Schriftsatz der Gegenseite 3.9.2013
A.& S.
Landgericht Potsdam
Jägerallee 10-12
14469 Potsdam
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02 ...
03.09.2013
13 S 68/13
In der Sache
J. C.
/RAe A. & S./
gegen
- Oliver Lenz
- H. L.
/RAin Damrow/
danke ich für die bewilligte Fristverlängerung und begründe die mit Schriftsatz vom 01.07.2013 eingelegte Berufung mit dem Antrag,
- das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 28.05.2013 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die im Hause Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam, 3. Obergeschoss links, belegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Bad und Balkon, zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
- 2 -
Begründung:
Zu Unrecht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Der Klageantrag wird daher vollumfänglich aufrechterhalten, und das erstinstanzliche Urteil wird insgesamt zur Überprüfung durch das Landgericht gestellt.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 01.07.2011 beendet worden.
Das Amtsgericht erkennt zwar richtigerweise das berechtigte Interesse des Klägers an der Vertragsbeendigung wegen Eigenbedarfs; zu Unrecht meint das Amtsgericht jedoch, dass diesem Interesse "im Rahmen einer Gesamtabwägung" das Fortsetzungsinteresse des Beklagten zu 1. entgegenstehe.
Ein solches überwiegendes Fortsetzungsinteresse des Beklagten zu 1. besteht nicht. Das Amtsgericht nimmt in seinen Entscheidungsgründen auch überhaupt keine Abwägung vor:
Auf S. 5 des Urteil, letzter Absatz, bis S. 6 oben zitiert das Amtsgericht allgemeine Rechtsausführungen zu § 574 BGB, wie sie bei Schmidt-Futterer/Blank zu finden seien. Inwieweit diese Ausführungen vorliegenden Rechtsstreit betreffen und inwieweit sie den Urteilstenor stützen, wird vom Amtsgericht jedoch nicht näher ausgeführt und ist auch nicht sonst aus den Entscheidungsgründen ersichtlich.
Im 2. Absatz auf S.6 des Urteils weist das Amtsgericht zutreffend darauf hin, dass der Gesundheitszustand des Beklagten zu 1. nicht zwangsläufig zu dessen Räumungsunfähigkeit führt. Warum indes nach Auffassung des Amtsgerichts hier in besonderem Maße zu berücksichtigen sei, dass der Beklagte zu 1. die an gleicher Stelle beschriebenen Merkmale eines besonders Behinderten aufweise, wird vom Amtsgericht nicht einmal angedeutet.
Stattdessen meint das Amtsgericht im darauf folgenden Absatz sogleich, dass das Fortsetzungsinteresse des Beklagten das Beendigungsinteresse des Klägers überwiege. Eine Begründung dieses Kernsatzes fehlt völlig. Stattdessen wird ohne jede Erläuterung auf diverse Grundrechte beider Parteien unter bloßer Nennung der Art. 1 I GG, 2 II GG, 12 I GG und 14 I GG verwiesen. Dabei scheint die Reihenfolge der benannten Grundrechtsartikel rein arithmetischer Natur zu sein.
Sodann folgt ein für das Amtsgericht offenbar besonders wichtiges Argument zu Gunsten des Beklagten zu 1. - die erste scheinbare Auseinandersetzung mit konkretem Sachverhalt: Das Amtsgericht meint, die Wohnung sei für den Beklagten zu 1. geeignet. Wenn man einmal unterstellt, dass diese Annahme richtig ist, so ergibt sich hieraus keinesfalls eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Klägers nicht zu rechtfertigen ist. Vielmehr entspricht es dem Normalfall, dass ein Mieter eine für ihn ansonsten geeignete Wohnung wegen Eigenbedarf des Vermieters räumen muss. - 3 - Der Umstand, dass eine Wohnung für den Mieter geeignet ist, kann grundsätzlich nicht für die Begründung einer nicht zu rechtfertigenden Härte herangezogen werden, solange diese Wohnung keine besonderen Merkmale aufweist, die sie von anderen Wohnungen so sehr unterscheidet, das nur sie als geeignete Wohnung für den Mieter in Betracht kommt.
