Schriftsatz der Gegenseite vom 20.11.17

Aus cvo6
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Rechtsanwälte A. S.

Landgericht Potsdam
- 13. Zivilkammer -
Jägerallee 10-12
14469 Potsdam

20.11.2017 13 S 68/13

In der Sache

C.
/RAe. AS

gegen

  1. Oliver Lenz
  2. HL.

/RAin. Damrow/

danke ich fiir die bewilligte Fristverlängerung und nehme zu dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. A. vom 25.09.2017Stellung. Zugleich trage ich ergänzend zum Beweisthema vor.

1.

Der Sachverständige konnte den aktuellen Zustand des Beklagten, den ich im Schriftsatz vom 15.09.2017 beschrieben habe, naturgemäß noch nicht berücksichtigen. Es erscheint allerdings für eine Beantwortung der Beweisfragen bedeutsam, dass jedenfalls der psychische Gesundheitszustand des Beklagten durch wichtige Faktoren aktuell ganz erheblich gestützt und gefördert wird, nämlich:

Inhaltsverzeichnis

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  1. durch den Einzug der Frau R. als neuer Lebensgefährtin des Beklagten in dessen Wohnung,
  2. durch die Nutzung des Internets mit umfangreicher ortsunabhängiger Kommunikation mit praktisch allen Menschen und Lebensbereichen, die den Beklagten interessieren, einschließlich des Betreibens einer eigenen„Facebook“-Seite unter www.facebook.com/olivlenz,
Anlage BK 11,
sowie einer Blog-Seite unter http://cvo6wiki.de/Wiki/index.php/Hauptseite ,
Anlage BK 12,
3. und durch das Betreiben eines „Twitter“-Accounts unter https://twitter.com/olivlenz
Anlage BK 13,
4. sowie durch das aktive Mitwirken als Sänger im „Hans Beimler Chor“, Berlin. Soeben hat der Beklagte an dem Konzert des Chores mit dem Titel „Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“ am 4. und 5.11.2017 in der „Werkstatt der Kulturen Berlin“ mitgewirkt. Er ist auf dem unteren Foto aus
Anlage BK 14

rechts außen abgebildet.

5. Der Beklagte ist weiterhin aktiv im Go-Verein Potsdam. Nicht nur ist er hochklassiger aktiver Spieler, sondern ausweislich des Internet-Auftritts dieses Vereins unter http://go-potsdam.de/index.php/Der_Verein#Vorstand ist er einer von drei Vereinsvorständen und bekleidet die Funktion eines Schatzmeisters. § 2 Abs. 1 u. 2 der Vereinssatzung lauten:

„Der Verein pflegt das asiatische Brettspiel Go, fördert dessen Verbreitung und erstrebt den Zusammenschluß aller Go-Spielerinnen und Go-Spieler und am Go Interessierten in Potsdam und Umgebung. Vorträge, Treffen, Spieltreffs, Turniere sowie gesellige Veranstaltungen

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mit Gästen dienen zudem der Förderung der kulturellen Beziehungen. Der Verein unterhält deshalb Verbindungen zu anderen Go—SpielerInnen und deren Organisationen in Deutschland, Europa und der Welt, insbesondere zu den ostasiatischen Go- und Kulturorganisationen. Durch gezielte Nachwuchsarbeit an Schulen, Universitäten und anderen Bildungsstätten beteiligt sich der Verein an Bildung und Erziehung."

Darüber hinaus hat der Beklagte in der Zeit vom 23. bis 31.07.2017 am EGC „Europäischen Go-Congress“ (EGC) in Oberhof/Thür. teilgenommen, nämlich sowohl in seiner Eigenschaft als Mitglied des Vorstandes des Go-Vereins Potsdam als auch als einer von über 1000 Teilnehmern der dort stattgefundenen offenen Europameisterschaft im Go. Neben der sportlichen Herausforderung stellte diese Zeit den ]ahresurlaub des Beklagten dar, wie er unter http://cvo6wiki.de/Wiki/index.php Stichwort „Oberhof 2017“ beschrieben hat. Auf einem Gruppenfoto mit Teilnehmern des EGC ist der Beklagte unten rechts abgebildet,

Anlage BK 15.

