Stellungnahme zum Schriftsatz der LH Potsdam an das Sozialgericht vom 05.04.2013

Aus cvo6
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Rechtsanwalt Peter Klink
Lennéstr. 71
14471 Potsdam

Sozialgericht Potsdam
- 20. Kammer -
Rubenstraße 8
14467 Potsdam

Potsdam, den 10.04.2013
Mein Zeichen: 00015-13/PK/mk

In dem Rechtsstreit
Lenz, Oliver
gegen
Landeshauptstadt Potsdam
- S 20 SO 33/13 ER -

wird auf die gerichtliche Verfügung vom 8. April 2013 (fehlt mir) auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 5. April 2013 wie folgt Stellung genommen:

Inhaltsverzeichnis

1.

Zunächst wird positiv vermerkt, dass die Antragsgegnerin grundsätzlich anerkennt die Erforderlichkeit der Gewährung eines persönlichen Budgets in Form des Arbeitgebermodells für eine 24-Stunden-Assistenz zur Deckung des Pflege- und Eingliederungshilfebedarfs des Antragsstellers.

Ein Einverständnis des Antragstellers bezüglich des nunmehr gewährten Bedarfes des Antragstellers durch die Antragsgegnerin in Höhe von 3.742,60 € ist jedoch insgesamt, wie der Antragsschriftsatz bereits zeigt, nicht angemessen. Im Übrigen erklärt sich durch den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 5. April 2013 die Unzulänglichkeit dieser Gewährung aus sich heraus, und zwar wie folgt:

Es ist zunächst nicht ersichtlich, inwiefern die Tatsache, dass der Antragsteller gegen den Bescheid der zuständigen Pflegekasse vom 19. November 2012 sowie das Pflegegutachten vom 22. Oktober 2012 des Widerspruches dazu führen kann oder soll, dass sich eine Änderung in der Höhe des dem Antragsteller zustehenden Pflegegeldes in der Pflegekasse ergeben >> soll könnte<<. Sowohl in der gewährten Pflegestufe III als auch in der u. U. dem Antragsteller zustehenden Pflegestufe III plus sind die Pflegesätze bei Zahlung an den Antragsteller in Höhe von 700,00 € deckungsgleich.

Im Übrigen sei am Rande bemerkt, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller hierbei auferlegt hat, er möge doch gegen die Entscheidung der Pflegekasse Widerspruch erheben bzw. gegen das Pflegegutachten Widerspruch einlegen.

Falsch ist die Darstellung der Antragsgegnerin, dass sie erst mit Bestandskraft des Bescheides der Pflegekasse unter Zugrundelegung der Bedarfsfeststellung des aktuellen Gutachtens eine Berechnung in Höhe des persönlichen Budgets vornehmen und über die Höhe der zu gewährenden SGB-XII-Leistungen entscheiden könne. Dies hat sie im Verlaufe des gesamten Verfahrens bereits trotz Widerspruch immer wieder getan. Die von der Antragsgegnerin vorgebrachte Einwendung der Bestandskraft des Bescheides der Pflegekasse hat die Antragsgegnerin bislang jedenfalls nicht daran gehindert, entsprechende Leistungen gegenüber dem Antragsteller festzulegen und zu entscheiden bzw. diese gerade nicht festzulegen, da die Antragsgegnerin grundsätzlich der Ansicht ist, dass der Antragsteller auf Leistungen nur in dem bisher gewährten Umfang Anspruch habe.

Das die Antragsgegnerin der Ansicht ist die mitgeteilten Entscheidungen des Bundessozialgerichtes vom 10. November 2005 und des Sozialgerichts Leipzig zum krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf häusliche Krankenpflege könnten vorliegend keine Anwendung finden, ist ebenfalls falsch. Diese Entscheidungen wurden, dies zeigt auch die Argumentation im Antrag auf Seite 12, nur in Bezug auf die Tatsache angeführt, dass die Antragsgegnerin Kostenübernahmen auf die reinen Maßnahmen begrenzt, d.h. die Antragsgegnerin gewährt punktuelle Leistungen gemäß dem Pflegegutachten für z.B. morgens zum Aufstehen, zum Waschen, mittags zum Waschen, sodann zum Wasser lassen und zum Toilettengang mittags, eventuell nachmittags noch einmal als auch abends entsprechend. Die dazwischen liegenden Zeiten werden von der Antragsgegnerin vollständig ausgeblendet. Dass dies nicht statthaft ist und dem eigentlichen Gedanken der Gewährung von Leistungen für Versicherte im Rahmen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets widerspricht, zumal hier im Arbeitgebermodell, liegt auf der Hand. Genau dieses möchte aber die Antragsgegnerin nun noch einmal versuchen. Damit kann sie nur scheitern.

