Ratgeber

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für behinderte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und solche, die es werden wollen.
Dazu Hinweise und Beispiele rund um Verwaltung und Abrechnung von Assistent*innen
Ausgabe September 2019
Bezugsadresse: ForseA e.V.
Geschäftsstelle:
Nelkenweg 5, 74673 Mulfingen-Hollenbache
E-Mail: ratgeber@forsea.de
Fax: 03222 3 783 563

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Der Ihnen hier vorliegende Ratgeber will Menschen mit Behinderungen Wege aufzeigen, Arbeitgeber*in für eigene Assistent*innen zu werden. Diese sogenannte Arbeitgebermodell erlaubt größtmögliche Selbstbestimmung und wird vom Gesetzgeber bevorzugt, aber von den Leistungsträgern (Krankenkasse, Jobcenter, Sozialamt u.a.) in der Regel stiefmütterlich behandelt.
Davon abgesehen unterscheiden sich Situation, Wünsche und Bedürfnisse der jeweiligen Menschen stark voneinander, daher kann dieser Ratgeber keine Patentrezepte liefern. Aber er kann auftretende Fragen beantworten und Hilfe und Unterstützung bieten.
Angeführte Probleme sollen keinesfalls abschrecken, sondern lediglich auf eventuell auftretende Schwierigkeiten hinweisen. Es werden jeweils Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Der Ratgeber besteht aus zwei Kapiteln. Das 1. Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Finanzierung und Beantragung des Assistenzmodells. Kapitel 2 befasst sich umfassend mit der Verwaltung des Assistenz„betriebes“. Wir haben versucht, die Grundlagen der Betriebsverwaltung ausreichend zu erklären. Wenn Sie etwas nicht verstehen, melden Sie sich bitte bei uns. Denn nur dann können wir Ihnen die Lösung Ihres Problems aufzeigen, aber auch das Handbuch für kommende Anwender*innen an dieser Stelle verständlicher schreiben.
„Behinderte Menschen mit Assistenzbedarf sind selbst die größten Experten in eigener Sache. Sie brauchen keine Pfleger*innen in Anstalten oder von ambulanten Diensten, die sie bevormunden mit der Begründung: „Ich weiß, was gut für dich ist“ und „Ich helfe Dir, aber so, wie ich es für richtig halte.“ Die meisten Menschen mit Behinderungen benötigen Assistent*innen, die ihnen ihre Hände und nicht ihren Kopf ersetzen; die zwar mit- aber nicht vordenken.“ Elke Bartz 25.08.2008
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Mut und viel Erfolg bei der Umsetzung „Ihres“ Assistenzmodells. Gerhard Bartz

Haftungsausschluss

Für unmittelbare oder mittelbare Folgen von Fehlern dieses Ratgebers und des Handbuches übernehmen die Autoren und Herausgeber keine Haftung.
Daher sollten alle Auswertungen vor der Weitergabe an Dritte (z.B. Assistent*in, Banken, Krankenkassen, Finanzamt, Kostenträger) nochmals sorgfältig überprüft werden.
Dies gilt insbesondere für die neuen rechtlichen Grundlagen durch das Bundesteilhabegesetz. Dieses Gesetz, seine Ausgestaltung und seine rechtlichen Wirkungen fließen nach und nach in den Ratgeber ein.

Inhaltsverzeichnis [Rahmen für die Überarbeitung durch OL]

1. DAS ASSISTENZMODELL - FINANZIERUNG UND BEANTRAGUNG. .......9
1.1 Wer kann Arbeitgeberin werden? ..........
1.1.1 Die Kompetenzen im Einzelnen.........9
1.1.2 Für viele die optimale Lösung..............10
1.2 Wie wird ein behinderter Mensch Arbeitgeber für seine Assistentinnen? ........................ 11
1.2.1  Ausgangsbasis ...........11
1.2.2 Finanzierung........11
1.2.4 SGB V - Krankenversicherung...... 1
1.2.5  „Pauschales“ Pflegegeld........... 1 O
1.3 SGB XI - Die Pflegeversicherung........... 11
1.3.1. Begutachtung........... 17
1.3.2 Pflegegrade....... 1 O
1.3.3 Ambulante Leistungen der Pflegeversicherung ............... 1O
1.3.3.1 Sachleistung ............ TO
1.3.3.2 Geldleistung......... TO
1.3.3.3 Kombinationsleistung............... 1 O
1.3.3.4 Versicherungen....... | O
1.3.3.5 Pflegekurse...... 19
1.3.4. Pflichtpflegeeinsätze....... 19
1.3.5 Anrechnung Pflegeversicherung gegenüber dem SGB XII... 19
1.3.6 Was ist ein Persönliches Budget (PB)? ............... ZU
1.3.7. Die Leistungsträger........ ZU
1.3.8 Die Antragstellung .................... ZU
1.3.9 Die Bedarfsfeststellung........... 2 1
1.3.10 Die Zielvereinbarung ............... DL
1.3.11 Die Bescheide ............ DL
1.3.12 Budgetberatung.............. 20
1.3.13 Budgetunterstützung .......... ZO
1.4 Auszüge aus den Gesetzen ........... ZU
15 Anhang......... LO
1.5.1  Antragsbeispiel für Kostenübernahme.............. ZO
1.5.2 Kostenkalkulation.......... ZO
1.6 Suche geeigneter Assistentinnen........ DL
1.6.1  Assistenzwerbung.......... DL
1.6.2 „Checkliste“ für das Telefongespräch ............. OO
1.6.3  Vorstellungsgespräch ............ DOG
1.6.4 Mögliche Punkte der „Vorstellungs-Checkliste* ................ O4
1.6.5 Einstellung und Einarbeitung der Assistentinnen.................. 30)
1.7 Was die Assistentin wissen sollte ... ...... DT
2 DIE VERWALTUNG DES ASSISTENZBETRIEBES........................ 41
2.1 Anmeldung eines Betriebes im Privathaushalt........................... 1
2.2 Umlageverfahren und Anspruch auf Entgeltfortzahlung.................. 41
2.2.1  Umlageverfahren der gesetzlichen Krankenkassen ............. 41
2.2.2  Entgelt-/Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ..................... 41
2.2.3  Entgelt-/Lohnfortzahlung bei Schwangerschaft... 42
2.3 Ihre Meldung bitte! .................. DZ
2.3.1 Meldungen zur Sozialversicherung.........u. 40
2.3.1.1 Anschriften der kommunalen Unfallversicherungsträger - zuständig für Haushaltshilfen
2.3.2 Lohnsteuern....... DT
2.3.2.1 Die Lohnsteueranmeldung.............. DT
2.3.2.2 Die Lohnsteuerdaten............ DT
2.3.2.3  Lohnsteuerbescheinigung............ DO

1 Das Assistenzmodell - Finanzierung und Beantragung

1.0 Einleitung

Eine Möglichkeit für ein freies Leben in Selbstbestimmung bietet das sogenannte Arbeitgeber*innenmodell (in der Folge als Assistenzmodell bezeichnet). Beim Assistenzmodell beschäftigen behinderte Menschen die von ihnen benötigten Helfer*innen (Assistent*innen) in einem eigenen „Betrieb im eigenen Haushalt“. Das bedeutet, die Assistent*innen stehen in einem abhängigen Arbeitsverhältnis zu den jeweiligen Assistenznehmer*innen. Sie leisten die benötigten Hilfen und werden dafür entlohnt. Beim Assistenzmodell „mutiert“ das „zu pflegende, betreuende und verwaltende Objekt der Hilfebedürftigkeit“ zum selbstbestimmten Subjekt, das seinen Tagesablauf in Eigenregie gestalten kann.

