Beschluss des LSG vom 05.12.16

Aus cvo6
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Az.: L 23 SO 310/16 B ER
Az.: S 20 SO 152/16 ER
Sozialgericht Potsdam

Inhaltsverzeichnis

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Oliver Lenz,
Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam

- Antragsteller und Beschwerdegegner -

Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt Dr. phil. Falko Drescher,
Helene-Lange-Straße 8, 14469 Potsdam
Az.: 111-16-D

gegen

Landeshauptstadt Potsdam
FB Soziales und Gesundheit,
Hegelallee 6 - 8, Haus 2, 14469 Potsdam
Az.: 3812

- Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -

hat der 23. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 5. Dezember 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. H. beschlossen:

Auf Antrag der Beschwerdeführerin wird die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 9. November 2016 - Az.: S 20 S0 152/16 ER - bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Beschwerdeinstanz insoweit ausgesetzt, als das Sozialgericht die

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Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet hat mehr als 8.665,08 Euro monatlich als persönliches Budget (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes) zu berücksichtigen (§ 199 Abs. 2 Satz 1 SGG). Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Gründe:

Der Antrag des Beschwerdeführers, die Vollziehung des Beschlusses auszusetzen (§ 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)‚ ist zulässig jedoch nur teilweise begründet.

Der Beschluss des Sozialgerichts hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt und die Beschwerde des Antragsgegners hat keine aufschiebende Wirkung. Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, so kann der Vorsitzende des Gerichtes, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen (§ 199 Abs. 2 Satz 1 SGG). Diese Entscheidung steht im Ermessen des Gerichtes (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 5 199 Rdnr. 8). Es findet eine Interessenabwägung statt. Zu berücksichtigen ist einerseits das Interesse der Beschwerdegegner an der Vollziehung, andererseits das Interesse des Beschwerdeführers daran, dass nicht vor Klärung der Rechtslage geleistet wird. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes sind zu berücksichtigen (LSG Niedersachsen, Breithaupt 1960, Seite 87).

Nach den vorgenannten Grundsätzen ist die Aussetzung der Vollstreckung hier nur insoweit anzuordnen, als das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet hat, vorläufig mehr 8.665,08 Euro monatlich als persönliches Budget zu berücksichtigen, da der Beschluss des Sozialgerichts nach dem derzeitigen Kenntnisstand insoweit voraussichtlich keinen Bestand wird haben könnte.

Im Übrigen dürfte die Beschwerde jedoch keinen Erfolg haben, da nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht ersichtlich ist, dass der Beschluss keinen Bestand haben wird. Dabei kann hier dahinstehen, ob die Anordnung des Sozialgerichts im Wege der sog. Folgenabwägung ergehen durfte, da sich das Sozialgericht in der Sache vielmehr auf eine von der Antragsgegnerin erstellte Kalkulation gestützt hat und damit in der

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Sache eine für das einstweilige Rechtsschutzverfahren mögliche abschließende Sachprüfung zugrunde gelegt hat. Dass diese Sachprüfung, soweit diese zur Berechnung eines monatlichen persönlichen Budgets von 8.665,08 Euro gelangt, unzutreffend ist, lässt sich jedenfalls im Verfahren nach § 199 Satz 2 SGG nicht feststellen. Dies gilt — abgesehen von den Erwägungen des Sozialgerichts — zudem im Hinblick auf die Rspr. des BAG zur Berücksichtigung der Bereitschaftszeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn (vgl. Urteil vom 29. Juni 2016 — 5 AZR 716/15), deren Auswirkung auf den vorliegenden Rechtsstreit im Rahmen des Verfahrens nach § 199 Satz 2 SGG nicht abschätzbar sind. Lediglich hinsichtlich des vom Sozialgericht berücksichtigten „Sicherheitszuschlags“, der zu einer vorläufigen Verpflichtung von 8.800,00 Euro geführt hat, dürfte der Beschluss des Sozialgerichts nach dem derzeitigen Kenntnisstand insoweit voraussichtlich keinen Bestand haben. Dieser Zuschlag, der wohl auf den vom Sozialgericht angenommenen Unsicherheiten hinsichtlich der vorgenommenen Folgenabwägung beruht, ist letztlich nicht begründbar. Soweit das Sozialgericht ihn auf die „Nicht-Ausschließbarkeit“ weiterer Kosten stützt, ergibt sich bereits daraus, dass solche jedenfalls nicht glaubhaft gemacht sein dürften.

Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen, da das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG ein unselbständiges Zwischen- oder Nebenverfahren im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens darstellt und einer gesonderten Kostenentscheidung nicht zugänglich ist (vgl.: LSG Berlin-Brandenburg vom 18. Mai 2005, L 20 AS 1664/08 ER; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 199 Rn. 19; Zeile, SGG, § 199 Rn. 11 c). Die gegenteilige Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (Beschluss vom 6. Januar 2014 - L 5 AR 53/13 R ER), dass das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung eine selbständige Streitsache mit der Folge sei, dass eine gesonderte Kostenentscheidung notwendig ist, überzeugt nicht, da diese sich auf eine Ähnlichkeit des § 199 Satz 2 SGG mit § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG stützt, hinsichtlich dessen in der Sozialgerichtsbarkeit und der Literatur uneingeschränkt von einem selbstständigen Verfahren mit der Notwendigkeit einer Kostenentscheidung ausgegangen werde. Die dieser Auffassung zu Grunde gelegte Parallelität der Vorschriften des § 199 Satz 2 SGG und § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, liegt allerdings nicht vor. 5 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG betrifft zunächst eine

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Anfechtungssituation und nicht die hier zugrundeliegende Verpflichtungssituation, für die § 86b Abs. 2 SGG einstweiligen Rechtsschutz gewährt. Das Verfahren nach § 199 Satz 2 SGG hat daneben lediglich zum Ziel, die Vollstreckung aus der mit der Berufung oder Beschwerde angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung vorläufig auszusetzen. Es dient insbesondere nicht, wie § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, der vorläufigen Gestaltung der Rechtslage durch Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (vgl. dazu Hintz/Lowe SGG § 86b Rn. 38) und auch nicht der vorläufigen Reglung eines Zustandes durch Erlass einer einstweiligen Anordnung (Rohwer-Kahlmann, SGG, § 199 Rz. 19). Vielmehr beschränkt sich die Anordnung darauf, eine von Gesetzes wegen angeordnete Wirkung des Urteils bzw. des Beschlusses — die Vollstreckbarkeit — zunächst auszusetzen. Das Verfahren nach § 199 Satz 2 SGG entspricht damit strukturell dem § 570 Abs. 3 ZPO (und nicht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG), der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbar ist (Sodan/Ziekow, SGS, § 149 Rz. 11f.). Auch im Geltungsbereich der ZPO wird ausdrücklich zwischen den einstweiligen Verfügungen und den vorläufigen Maßnahmen nach § 570 Abs. 3 ZPO unterschieden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl.,§ 570 Rz. 5). Nach der std. Rspr. der Verwaltungsgerichte kann das Beschwerdegericht auf Antrag oder von ' Amts wegen gemäß 5 173 VwGO iVm. 5 570 Abs. 3 ZPO die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung aussetzen (OVG Berlin. NVWZ 2001, 1424, 1425; VGH Mannheim, NVWZ 2000, 691, 692). Kosten dieses Verfahrens werden jedoch als solche des Rechtsstreits in der Hauptsache angesehen, weshalb diesbezügliche Beschlüsse keine Kostenentscheidung enthalten (vgl.Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., Rz. 1156).

Potsdam, 5. Dezember 2016
Dr. H.
Vorsitzender Richter am Landessozialgericht

Beglaubigt
gez. G. - Siegel
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