Schriftsatz der Gegenseite vom 20.11.17

Aus cvo6
Wechseln zu: Navigation, Suche

Rechtsanwälte A. S.

Landgericht Potsdam
- 13. Zivilkammer -
Jägerallee 10-12
14469 Potsdam

20.11.2017 13 S 68/13

In der Sache

C.
/RAe. AS

gegen

  1. Oliver Lenz
  2. HL.

/RAin. Damrow/

danke ich fiir die bewilligte Fristverlängerung und nehme zu dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. A. vom 25.09.2017Stellung. Zugleich trage ich ergänzend zum Beweisthema vor.

1.

Der Sachverständige konnte den aktuellen Zustand des Beklagten, den ich im Schriftsatz vom 15.09.2017 beschrieben habe, naturgemäß noch nicht berücksichtigen. Es erscheint allerdings für eine Beantwortung der Beweisfragen bedeutsam, dass jedenfalls der psychische Gesundheitszustand des Beklagten durch wichtige Faktoren aktuell ganz erheblich gestützt und gefördert wird, nämlich:

Inhaltsverzeichnis

Seite 2

  1. durch den Einzug der Frau R. als neuer Lebensgefährtin des Beklagten in dessen Wohnung,
  2. durch die Nutzung des Internets mit umfangreicher ortsunabhängiger Kommunikation mit praktisch allen Menschen und Lebensbereichen, die den Beklagten interessieren, einschließlich des Betreibens einer eigenen„Facebook“-Seite unter www.facebook.com/olivlenz,
Anlage BK 11,
sowie einer Blog-Seite unter http://cvo6wiki.de/Wiki/index.php/Hauptseite ,
Anlage BK 12,
3. und durch das Betreiben eines „Twitter“-Accounts unter https://twitter.com/olivlenz
Anlage BK 13,
4. sowie durch das aktive Mitwirken als Sänger im „Hans Beimler Chor“, Berlin. Soeben hat der Beklagte an dem Konzert des Chores mit dem Titel „Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“ am 4. und 5.11.2017 in der „Werkstatt der Kulturen Berlin“ mitgewirkt. Er ist auf dem unteren Foto aus
Anlage BK 14

rechts außen abgebildet.

5. Der Beklagte ist weiterhin aktiv im Go-Verein Potsdam. Nicht nur ist er hochklassiger aktiver Spieler, sondern ausweislich des Internet-Auftritts dieses Vereins unter http://go-potsdam.de/index.php/Der_Verein#Vorstand ist er einer von drei Vereinsvorständen und bekleidet die Funktion eines Schatzmeisters. § 2 Abs. 1 u. 2 der Vereinssatzung lauten:

„Der Verein pflegt das asiatische Brettspiel Go, fördert dessen Verbreitung und erstrebt den Zusammenschluß aller Go-Spielerinnen und Go-Spieler und am Go Interessierten in Potsdam und Umgebung. Vorträge, Treffen, Spieltreffs, Turniere sowie gesellige Veranstaltungen

Seite 3

mit Gästen dienen zudem der Förderung der kulturellen Beziehungen. Der Verein unterhält deshalb Verbindungen zu anderen Go—SpielerInnen und deren Organisationen in Deutschland, Europa und der Welt, insbesondere zu den ostasiatischen Go- und Kulturorganisationen. Durch gezielte Nachwuchsarbeit an Schulen, Universitäten und anderen Bildungsstätten beteiligt sich der Verein an Bildung und Erziehung."

Darüber hinaus hat der Beklagte in der Zeit vom 23. bis 31.07.2017 am EGC „Europäischen Go-Congress“ (EGC) in Oberhof/Thür. teilgenommen, nämlich sowohl in seiner Eigenschaft als Mitglied des Vorstandes des Go-Vereins Potsdam als auch als einer von über 1000 Teilnehmern der dort stattgefundenen offenen Europameisterschaft im Go. Neben der sportlichen Herausforderung stellte diese Zeit den ]ahresurlaub des Beklagten dar, wie er unter http://cvo6wiki.de/Wiki/index.php Stichwort „Oberhof 2017“ beschrieben hat. Auf einem Gruppenfoto mit Teilnehmern des EGC ist der Beklagte unten rechts abgebildet,

Anlage BK 15.