1.1 Wer kann Arbeitgeber*in werden?

Prinzipiell ist es allen Menschen mit Behinderung – sei die Behinderung geistiger, körperlicher oder seelischer Art – möglich, das Arbeitgeber*innenmodell zu wählen. Dazu bedarf es nur der Bereitschaft zur Eigenverantwortung und Selbstbestimmung sowie zur Verantwortungsübernahme gegenüber den Assistent*innen. Falls Betreuung vorliegt, können die gesetzlichen Betreuer*innen stellvertretend für den behinderten Menschen agieren.
Assistent*innen sind Arbeitnehmer*innen mit allen diesbezüglichen Rechten und Pflichten, so wie in einem „normalen“, d. h. gewinnorientierten Betrieb. Alle Arbeitgeber*innen in Deutschland müssen die Rechte ihrer Mitarbeiter*innen wahren. Die Arbeitnehmer*innen haben Ansprüche ihnen als Arbeitgeber*in gegenüber (z. B. Entlohnung gegen Leistung, Entlohnung im Krankheitsfall usw. usf.)
Behinderte Arbeitgeber*innen verfügen über verschiedene Kompetenzen. Fehlen eine oder mehrere Kompetenzen, können diese angeeignet oder anderweitig ausgeglichen werden. (Beispiel Personalkompetenz: Steuerberater, Assistenzgenossenschaften oder „Selbstbestimmt-Leben-Zentren“ können die Lohnabrechnungen erstellen.) Doch dazu später.

1.1.1 Die Kompetenzen im Einzelnen

  • Personalkompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen entscheiden, wer die Assistenzleistungen erbringt. Sie schließen Arbeitsverträge mit ihren Assistent*innen ab, erstellen Dienstpläne und Lohnabrechnungen. Sie führen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab.
  • Anleitungskompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen weisen die Assistent*innen selbst in die benötigten Hilfeleistungen ein. Sie wissen am besten, welche Assistenzleistungen sie in welchem Umfang benötigen.
  • Finanzkompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen kontrollieren die Verwendung der ihnen zustehenden Finanzmittel wie Leistungen aus der Pflegeversicherung (SGB XI), der Krankenversicherung, dem SGB XII (Sozialamt) usw.
  • Organisationskompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen gestalten ihren Tagesablauf in Eigenregie (ohne zeitliche Vorgaben).
  • Ortskompetenz: Behinderte Arbeitgeber*innen bestimmen, an welchem Ort die Assistenz erbracht wird (z. B. in der eigenen Wohnung, am Urlaubsort, bei Besuchen von Freunden und Familienangehörigen).

1.1.2 Für viele die optimale Lösung

Das Assistenzmodell stellt für viele (aber nicht für alle) Menschen mit Assistenzbedarf die optimale Lösung dar. Es gibt Menschen, die nie die Bewältigung ihres Alltages erlernt haben. Für diejenigen, die es auch nicht lernen wollen, gibt es die verschiedensten Möglichkeiten der Versorgung. Der Preis dafür ist die mehr oder minder starke Einschränkung von Freiheit und Selbstbestimmung. Jede*r einzelne muss für sich selbst entscheiden, welche Alternative für sie*ihn die richtige darstellt.
Außer den oben genannten Kompetenzen sollten (künftige) Arbeitgeber*innen über weitere Eigenschaften verfügen. Diese sind der Wille, die eigenen Interessen durchzusetzen und der Mut, unter Umständen einen langen „Kampf“ mit den Kostenträgern durchzustehen. Besonders Menschen mit hohem Assistenzbedarf, was nahezu immer relativ hohe Kosten zur Folge hat, müssen sich oft (glücklicherweise nicht immer) auf langwierige Auseinandersetzungen mit den Behörden und sonstigen Kostenträgern gefasst machen. Diese Tatsache soll niemanden verängstigen oder gar abschrecken, sondern lediglich darauf hinweisen, dass Probleme auftreten können.
Kostenträger, insbesondere die Träger der Sozialhilfe, handeln oft unter der Prämisse, die Rechte behinderter Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben nur dann zu wahren, wenn das nicht mit Kosten für sie verbunden ist. Dort wird der Mensch häufig auf den Kostenfaktor reduziert. Besonders schwierig wird es, wenn die Kosten des Assistenzmodells höher als die einer Anstalt sind. Oft interessiert die Mitarbeiter*innen der Behörden die Lebensqualität der assistenznehmenden Menschen nicht. Manchmal aber kennen Sachbearbeiter*innen das Assistenzmodell und seine Rechtsgrundlagen nur nicht und scheuen sich schon deshalb, die Kostenübernahme zu bewilligen. Eigene Rechtskenntnis und gute Argumentationen wirken da oft Wunder.
In Bezug auf die Lebensqualität ist der Vergleich stationärer Einrichtungen mit ambulanten Möglichkeiten aus der Perspektive der Assistenznehmer*innen absurd und verbietet sich von vornherein.

1.2 Wie wird ein behinderter Mensch Arbeitgeber für seine Assistent*innen?

1.2.1 Ausgangsbasis

Die Vorgeschichte jedes Menschen ist individuell. Der Eine hatte einen Unfall. Die Andere ist seit Geburt behindert und will sich nun als erwachsener Mensch von dem Elternhaus „abnabeln“. Der Dritte hat eine fortschreitende Erkrankung, die es ab einem bestimmten Zeitpunkt unmöglich macht, ohne Assistenz zu leben. Wieder andere verlieren eine*n Angehörige*n, der*die bisher die Assistenz erbrachte. Und selbst wenn eine Form der Versorgung vorliegt: Immer weniger Menschen können die fremdbestimmte Heimsituation ertragen, denn sie wollen ein selbstbestimmtes Leben inmitten der Gemeinschaft führen.
Hinzu kommen die unterschiedlichsten Wohnsituationen. Menschen, die z. B. nach einem Unfall querschnittgelähmt sind, können oft nicht mehr in ihre frühere Wohnung zurück, da es nicht möglich ist, diese barrierefrei umzubauen. Andere haben das Glück, über eine mehr oder minder geeignete Wohnung zu verfügen.
Alle, ob sie aus dem Elternhaus oder aus einer Anstalt ausziehen wollen oder, wie oben angeführt, nach einem Klinikaufenthalt nicht mehr in ihren früheren Wohnungen leben können, stehen vor einer besonderen Problematik. Sie müssen geeignete Wohnungen finden und mit dem Einzug müssen Assistenz und deren Finanzierung gesichert sein, damit keine – unter Umständen lebensbedrohliche – Versorgungslücke entsteht.
Geringeren Koordinationsproblemen haben diejenigen, die sowieso in einer barrierefreien Wohnung leben; von einer anderen Möglichkeit der Hilfenahme (z. B. durch Familienangehörige) zum Assistenzmodell wechseln wollen oder durch eine fortschreitende Erkrankung nur allmählich immer hilfebedürftiger werden.

