Widerspruchsbescheid Kopfmaus vom 28.11.16

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Landeshauptstadt Potsdam
Der Oberbürgermeister
FB Soziales und Gesundheit
Hegelallee 6-8
R.
Mein Zeichen: 384202.000079899

Herrn
Oliver Lenz
Carl-v.-Ossietzky-Str. 6
14471 Potsdam

28.11.2016

Widerspruchsverfahren - Hilfsmittelantrag Kopfmaus
Rg.Nr.: W223/2016
Widerpsruch vom 01.09.2016

Sehr geehrter Herr Lenz,

den Bescheid vom 09.08.2016

Vom 09.08. war eine Rückfrage der LHP; der Bescheid war vom 17.08.!

hebe ich auf. Ihrem Antrag auf ein Hilfsmittel - Kopfmaus für den Computer - wird als unzuständiger Rehabilitationsträger nach § 33 Abs. 1 SGB VI dem Grunde nach entsprochen.

Für die Gewährung ist es erforderlich, dass Sie mir drei aktuelle Kostenvoranschläge einreichen.

Begründung:

Sie leiden an Multipler Sklerose. In Folge des Krankheitsfortschrittes besteht eine verschlechterte bis aufgehobene Bewegungsfähigkeit der Extremitäten. Sie sind schwerstpflegebedürftig und beziehen Leistungen der Pflegestufe 3+. Weiterhin wird ein Persönliches Budget zur Deckung eines 24-stündigen Assistenzbedarfes durch die Landeshauptstadt Potsdam gewährt.

Mit Schreiben vom 16.07.2016 hat die Techniker Krankenkasse - als eigentlich zuständiger Kostenträger - ihren Antrag auf o.g. Hilfsmittel vom 05.07.2016 nach § 14 SGB IX an die Landeshauptstadt Potsdam weitergeleitet.

Nach Ausführung der zuständigen Krankenkasse ist das Grundbedürfnis Kommunikation bei Ihnen verbal sichergestellt und eine weitergehende Versorgung nicht möglich, da das Schreiben von Briefen oder Mails das elementare Grundbedürfnis nach Kommunikation übersteigt.

Dem Weiterleitungsschreiben war ein Rezept des Facharztes für Neurologie im St. Josefs-Krankenhaus Potsdam, Herrn A., vom 27.05.2016 für eine "Headmouse" beigefügt und ein Anschreiben von Herrn A. vom 27.05.2016, wonach die Bedienung einer "normalen" Computermaus ausgeschlossen ist und nach Prüfung die "Headmouse" sich als

Inhaltsverzeichnis

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Hilfsmittel eignet. Der Weiterleitung war darüber hinaus ein Kostenvoranschlag für o.g. Hilfsmittel der REHAVISTA GmbH in Höhe von insgesamt … EUR vom 05.07.2016 beigefügt, nebst einem REHAVISTA-Beratungsprotokoll. Der Kostenvoranschlag beruht auf dem Wiedereinsatz eines bestehenden Gerätes.

In Erwiderung auf mein Schreiben vom 09.08.2016 teilten Sie mir am 12.08.2016 schriftlich mit, dass Hilfsmittel zur selbständigen Bedienung des Computers benötigen. Bisher habe die Assistenz längere Texte getippt. Aufgrund des Krankheitsverlaufs ist nun mehr auch für kurze Texte und einfache Klicks die Unterstützung erforderlich. Dies lässt sich aber nicht mit Ihrem Wunsch auf Privatsphäre vereinbaren.

Mit Bescheid vom 17.08.2016 lehnte ich das o.g. Hilfsmittel ab und verwies unter anderem darauf, dass Ihnen eine Assistenz zur Verfügung steht und es daher an der Erforderlichkeit mangelt.

Mit Schreiben vom 01.09.2016 legten Sie hiergegen Widerspruch ein. Sie stellten klar, dass das Hilfsmittel für Ihre Selbstbestimmung unabdingbar sei. Weiterhin erklärten Sie, dass die Assistenz nicht 24 Stunden beschäftigt sei, sondern Schlaf- und Ruhepausen hat und in diesen Phasen nicht attestieren

Wirklich: "attestieren", nicht "assistieren"

kann. Schließlich bestünde auch der Wunsch nach Intimität.

Gemeint ist zweifellos "Intimsphäre".