6. Wie der Kläger soeben feststellt, ist der Beklagte auch aktiv im Vorstand des Mietervereins Potsdam engagiert. Wie sich aus der Internetseite https://www.mieterverein-potsdam.de/seite/149110/Vorstand.html ergibt, die ich als

Anlage BK 16,

ist der Beklagte im Vorstand des Vereins als Beisitzer des Vereins tätig.

Es muss sich auch fiir medizinische Laien aufdrängen, dass die oben unter Ziffern 1 bis 6 beschriebenen aktuellen Lebensumstände des Beklagten sich positiv auf seinen psychischen Gesundheitszustand auswirken und diesen stabilisieren sowie verbessern.

Ebenso drängt es sich auf, dass der Beklagte für alle diese sein Leben positiv beeinflussenden wenn nicht sogar bestimmenden Aktivitäten nicht auf die streitgegenständliche Wohnung des Klägers angewiesen ist. Das Gegenteil ist der Fall:

Der Beklagte geht diesen Aktivitäten ohnehin nicht in der Wohnung nach.

Die Chorkonzerte finden in verschiedenen Veranstaltungslokalen statt. Die Chorproben ebenfalls.

Auch die Go-Turniere finden nicht in der Wohnung statt.
Das Zusammenleben des Beklagten mit seiner Lebensgefährtin ist an eine

Seite 4

bestimmte Wohnung offensichtlich nicht gebunden.

Die Internet-Aktivitäten erfordern lediglich einen Internet-Zugang und sind an einen bestimmten Ort oder gar an eine bestimmte Wohnung nicht gebunden.

Die streitgegenständliche Wohnung ist überdies für den Beklagten aktuell überhaupt nicht geeignet:

Zum einen befindet sich zwischen den zwei Hälften der Wohnung eine Stufe, die der Beklagte ohne fremde Hilfe nicht überwinden kann (Anlage K9).

Derartige Stufen innerhalb von Wohnungen sind ausgesprochen selten. Wenn der Beklagte in eine andere Wohnung umzieht, wird sich darin mit Sicherheit keine derartige Stufe befinden. Er wäre somit erheblich beweglicher innerhalb seiner Wohnung.

Zum anderen befindet sich die streitgegenständliche Wohnung im 3. Stock und verfügt nicht über einen Fahrstuhl. Der Beklagte kann die Wohnung daher nur mittels eines 15-minütigen Transportes mit Hilfe einer Treppenraupe verlassen. Vom Hauseingang zurück in die Wohnung dauert der Transport erneut 15 Minuten.

Der Sachverständige wird gebeten, zu berücksichtigen, dass die oben beschriebenen konkreten aktuellen Lebensumstände des Beklagten dessen psychischen Gesundheitszustand auch in Bezug auf einen möglichen Umzug in eine andere Wohnung stabilisieren und dass hierzu auch die Aussicht auf eine Wohnung beiträgt, die nach ihrer Ebenheit innerhalb der Räume sowie nach der Lage im Gebäude erheblich besser für den Beklagten geeignet sein wird.

II.

Stellungnahme zu den Antworten des Sachverständigen auf die ihm gestellten Fragen:

1. Der Sachverständige erklärt auf Seite 5 des Ergänzungsgutachtens: „Telefonate und Korrespondenzen mit dem Oberarzt der Neurologie, Herrn Dr. A., wurden geführt.“ Weder im Gutachten vom 25.06.2016 noch im Ergänzungsgutachten vom 25.09.2017 steht etwas über derartige Telefonate oder Korrespondenzen. Da der Sachverständige mit diesen Ausführungen seines Ergänzungsgutachtens die Echtheit der ihm vom Beklagten vorgelegten Unterlagen belegen möchte, muss er gefragt werden:
1. Frage an den Sachverständigen: Wann hat der Sachverständige welche Telefonate und Korrespondenzen mit dem Oberarzt der Neurologie, Herrn Dr. A., mit welchem Inhalt geführt?