1.2.2 Finanzierung

Die Finanzierung stellt oft das größte Problem bei der Umsetzung des Assistenzmodells dar. Die Pflegeversicherung deckt leider weniger Kosten ab, als vor ihrer Einführung im Jahre 1995 propagiert.
Die Leistungen der Träger der Rehabilitation (Krankenkasse, Rentenversicherung) sind einkommens- und vermögensunabhängig. Wer jedoch bei einem Unfall eine „Mitschuld“ hat, muss benötigte Leistungen entsprechend der (in der Regel vom Gericht ermittelten) Haftungsquote selbst tragen oder über andere eventuell zuständige Rehaträger decken.
Auch wenn genügend Vermögen im eigenem Haushalt vorhanden ist, stehen dem Assistenzmodell keine finanziellen Hindernisse im Weg. Aber ACHTUNG: Zugehörige sind direkt betroffen. Diese legen sich oft quer, wenn Vermögen für Assistenz ausgegeben werden soll. Vielen Menschen ist aber aus verständlichen Gründen ein gutes Verhältnis zur Familie wichtig. Da lässt sich nichts machen und diese Menschen müssen eben in einer Anstalt verbleiben. Zumindest bis zum 1.1.2020, denn ab da entfällt zum Glück die Anrechnung von Vermögen des Partners.
Aber wenn kein Vermögen und „nur“ eine Behinderung vorliegt, dann kommt das Sozialamt ins Spiel, denn wir leben zum Glück in einem Sozialstaat. Wer sich nicht selbst helfen kann, dem hilft die Gemeinschaft. Aber Leistungen der Sozialhilfe (d.h. Leistungen nach SGB XII) SIND einkommens- und vermögensabhängig. Und sie sind grundsätzlich nachrangig. Das heißt, zunächst einmal müssen alle anderen Möglichkeiten der Kostendeckung ausgeschöpft werden.
Viele assistenznehmende Menschen sind auf die Kostenübernahme durch die Träger der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe angewiesen. Das Sozialamt – welch Wunder – zahlt aber nicht gerne. Auf Grund der Gesetzeslage muss es das jedoch. Denn es steht jedem behinderten Menschen durch das Wunsch- und Wahlrecht nach § 8, SGB IX frei, die Wohnform zu wählen, in der er*sie leben möchte. Zur möglichen Wohnform gehört auch der eigene Haushalt (die anderen sind Pflegeheim oder Pflege-WG). Wenn zum Leben im eigenen Haushalt Assistenz erforderlich ist, dann eben mit Assistenz. Das ist ein gesetzlicher Anspruch!
Die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit der Sozialhilfe geht gegenwärtig (2019 und davor) soweit, dass das Einkommen und Vermögen von dem*r Partner*in, sowie von Kindern und Eltern angerechnet wird (ggf. unter Berücksichtigung von Freibeträgen). An dieser Stelle bringt das viel gescholtene Bundesteilhabegesetz ab dem 1.1.2020 eine Verbesserung: Die Einkommens- und Vermögensanrechnung von Partnern entfällt. Bedingung: Es werden auch Teilhabeleistungen gezahlt.
Wir unterscheiden: Die Sozialhilfe trägt Kosten sowohl zur „Hilfe zur Pflege“ als auch zur Teilhabe. Im Normalfall interessiert das niemanden: Geld ist Geld; aus welchem Topf auch immer. Bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung des Partners kommt dem „Topf“ eine entscheidende Bedeutung zu. Beispiel: ein Mensch im Wachkoma kann nur „Hilfe zur Pflege“ bekommen, denn Leistungen zur Teilhabe braucht es hier nicht – durch das Wachkoma ist dieser Mensch gehindert, am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Bei diesen Menschen entfällt die Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Partners NICHT.
Noch mal zusammenfassend: Prinzipiell gibt es folgende Finanzierungsquellen:
  • Leistungen der Pflegeversicherung (wegen des besonderen Umfangs wird der Pflegeversicherung ein gesondertes Kapitel gewidmet)
  • Leistungen der Krankenversicherung im Rahmen der häuslichen Behandlungspflege
  • Leistungen der Berufsgenossenschaften bei Arbeitsunfällen
  • Schadensersatzansprüche bei Impfschäden, sowie Wehrdienst- und Zivildienstunfällen gegenüber den Versorgungsämtern
  • Schadensersatzansprüche bei ärztlichen Kunstfehlern
  • Schadensersatzansprüche gegenüber Unfall- oder sonstigen Versicherungen
  • Leistungen des Integrationsamtes für Arbeitsassistenz
  • eigenes Einkommen und Vermögen
  • Leistungen der Sozialhilfe (immer nachrangig!)
Wer jetzt verschreckt die Idee aufgeben will, Arbeitgeber*in für ihre*seine Assistenzkräfte zu werden, sei beruhigt: Die behinderte Person muss zum Glück nicht wissen, welches Amt zuständig ist. Sie stellt einfach einen Antrag auf persönliches Budget bei irgendeiner Stelle. Die Ämter sind vom Gesetz angewiesen, bei eigener fehlender Zuständigkeit an die aus ihrer Sicht zuständige Stelle weiterzuleiten! Der behinderte Mensch ist von der Pflicht befreit, von „Pontilus zu Pilatus“ zu laufen!!
Wie schon oben gesagt, springt im Extremfall, also wenn der behinderte Mensch keine andere Finanzierungsquelle hat, der Träger der Sozialhilfe ein. Verfügt der behinderte Mensch, der Leistungen der Sozialhilfeträger beantragt, über eigenes Einkommen und/oder Vermögen, muss dieses eingesetzt werden, sofern bestimmte Freibeträge überschritten werden. Da sich diese Freibeträge immer wieder ändern und nach Situation differieren (z.B. unterschiedliche Wohnkosten), werden sie hier nicht im Einzelnen angeführt.
Vorab zur Info: Ein vom Antragsteller selbst bewohntes Eigenheim gilt als geschütztes Vermögen, sofern es das übliche Maß an Wert und Größe nicht erheblich überschreitet.
Reichen vorrangige Leistungsansprüche, bzw. das eigene Einkommen und Vermögen nicht oder nur teilweise aus, um die Assistenzkosten zu finanzieren, können Assistenznehmer*innen Leistungen nach § 65 SGB XII beantragen. Zunächst genügt ein formloser Antrag. Sinnvoll ist es bei Antragstellung eine „Aufstellung der zu erwartenden Kosten“ beizulegen. Es kommt übrigens nicht darauf an, wie manche Kostenträger irrtümlich meinen, wie viele verschiedene Assistent*innen die Leistungen erbringen. Wichtig ist es, den benötigten zeitlichen Umfang abzudecken.
Als Berechnungsbasis für die Höhe der einzelnen Löhne dient der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD-K). Manche Sozialämter bewilligen begrenzte Festbeträge für die Entlohnung der Assistenz. Das zwingt Arbeitgeber*innen, niedrigere Löhne als nach TVöD zu zahlen.
Einige Kostenträger versuchen, behinderte Menschen zu drängen, ihre Assistenz mittels so genannter Honorarkräfte zu organisieren. Bei korrekter Auslegung des Sozialversicherungsrechtes und nach Aussage der Deutschen Rentenversicherung ist das nicht legal, spart der Behörde jedoch Kosten.
Das Sozialamt reagiert, indem es Antragsvordrucke zur Feststellung der Vermögensverhältnisse zuschickt und den „Allgemeinen Sozialen Dienst“ oder das Gesundheitsamt (je nach Bundesland) beauftragt, den Umfang der Hilfebedürftigkeit festzustellen.
Viele Sozialämter orientieren sich an den Gutachten der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDKs), die zur Feststellung der Pflegestufe im Rahmen der Pflegeversicherung erstellt wurden. Doch Vorsicht, die Pflegeversicherung deckt nur einen Teilbereich der möglichen benötigten Assistenzleistungen ab! Die Bindungswirkung zwischen MDK-Gutachten und Sozialhilfeträger besteht darin, dass der Sozialhilfeträger nicht unterhalb des vom MDK anerkannten Bedarfs bewilligen darf. Da das SGB XII dem Bedarfsdeckungsprinzip (alle notwendigen Kosten sind zu decken) untersteht, müssen alle tatsächlich vorhandenen Bedarfe gedeckt werden. Und die gehen weit über den Leistungskatalog der Pflegeversicherung hinaus, wie auch Urteile aus der Urteilssammlung des Forums selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) hinreichend beweisen.
Neben der „Hilfe zur Pflege“ (§ 61ff. SGB XII) und „Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes“ (§ 70 Abs. 1 SGB XII) gibt es die Möglichkeit, Eingliederungshilfe (§ 53 SGB XII) zu