6. Wie der Kläger soeben feststellt, ist der Beklagte auch aktiv im Vorstand des Mietervereins Potsdam engagiert. Wie sich aus der Internetseite https://www.mieterverein-potsdam.de/seite/149110/Vorstand.html ergibt, die ich als

Anlage BK 16,

ist der Beklagte im Vorstand des Vereins als Beisitzer des Vereins tätig.

Es muss sich auch für medizinische Laien aufdrängen, dass die oben unter Ziffern 1 bis 6 beschriebenen aktuellen Lebensumstände des Beklagten sich positiv auf seinen psychischen Gesundheitszustand auswirken und diesen stabilisieren sowie verbessern.

Ebenso drängt es sich auf, dass der Beklagte für alle diese sein Leben positiv beeinflussenden wenn nicht sogar bestimmenden Aktivitäten nicht auf die streitgegenständliche Wohnung des Klägers angewiesen ist. Das Gegenteil ist der Fall:

Der Beklagte geht diesen Aktivitäten ohnehin nicht in der Wohnung nach.

Die Chorkonzerte finden in verschiedenen Veranstaltungslokalen statt. Die Chorproben ebenfalls.

Auch die Go-Turniere finden nicht in der Wohnung statt.
Das Zusammenleben des Beklagten mit seiner Lebensgefährtin ist an eine

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bestimmte Wohnung offensichtlich nicht gebunden.

Die Internet-Aktivitäten erfordern lediglich einen Internet-Zugang und sind an einen bestimmten Ort oder gar an eine bestimmte Wohnung nicht gebunden.

Die streitgegenständliche Wohnung ist überdies für den Beklagten aktuell überhaupt nicht geeignet:

Zum einen befindet sich zwischen den zwei Hälften der Wohnung eine Stufe, die der Beklagte ohne fremde Hilfe nicht überwinden kann (Anlage K9).

Derartige Stufen innerhalb von Wohnungen sind ausgesprochen selten. Wenn der Beklagte in eine andere Wohnung umzieht, wird sich darin mit Sicherheit keine derartige Stufe befinden. Er wäre somit erheblich beweglicher innerhalb seiner Wohnung.

Zum anderen befindet sich die streitgegenständliche Wohnung im 3. Stock und verfügt nicht über einen Fahrstuhl. Der Beklagte kann die Wohnung daher nur mittels eines 15-minütigen Transportes mit Hilfe einer Treppenraupe verlassen. Vom Hauseingang zurück in die Wohnung dauert der Transport erneut 15 Minuten.

Der Sachverständige wird gebeten, zu berücksichtigen, dass die oben beschriebenen konkreten aktuellen Lebensumstände des Beklagten dessen psychischen Gesundheitszustand auch in Bezug auf einen möglichen Umzug in eine andere Wohnung stabilisieren und dass hierzu auch die Aussicht auf eine Wohnung beiträgt, die nach ihrer Ebenheit innerhalb der Räume sowie nach der Lage im Gebäude erheblich besser für den Beklagten geeignet sein wird.

II.

Stellungnahme zu den Antworten des Sachverständigen auf die ihm gestellten Fragen:

1. Der Sachverständige erklärt auf Seite 5 des Ergänzungsgutachtens: „Telefonate und Korrespondenzen mit dem Oberarzt der Neurologie, Herrn Dr. A., wurden geführt.“ Weder im Gutachten vom 25.06.2016 noch im Ergänzungsgutachten vom 25.09.2017 steht etwas über derartige Telefonate oder Korrespondenzen. Da der Sachverständige mit diesen Ausführungen seines Ergänzungsgutachtens die Echtheit der ihm vom Beklagten vorgelegten Unterlagen belegen möchte, muss er gefragt werden:
1. Frage an den Sachverständigen: Wann hat der Sachverständige welche Telefonate und Korrespondenzen mit dem Oberarzt der Neurologie, Herrn Dr. A., mit welchem Inhalt geführt?

