Schriftsatz der Gegenseite 8.4.2014
A S
Landgericht Potsdam
Hegelallee 10-12
14469 Potsdam
08.04.2014
13 S 68/13
In der Sache
C.
/RA A. S./
gegen
Lenz
/RAin Damrow/
möchte ich so kurz vor dem Verhandlungstermin vom 30.04.2014 die Gerichtsakte nicht überfrachten. Gleichwohl muss in der gebotenen Kürze auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 18.03.2014 erwidert werden.
Es kommt zwar für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob und gegebenenfalls wann der Kläger von H. nach B. gezogen ist. Entscheidend ist nämlich insoweit noch immer sein Wille, gemeinsam mit seiner Familie in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen.
Wir hatten bereits mit Schriftsatz vom 21.03.2013, Seite 2 Mitte, unter Beweisantritt dargelegt, dass der Kläger inzwischen mit seiner Familie provisorisch in das [] Büro gezogen sei. Die Zeugin H. hat dies bei ihrer Vernehmung am 22.03.2013 (Seite 6 f.) bestätigt.
Inhaltsverzeichnis |
Seite 2
Diese Tatsache ist auch in erster Instanz unstreitig geblieben.
Der Kläger hat im Schriftsatz vom 25.02.2014 nicht vorgetragen, die Mutter seines Kindes (die Zeugin H.) habe im Mai 2013 gezwungenermaßen noch in H. gelebt. Der Unterzeichner hatte lediglich mit Schriftsatz vom 25.02.2014 darauf hingewiesen, dass es unerheblich sei, ob die Zeugin H. im Mai 2013 das Muttersein in H. genossen habe oder nicht. Damit war die entsprechende Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Seite 3 oben des Schriftsatzes vom 06.01.2014 beantwortet worden. Dort nämlich hatte der Beklagte vortragen lassen, dass die Zeugin H. im Mai 2013 auf der Internetseite erklärt habe, sie genieße das Muttersein in H.
Zur Klarstellung wiederhole ich:
Der Kläger und seine Familie wohnen seit Ende 2012 in den Büroräumen seiner Einzelfirma in der [...] in B.
’’’Beweis:
- Zeugnis der bereits benannten Frau H.,
- Zeugnis der bereits benannten Frau p.,
- Vernehmung des Klägers als Partei, hilfsweise seine Anhörung.
Bei Ausspruch der Kündigung ging es dem Kläger nicht darum, die streitgegenständliche Wohnung "leer zu bekommen", wie der Beklagte behaupten lässt. Worum es dem Kläger ging und auch heute noch geht, hat er bereits im Kündigungsschreiben vom 01.07.2011 (Anlage K6) deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht:
- "Ich benötige die Wohnung von ca. 104,70 qm, da ich von H. nach B. umziehen werde und gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin, Frau H. und unserem Kind, das voraussichtlich am 04.09.2011 geboren wird, in die Wohnung einziehen möchte."
Diese Erklärung ist unmissverständlich: Es ging dem Kläger nicht darum, in irgendeine Wohnung in B. zu ziehen, sondern in die streitgegenständliche Wohnung. Ob diese Wohnung nun in B. liegt oder aber in unmittelbarer Nähe zur [...] von B., ist dem gegenüber unerheblich.
Entgegen der blossen Vermutung des Beklagten verfügt der Kläger auch nicht etwa über weiteres Wohnungseigentum oder Grundstücke in Berlin, die er gegebenenfalls zu Wohnzwecken nutzen könnte.
Unwahr ist deshalb auch die Behauptung, der Kläger könnte, wenn er wollte, jederzeit in B. in eine eigene Wohnung ziehen.
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Was die baurechtliche Situation des Klägers in der [...] betrifft, habe ich meinem letzten Schriftsatz eigentlich nichts hinzuzufügen. Der Beklagte mag aber darauf hingewiesen werden, dass der Kläger nicht etwa einen Wohnraum als Büroraum nutzt. Das Grundstück [...] ist "gewerbliche Baufläche".
Der gesundheitliche Zustand des Beklagten ist unstrittig. Im übrigen ist diese Beschreibung unsubstantiiert. Jeder Mensch hat einen "gesundheitlichen Zustand".
Es wird bestritten, dass der Beklagte die Pflegestufe 3 mit außergewöhnlich hohem Pflegebedarf hat. Soweit seine Prozessbevöllmächtigte auf "beigefügte Anlagen" verweist, liegen diese hier nicht vor.
Es wird bestritten, dass der Beklagte nachts nicht ohne Unterbrechung schlafen kann, dass er nachts zur Toilette muss, dass er nachts etwas trinken möchte und dass er nachts an starken Spastiken leidet und dass es ihm nicht möglich ist, sich auf die andere Seite zu legen.