beantragen. Assistenznehmer*innen, die eine „rund-um-die-Uhr-Assistenz“ im Rahmen der Hilfe zur Pflege finanziert bekommen, werden selten zusätzlich Eingliederungshilfe in Form von Personalkosten geltend machen können, da ihnen 24 Stunden am Tag Assistent*innen zur Verfügung stehen. Bekommen jedoch Assistenznehmende z.B. nur fünf Assistenzstunden für Pflege und Hauswirtschaft bezahlt, können sie Eingliederungshilfe beantragen. Die Begründung: Zur Teilnahme am öffentlichen Leben (Theaterbesuch, Teilnahme an Kursen der Volkshochschule, Besuche bei Freunden und vieles andere mehr) wird zusätzlich Assistenz benötigt.
Allgemein sei aber festgestellt: Es mag für den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die verschiedenen Leistungsarten (Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe) von Belang sein, welcher Anteil z. B. für eine wie auch immer "angemessene" Teilhabe am Leben aus dem entsprechenden "Topf" ausgereicht wird, für die antragstellende Person bzw. die Gesamtsumme kann dies aber kaum von Belang sein.
Obwohl es sich beim SGB XII um ein Bundesgesetz handelt, wird es von Land zu Land, selbst von Kommune zu Kommune unterschiedlich ausgelegt. Die Vermögenssituation der Kommunen, aber auch der „gute Wille“ der Sachbearbeiter*innen bei Ermessensspielräumen spielt bei der Bewilligung der Kostenübernahme eine große Rolle. So bewilligt das eine Sozialamt relativ problemlos eine Kostenübernahme von 9.000 Euro. Andere Sozialämter verweigern die Kostenübernahme, sobald die Kosten für das Assistenzmodell die Kosten einer Anstaltsunterbringung übersteigen. Etliche Gerichtsurteile belegen jedoch, dass ein Kostenvergleich zwischen stationären und ambulanten Kosten nur stattfinden darf, wenn eine ambulante Versorgung nicht möglich, eine stationäre Versorgung zumutbar und eine geeignete Anstalt (incl. freiem „Platz“) vorhanden ist (siehe auch § 13 SGB XII, vormals § 3 bzw. 3a BSHG).
§ 130 SGB XII Übergangsregelung für ambulant Betreute
Für Personen, die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder der Hilfe zur Pflege empfangen, deren Betreuung am 26. Juni 1996 durch von ihnen beschäftigte Personen oder ambulante Dienste sichergestellt wurde, gilt § 3a des Bundessozialhilfegesetzes in der am 26. Juni 1996 geltenden Fassung. Dieser Paragraf ist als Besitzstandsschutz sehr wichtig für die Menschen, die schon vor dem 27. Juni 1996 ambulante Assistenz durch das Assistenzmodell oder einen ambulanten Dienst erhielten. Diese dürfen nicht auf eine stationäre Versorgung verwiesen werden. Bei ihnen darf nur ein Kostenvergleich zwischen verschiedenen ambulanten Angeboten vorgenommen werden. Da das Assistenzmodell in der Regel kostengünstiger als Angebote professioneller Anbieter ist, haben Antragstellende hier also eine gute Position.
So einfach ist es nicht
So einfach, wie es manche Behörde gerne hätte, ist eine Anstaltseinweisung durchaus nicht. Es entspricht der Tatsache, dass grundsätzlich der größte Teil der Anträge zunächst negativ beschieden wird. Alle, die aufgeben und keinen Widerspruch einlegen, sparen den Behörden Kosten. Widersprüche werden oft negativ beschieden, obwohl die Bescheide vor Gericht keinen Bestand haben können. Viele Antragstellenden scheuen den Gang vor das Gericht und geben entmutigt bei einem negativen Widerspruchsbescheid auf. Auch das erspart den Behörden Kosten. Diejenigen, für die das Assistenzmodell die einzig akzeptable Alternative der Assistenznahme darstellt, sollten nicht zögern, den Rechtsweg zu beschreiten. Zwar endet nicht jede Gerichtsverhandlung mit einem positiven Urteil, aber Vergleiche bieten oft akzeptable Kompromisslösungen. Seit die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht sind, ist durch den dortigen selbstvollziehenden Artikel 19 eine Anstaltseinweisung gegen den Willen der betroffenen Person nicht mehr durchsetzbar.
Ein guter Rechtsanwalt ist sehr wertvoll. Nicht jeder Anwalt kennt sich jedoch im Verwaltungs- bzw. Sozialrecht umfassend aus. Das Assistenzmodell kennen viele gar nicht. Das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA e.V.) führt eine Liste im Verwaltungs- und Sozialrechtrecht versierter Rechtsanwälte. Weitere Anschriften entsprechender Rechtsanwälte nimmt ForseA gerne in das Verzeichnis auf. Behinderte Menschen, die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII oder anderen Rechtsgrundlagen beantragen, benötigen diese Leistungen, sobald sie die ersten Lohnabrechnungen erstellen müssen. Die zeitliche Differenz zwischen Antragstellung und -bewilligung ist manchmal sehr problematisch.
Zunächst gilt es „Bedarf zu schaffen“, das heißt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Leistungen müssen vorhanden sein. Ein Vorsprechen beim Sozialamt nach dem Motto: „Liebes Sozialamt, was bist Du bereit zu zahlen?“ schon Monate, bevor Assistentinnen eingestellt werden, ist wenig sinnvoll.
Behörden benötigen klare Fakten, nach denen sie Bescheide erlassen können. Andererseits können behinderte Arbeitgeberinnen kaum mehrere Monate für die Löhne ihrer Assistentinnen in Vorleistung gehen. Helfen könnte eine Feststellungsklage, mit der festgestellt werden kann, dass die zukünftigen Kosten auch übernommen werden. Im übrigen leiden die Mitarbeiter*innen der Sozialämter (und anderer Kostenträger) tatsächlich oft unter Arbeitsüberlastung. Darüber hinaus lässt die Erfahrungen vieler antragstellender Personen befürchten, dass die Bearbeitung der Anträge bewusst nicht gerade forciert wird. Seit Einführung des SGB IX am 1. Juli 2001 besteht jedoch die Pflicht, Bescheide innerhalb von zwei Wochen zu erstellen, bzw. an den zuständigen Rehaträger weiterzuleiten, falls sich der Erstangegangene als nicht zuständig erweist. Wenn Gutachten notwendig werden, müssen diese innerhalb von drei Wochen erstellt werden (siehe auch § 14 SGB IX). Die entsprechenden Bescheide müssen innerhalb von zwei Wochen ergehen. Der bzw. die zuständigen Kostenträger sollen den Antragstellenden drei Gutachter benennen (§ 14 [5] SGB IX), von dem dieser sich einen auswählen kann. Drängt die Zeit und es ist absehbar, dass der/die notwendigen Bescheide nicht rechtzeitig ergehen werden, ist es sinnvoll, eine*n versierte*n Rechtsvertreter*in einzuschalten. Diese*r kann dann bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen.
In Punkt 1.5 finden Sie Auszüge aus den wichtigsten, hier näher beschriebenen Gesetzestexten.