Bezüglich des Vorbringens der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei schnell ermüdet, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der multiplen Sklerose um eine neurologische Ermüdbarkeit handelt. Eine geistige Ermüdung ist dabei nicht gemeint. Die geringste körperliche Anstrengung, wie z.B. dreimaliges Anheben des Armes, führt jedoch beim Antragsteller zu extremer Ermüdung. Wenn er nur geistig tätig ist und sich nicht bzw. kaum bewegt, wird er demzufolge auch nicht müde. Grundsätzlich ist die geistige Abspannung auch nicht der zentrale Punkt der Erkrankung des Antragsteller. Sein geistiger Zustand ist fast auf dem Niveau vor der Erkrankung. Am Rande sei nur erwähnt, dass der Antragsteller früher den dritten Dan im Go innehatte, jetzt den ersten Dan.

Trotzdem gibt es für den Antragsteller nachmittags regelmäßig Ermüdungszeitpunkte, an denen er sich sehr schnell für ca. 15 Minuten hinlegen muss. Im Einzelfall hat er sich auch bezüglich der von der Antragsgegnerin bezweifelten Fälle grundsätzlich natürlich auch ausruhen können, wie z.B. auf einer Couchgarnitur beim Go-Turnier, auf einem Sofa beim Gesangsunterricht oder indem er einfach den Kopf auf den Tisch legt.

Der Hinweis der Antragsgegnerin, dass im Pflegegutachten auch die Begleitung zur Therapie mit einberechnet worden sei, ist insofern falsch, als im Rahmen des Pflegegutachtens nur fünfmal wöchentlich eine Begleitung zur Therapie berücksichtigt wurde.

Die Antragsgegnerin teilt in ihrem Schriftsatz mit, dass sie zur Deckung der Bedarf an Eingliederungshilfe zur Bewältigung der ehrenamtlichen Tätigkeiten des Antragstellers und zur Sicherung seiner Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben zwei Stunden pro Tag gewähre.

Diese Ansicht zeigt einmal mehr, dass die Antragsgegnerin offensichtlich davon ausgeht, es mit einem komplett gesunden Menschen zu tun zu haben. Ein gesunder Mensch mag vielleicht in der Lage sein, sich entsprechend schnell selbst anzuziehen, die Treppen hinunter zu laufen bis zum Hauseingang, dort den Weg bis zur Veranstaltung zu nehmen, dort daran teilzunehmen und dann denselben Weg wieder zurück nach Hause zu nehmen um sich dort dann wiederum komplett der Straßenkleidung zu entledigen. Anders ist dieses jedoch beim Antragsteller.

Da der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankung selbst nicht in der Lage ist, sich anzukleiden, geschweige denn, die Treppe hinunter zu gehen oder mit dem Rollstuhl alleine die Treppe hinunter zu fahren (Treppenraupe), geschweige denn mit seinem Rollstuhl selbstständig zu der Veranstaltung sich zu bewegen bzw. dort ohne entsprechende Assistenz auf die Toilette zu gehen oder ähnliches mehr, erhöhen sich diese Zeiten täglich auf mindestens fünf Stunden. Unterhalb eines solchen Zeitrahmens für die Eingliederungshilfe ist es dem Antragsteller schlicht unmöglich, die entsprechende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sicherzustellen. Dies sollte der Antragsgegnerin auch klar sein.

Die Antragsgegnerin macht es sich im Weiteren nur allzu leicht, wenn sie der Ansicht ist, dass im Rahmen eines Arbeitgebermodells für eine 24-Stunden-Assistenz die tägliche Arbeitszeit somit in 8 1/2 Stunden täglicher Assistenzzeit sowie 15,5 Stunden aktive Bereitschaftszeit unterteilen würde. Dabei sei - so die Antragsgegnerin - die aktive Bereitschaftszeit in Höhe von 30% des Stundensatzes zu finanzieren.