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2. Der Sachverständige fügt seinem Ergänzungsgutachten unter anderem zwei an Frau Dr. med. B. gerichtete Schreiben des Herrn A. Facharzt für Neurologie, vom 08.06.2012 und 27.06.2017 bei.

2. Frage: Hat der Beklagt dem Sachverständigen Originale dieser beiden Schreiben vorgelegt?

3. Der Sachverständige erläutert, dass die allgemein übliche Basistherapie mit sog. Interferonen nur fraglich wirksam seien. Er weist zugleich darauf hin, dass diese Medikamente gespritzt werden müssten, dass jedoch eine Vielzahl von Patienten wegen eine Spritzenphobie und möglichen Nebenwirkungen in der Vergangenheit nicht zugestimmt hätten.

Fragen an den Sachverständigen:

3. Frage: Bedeutet „fraglich wirksam“, dass eine Basistherapie im obigen Sinne beim Beklagten mit Sicherheit ohne Erfolg verlaufen wäre?
4. Frage: Hat der Sachverständige untersucht: ob der Beklagte an einer Spritzenphobie leidet oder wegen möglicher Nebenwirkungen die o.a. Basistherapie abgelehnt hat? Ggf. mit welchem Ergebnis?

4. Dass eine medikamentöse Behandlung mit den üblichen MS-Medikamenten bei der Erkrankungsform des Beklagten nur fraglich wirksam sei, mag allenfalls vergangene Zeit zutreffen:

Anfang 2017 wurde eines von zahlreichen in früheren Studien erprobten Medikamenten als ausreichend wirksam auch bei der primär progressiven Verlaufsform der multiplen Sklerose angesehen, so dass in den USA eine beschleunigte Zulassung ausgesprochen wurde und in Deutschland ebenfalls der Antrag auf Zulassung in dem beschriebenen Indikationsbereich gestellt wurde (Wirkstoff Ocrelizumab). In einer „Stellungnahme des Vorstandes des Arztlichen Beirates der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V.“ vom 07.02.2017 heißt es hierzu wörtlich:

„Erstes Medikament zur Behandlung der primär chronisch progredienten Multiple Sklerose steht vor der Zulassung: Sind die hohen Erwartungen an Ocrelizumab gerechtfertigt?

Mit Ocrelizumab wird in absehbarer Zeit ein weiteres Medikament zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) zur Verfügung stehen. Kürzlich zeigten drei klinische Studien, dass Ocrelizumab nicht nur bei der schubförmigen MS, sondern auch bei Patienten mit primär-chronisch progredienter MS wirksam ist. Für diese Patientengruppe gibt es bisher keine zugelassenen Medikamente.

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Ab März 2017 soll Ocrelizumab in Deutschland im Rahmen eines „compassionate use“-Programms für ausgewählte Patienten mit primär-progredienter MS zur Verfügung stehen”

5. Frage an den Sachverständigen: Hat der Sachverständige Erkenntnisse darüber gewonnen, dass das Medikament Ocrelizumab möglicherweise bei der Erkrankung des Beklagten wirksam ist?

5. Ein Zusammenhang von Stress und Krankheitsauslösung sowie Krankheitsverschlimmerung wird zwar auf Grund zahlreicher Hinweise seit vielen Jahren angenommen, wissenschaftlich einwandfreie Belege für Art und Umfang dieses Einflusses sind allerdings recht spärlich und keinesfalls eindeutig.

