Beschluss des LG vom 29.05.19
Beglaubigte Abschrift
Az.: 135 68/13
24 C 221/12 AG Potsdam
Inhaltsverzeichnis |
Landgericht Potsdam
Beschluss
In dem Rechtsstreit
C., D Str., B.
- - Beklagter und Berufungskläger - muss sicherlich Kläger und Berufungskläger heißen
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte A., H.
gegen
1. Oliver Lenz, Carl-von-Ossietzky-Str. 6, 14471 Potsdam
- - Beklagter und Berufungsbeklagter -
2. H. L., L.-str., Potsdam
- - Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwältin Katja Damrow, Leipziger Straße 58, 14473 Potsdam
hat das Landgericht Potsdam - 13. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht B., die Richterin am Landgericht D. und den Richter am Landgericht S. am 29.05.2019 beschlossen:
Die gegen das Berufungsurteil vom 31.05.2018 durch den Kläger und Berufungskläger erhobene Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO wird zurückgewiesen.
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Gründe:
Mit Rügeschrift vom 21.06.2018, vorab per Fax am gleichen Tage beim Landgericht Potsdam eingegangen, wendet sich der Kläger gegen das ihm am 07.06.2018 zugestellte Berufungsurteil der Kammer vom 31.05.2018. Er macht die entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör in zweierlei Hinsicht geltend, einerseits in Bezug auf den Beklagten zu 1), andererseits in Bezug auf die Beklagte zu 2).
1.
Bezüglich des Beklagten zu 1) wendet der Kläger im Wesentlichen ein, dass die Kammer in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt habe, wie sie zu der Überzeugung gelangt sei, dass das Gutachten des Sachverständigen A. nachvollziehbar und überzeugend sei, was den Anspruch des Klägers auf Erörterung der wesentlichen Gesichts- und Streitpunkte in den Entscheidungsgründen verletze.
Weiterhin leide die angegriffene Entscheidung daran, dass die Kammer dem Gutachter einen klägerischen Schriftsatz vom 15.09.2017 nicht mehr vor Erstattung seines Ergänzungsgutachtens, die am 25.09.2017 erfolgte, zur Kenntnis gegeben habe, so dass der Gutachter die Ausführungen in dem Schriftsatz nicht mehr in dem Ergänzungsgutachten habe berücksichtigen können.
Außerdem habe der Sachverständige in seiner Anhörung im Termin vom 19.04.2018 eine teilweise Unkenntnis von klägerischen Schriftsätzen eingeräumt und insgesamt unvorbereitet, sogar abwesend gewirkt; seine schriftlichen und mündlichen Ausführungen seien nicht überzeugend und aus medizinischer Sicht nicht haltbar gewesen.
Des Weiteren habe das Gericht wegen der Unbrauchbarkeit des Gutachtens des Sachverständigen A. dem Antrag im Schriftsatz vom 25.05.2018 auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und Neubegutachtung gem. § 412 Abs. 1 ZPO (Bl. 968 der Akte) stattgeben müssen, was es zu Unrecht nicht getan habe. Insbesondere habe sich das Gericht nicht ausreichend mit den Argumenten und Hinweisen zu fachlichen Widersprüchen des Gutachtens in den Schriftsätzen vom 25.05.2018 und 29.05.2018 auseinandergesetzt. All das seien Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
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2.
Bezüglich der Beklagten zu 2) rügt der Kläger, dass ihn das Gericht nicht ausreichend gem. § 139 ZPO darauf hingewiesen habe, sein Bestreiten des Beklagtenvortrags, dass die damalige Wohnungseigentümerin Pantheon GmbH im Jahr 2000 nach dem Auszug der Beklagten zu 2) das Klingelschild der Wohnung verändert habe, sei unsubstantiiert geblieben, obwohl es sich insoweit um einen Gesichtspunkt gehandelt habe, den der Kläger erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten habe, was insoweit entscheidungserheblich geworden sei, als das Gericht unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrages von einem konkludenten Mieterwechsel ausgegangen sei mit der Folge, dass ein Räumungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht bestehe. Zudem führe die Wertung zur Widersprüchlichkeit der Urteilsgründe zum Tenor zu Ziff. 2.
II.
Die nach § 321a ZPO statthafte Anhörungsrüge ist, soweit sie sich inhaltlich auf den Beklagten zu 1) bezieht, unzulässig; hinsichtlich der Ausführungen zur Beklagten zu 2) ist sie unbegründet.