1.2.3 SGB IX

Arbeitsassistenz

Einerseits ist das Schubladendenken, mit dem assistenznehmende Menschen konfrontiert werden, oft entwürdigend und belastend. Die Aufteilung in verschiedene Bereiche wie Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Arbeitsassistenz ist lebensfern und bringt nicht selten große Probleme bei der Leistungsbewilligung mit sich. Häufig gibt es Streitpunkte, welcher Kostenträger den jeweiligen Leistungsumfang zu tragen hat. Diese Probleme gäbe es nicht, wenn nicht zwischen den einzelnen Arten der Hilfen unterschieden würde, sondern lediglich der Hilfebedarf in Stunden ermittelt und von einem einzigen Kostenträger zu erstatten wäre. Doch von einem Leistungsgesetz sind wir auch heute (10/2019) noch weit entfernt.
Dennoch kann dieses Splitten auch von Vorteil sein, denn wenn die „Last“ für den einzelnen Kostenträger nicht so hoch ist, wird er einer Kostenübernahme eher zustimmen. Seit dem 1. Oktober 2000 besteht das Recht auf Arbeitsassistenz nach dem SGB III. Dieses Recht wurde nochmals durch das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene SGB IX (§ 102 Abs. 4) verfestigt. Dadurch haben es behinderte Menschen, sofern sie berufstätig sind, mit noch einem weiteren Kostenträger zu tun. Beantragt wird die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz beim Integrationsamt, der früheren Hauptfürsorgestelle. Wichtig: Die Leistungen zur Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX gelten für einen unbefristeten Zeitraum. Dagegen wird Assistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach § 33 Abs. 8 Satz 3 SGB IX nur bis zu einem Zeitraum von drei Jahren gewährt. Die Leistungen für Arbeitsassistenz werden grundsätzlich einkommens- und vermögensunabhängig gewährt.
Finanziert wird die Arbeitsassistenz aus den Töpfen der Ausgleichsabgabe („Strafen“, die Arbeitgeber zahlen müssen, wenn sie die gesetzliche Beschäftigungsquote nicht erfüllen). Die Höhe der Ausgleichsabgabe hängt von der Anzahl der nicht besetzten „Pflicht“-arbeitsplätzen ab. Die Integrationsämter empfehlen jedoch, die Kostenübernahmen in der Regel auf 1.000 Euro monatlich – in Ausnahmefällen auf 1.250 Euro – zu begrenzen. Das reicht insbesondere für schwerstbehinderte Arbeitnehmerinnen häufig nicht aus.
Die Arbeitsassistentinnen können entweder bei der*dem behinderten Arbeitnehmer*in oder beim Arbeitgeber des behinderten Menschen beschäftigt sein. Ersteres ist insbesondere auch dann sinnvoll, wenn Arbeitsassistent*innen sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatbereich assistieren. Honorartätigkeiten sind rechtlich problematisch. Die Rechtmäßigkeit der Honorartätigkeit sollte stets von der Krankenkasse der Honorarkraft bestätigt werden.
Arbeitsassistenz umfasst ausschließlich Hilfeleistungen zur Ausübung der Erwerbstätigkeit, nicht etwa Hilfen für den Toilettengang, beim An- und Auskleiden und ähnliches.
Gemeinsame Servicestellen
Mit Einführung des SGB IX zum 1. Juli 2001 hat der Gesetzgeber die Rehaträger verpflichtet, flächendeckend so genannte Gemeinsame Servicestellen einzurichten. Die überwiegende Anzahl der Servicestellen ist bei der Deutschen Rentenversicherung und den Krankenkassen angesiedelt.
Die Servicestellen sollen behinderte Menschen bei Anträgen auf Leistungen unterstützen, also eine „Lotsenfunktion“ übernehmen. Diese besteht darin, im Bedarfsfall die jeweils zuständigen Rehaträger zu ermitteln und gegebenenfalls das Antragsverfahren bis zum Abschluss zu begleiten. Noch werden die Servicestellen ihren Aufgaben in vielen Orten nicht wie gefordert gerecht. Baden-Württemberg stellt hier in vielen Gegenden eine positive Ausnahme dar.
Die Servicestellen wurden bis spätestens Dezember 2018 aufgelöst. Die Aufgaben werden nun von den jeweiligen Kostenträgern übernommen.

1.2.4 SGB V - Krankenversicherung

Es ist erst wenige Jahrzehnte her, dass beatmete behinderte Menschen ihr Leben auf Intensivstationen von Krankenhäusern fristen mussten. Verbesserte, mobile Beatmungsgeräte ermöglichen nicht nur das Leben zu Hause, sondern auch das „ganz normale“ Reisen. Hilfen, die wegen der Beatmung benötigt werden, zählen in den Bereich der so genannten häuslichen Behandlungspflege. Diese wird von den Krankenkassen bezahlt. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung. Leistungen der Krankenkasse werden einkommens- und vermögensunabhängig gewährt. Beatmete Menschen, deren Beatmungsgerät rund um die Uhr überwacht werden muss, bzw. die stets auf plötzlich notwendiges Absaugen von Sekret angewiesen sind, können die Kostenübernahme dafür komplett bei ihrer Krankenkasse beantragen. Laut Rechtsprechung müssen dann jedoch die von der Pflegeversicherung erstatteten Leistungen abgezogen werden. Ein eventueller hauswirtschaftlicher Hilfebedarf muss aus eigenen Mitteln oder über den örtlichen Träger der Sozialhilfe finanziert werden. Auch hierzu liegt dem ForseA ein entsprechendes Gerichtsurteil (Az: ???) vor.
Viele Krankenkassen sind zunächst überfordert, wenn man sie mit einem Antrag auf Kostenübernahme für häusliche Behandlungspflege im Rahmen des Assistenzmodells konfrontiert. Dies gilt besonders, wenn beatmete Antragstellende keine Fachpflegekräfte beschäftigen wollen. Unter Verweis auf die Qualitätssicherung wird die Kostenübernahme häufig zunächst verweigert (wobei dieselben Krankenkassen nicht nach der Qualität fragen, wenn unerfahrene Angehörige die Hilfen ehrenamtlich erbringen). Das ist nicht korrekt, denn nach § 37 SGB V muss es sich lediglich um eine „geeignete Pflegekraft“, nicht aber um eine Fachpflegekraft handeln, die die Leistungen erbringt. Was für Behandlungspflege für beatmete Menschen gilt, trifft natürlich auch für andere Formen der Behandlungspflege zu.

1.2.5 „Pauschales“ Pflegegeld

Neben der Kostenübernahme für besondere Pflegekräfte (Assistentinnen) nach § 64b SGB XII, haben behinderte Arbeitgeber*innen einen Rechtsanspruch auf das so genannte pauschale Pflegegeld nach § 64a SGB XII (siehe Punkt 1.5.5.3). Es kann jedoch um bis zu 2/3 gekürzt werden, § 63b Abs. 5 SGB XII.
Hierzu hat die Behörde ein zweifaches Ermessen auszuüben und zu begründen: 1. ob und warum sie anrechnet und 2. wieviel sie anrechnet. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass grundsätzlich 1/3. angerechnet wird, hätte er dies auch so in das Gesetz geschrieben. Er schrieb jedoch im § 63b Abs. 5 SGB XII: „Das Pflegegeld kann um bis zu zwei Drittel gekürzt werden, soweit die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist."
Erhält die Empfängerin des pauschalen Pflegegeldes Assistenzkostenerstattung für weniger als 24 Stunden täglich, muss das Pflegegeld nicht zwangsläufig gekürzt werden. Denn selbst bei einer Rund-um-die-Uhr-Assistenz ist das 1/3-Pflegegeld obligatorisch.

1.3 SGB XI - Die Pflegeversicherung

Die im Vorfeld viel gepriesene Pflegeversicherung betrifft behinderte Arbeitgeber*innen meistens nur in negativer Weise. Viele haben damit schon ihre Erfahrungen machen müssen. Dennoch werden hier die wichtigsten Bestimmungen und ihre Auswirkungen

behandelt, damit sich auch die Unerfahrenen informieren können.

1.3.1 Begutachtung

Assistenznehmer*innen, die schon vor dem 01.04.1995 Pflegegeld nach dem SGB V erhielten, wurden ohne Begutachtung durch die Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDKs) automatisch in Pflegestufe II eingestuft. (Achtung: Immer häufiger gehen Pflegekassen dazu über, den Pflegebedarf dieser Menschen durch den MDK überprüfen zu lassen. Das hatte einige Rückstufungen zur Folge. Diese Begutachtungen sind jedoch rechtswidrig (siehe dazu das sehr gut begründete Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.1998 mit dem Aktenzeichen S4P50/97). Uns liegt ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichtes (Az: B3P20/00R vom 13.03.2001) vor, welches inhaltlich das Gelsenkirchener Urteil bestätigt. Diese und andere Urteile sind auf der ForseA-Homepage gelistet oder gar als Volltext vorhanden. Siehe unter http://www.forsea.de/tipps/urteile.shtml.
Lag ein höherer Pflegebedarf vor, konnte Pflegestufe III beantragt werden. Die Antragsteller*innen mussten dann jedoch eine Begutachtung über sich ergehen lassen. Das gleiche galt für neue Antragsteller*innen, die meinten, zumindest Kriterien für Pflegestufe I zu erfüllen.
Alle, die nach dem 01.04.1995 erstmals assistenzbedürftig wurden, mussten sich grundsätzlich begutachten lassen. Die Begutachtungskriterien werden sehr restriktive angewendet. Viele fühlten und fühlen sich daher (sehr oft zu Recht) zu niedrig eingestuft. Gegen falsche Einstufungen können die Betroffenen Widerspruch einlegen. Dazu ist es sehr sinnvoll, Einsicht in das Gutachten zu nehmen, bzw. eine Kopie des Gutachtens zu verlangen.
Bei der Begutachtung wird nicht der komplette Assistenzbedarf berücksichtigt. Nur einzelne Verrichtungen im Bereich der Körperpflege und der hauswirtschaftlichen Hilfe werden von der Pflegeversicherung anerkannt. Begleitung bei Freizeitaktivitäten fällt beispielsweise nicht darunter.
Seit Mai 2006 muss bei der Begutachtung neben der grund- auch der behandlungspflegerische Bedarf vom MDK ermittelt werden. In bestimmten Situationen können Leistungsberechtigte wählen, ob sie die Behandlungspflege im Rahmen der Pflegeversicherung anerkannt bekommen wollen oder im Rahmen der Krankenversicherung (SGB V) erstattet bekommen wollen.
Beim genauen Lesen des Gutachtens kann man erkennen, welche Assistenzleistungen nicht oder zu gering berücksichtigt wurden. Manche Krankenkassen verweigern die Herausgabe des Gutachtens bzw. dessen Kopie. Die Betroffenen haben jedoch einen Rechtsanspruch darauf. Im Widerspruchsschreiben sollten die nicht, oder nicht ausreichend berücksichtigten, aber benötigten Assistenzleistungen genau aufgelistet werden. Ein Zweitgutachten durch eine*n andere*n Mitarbeiter*in wird im Rahmen des Widerspruchverfahrens erstellt. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, sprich, erfolgt keine Höherstufung, kann ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht angestrengt werden.