Das ist vorliegend aber überhaupt nicht ersichtlich oder gar vorgetragen. Das Gegenteil ist sogar der Fall:
- Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich in der dritten Etage und kann deshalb vom Beklagten zu 1. nicht ohne fremde Hilfe und auch nicht ohne Benutzung einer "Treppenraupe" verlassen bzw. erreicht werden.
- Die streitgegenständliche Wohnung erstreckt sich auf zwei Ebenen, die durch zwei Stufen voneinander getrennt sind (Skizze in Anlage K9). Der Beklagte zu 1. benötigt fremde Hilfe, um auch nur vom Wohnzimmer in die übrigen Räume zu gelangen.
Die streitgegenständliche Wohnung erweist sich danach als für den Beklagten zu 1. ungeeignet.
Jedenfalls kann die Antwort auf die Frage nach der Eignung dieser Wohnung für den Beklagten zu 1. ersichtlich nicht dazu führen, zu seinen Gunsten eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB anzunehmen.
Die Wohnung ist nicht nur für den Beklagten zu 1. wegen ihrer Lage und Toplogie ungeeignet, sondern sie ist für eine einzelne Person auch zu groß.
- Alleine?? Und was ist mit meinen Kindern? A. und I. wohnen bei mir im Nebenwohnsitz. F. und H. halten sich hier regelmäßig auf. Überdies benötige ich ein Zimmer für meine ständig erforderliche Assistenz.
Jedenfalls muss die Größe der Wohnung von fast 80 qm im Rahmen einer Abwägung den Ausschlag zu Gunsten des Klägers und seiner aus insgesamt 3 Personen bestehenden Familie geben.
Soweit sich nach Auffassung des Amtsgerichts (S. 6 vorletzter Absatz) ausweislich der Aussage der Zeugin L. in der Wohnung noch ein Lifter, 2 Rollstühle und 2 Trainingsgeräte befinden sollen, ist dies nicht von den Parteien vorgetragen. Im übrigen ist nicht erkennbar, was das mögliche Vorhandensein solcher Gerätschaften mit dem Zuschnitt der Wohnung des Beklagten zu 1. zu tun haben soll.
- Wie schon in der Klageerwiderung benannt: Ich benötige und habe in meiner Wohnung u.a.:
- zwei Rollstühle, davon ein sog. "Stehrollstuhl"
- Personenlifter (Aufrichtlifter)
- Treppenraupe
- Toilettenstuhl
- Bewegungstherapiegerät (Motomed)
- Therapiegerät (Rüttelplatte)
- Sprossenwand (für physiotherapeutische Übungen im Hausbesuch)
- 1,40 m breite Liege (dito, d. h. Krankengymnastik und Lymphdrainage)
- Flipper/Pinball (um an guten Tagen selber zu spielen, für meine Kinder, als Attraktion aller Kinder der Nachbarschaft)
- Wie schon in der Klageerwiderung benannt: Ich benötige und habe in meiner Wohnung u.a.:
Unstreitig benötigt der Beklagte zu 1. die Wohnung auch nicht (mehr) als Wohn- und Übernachtungsmöglichkeit für seine Kinder.
- Wie bitte? Meine jüngeren Kinder sind Jahrgang 1998 und 2002! Sie brauchen sehr wohl die Wohn- und Übernachtungsmöglichkeit bei mir! Beispiel: Mein Sohn A. hat im Sommer seine Jugendweihe bei mir gefeiert! Und regelmäßig bringen beide Kinder Übernachtungsgäste zu mir nach Hause mit! Z. B. am 14.9. J.
Diese sind inzwischen so groß und unabhängig geworden, dass sie den Beklagten zu 1. in jeder anderen Wohnung genauso oder besser (Etage/Stufe !) zu Fuß, per Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln besuchen und ggf. dort betreuen können. Das gilt insbesondere auch für Isabelle und A. (vgl. meinen Schriftsatz vom 06.05.2013, S.2).