1.
Die Ausführungen des Klägers zur Begründung eines Gehörsverstoßes in Bezug auf den Beklagten zu 1) genügen bereits den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht.
§ 321a ZPO eröffnet nach allgemeiner Auffassung ausschließlich die Möglichkeit, einen Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör geltend zu machen. Andere Rechtsverletzungen können nach § 321a ZPO nicht gerügt werden, so dass auf eine Anhörungsrüge hin nur zu prüfen ist, ob das Gericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen hat, also seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gehörsrüge hat weder die Funktion, einen vom Gericht eingenommenen, nach Ansicht des Rechtsmittelführers unzutreffenden Rechtsstandpunkt zu korrigieren, noch, etwaige (vermeintliche) andere Verfahrensfehler zu heilen.
Wegen § 321a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 5 ZPO gehört es dabei zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anhörungsrüge, in substantiierter Weise darzulegen, dass und auf welche Weise das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Da das Gericht seinerseits nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Parteivorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Gehörsverletzung in einer Anhörungsrüge u. a., anhand des angegriffenen Urteils näher herauszuar-
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beiten, dass darin ein Rechtsstandpunkt eingenommen worden ist, bei dem das als übergangen gerügte Vorbringen schlechthin nicht unberücksichtigt hätte bleiben können und seine Nichtberücksichtigung sich deshalb nur damit erklären lässt, dass es nicht zur Kenntnis genommen worden ist (BGH, Beschl. v. 23.08.2016, VIII ZR 79/15).
Das Vorbringen des Rechtsmittelführers unter Ziff. 1 seiner Rügeschrift (Bl. 1116 ff. der Akten) genügt diesen Zulässigkeitskriterien nicht. Vielmehr macht der Kläger der Sache nach im wesentlichen eine seiner Ansicht nach fehlerhafte Beweiserhebung geltend.
Der Vorhalt, der Gutachter habe zum Zeitpunkt seines Ergänzungsgutachtens (25.09.2017) den Sachvortrag des Klägers vom 15.09.2017 nicht gekannt, betrifft eine vermeintlich unzulängliche Tatsachengrundlage für den Sachverständigenbeweis. Im Übrigen legt die Rügeschrift nicht dar und ist es auch nicht naheliegend, dass die Klagepartei zwischen dem 15.09.2017 und der mündlichen Verhandlung am 19.04.2018, in der der Gutachter angehört wurde, keine Gelegenheit mehr hatte, ihre Bedenken anzubringen und insbesondere auch in der Anhörung unmittelbar dem Gutachter entgegenzuhalten.
Die Rüge, das Gericht habe nicht mitgeteilt, wie es zu seiner Überzeugung gelangt sei, dass das Gutachten nachvollziehbar und überzeugend sei, zudem habe es den klägerischen Argumenten folgen müssen, die gegen die fachliche Fundiertheit und/oder Brauchbarkeit des Gutachtens sprächen, bezieht sich auf die Beweiswürdigung durch das Gericht. Das sind aber keine (ver- meintlichen) Verfahrens- oder Rechtsfehler, die mit der Gehörsrüge gem. § 321a ZPO angegriffen werden könnten.
Dass das Gericht dagegen das klägerische Vorbringen in den Schriftsätzen vom 25. und 29.05.2018 gar nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hätte, trägt auch der Kläger nicht vor; solches läge angesichts der ausführlichen Auseinandersetzung mit diesen Schriftsätzen auf S. 29 f. des Urteils (Bl. 1084 f. der Akte) auch neben der Sache.
Aus dieser zuletzt genannten ausführlichen Auseinandersetzung des Urteils mit den einzelnen in den Schriftsätzen vom 25. und 29.05.2018 angesprochenen Aspekten, darüber hinaus aus dem Sitzungsprotokoll vom 19.04.2018 (Bl. 914-923 d. A.), aus dem sich ergibt, dass im Rahmen der Erläuterung des Gutachtens und Ergänzungsgutachtens ein vom Klägervertreter vorgelegter Fragenkatalog mit dem Gutachter ausführlich abgearbeitet wurde, folgt im Übrigen auch, dass die Anhörungsrüge in Bezug auf den Beklagten zu 1) zudem unbegründet wäre.
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2.