1.3.2 Pflegegrade

Die bisherigen drei Pflegestufen (I, II und III) wurden durch fünf Pflegegrade (1 bis 5) ersetzt. Damit wurden auch die Tabellenzeiten einzelner Verrichtungen abgeschafft. Sie wurden durch Beurteilungspunkte ersetzt.

1.3.3 Ambulante Leistungen der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung unterscheidet zwischen der Sachleistung (§ 36 SGB XI) und der Geldleistung (§ 37 SGB XI) sowie einer Kombination (§ 38 SGB XI) aus beiden.

1.3.3.1 Sachleistung

Die Höhe der Sachleistung beträgt (Stand: 01.10.2019):
  • in Pflegegrad 1 keine Sachleistung
  • in Pflegegrad 2 689,00 Euro
  • in Pflegegrad 3 1.298,00 Euro
  • in Pflegegrad 4 1.612,00 Euro
  • in Pflegegrad 5 1.995,00 Euro

1.3.3.2 Geldleistung

Die Höhe der Geldleistung beträgt (Stand 01.10.2019):
  • in Pflegegrad 1 keine Geldleistung
  • in Pflegegrad 2 316,00 Euro
  • in Pflegegrad 3 545,00 Euro
  • in Pflegegrad 4 728,00 Euro
  • in Pflegegrad 5 901,00 Euro

1.3.3.3 Kombinationsleistung

Bei der Kombinationsleistung werden sowohl die Geld- als auch die Sachleistung in Anspruch genommen. Bei Pflegegrad 4 bedeutet das beispielsweise: Von einem ambulanten Dienst werden Sachleistungen von 806 Euro (gleich 50%) abberufen. Somit besteht ein zusätzlicher Anspruch auf 364 Euro (gleich 50% der Geldleistung). Diese Kombinationsleistungen kommen für behinderte Arbeitgeber*innen selten in Frage, sind aber nicht gänzlich auszuschließen. In der Regel wünschen die Arbeitgeber*in, die Assistenz komplett über das Assistenzmodell zu sichern.
Ansonsten erhalten Arbeitgeber*innen nur die wesentlich niedrigeren Geldleistungen (siehe oben) der Pflegeversicherung. Das Pflegegeld dient der Sicherstellung der Pflege durch ehrenamtliche Helfer*innen. Über diese verfügen behinderte Arbeitgeber*innen in der Regel nicht. Sie müssen, im Gegenteil, für die Assistent*innen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abführen wie ambulante Dienste auch. Dennoch können sie nicht die Sachleistungen mit den Pflegekassen abrechnen. Dazu sind nur anerkannte Vertragspartner der Pflegekassen berechtigt. Diese Anerkennung wird behinderten Arbeitgeber*innen nicht zugestanden, da sie angeblich nicht die Kriterien dafür erfüllen.

1.3.3.4 Versicherungen

Für pflegende Angehörige und sonstige ehrenamtlich pflegende Personen entrichten die Pflegekassen auf Antrag (wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden) Beiträge zur Rentenversicherung (§ 44 Abs. 1 SGB XI). Außerdem sind diese Pflegepersonen automatisch

gesetzlich unfallversichert. Assistent*innen behinderter Arbeitgeber*innen sind keine ehrenamtlichen Kräfte. Für sie werden diese Leistungen nicht gezahlt oder erstattet.

1.3.3.5 Pflegekurse

Die Pflegekassen bieten für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen kostenlose Schulungskurse an. An diesen können Assistent*innen in Beschäftigungsverhältnissen, aus den gleichen Gründen wie bereits erwähnt, nicht teilnehmen.
Genau genommen werden die Paragrafen der Pflegeversicherung stets zu Ungunsten behinderter Arbeitgeber*innen ausgelegt. Einmal werden sie behandelt wie Menschen, die ihre Assistenzleistungen durch Angehörige oder andere ehrenamtliche Helfer*innen

erhalten. Wenn es um andere Leistungsberechtigungen geht wie Rentenversicherungsleistungen und Pflegekurse werden sie behandelt wie Menschen, die ihre Hilfeleistungen von professionellen Helfer*innen (ambulanten Diensten usw.) bekommen.

1.3.4 Pflichtpflegeeinsätze

Behinderte Arbeitgeber*innen werden in mehrfacher Hinsicht benachteiligt. Da sie nur die Geldleistungen erhalten, müssen sie regelmäßig so genannte Pflichtpflegeeinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI abrufen. In Pflegegrad 2 und 3 sind sie dazu einmal halbjährlich, in Pflegegrad 4 und 5 einmal vierteljährlich verpflichtet. Seit Inkrafttreten des 4. SGB XI-Änderungsgesetzes am 01.08.1999 müssen die Pflegekassen wenigstens die Kosten für die Pflichtpflegeeinsätze erstatten.
Die Zwangspflegeeinsätze müssen von anerkannten Vertragspartnern der Pflegekassen (ambulanten Diensten) abgerufen werden. Bei Verweigerung wird das Pflegegeld gekürzt und im Wiederholungsfall entzogen (§ 37 Abs. 3 SGB XI).
In der Praxis ergeben sich dadurch oft kuriose Situationen. Angeblich dienen diese Einsätze der Qualitätssicherung und der Beratung pflegender Angehöriger. Über pflegende Angehörige verfügen behinderte Arbeitgeberinnen in der Regel nicht (siehe oben). Außerdem sind behinderte Menschen selbst die größten Experten in eigener Sache. Sie wissen am besten, welche Hilfeleistungen sie benötigen. Häufig kennen sich die Mitarbeiterinnen der ambulanten Dienste mit den Behinderungsarten und Bedürfnissen der Arbeitgeber*innen nicht aus. Dennoch sollen sie die sachgerechte Ausführung der Pflege prüfen.
Zudem verstößt der Paragraf gegen die in Artikel 13 grundgesetzlich geschützten Rechte aller Bürgerinnen, in dem die Unversehrtheit der Wohnung garantiert wird. Im Frühjahr 1997 gab es Bestrebungen gegen dieses Gesetz, wie einen Gesetzesentwurf der Partei Bündnis 90/Die Grünen und eine Petition an den Deutschen Bundestag und damit verbundene Unterschriftenaktion des ForseA. Die Petition und Unterschriftenaktion wurde bundesweit von 85 Vereinen und Verbänden, sowie von 7608 Einzelpersonen unterstützt. Unmittelbar vor der Bundestagswahl 1998 wurde ForseA von der Ablehnung der Petition unterrichtet.

1.3.5 Anrechnung Pflegeversicherung gegenüber dem SGB XII

Die Geld- und die Sachleistungen aus der Pflegeversicherung werden vollständig auf die Leistungen zur Pflege nach dem SGB XII angerechnet, da es sich bei den Leistungen der Pflegeversicherung um vorrangige, gleichartige Leistungen handelt.

