historikertexte oder die Aufforderung zur pluralistischen Diskussion in der Lerngruppe angeregt.1

Aus der geschichtsdidaktisch erwünschten Perspektive eines reflektierten und reflexiven historischen Lernens und Denkens ist das Material „Fragen an die Geschichte” denkbar gut als Lernmedium geeignet. Dennoch hat es sich in den Klassenzimmern nicht gegen den Gebrauch des Lern- und Arbeitsbuches durchgesetzt, das anteilig deutlich mehr vorgefertigte Narrationen enthält, die im Buch selbst nicht reflektiert und zur Diskussion gestellt werden. Eine Begründung dafür liegt in den Arbeitsgewohnheiten aber auch im Grad der Reflektiertheit des historischen Bewusstseins der Lehrkräfte. Das reine Arbeitsbuch erfordert auf Seiten der Lehrkräfte einen sehr hohen Grad an reflektiertem und reflexivem Geschichtsbewusstsein, damit sie den Schüler*innen sinnvolle Umgangsweisen mit diesem Schulbuch nahe bringen können.

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