Hinweis- und Beweisbeschluss des Landgerichts vom 15.06.15

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13 S 68/13 LG Potsdam
24 C 22/12 AG Potsdam

Inhaltsverzeichnis

Landgericht Potsdam
Hinweis- und Beweisbeschluss

In dem Berufungsverfahren

J. C., …, B.

- Kläger und Berufungskläger -

-Prozessbevollmächtigte: RAe A. S.

g e g e n

  1. Herrn Oliver Lenz, geb. Lampe Carl-von Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam
  2. Frau L., Z.-straße [], 14471 Potsdam
Frau L. wohnt jetzt woanders
- Beklagte und Berufungsbeklagte -

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Katja Damrow, Friedrich-Ebert-Straße 38, 14469 Potsdam -

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam durch den Präsidenten des Landgerichts E., die Richterin am Landgericht R. und die Richterin am Landgericht G.-W. am 15. Juni 2015

b e s c h l o s s e n:

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I.

Den Parteien werden im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 30. April 2014 unter Berücksichtigung ihres bis Ende März 2015 durch Schriftsätze ergänzten Sachvortrags folgende Hinweise erteilt:

1.

Da allein der Kläger das Endurteil des Ausgangsgerichts durch sein Rechtsmittel der Berufung zur gerichtlichen Überprüfung gestellt hat und er durch die Abweisung der Klage formell und materiell beschwert ist, weil das Ausgangsgericht die Klage auf Herausgabe und Räumung der Mietwohnung mit der Begründung abgewiesen hat, dass das Erhaltungsinteresse des Mieters aufgrund sozialer Härtegründe im Sinne des § 574 Abs. 1, 2 BGB der Vorrang gegenüber dem Erlangungsinteresse des Vermieters (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gebührt, hat sich das Berufungsgericht mit den Angriffen des Klägers als Berufungsführer gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts zu befassen. Die Berufungsbegründung befasst sich ausschließlich mit der Rüge der Rechtsfehler und der fehlerhaften Tatsachenfeststellung bezogen auf den Abwägungsvorgang zwischen dem Erhaltungs- und Erlangungsinteresse. Die Frage der formellen Wirksamkeit der Kündigung und der Beweisführung zum Vorliegen dews Kündigungsgrundes nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist demnach nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Das Amtsgericht ist bei seiner Entscheidung allerdings von der Wirksamkeit der Kündigungserklärung ausgegangen. Andernfalls hätte es weder über die Frage des Eigenbedarfs Beweis erhaben noch zur Feststellung des Vorliegens des Eigenbedarfs kommen dürfen. Da das Amtsgericht bei seiner Entscheidung, die Bestandsinteressen des Beklagten zu 1) an der Mietwohnung höher bewertet hat als die Erlangungsinteressen des Klägers, wäre es gemäß § 574a Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen, durch Gestaltungsurteil gemäß § 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu befinden. Das Unterlassen des richterlichen Gestaltungsaktes durch das Amtsgericht führt aber nicht dazu, dass die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) unwirksam gewesen ist (vgl. Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. IV Rn. 252 f; Lützenkirchen in: Lützenkirchen, Mietrecht § 574a Rn. 11; Staudinger/Rolfs, BGB (2014) § 574a Rn. 9; Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 4. Aufl. § 574a Rn. 25 mit weiteren Nachweisen; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 1 BvR 2335/14 - NZM 2015, 161 Rn. 14). Das Gericht befasst sich nämlich mit den im Gesetz (§ 574 BGB) benannten Härtefallgründen erst dann, wenn die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung formell wirksam und inhaltlich begründet ist. Verneint das Gericht die formelle Wirksamkeit der Kündigung und ihre inhaltliche Begründetheit, weist es die auf Räumung

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und Herausgabe der Mietwohnung gerichtete Klage des Vermieters schon aus diesem Grunde zurück.

2.

Im Übrigen bestehen aber gegen die formelle Wirksamkeit der Kündigungserklärung des Klägers keine durchgreifenden Bedenken.

Dies gilt insbesondere, soweit der Kläger mit seiner Formulierung "den Wohnsitz mit seiner Familie von H. nach B. verlegen zu wollen", den unzutreffenden eindruck erweckt habe, dass er gar nicht in die in seinem Eigentum stehenden Wohnung nach Potsdam einziehen wolle. Diese Ungenauigkeit in der Formulierung ist jedoch für die formelle Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Kündigung ohne Bedeutung. Unrichtige Angaben des Vermieters im Kündigungsschreiben können zwar dazu führen, dass die Kündigung materiell unbegründet ist, soweit nach dem wirklichen Sachverhalt der Eigenbedarf nicht besteht oder nur vorgeschoben ist; sie führen aber nicht zur formellen Unwirksamkeit (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2010, VIII ZR 70/09, NZM 2010, 400 Rn. 10; Milger NZM 2014, 770, 779).

Der Zweck des Begründungsverlangens besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn im Kündigungsschreiben der Kündigungsgrund so benennt, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (BGH, Urteil vom 30. April 2014 - VIII ZR 284/13 - NJW 2014, 2102 Rn. 7; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2010, VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775, Rn. 10). Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend. Weitere Angaben sind nicht zu fordern, insbesondere ist nicht zu fordern, dass die Kündigung so detailliert ist, dass alle Umstände, die mir dem Lebenssachverhalt, um den es geht, auch nur entfernt zu tun haben, in allen Einzelheiten auszubreiten sind oder gar mögliche Einwände des Mieters vorweggenommen werden müssen. Derartige Details spielen erst im Rahmen einer späteren gerichtlichen Beweisaufnahme über den streitigen Kündigungsgrund eine Rolle, auf der formellen Ebene ist ihre Angabe nicht erforderlich (BGH a.a.O. NJW 2014, 2102; so schon BayObLD N[...] 1981, 2197, 2199; siehe auch Milger, NZM 2014, 770, 778).

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