Seite 5

2. Der Sachverständige fügt seinem Ergänzungsgutachten unter anderem zwei an Frau Dr. med. B. gerichtete Schreiben des Herrn A. Facharzt für Neurologie, vom 08.06.2012 und 27.06.2017 bei.

2. Frage: Hat der Beklagt dem Sachverständigen Originale dieser beiden Schreiben vorgelegt?

3. Der Sachverständige erläutert, dass die allgemein übliche Basistherapie mit sog. Interferonen nur fraglich wirksam seien. Er weist zugleich darauf hin, dass diese Medikamente gespritzt werden müssten, dass jedoch eine Vielzahl von Patienten wegen eine Spritzenphobie und möglichen Nebenwirkungen in der Vergangenheit nicht zugestimmt hätten.

Fragen an den Sachverständigen:

3. Frage: Bedeutet „fraglich wirksam“, dass eine Basistherapie im obigen Sinne beim Beklagten mit Sicherheit ohne Erfolg verlaufen wäre?
4. Frage: Hat der Sachverständige untersucht: ob der Beklagte an einer Spritzenphobie leidet oder wegen möglicher Nebenwirkungen die o.a. Basistherapie abgelehnt hat? Ggf. mit welchem Ergebnis?

4. Dass eine medikamentöse Behandlung mit den üblichen MS-Medikamenten bei der Erkrankungsform des Beklagten nur fraglich wirksam sei, mag allenfalls vergangene Zeit zutreffen:

Anfang 2017 wurde eines von zahlreichen in früheren Studien erprobten Medikamenten als ausreichend wirksam auch bei der primär progressiven Verlaufsform der multiplen Sklerose angesehen, so dass in den USA eine beschleunigte Zulassung ausgesprochen wurde und in Deutschland ebenfalls der Antrag auf Zulassung in dem beschriebenen Indikationsbereich gestellt wurde (Wirkstoff Ocrelizumab). In einer „Stellungnahme des Vorstandes des Arztlichen Beirates der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V.“ vom 07.02.2017 heißt es hierzu wörtlich:

„Erstes Medikament zur Behandlung der primär chronisch progredienten Multiple Sklerose steht vor der Zulassung: Sind die hohen Erwartungen an Ocrelizumab gerechtfertigt?

Mit Ocrelizumab wird in absehbarer Zeit ein weiteres Medikament zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) zur Verfügung stehen. Kürzlich zeigten drei klinische Studien, dass Ocrelizumab nicht nur bei der schubförmigen MS, sondern auch bei Patienten mit primär-chronisch progredienter MS wirksam ist. Für diese Patientengruppe gibt es bisher keine zugelassenen Medikamente.

Seite 6

Ab März 2017 soll Ocrelizumab in Deutschland im Rahmen eines „compassionate use“-Programms für ausgewählte Patienten mit primär-progredienter MS zur Verfügung stehen”

5. Frage an den Sachverständigen: Hat der Sachverständige Erkenntnisse darüber gewonnen, dass das Medikament Ocrelizumab möglicherweise bei der Erkrankung des Beklagten wirksam ist?

5. Ein Zusammenhang von Stress und Krankheitsauslösung sowie Krankheitsverschlimmerung wird zwar auf Grund zahlreicher Hinweise seit vielen Jahren angenommen, wissenschaftlich einwandfreie Belege für Art und Umfang dieses Einflusses sind allerdings recht spärlich und keinesfalls eindeutig.

Diese unzureichende Informationslage wird besonders deutlich, wenn man die schubförmige Verlaufsform der MS einerseits und die primär (bzw. sekundär) chronisch progrediente Verlaufsform andererseits — wie sie beim Beklagten vorliegt - voneinander differenziert und separat betrachtet. Bei seinem Bezug auf die oben aufgeführten beiden Studien, welche den Zusammenhang zwischen Stress und multipler Sklerose bezüglich Krankheitsauslösung und Krankheitsverschlimmerung belegen sollen, unterscheidet der Sachverständige allerdings nicht zwischen den vorgenannten beiden verschiedenen Verlaufsformen.