Diese unzureichende Informationslage wird besonders deutlich, wenn man die schubförmige Verlaufsform der MS einerseits und die primär (bzw. sekundär) chronisch progrediente Verlaufsform andererseits — wie sie beim Beklagten vorliegt - voneinander differenziert und separat betrachtet. Bei seinem Bezug auf die oben aufgeführten beiden Studien, welche den Zusammenhang zwischen Stress und multipler Sklerose bezüglich Krankheitsauslösung und Krankheitsverschlimmerung belegen sollen, unterscheidet der Sachverständige allerdings nicht zwischen den vorgenannten beiden verschiedenen Verlaufsformen.

Der Sachverständige zieht aus der Studie von MOHR et al. den globalen Schluss, dass „Zusammenhänge zwischen Stress und multipler Sklerose“ bestehen und führt ohne Differenzierung der Verlaufsformen aus, dass „Stressfaktoren und Stresssituationen wichtige Zusatzfaktoren für die Auslösung des Krankheitsbeginns der MS, der Krankheitsschübe der MS, einer Verschlimmerung und einer Progression“ sein können.

Tatsächlich sind diese Schlüsse aus der angeführten Studie von MOHR et al. überhaupt nicht zu belegen; denn diese Studie hatte ein ganz anderes Untersuchungsziel: Es sollte die Wirksamkeit eines Stressmanagement-Programms bei MS-Kranken hinsichtlich eines verminderten Neu-Auftretens von bestimmten Krankheitsmarkern in den Bildern eines speziellen Untersuchungsverfahrens (Magnetresonanztechnik, MRI) im Vergleich zu einer parallelen unbehandelten MS-Patientengruppe untersucht werden.

Erst in zweiter Hinsicht wurden auch von außen feststellbare Krankheitsverschlechterungen sowie Stressauswirkungen betrachtet.

Die Studienergebnisse zeigten, dass während der Durchführung des Stressmanagement—Programms bei den teilnehmenden MS-Patienten mit dem og. Untersuchungsverfahren weniger neue Krankheitsmarker in den MRI-

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Bildern registriert wurden als bei den parallel untersuchten MS-Kranken ohne Stressbewältigungsprogramm im gleichen Zeitraum.

Dieser Effekt verschwand jedoch nach Beendigung des Stressmanagement-Kurses bei der Teilnehmergruppe, und darüber hinaus konnte im Vergleich der beiden Patientengruppen kein Nutzen der Teilnahme am Stressmanagement-Programm bezüglich der äußerlich feststellbaren Krankheitszeichen, Funktionsstörungen und Beschwerden festgestellt werden. Die Autoren der Studie MOHR et al. ziehen aus ihren Ergebnissen lediglich den Schluss:

„Die Untersuchung zeigt, dass das eingesetzte Stressmanagement-Verfahren nützlich dafür sein kann, die Entwicklung neuer, mit dem MRI-Verfahren féstzustellender Hirnläsionszeichen zu mindern“.

Es dürfte angesichts der bescheidenen Selbsteinschätzung der Autoren hinsichtlich der Bedeutung ihrer Studienergebnisse klar erkennbar sein, dass die weitreichenden Schlüsse des Sachverständigen zum Zusammenhang von Stress und Erkrankungsverlauf durch diese Studie jedenfalls nicht belegbar sind und ausweislich des beschriebenen Studienansatzes auch überhaupt nicht Gegenstand der Untersuchung waren.

Der Sachverständige nimmt ferner Bezug auf die Studie von ARTEMIADIS et al. (2011).

Diese Arbeit untersuchte die Durchführung und die Ergebnisse von 17 ausgewählten Beobachtungsstudien zum Thema Stress und Multiple Sklerose aus der Zeit 1980 bis 2010.

Als Ergebnis dieser Studienauswertung führt der Sachverständige an, dass 15 von 17 der untersuchten Studien einen Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und MS-Beginn oder Schubauslösung gezeigt hätten.