1.3.6 Was ist ein Persönliches Budget (PB)?

Mit Einführung des “Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen” (SGB IX) zum 1. Juli 2001 konnten die Träger der Rehabilitation Persönliche Budgets in Modellvorhaben erproben. Rechtsgrundlage war und ist § 17 SGB IX (siehe

Punkt 1.5.2.1). Zuvor gab es bereits Modelle in Rheinland-Pfalz, die sich jedoch auf einen zunächst kleinen Leistungsbereich bezogen (§ 40 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes BSHG).

Seit dem 1. Juli 2004 können Persönliche Budgets bundesweit bei den Trägern der Rehabilitation sowie den Pflegekassen und den Integrationsämtern (die beiden letzteren zählen nicht zu den Trägern der Rehabilitation) beantragt werden und seit dem 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch. Außerdem können Leistungen (die nicht zu den Teilhabeleistungen zählen) bei den Krankenkassen als Persönliches Budget beantragt werden.
Persönliche Assistenz und Persönliches Budget werden manchmal miteinander verwechselt. Während das Persönliche Budget eine Form der Finanzierung darstellt, ist die Persönliche Assistenz die Art der Organisation von Hilfeleistungen. Der leichteren Lesbarkeit halber werden die Träger der Rehabilitation, die Pflegekassen und die Integrationsämter sowie die Krankenkassen im weiteren Text unter dem Begriff Leistungsträger zusammengefasst.

1.3.7 Die Leistungsträger

  • Gesetzliche Krankenversicherung
  • Bundesagentur für Arbeit
  • Gesetzliche Unfallversicherung
  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Kriegsopferversorgung
  • Kriegsopferfürsorge
  • Öffentliche Jugendhilfe
  • Sozialhilfeträger
  • Soziale Pflegeversicherung
  • Integrationsämter

1.3.8 Die Antragstellung

Anträge auf Persönliche Budgets können bei jedem beliebigen der zuvor aufgelisteten Leistungsträger beantragt werden. Dies gilt sowohl bei einem „einfachen“ Persönlichen Budget (für das letztlich nur ein einziger Leistungsträger zuständig sein wird), als auch bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets, bei denen zwei oder mehrere Leistungsträger beteiligt sind (siehe § 14 SGB IX). So können beispielsweise Leistungen verschiedener Leistungsträger wie Persönliche Assistenz und – als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben — Fahrtkostenerstattung für Arbeitswege gleichzeitig bei nur einem Leistungsträger beantragt werden.
Mit dieser Möglichkeit verhindert der Gesetzgeber, dass sich die leistungsberechtigten behinderten Menschen selbst an jeden einzelnen Leistungsträger wenden müssen. Der zuerst angesprochene Leistungsträger wird damit automatisch zum so genann-

ten Beauftragten, der für die weitere Durchführung des Verfahrens zuständig bleibt, sofern er zumindest mit einer Teilleistung am Persönlichen Budget beteiligt ist. Sollte sich der zuerst angesprochene Leistungsträger als nicht zuständig erweisen, ist er verpflichtet, innerhalb bestimmter Fristen (siehe § 14 SGB IX) die jeweiligen Anträge an den oder die seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten.

In der Regel wird bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets derjenige Leistungsträger der Beauftragte, der das voraussichtlich größte Teilbudget zu leisten hat.
Anträge auf Persönliche Budgets (und andere Leistungen zur Teilhabe und Rehabilitation) können auch bei den Gemeinsamen Servicestellen (nach SGB IX) gestellt werden, selbst wenn diese letztlich kein (Teil-)Budget zu leisten haben. Die Servicestellen sind dann verpflichtet, den Antrag weiterzuleiten (siehe oben). Wie bei den anderen Leistungen können sie auf Wunsch der Antragstellenden das gesamte Verfahren "moderieren“.

1.3.9 Die Bedarfsfeststellung

So wie stets bei der Beantragung von Leistungen wird der jeweilige Bedarf ermittelt. Wer bereits Leistungen bezogen hat und nun lediglich auf ein Persönliches Budget „umsteigen“ will, wird es vermutlich relativ leicht haben, da der Bedarf schon ermittelt wurde. Bei ihr oder ihm wird es hauptsächlich um die angemessene „Verpreislichung“ gehen. Wer von den bisherigen Leistungen wegen eines erhöhten Bedarfes auf das Persönliche Budget wechseln möchte, wird den erhöhten Bedarf nachweisen müssen.
Bei Neuanträgen wird der Bedarf wie bei Leistungen, die nicht als Persönliches Budget beantragt werden, ermittelt. Um unnötige zeitliche Verzögerungen und Belastungen durch Mehrfachbegutachtungen der Antragstellenden zu vermeiden, sollen die jeweiligen Leistungsträger bei der Bedarfsfeststellung zusammenarbeiten.
In so genannten Hilfeplan- oder Budgetkonferenzen, an denen die Antrag stellende behinderte Person, eine Vertrauensperson (eventuell Budgetberatung oder -unterstützung), alle beteiligten Leistungsträger und gegebenenfalls die Gemeinsame Servicestelle teilnehmen, soll „auf kurzem Wege“ die Zusammenführung der Teilbudgets erfolgen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn es Schnittstellen gibt. Das kann unter anderem bei der Hilfe zur Pflege oder zur Teilhabe am Erwerbsleben der Fall sein. Besonders bei trägerübergreifenden Budgets können so unzumutbare Zeitverzögerungen vermieden werden. Auch bei „einfachen“ Persönlichen Budgets sind diese Konferenzen sinnvoll, da in deren Rahmen alle Beteiligten kurzfristig ihre Meinungen und Sichtweisen austauschen können.

Traditionelle Bedarfsermittlung

Um den jeweiligen Bedarf glaubhaft darstellen und umsetzen zu können, ist es wichtig, möglichst genau zu wissen, welche Leistungen im jeweiligen Umfang zur Deckung des notwendigen Bedarfes benötigt werden (Beispiel: täglich drei Stunden Arbeitsassistenz, vier Stunden Hilfe zur Pflege, zwei Stunden Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes, drei Stunden Eingliederungshilfe).
Mit dieser Art der Bedarfsermittlung läuft man zwangsläufig in mehrere "Fallen". Erstens muss man Verrichtungen angeben und zweitens auch noch die Zeiten dazu. Dies birgt die Gefahr, dass Zeiten zwischen den Verrichtungen unter den Tisch fallen. Besser ist, wenn man den Tag in drei Gruppen aufteilt:
  • Zeiten, in denen die Assistenz verlässlich anwesend sein muss. In diese Zeiten werden alle planbaren und spontanen Tätigkeiten erledigt.
  • Zeiten, in denen die Assistenz vor Ort ist, in die jedoch die Bereitschaft im Vordergrund steht. Je nach Einsatzwahrscheinlichkeit ist es möglich, die Bewertung dieser Zeiten zu verringern. Allerdings ist darauf zu achten, dass der Mindestlohn für die Summe beider Zeiten nicht unterschritten werden darf!
  • Zeiten ohne Assistenzbedarf, in denen man wirklich keine Assistenz benötigt, oder Familie oder nahestehende Personen die Assistenz übernimmt.
Bei der „Verpreislichung“ des ermittelten Bedarfes ist unbedingt darauf zu achten, dass mit der oder den jeweiligen Budgetsummen tatsächlich die notwendigen Leistungen eingekauft werden können. Deshalb ist es wichtig, sich schon im Vorfeld möglichst genau darüber zu informieren, was die einzelnen beantragten Leistungen voraussichtlich kosten werden (Beispiel: Durchschnittberechnungen von Lohnkosten im Arbeitgebermodell, Kostenvoranschläge von Leistungsanbietern, bei Fahrkostenerstattungen die voraussichtlich zu fahrenden Kilometer und Fahrdienstkosten oder für Taxifahrten etc.).