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Dass die Zeugin L. die streitgegenständliche Wohnung auf dem Weg von/zur Universität mit dem Fahrrad binnen 15 Minuten erreichen kann, ist allenfalls ein Vorteil für die Zeugin. Sie kann den Beklagten zu 1. auch in einer anderen Wohnung jederzeit besuchen. Der Beklagte zu 1. ist auch nicht darauf angewiesen, dass seine Tochter ihn auf dem Weg von oder zur Universität in binnen 15 Minuten erreichen kann. Schließlich ist nach der Lebenserfahrung auch zu erwarten, dass die Zeugin L. schon bald nicht mehr zur Universität zum Arbeiten oder Studieren fährt.
Bei diesem vorstehenden Argument handelt es sich somit um eine bloße Bequemlichkeit und nicht um einen im Rahmen von § 574 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden relevanten Nachteil.
Die Teilnahme des Beklagten zu 1. am sozialen Leben hängt nicht vom verbleib in der streitgegenständlichen Wohnung ab. Wie bereits ausführlich in erster Instanz dargelegt, kann der Beklagte zu 1. seine sämtlichen Kontakte zur Familie und auch zu Freunden auch in einer anderen Wohnung beibehalten. Diese können den Beklagten auch weiterhin gerne und oft besuchen.
Nennenswerte Kontakte zu Nachbarn hat es bisher schon nicht gegeben. Der Beklagte zu 1. könnte vergleichbare Kontakte auch an anderer Stelle wieder herstellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er nach seinem eigenen Vortrag, aber auch ausweislich seines Internet-Auftritts ( http://www.cvo6.de ) viele Menschen kennt und ausgesprochen gut kommuniziert.
Ein aktuelles Beispiel für die Kommunikationsfähigkeit des Beklagten zu 1. findet sich auf seiner o.a. Homepage unter der Adresse:
Der Beklagte bietet hier die komplette Korrespondenz zur vorliegenden Kündigung und zu dem laufenden Rechtsstreit zur Einsicht und Download für jedermann an,
- Anlage BK 1.
Sicher steht das da. Aber für jeden einzelnen Buchstaben, der dort steht, benötige ich Assistenz. Bzw. (mein Sohn!) bedienen meinen Scanner. Soll das "hervorragende Kommunikationsfähigkeit" sein?!?
Das von den Beklagten vorgetragene Erhaltungsinteresse beschränkt sich auf bloße Bequemlichkeit. Der Beklagte zu 1. kann sämtliche dargestellten Bedürfnisse und Interessen auch in einer anderen Wohnung befriedigen.
Von relevanten Nachteilen zu Lasten des Beklagten zu 1. könnte im Falle seiner Verurteilung zur Räumung daher nicht gesprochen werden.
Dem gegenüber ist das Erlangungsinteresse des Klägers nicht nur bewiesen sondern evident. Er benötigt die streitgegenständliche Wohnung als Lebensmittelpunkt für sich, seine Lebensgefährtin H. und den gemeinsamen Sohn C., der gerade 2 Jahre alt geworden ist. Der Kläger und seine Familie leben noch immer provisorisch "auf Kisten und Kasten" im Berliner Büro des Klägers, ...Str. ..., ... Berlin. Ein Großteil des Hausrates ist weiterhin in einer "Lagerbox" eingelagert, weil das Büro zu klein ist.
Der Bürobetrieb wird durch das private Wohnen seiner Familie gestört. Das Privatleben wird wiederum durch den Bürobetrieb gestört.
Beweis:
- Vernehmung des Klägers als Partei, hilfsweise seine Anhörung.
- Zeugnis der Frau H., bereits benannt.
Die Kündigung ist ergänzend gestützt worden auf das Schreiben des Hausverwalters aus Anlage K 11. Die Beschädigung der Treppenstufen und des Flurbereiches des Treppenhauses hat der Beklagte zu 1. durch seine Helfer verursacht, die hier als Erfüllungs- oder auch als Verrichtungsgehilfen gelten. Deren Verschulden hat der Beklagte zu 1. sich daher zuzurechnen.
Entgegen der Annahme des Amtsgerichtes handelt es sich insoweit nicht um eine formelle Kündigungserklärung, sondern um nachgeschobene Kündigungsgründe im Sinne des § 574 Abs. 3 BGB.
Ergänzend beziehe ich mich auf meinen gesamten erstinstanzlichen Vortrag einschließlich der Beweisantritte.
A.
Rechtsanwalt