Die Autoren ARTEMIADIS et al. hingegen beurteilen die untersuchten Studienergebnisse selbst wesentlich kritischer und kommen zum Ergebnis:

„Die erhebliche Verschiedenheit der Beurteilung von Stress und Stressstärke in den verschiedenen Studien erlaubt es uns nicht, irgendwelche sicheren Schlüsse bezüglich der verschiedenen Aspekte von Stresseinflüssen zu ziehen“

Dabei betonen die Autoren noch, dass in der Gesamtheit der überprüften Verlaufsstudien lediglich 10 % der registrierten Krankheitsschübe auf erfasste Stress-Erlebnisse zurückzuführen waren, 90 % also keinen erfassbaren Stressbezug hatten.

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Schließlich muss bezüglich beider vom Gutachter aufgeführten wissenschaftlichen Arbeiten - MOHR et al. sowie ARTEMIADIS et al. - gesagt werden, dass sie sich mit der Häufigkeit von Läsionszeichen und/oder Krankheitsschüben als Folge von Stresseinwirkung befassten, während der Beklagte eine Erkrankungsform der MS hat, die gerade nicht durch die in den Studien festgestellten typischen Läsionszeichen und auch nicht durch eine Verschlechterung über Krankheitsschübe gekennzeichnet ist.

Wenn aber wirklich wissenschaftlich tragfähige Beweise für den geltend gemachten Zusammenhang zwischen Stress und MS-Verlauf — besonders in der bei dem Beklagten bestehenden Erkrankungsform - gar nicht vorliegen, wenn sich die von dem Sachverständigen angeführten Studien explizit gar nicht auf die primär chronisch progressive Verlaufsform beziehen, wenn selbst bei der schubförmig sich verschlimmernden Verlaufsform die Stress-Einflüsse im Mittel aller Studien nur für 10 % der Verschlimmerungsfälle verantwortlich gemacht werden konnten, dann muss die Einschätzung des Sachverständigen in Frage gestellt werden, wonach der zu erwartende Umzugsstress mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer Krankheitsverschlimmerung führen müsste als dass ein Umzug bezüglich der MS-Erkrankung von Herrn Lenz folgenlos bliebe.

Beweis: Sachverständigengutachten

Dem steht nicht entgegen, dass die Autoren ARTEMIADIS et al. zum Schluss ihrer Übersichtsarbeit anführen, dass Stress „den Beginn einer multiplen Sklerose und ihren Verlauf beeinflussen kann.“ Sie erwähnen hierbei nämlich besonders Stresserfahrungen in der frühen Kindheit, wodurch eine höhere Vulnerabilität von krankheitsbeteiligten Zellen im Nerven-system resultieren könnte.

Dies wäre aber eine ganz andere Art von Stresseinfluss, als sie vom Sachverständigen hier geltend gemacht wird.

Zur Bedeutung der Unterscheidung der Verlaufsformen bei der MS soll abschließend noch verwiesen werden auf die 2017 erschienene Dissertation „Klinische Charakteristika und Erkrankungsverlauf bei Patienten mit primär progredienter Multipler Sklerose“ von Maximilian Stefan RAUCH (Institut für klinische Neuroimmunologie der Ludwigs-Maximilians-Universität München). Hier ist unter Berücksichtigung zahlreicher Studien zu lesen:

„Die primär progrediente multiple Sklerose unterscheidet sich von der schubförmigen multiplen Sklerose nicht nur dahingehend, dass in der Regel

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die sonst so charakteristischen Schübe fehlen, sondern zusätzlich auch durch eine teilweise andere Epidemiologie (Auftreten der Erkrankung in der Bevölkerung), andere Pathologie (Ablauf der Krankheitsentwicklung) so wie andere klinische Symptomatik (Ausprägung der Beeinträchtigungen}. ...

Auf Grund der teilweise großen Unterschiede zwischen der primär progressiven multiplen Sklerose und der schubförmigen multiplen Sklerose wurde vorübergehend sogar diskutiert, ob man es nicht mit zwei verschiedenen Krankheitsbüdern und nicht nur zwei unterschiedlichen Erschezhungsformen dergleichen Krankheit zu tun hat“.