1.3.10 Die Zielvereinbarung

Sobald der jeweilige Bedarf – sowohl in der Art als auch im Umfang, einschließlich der jeweiligen Geldbeträge – von dem oder den jeweiligen Leistungsträgern ermittelt wurde, schließen die leistungsberechtigte Person und der beauftragte Leistungsträger eine so genannte Zielvereinbarung. Diese Zielvereinbarungen müssen individuell auf die jeweiligen Personen, Leistungen usw. angepasst werden.
Sie enthalten auf jeden Fall, neben den Angaben zur leistungsberechtigten Person und den beteiligten Leistungsträgern, die Ziele, die mit dem Budget erreicht werden sollen. Das können z. B. Sicherung der Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung sein. Die Höhe des bzw. der (Teil-)budgets mit (eventueller Dynamisierung) und die Dauer der Bewilligung sind ebenfalls Bestandteil. Ferner wird vereinbart wie die Verwendung des Budgets nachgewiesen werden soll. Außerdem werden Angaben zum Qualitätsnachweis der erkauften Leistungen gemacht.
Dabei sollte (insbesondere auch bei trägerübergreifenden Persönlichen Budgets) vor allem der Umfang der gekauften Leistungen nachgewiesen werden. Es entspricht nicht dem „Geist“ Persönlicher Budgets genau nachzuweisen, wie hoch die eingesetzten

Geldbeträge für jedes einzelne Teilbudget tatsächlich waren. Vielmehr soll das Budget erlauben, auch Leistungen eines Teilbudgets zur Finanzierung anderer Leistungen einzusetzen (Beispiel: das Geld für eine Stunde Pflegeleistung kann stattdessen für eine Stunde Begleitung zum Einkaufen verwendet werden).

Der Qualitätsnachweis soll zielorientiert erfolgen. Das bedeutet beispielsweise, wenn mit dem Budget Fahrtkosten zur Arbeitsstelle finanziert werden sollen, kommt es nicht darauf an, ob ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Fahrdienst, ein Taxi, oder das eigene Auto dazu genutzt werden, oder ob der Nachbar als Fahrer einspringt. Wichtig ist es vielmehr, dass der Arbeitsplatz pünktlich und zuverlässig erreicht wird.
Weiterhin enthält eine Zielvereinbarung den Hinweis, unter welchen Bedingungen sowohl die leistungsberechtigte Person als auch der Beauftragte die Zielvereinbarung kündigen können. Festgelegt ferner auch, wie verfahren wird, wenn sich die Höhe des Budgets nach einem gewissen Zeitraum als zu hoch oder zu niedrig bemessen erweist. Dieser Zeitraum sollte sinnvoller Weise ein Jahr oder länger sein (außer bei Leistungen, die ohnehin nur über einen kürzeren begrenzten Zeitraum notwendig sind und gewährt werden). Innerhalb dieses Zeitraumes muss es möglich sein, Geldbeträge, die in einem Monat nicht in vollem Umfang eingesetzt werden mussten, auf den oder die Folgemonate zu übertragen.
Zur Überprüfung, ob in der Zielvereinbarung alle wichtigen Details berücksichtigt sind, ist es hilfreich, eine Prüfliste (siehe http://tinyurl.com/y7fmgjae) zu benutzen.

1.3.11 Die Bescheide

Bei einem „einfachen“ Persönlichen Budget erstellt der Leistungsträger einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Bei einem Antrag auf ein trägerübergreifendes PB erstellen die jeweiligen Leistungsträger (Teil-)Bescheide, die vom Beauftragten zu einem Gesamtbescheid zusammengefasst werden, wenn die Antrag stellende Person mit dem Umfang der Leistungen einverstanden ist. Ist die Antrag stellende Person mit dem Bescheid eines oder mehrerer Teilleistungsträger(s) nicht einverstanden, kann sie ihren Widerspruch beim Beauftragten einlegen.
Zum jetzigen Zeitpunkt (10/2019) gibt es diesbezüglich noch wenig Praxiserfahrung. Es empfiehlt sich jedoch, den zu beanstandenden Teilbereich aus dem Gesamtverfahren herauszunehmen und zunächst für die unstrittigen Teilleistungen die notwendige Zielvereinbarung abzuschließen. Ansonsten kann es unter Umständen zu Verfahrensverzögerungen kommen, da auch die unstrittigen Leistungen erst nach Abschluss des Rechtsweges in Anspruch genommen werden können, weil keine Zielvereinbarung abgeschlossen wurde.

1.3.12 Budgetberatung

Die Budgetberatung erklärt, was ein Persönliches Budget ist, wie der Antrag gestellt werden sollte, und berät über den Abschluss der Zielvereinbarung. Budgetberatung können theoretisch alle Leistungsträger einschließlich der Gemeinsamen Servicestellen, Behindertenselbsthilfeorganisationen, Dienstleitungserbringer und so genannte Casemanager durchführen. Allerdings kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass von allen Aufgelisteten die Beratung neutral oder ausschließlich im Sinne der Ratsuchenden erfolgt, wenn die beratende Stelle Eigeninteressen zu wahren hat.

1.3.13 Budgetunterstützung

Budgetunterstützung befähigt behinderte Menschen, mit dem Persönlichen Budget die notwendigen Leistungen bestimmungsgemäß einzukaufen und das Budget zu verwalten. Die meisten Menschen mit Lernschwierigkeiten werden zeitlebens in mehr oder minder großen Umfang auf Budgetunterstützung angewiesen sein (zum Beispiel bei Vertragsabschlüssen mit Leistungserbringern und der Verwaltung des Budgets). Das gleiche kann bei psychisch kranken und sinnesbehinderten Menschen gelten. Auch körperbehinderte Menschen können in unterschiedlichem Umfang Budgetunterstützung benötigen (zum Beispiel, wenn sie als Arbeitgeber für ihre Assistenten die Lohnabrechnungen nicht selbst erstellen können oder wollen).
Budgetunterstützung kann nicht durch die Leistungsträger erfolgen. Sie sollte nicht von denjenigen Dienstleistungserbringern erbracht werden, die auch andere Dienstleistungen (z. B. Pflegedienste) für die unterstützte Person erbringen. Die Gefahr, dass hier Eigeninteressen der beratenden Organisation im Vordergrund stehen, ist zu groß. Als Unterstützer sind hier besonders Behinderten(selbsthilfe)organisationen geeignet, oder Casemanager, die nicht Eigeninteressen verfolgen. Die jeweils notwendige Qualifikation der Beratenden hängt stark von den Bedürfnissen der jeweiligen unterstützten Person ab.
Nicht nachvollziehbar ist daher die Position der Leistungsträger. Diese erkennen zwar die Notwendigkeit von Budgetberatung und -unterstützung an, berücksichtigen sie jedoch nicht bei der Bedarfsfeststellung. Das verstößt nach Meinung von ForseA gegen das geltende Recht (siehe § 17, Abs. 3, SGB IX), nach dem die Persönlichen Budgets so auszugestalten sind, dass die individuellen Bedarfe gedeckt werden und die Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Die Leistungsträger „gestatten” derzeit lediglich, dass die Kosten für die Beratung und Unterstützung aus dem Persönlichen Budget heraus bestritten werden.
Wenn jedoch der Beratungs- und Unterstützungsbedarf bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt (und „verpreislicht”) wird, bedeutet dies, dass für die originären Leistungen (zum Beispiel Pflege oder Fahrtkosten) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht genügen Geld übrig bleibt. Die Folge ist eine nicht akzeptable Unterversorgung (wer viel Unterstützungsbedarf hat, muss früher zu Bett!).
Budgetberater und -unterstützer können als Vertrauenspersonen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens und/oder der Budgetnutzung eingeschaltet werden. Allerdings kann es schwierig werden, wenn die Beratung während des Antragsverfahrens nicht kostenlos

erfolgt, aber (logischerweise) noch kein Budget gewährt ist. Dann muss sich die antragstellende Person rechtzeitig mit der Budgetberatung über die Zahlungsmodalitäten einigen.

Die Vertrauenspersonen sind berechtigt, die antragstellende Person bzw. die budgetnehmende Person zu allen Gesprächen, Budgetkonferenzen usw. zu begleiten.
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