Auf alle diese Beschwerden des Beklagten dürfte es aber schon deshalb nicht ankommen, weil ihm die nach seiner Behauptung nach erforderliche Assistenz auch in jeder anderen Wohnung geboten werden könnte.
Einer nachts ständig anwesenden Assistenzkraft bedarf es nicht.
Es gibt zum Beispiel sehr viele Menschen, die nicht selbstständig auf die Toilette gehen können und deshalb nachts zum Beispiel Windeln oder ähnliche Vorkehrungen tragen. Das ist für Tausende, wenn nicht sogar millionen von Menschen eine Selbstverständlichkeit.
Wenn der Beklagte stets eine mögliche neue Wohnumgebung als kritisch oder gar gefährlich beschreiben lässt, übersieht er völlig, dass er sich bis heute nicht einmal ernsthaft um Ersatzwohnraum gekümmert hat. Jeder Vergleich mit der streitgegenständlichen Wohnung muss damit abstrakt und lebensfern bleiben.
Es wird bestritten, dass in einer neuen Wohnumgebung die Nachbarn nachts nicht da sind oder den Beklagten nicht hören, weil sie beispielsweise in Schicht arbeiten.
Es wird bestritten, dass der Beklagte derzeit seine Wohnungstür stets offen lässt und das in einer anderen Wohnumgebuung nicht möglich wäre. Es wird bestritten, dass der Beklagte in einer anderen Wohnung der Gefahr ausgesetzt wäre, dass auch unliebsame Gäste sich in der Wohnung aufhalten. Bestritten wird insbesondere, dass diese Gefahr eine größere Gefahr wäre, als in der derzeitigen Wohnung.
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Bestritten wird, dass der Beklagte sich nur eine Einzimmerwohnung leisten könnte, die ihn seines Familienlebens beraube.
Bestritten wird erneut, dass der Beklagte eine 24-Stunden-Assistenz benötigt. Würde der Beklagte tatsächlich eine solche 24-Stunden-Assistenz benötigen, würde entweder die Krankenkasse oder die Landeshauptstadt Potsdam ihm die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen. Das ist aber unstreitig nicht der Fall.
Es wird bestritten, dass der Beklagte fehlender nächtlicher Betreuung so ungünstig zum Liegen kommen kann, dass er dann keine Luft bekommt, weil er bespielsweise im Kissen landet. Der Beklagte teilt auch nicht näher mit, wie ein nächtlicher Betreuer dies verhindern soll, wenn er dann selbst in der Wohnung des Beklagten schläft. Ein schlafender Betreuer ist auch nicht hilfreich.
Bestritten wird, dass die Möglichkeit besteht, dass der Beklagte sich nachts die Gliedmaßen verdreht oder "ähnliche unangenehme Zustände hervorruft".
Wenn die Gefahr eines Dekubitus bestehen würde, müsste der Beklagte ein entsprechendes Bett erhalten, das jedem zusteht, der wegen eigener Unbeweglichkeit Gefahr läuft, sich Druckgeschwüre zuzuziehen.
Es wird bestritten, dass der Beklagte "vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten ist" oder dies bei einem Umzug in eine andere Wohnung wäre.
Es wird bestritten, dass im Falle eines Umzuges in eine andere Wohnung "auf einmal sämtliche sozialen Kontakte nicht mehr bei ihm (dem Beklagten) stattfinden können".
Es mag sein, dass der vorletzte Absatz auf Seite 7 meines Schriftsatzes vom 25.02.2014 missverständlich formuliert ist. Es soll dort nicht behauptet werden, der Beklagte benötigt überhaupt keine Assistenz und auch überhaupt keine medizinischen Geräte. Es soll vielmehr darauf hingewiesen werden, dass der Beklagte etwa erforderliche medizinische Geräte auch in einer anderen Wohnung unterbringen könnte, in der er auch von einem Assistenten betreut werden könnte.
Nach diesseitiger Auffassung hat das Gericht Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention nicht gesondert zu berücksichtigen oder auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Dass die §§ 574 ff. BGB etwa verfassungswidrig wären, behauptet der Beklagte selbst nicht.
Im übrigen kann der Kläger sowohl jede Tatsache mit Nichtwissen bestreiten, die er nicht kennt. Er kennt insbesondere auch nicht irgendwelche Beschlüsse des Sozialgerichts oder andere Lebensumstände des Beklagten, die dieser möglicherweise auf seiner Internetseite beschrieben hat. Selbst wenn der Kläger einzelne Informationen auf der Internetseite des Beklagten gelesen haben sollte, würde
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das noch lange nicht bedeuten, dass diese wahr sind und dass der Kläger demgemäß entsprechende Tatsachen kennen würde.
A.
Rechtsanwalt