Bezüglich des Erkrankungsverlaufes und der Verlaufsfaktoren wird von RAUCH festgestellt:

„Insgesamt lassen diese Daten vermuten, dass die Progression der primär progressiven multiplen Sklerose kontinuierlicher und unabhängiger von äußeren Faktoren (Unterstreichung durch den Unterzeichner) verläuft als die Progression der schubförmigen multiplen Sklerose“.

Aus den in der vorstehenden Dissertation ausgewerteten wissenschaftlichen Arbeiten resultiert also, dass die Schlüsse aus den vom Sachverständigen hier vorgelegten Studien zum tatsächlichen oder vermeintlichen Einfluss von Stress auf den „schubförmigen“ Krankheitsverlauf keinesfalls auf das MS-Krankheitsbild der primär oder sekundär chronisch-progressiven Form des Beklagten übertragen werden können.

Darüber hinaus finden sich offensichtlich zahlreiche Hinweise, dass die chronisch progressive Verlaufsform der MS (welche beim Beklagten vorliegt) durch äußere Ereignisse (zu denen auch Stresserlebnisse gehören), weniger (positiv oder negativ) beeinflussbar ist als die MS-Form mit schubförmigem Verlauf (welche beim Beklagten nicht vorliegt).

6. Frage an den Sachverständigen: Hält der Sachverständige seine Feststellung, dass ein umzugsbedingter Stress für die Auslösung der Krankheitsschübe der MS des Beklagten, für ihre Verschlimmerung und für ihre Progression ursächlich sein wird, auch angesichts der vorstehenden Ausführungen weiter aufrecht und stützt er sie weiter auf die Studien von MOHR et al. sowie ARTEMIADIS et al?

6. Der Sachverständige ist auf S. 6 f. des Schriftsatzes vom 30.12.2016 nach wissenschaftlichen Belegen dafiir gefragt werden, dass eine zumindest leicht überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verschlechterung des Krankheitsbildes durch Veränderung der Lebenssituation (Umzug) bewirkt werden würde.

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Diese Frage beantwortet der Sachverständige nicht etwa mit Ausführungen dazu, aus welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Sicherheit für das Überwiegen der Wahrscheinlichkeit einer Krankheitsverschlechterung beim Umzug des Beklagten resultiert. Stattdessen nennt der Gutachter die „sorgfältige Zusammenschau“ aller Befundberichte etc. „einschließlich einer Exploration des begleitenden Pflegers“.

7. Frage an den Sachverständigen: Die „vorliegenden Befundberichte“ {Echtheit unterstellt) und die „Exploration des begleitenden Pflegers“ beschreiben den Zustand des Beklagten in der Vergangenheit. Welche wissenschaftlichen Belege und Erkenntnisse lassen hieraus auf den konkret zu erwartenden Zustand des Beklagten im Falle eines Umzuges in eine andere Wohnung schließen?

7. Der Sachverständige ist auf S. 7 f. des Schriftsatzes vom 30.12.2016 nach dem praktischen Nutzen eines Stressbewältigungstrainings gefragt worden, und ob dies nicht eine Möglichkeit wäre, Stress bzw. Stressauswirkungen auf die Gesundheit des Beklagten durch ein vorausgehendes Stressbewältigungstraining zu neutralisieren.

Hierauf antwortet der Sachverständige — S. 13 unten - überraschend: <„Es geht nicht um den Einfluss auf den Gesundheitszustand des Beklagten durch gezielte Hlfén zur Snessbewältigung.“

Der Sachverständige wechselt dann das Thema und äußert sich statt zu den Möglichkeiten der Stressbewältigung gleich zu den psychischen Folgen einer Überforderung durch einen erzwungenen Wohnungswechsel.