Auf Nachfrage bei der Rehavista GmbH vom 17.11.2016 wurde mitgeteilt, dass der Kostenvoranschlag vom 05.07.2016 Nur für die zuständige Krankenkasse gelte, da es sich um einen Wiedereinsatz handelt. Auf diese Geräte können andere Kostenträger nicht zugreifen. Auf telefonische Nachfrage bei der zuständigen Krankenkasse wurde dies bestätigt.

II.

Mit Weiterleitung Ihres Antrages durch die Techniker Krankenkasse wurde nach § 14 SGB IX meine Zuständigkeit begründet. Der Anspruch ist unter allen für die Leistung in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen.

Text im Original

Nach nochmaliger Prüfung ist das beantragte Hilfsmittel nach § 33 SGB V zu gewähren.

Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelnen erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Erforderlichen nicht überschreiten. Der Umfang des geschuldeten Behinderungsausgleichs bemisst sich dabei entscheident danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird.

Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Hierfür gilt ein möglichst weitgehender Ausgleich des Funktionsdefizits.

Ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich und werden deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten oder indirekten Folgen der Behinderung benötigt, sind die Krankenkassen nur für einen Basisausgleich von

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Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zum Grundbedürfnis gehört auch die Erschließung eines geistigen Freiraums, also die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen Menschen.

Das begehrte Hilfsmittel ermöglicht Ihnen die Nutzung des Computers, in dem die Bedienung der Maus statt mit der Hand über den Kopf erfolgt. Damit wird die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht vollständig bzw. ausreichend ersetzt, sondern das Hilfsmittel wird nur benötigt um Folgen der Behinderung in einem Teilbereich auszugleichen. Mithin besteht nur eine Verpflichtung zu einem Basisausgleich.

Das Grundbedürfnis Kommunikation ist vorliegend nicht bereits ohne das begehrte Hilfsmittel sichergestellt. Nach dem GKV-Hilfsmittelverzeichnis besteht ein Anspruch auf behinderungsbedingte Hardwareprodukte zur Eingabeunterstützung nur, sofern sich der berechtigte Personenkreis nicht oder nur unzureichend lautsprachlich verständlich äußern können.

Soweit sich die zuständige Krankenkasse bei ihrer Weiterleitung ausschließlich auf diese Bestimmung beruft, verkennt sie einerseits, dass das Verzeichnis keine zwingenden Ansprüche begründet, sondern nur als Auslegungshilfe dient. Darüber hinaus ist aber auch da gesteigerte Kommunikations- und Informationsbedarf über das Internet und den Computer im Allgemeinen mittlerweile zur normalen Lebensführung und betrifft daher ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens.

Auch das so im Original.

Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts — Urteil vom 24.01.1990 - 3/6 RK 16/87 — gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auch ein persönlicher Freiraum, eine Intimsphäre in der sich ein Mensch unbeobachtet von anderen betätigen kann.

Der Anspruch eines Versicherten auf Ausstattung mit einem Hilfsmittel ist allerdings nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot dann ausgeschlossen, wenn der mit dem Hilfsmittel verfolgte Zweck auch auf andere Weise mit geringeren finanziellen Aufwand ebenso wirksam erreicht werden kann.

Die Wahrnehmung durch einen Assistenten ist kein milderes Mittel, da es gerade dem Schutzgut auf Intimität zuwiderläuft und dem verfolgten Zwecke verfehlt. Nur durch das vorliegend begehrte Hilfsmittel wird die Abhängigkeit von dritten Personen verringert und der persönliche Freiraum erweitert. Ohne die Einschaltung von Hilfspersonen ist die Kommunikations- und Informationsbeschaffung nicht ausreichend möglich.

Die Gewährung von Leistung erfolgt nach Vorlage von drei aktuellen Kostenvoranschlägen, aus denen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit die Auswahl erfolgt.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen den Ausgangsbescheid … kann innerhalb eines Monats … Klage …

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(x) Die Ihnen im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten werde ich auf Antrag erstatten, soweit sie nachgewiesen werden und notwendig waren.
Dies gilt auch für die Gebühren und Auslagen Ihres Bevollmächtigten. (§ 63 Abs. 1 und 2 SGB X).

Gegen die Kosten- und Hinzuziehungsentscheidung …

Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
gez. R.

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