Tatsächlich handelt es sich um 6 1/2 Stunden täglichen Pflegeaufwandes, eine Stunde Aufwand für die häusliche Krankenpflege sowie weitere fünf Stunden für ehrenamtliche Tätigkeiten/Sicherstellung der Teilhabe des Antragstellers am kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Somit erhöht sich die tatsächliche Arbeitszeit auf täglich 12 1/2 Stunden mindestens.

Es fehlt die Zeit für die Therapien! Je Therapie 1,5 Stunden Weg + Therapie + Toilette

Die Bereitschaftszeit vermag daher maximal 11 1/2 Stunden als Ansatz zugestanden sein.

Hm. Ich hab doch immer wieder Durst, muß pinkeln, muß mich am Kopf kratzen, etc. pp. Das Vorhandensein von vermindert zu bezahlender Bereitschaftszeit erscheint mir deswegen sehr zweifelhaft.
Ich schlafe sechs Stunden pro Nacht. (Ich kann u. a. wegen Rückenschmerzen gar nicht mehr schlafen.) Das heißt, ich bin ohnehin 18 Stunden am Tag vollumfänglich aktiv. Aber selbst in den 6 Stunden meiner Nachtruhe benötige ich immer wieder Assistenz (wozu bereits vorgetragen wurde).

Da jedoch, wie aus der Berechnung der durchschnittlichen Lohnkosten (Anlage ASt28) ersichtlich>>>,<<< der Antragsteller einen - wie auch aus dem Pflegegutachten hervorgeht - erhöhten Pflegeaufwand bzw. einen erhöhten Bereitschaftsaufwand hat, insbesondere, weil die Assistenz sich bei ihm im Assistenzzimmer aufhält, ist ein Ansatz von mindestens 50% für die verbleibenden 10 bzw. 11 1/2 Stunden vorzunehmen.

Siehe oben. Ich glaube sehr, ich muß immer 100% bezahlen.

Interessant ist an dieser Stelle die Ansicht der Antragsgegnerin, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in der Berechnung seien nicht zu ihren Lasten in Ansatz zu bringen, da sie unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB XI nicht verpflichtet sei, die nach dem TV>>Ü<<D zu leistenden Bestandteile des Arbeitsentgeltes zu finanzieren. Es handele sich somit um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers.

Interessant ist dieser Einwand insofern, als die Antragsgegner, sofern sie nicht im Arbeitgebermodell eine Finanzierung der Kosten für Eingliederungshilfe, Pflegeaufwand, häusliche Krankenpflege, etc. vornimmt, selbstverständlich die von den entsprechenden Institutionen aufgerufenen Preise akzeptiert. Diese Preise beinhalten gerade auch die Kosten für Urlaubs- und Weihnachtsgeld, welche sie dem Antragsteller hier nunmehr absprechen möchte. Die Antragsgegnerin misst hier deutlich mit zweierlei Maß. Dieser Punkt ist daher vollumfänglich zurückzuweisen.

In diesem Zusammenhang geht die Antragsgegnerin auch fehl bezüglich der Kosten für eine Weiterbildung des Assistenten des Antragstellers. Selbstverständlich hat auch der Assistent des Antragstellers ein Recht auf Weiterbildung.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Antrag vom 11. März 2013 vollumfänglich verwiesen und auf die darin angebotenen Beweisführungen und übergebenden Daten und Berechnungen.

Auf den Hinweis der Antragsgegnerin, der Antragsteller lehne sämtliche pflegeerleichternden und zeitaufwandverringernden Pflegehilfsmittel, wie eine Pflegebett oder ein Elektrorollstuhl kategorisch ab, sei darauf hingewiesen, dass bezüglich des Elektrorollstuhles der Antragsteller nicht in der Lage ist einen solchen selbstständig zu bedienen. Hinsichtlich des Pflegebettes ist zu konstatieren, dass der Aufwand für die Pflegekraft hier gleich hoch bezüglich des jetzigen Zustandes (Matratze auf dem Boden) ist. Der Einwand ist daher vollumfänglich zurückzuweisen.

Nach alledem bleibt der Antrag vom 11. März 2013 vollumfänglich aufrecht erhalten und begründet.

Peter Klink
Rechtsanwalt

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