Anscheinend kann oder will sich der Sachverständige nicht mit den Möglichkeiten einer positiven Begleitung bei einem Wohnungswechsel des Beklagten auseinandersetzen. Schon gar nicht geht der Sachverständige ein auf ein vorgestelltes möglicherweise sogar positives Szenario, in dem z.B. der Wechsel in eine Wohnung mit Fahrstuhl, von der Straße zugänglich, zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität führen könnte, weil hierdurch der mühselige 15 Minuten dauernde Transport mit Hilfe einer Treppenraupe vom 3. Stock bis zu Straße und später der ebenfalls 15 Minuten dauernde Transport vom Hauseingang bis in die Wohnung zurück wegfallen könnte.

8. Frage an den Sachverständigen: Wie stellt sich „Stress“ dar, dem der Beklagte anläßlich seines Umzuges in eine andere Wohnung ausgesetzt ist?

9. Frage an den Sachverständigen: Welche Smptome welcher Intensität sind zu erwarten?

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10. Frage an den Sachverständigen: Mit welchem Wahrscheinlichkeitsggad?

8. Der Sachverständige ist auf S. 8 f. des Schriftsatzes vom 30.12.2016 nach der Bereitschaft des Beklagten gefragt worden‚ sich überhaupt realistisch mit den Auswirkungen eines Umzugs auseinanderzusetzen und auch möglicherweise positive Aspekte eines Wohnungswechsels in Betracht zu ziehen.

Dazu gibt der Sachverständige auf S. 14 des Ergänzungsgutachtens jedoch lediglich den Hinweis, dass ein Stressbewältigungsprogramm in Berlin nicht zur Verfügung stehe.

11. Frage an den Sachverständigen: Können positive Aspekte eines Wohnungswechsels einen beim Beklagten auftretenden „Umzugs-Stress“ mindern?

Wenn ja: 12. Frage an den Sachverständigen: Welche Feststellungen hat der Sachverständige darüber getroffen, ob der Beklagte nicht nur mögliche negative Folgen eines bevorstehenden Umzages befürchtet, sondern sich auch — ggf. mit medizinischer Begleitung - mit möglichen positiven Aspekten eines Wohnungswechsels beschäftigt?

9. Der Sachverständige erklärt auf S. 16 oben des Ergänzungsgutachtens:

„Eine medikammentöse Vorbereitung, um Angst und/oder Stress bei Herrn Lenz zu vermeiden, überschreitet an dieser Stelle eindeutig ethische Grenzen.“

13. Frage an den Sachverständigen: Kann daraus geschlossen werden, dass eine solche medikamentöse Vorbereitung/ßegleitung faktisch möglich ist?

14. Frage an den Sachverständigen:

  • Welche ethischen Grenzen meint der Sachverständige?
  • Wer legt sie fest?
  • Sind Ort oder Höhe solcher „ethischen Grenzen“ nicht ggf. vom Einzelfall abhängig?

10. Der Sachverständige ist auf S. 9 f. des Schriftsatzes vom 30.12.2016 — „12. Frage“ - nach der Klärung der psychosozialen Situation des Beklagten gefragt

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worden, die, zur Ermessung einer psychischen Belastung durch einen Umzug, für den Beklagten positiv wirksam werden könnte.

Genau hierauf geht aber der Sachverständige nicht ein und verweist lediglich lapidar darauf, dass er die zahlreichen Aktivitäten des Beklagten berücksichtigt habe.

Das ist weder vom Ergebnis her verständlich, noch lässt sich dies aus den Ausführungen des Gutachtens oder des Ergänzungsgutachtens nachvollziehen.

15. Frage an den Sachverständigen: Ergibt sich aus den sichtbaren Aktivitäten des Beklagten nicht auch für den Sachverständigen, dass der Beklagte offensichtlich mit einer stressfesten und robusten Psyche ausgestattet ist, die deshalb erwarten lässt, dass er einen Wohnungswechsel ohne besonderen Stress bewältigt, der den ansonsten vorhandenen Stress durch (u.a.)