Der Sachverständige zieht aus der Studie von MOHR et al. den globalen Schluss, dass „Zusammenhänge zwischen Stress und multipler Sklerose“ bestehen und führt ohne Differenzierung der Verlaufsformen aus, dass „Stressfaktoren und Stresssituationen wichtige Zusatzfaktoren für die Auslösung des Krankheitsbeginns der MS, der Krankheitsschübe der MS, einer Verschlimmerung und einer Progression“ sein können.

Tatsächlich sind diese Schlüsse aus der angeführten Studie von MOHR et al. überhaupt nicht zu belegen; denn diese Studie hatte ein ganz anderes Untersuchungsziel: Es sollte die Wirksamkeit eines Stressmanagement-Programms bei MS-Kranken hinsichtlich eines verminderten Neu-Auftretens von bestimmten Krankheitsmarkern in den Bildern eines speziellen Untersuchungsverfahrens (Magnetresonanztechnik, MRI) im Vergleich zu einer parallelen unbehandelten MS-Patientengruppe untersucht werden.

Erst in zweiter Hinsicht wurden auch von außen feststellbare Krankheitsverschlechterungen sowie Stressauswirkungen betrachtet.

Die Studienergebnisse zeigten, dass während der Durchführung des Stressmanagement—Programms bei den teilnehmenden MS-Patienten mit dem og. Untersuchungsverfahren weniger neue Krankheitsmarker in den MRI-

Seite 7

Bildern registriert wurden als bei den parallel untersuchten MS-Kranken ohne Stressbewältigungsprogramm im gleichen Zeitraum.

Dieser Effekt verschwand jedoch nach Beendigung des Stressmanagement-Kurses bei der Teilnehmergruppe, und darüber hinaus konnte im Vergleich der beiden Patientengruppen kein Nutzen der Teilnahme am Stressmanagement-Programm bezüglich der äußerlich feststellbaren Krankheitszeichen, Funktionsstörungen und Beschwerden festgestellt werden. Die Autoren der Studie MOHR et al. ziehen aus ihren Ergebnissen lediglich den Schluss:

„Die Untersuchung zeigt, dass das eingesetzte Stressmanagement-Verfahren nützlich dafiir sein kann, die Entwicklung neuer, mit dem MRI-Verfahren féstzustellender Hirnläsionszeichen zu mindern“.

Es dürfte angesichts der bescheidenen Selbsteinschätzung der Autoren hinsichtlich der Bedeutung ihrer Studienergebnisse klar erkennbar sein, dass die weitreichenden Schlüsse des Sachverständigen zum Zusammenhang von Stress und Erkrankungsverlauf durch diese Studie jedenfalls nicht belegbar sind und ausweislich des beschriebenen Studienansatzes auch überhaupt nicht Gegenstand der Untersuchung waren.

Der Sachverständige nimmt ferner Bezug auf die Studie von ARTEMIADIS et al. (2011).

Diese Arbeit untersuchte die Durchführung und die Ergebnisse von 17 ausgewählten Beobachtungsstudien zum Thema Stress und Multiple Sklerose aus der Zeit 1980 bis 2010.

Als Ergebnis dieser Studienauswertung fiihrt der Sachverständige an, dass 15 von 17 der untersuchten Studien einen Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und MS-Beginn oder Schubauslösung gezeigt hätten.

Die Autoren ARTEMIADIS et al. hingegen beurteilen die untersuchten Studienergebnisse selbst wesentlich kritischer und kommen zum Ergebnis:

„Die erhebliche Verschiedenheit der Beurteilung von Stress und Stressstärke in den verschiedenen Studien erlaubt es uns nicht, irgendwelche sicheren Schlüsse bezüglich der verschiedenen Aspekte von Stresseinflüssen zu ziehen“

Dabei betonen die Autoren noch, dass in der Gesamtheit der überprüften Verlaufsstudien lediglich 10 % der registrierten Krankheitsschübe auf erfasste Stress-Erlebnisse zurückzuführen waren, 90 % also keinen erfassbaren Stressbezug hatten.

Seite 10

Meine Werkzeuge
Namensräume

Varianten
Aktionen
Navigation
Werkzeuge