Hinsichtlich der Urteilsgründe in Bezug auf die Beklagte zu 2) lässt sich kein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß feststellen.
a)
Insbesondere hat das Gericht entgegen der Ansicht des Klägers gerade nicht pflichtwidrig einen Hinweis auf einen Gesichtspunkt unterlassen, den der Kläger erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat.
Auf Bedenken hinsichtlich der Mietereigenschaft der Beklagten zu 2) oder jedenfalls hinsichtlich der Begründetheit eines Räumungsanspruchs ihr gegenüber hatte das Gericht bereits mit Hinweis- und Beweisbeschluss vom 15.06.2015 (Bl. 511 d. A.) hingewiesen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 erfolgte in dieser Sitzung (erneut) der konkrete Hinweis, dass die Berufung bezüglich der Beklagten zu 2) keinen Erfolg haben dürfte, da die Kammer nach vorläufiger Beratung von einem konkludenten Mieterwechsel ausgehe (Bl. 923 d. A.). Zwar lässt sich dem verschriftlichten Protokoll nicht entnehmen, ob an dieser Stelle konkret die Substantiierungsanforderungen an das Bestreiten der im Urteil angesprochenen Klingelschildänderung erörtert wurde: der Umstand, dass jedenfalls der Beratungsstand „konkludenter Mieterwechsel“ erörtert wurde, legt dies allerdings nahe.
Aber selbst wenn sich der gerichtliche Hinweis in der Sitzung auf die protokollierte Aussage beschränkt haben sollte, bot der Hinweis jedenfalls hinreichenden Anhaltspunkt für eine Erörterung seitens des durch den Hinweis belasteten Kläger, für eine entsprechende Stellungnahme oder - sofern im Termin nicht möglich - für einen entsprechenden Antrag auf Schriftsatznachlass. Ein solcher wurde gleichwohl nur bezüglich der Ausführungen des Sachverständigen beantragt und auch gewährt; auch die Ausführungen in den mehr als einen Monat später abgesetzten Schriftsätzen enthalten keine Auseinandersetzung mit der Frage des konkludenten Mieterwechsels.
Angesichts dieser konkreten Umstände hatte der Kläger aufgrund der erteilten Hinweise ausreichendes rechtliches Gehör und Gelegenheit, auf den Beklagtenvortrag zu den konkreten Begleitumständen des Auszuges der Beklagten zu 2) aus der streitgegenständlichen Wohnung näher Stellung zu nehmen.
b)
Aber selbst bei einer abweichenden Bewertung dahingehend, dass die Nichtbeachtung des Be-
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streitens des Klägers als unsubstantiiert auf einem Gehörsverstoß beruhen würde, wäre die Gehörsrüge gleichwohl unbegründet, weil der Gehörsverstoß dann nicht entscheidungserheblich wäre. Die Entscheidung beruht nicht auf dieser Frage, weil es für das Berufungsurteil im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob die Beklagte zu 2) aus dem Mietverhältnis ausgeschieden ist oder nicht. Beide Varianten hätten zu einer vollständigen Zurückweisung der Berufung geführt.
Unterstellt, es wären nach wie vor beide Beklagten gemeinschaftliche Mieter der Wohnung, handelte es sich vorliegend um ein einheitliches Mietverhältnis, welches — auch wenn nur bei einem der Mieter eine nicht zu rechtfertigende Härte nach § 574 BGB vorliegt — als Einheit gemäß § 574a BGB fortgesetzt wird. Die Annahme eines isolierten Räumungsanspruchs gegen denjenigen Mieter, in dessen Person die Härte nicht vorliegt, ist abwegig und ist von der Kammer auch nicht erwogen worden; die Ausführungen unter |l.3. der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils haben insofern nur klarstellende Funktion und greifen den im Termin erteilten Hinweis bezüglich der Beklagten zu 2) auf.
Die Ausführungen setzen sich auch nicht in Widerspruch zum Urteilstenor zu Ziff. 2, soweit dort von einem „zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnis“ die Rede ist. Soweit unter den Parteien nur ein Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) besteht, wird schlicht dieses fortgesetzt. Im Übrigen wäre aber auch eine inhaltliche Widersprüchlichkeit des Urteils kein Grund für eine Anhörungsrüge.
B.
Vorsitzender Richter
am Landgericht
D.
Richterin
am Landgericht
S.
Richter
am Landgericht
Beglaubigt
gez. B.
Justizbeschäfte
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