  • Go-Wettkämpfe,
  • die Reisen dorthin,
  • durch Chorproben,
  • öffentliche Chorauftritte,
  • die Reisen dorthin,
  • Mitgliedschaft im Vorstand des Mietervereins Potsdam,
  • die Reisen dorthin
  • durch alltäglich notwendige Transporte von der Wohnung zur Straße und
  • umgekehrt

jedenfalls nicht signifikant übersteigt?

16. Frage an den Sachverständigen: Hat der Sachverständige berücksichtigt, dass der Beklagte über sich selbst auf seiner „Twitter“—Seite (Anlage BK 13) schreibt: „Emotional wie eine Rauhfasertapete?

11. Der Sachverständige ist auf S. 11. des Schriftsatzes vom 30.12.2016 danach gefragt worden, wie die Folgen eines Wohnungswechsels in ihrer physischen und psychischen Konsequenz fiir den Beklagten aussehen würden. Der Sachverständige berichtet hierzu auf S. 16 f. von der Möglichkeit neuer entzündlicher MS—Schübe mit den entsprechenden „verheerenden neurologischen Funktionsstörungen“.

Eine solche Form von Krankheitsauslösung durch Umzugsstress wäre aber gerade bei der Erkrankungsform des Beklagten nicht zu erwarten.

Beweis: Sachverständigengutachten

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12. Darüber hinaus erwartet der Sachverständige auf S. 16 unten des Ergänzungsgutachtens vom 25.09.2017 „eine weiteren Verschlechterung der Depression des Patienten“, also eine über das neurologische Krankheitsbild hinaus gehende weitere, jetzt auch psychische Erkrankung.

„Eine weitere Verschlechterung“ eines Krankheitsbildes setzt denklogisch voraus, dass dieses Krankheitsbild als solches schon beim Patienten besteht. Das Gutachten vom 25.06.2016 und das Ergänzungsgutachten vom 25.09.2017 enthalten jedoch keinerlei Hinweise auf eine bereits bestehende Depression des Beklagten:

Auf S. 13 oben des Gutachtens vom 25.06.2017 wird lediglich der Beklagte selbst zitiert, der während einer zurückliegenden Behandlung mit Sativex eine schwere depressive Verstimmung bekommen hätte. Daraus folgt, dass diese Verstimmung jedenfalls zur Zeit der Untersuchung durch den Sachverständigen schon längst nicht mehr bestanden hatte. Demzufolge hat der Sachverständige hierzu auch keine weiteren Ausführungen gemacht.

Auf S. 14 oben des Gutachtens vom 25.06.2017 wird wiederum der Beklagte selbst zitiert, der gegenüber dem Sachverständigen erklärt habe, er benötige immerzu irgendwelche Aktivitäten; sonst werde er depressiv. Auch hierzu hat der Sachverständige in der Folge keine Ausführungen gemacht.

Allerdings ergibt sich aus dieser Erklärung des Beklagten, dass er durch Aktivitäten positiv gestimmt werde. Seine Aktivitäten haben indes nicht nachgelassen, wie allein die Beispiele zu oben I. zeigen. Es gibt daher weiterhin keinen konkreten Grund, überhaupt die Entstehung von Depressionen bei dem Beklagten zu befürchten und schon gar nicht deren „weitere Verschlechterung“, wie der Sachverständige meint.

Auf S. 14 oben des Gutachtens vom 25.06.2017 wird schließlich wiederum der Beklagte selbst zitiert, der gegenüber dem Sachverständigen „Fragen nach depressiven Gedankeninhalten und Stimmungen (...) strikt verneint.“

Auch hiernach gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine bereits bestehende Depression.

17. Frage an den Sachverständigen: Stimmt der Sachverständige der Feststellung zu, dass ein durch gerichtliches Urteil gebotener Wohnungswechsel des Beklagten auf der Grundlage seiner sachverständigen Feststellungen schon deshalb nicht zu „einer weiteren Verschlechterung der Depression des Patienten führen würde, weil der Beklagte überhaupt nicht an einer diagnostizierten Depression leidet?

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