Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 12.01.2015
Rechtsanwältin Michaela Strohm
Ernst-Thälmann-Straße 62
14822 Brück
Sozialgericht Potsdam
Rubensstr. 8
14467 Potsdam
12.01.2015
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Antrag des
Herrn Oliver Lenz, Carl-von-Ossietzky-Str. 6, 14471 Potsdam
- - Antragsteller -
Prozessbevollmächtigter:
RAin Michaela Strohm, Ernst-Thälmann-Straße 62, 14822 Brück
gegen
Landeshauptstadt Potsdam, Der Oberbürgermeister, Fachbereich für Soziales und Gesundheit, Hegelallee 6-8, 14461 Potsdam
- - Antragsgegnerin -
wegen:
- Kostenübernahme persönliches Budget Arbeitgebermodell
Eilantrag
- Kostenübernahme persönliches Budget Arbeitgebermodell
Inhaltsverzeichnis |
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Namens und in Vollmacht des Antragstellers wird beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG - wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung - wie folgt zu erkennen:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordung dazu verpflichtet und bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (derzeit in Klageverfahren) verurteilt, dem Antragsteller für das beantragte trägerübergreifende Persönliche Budget als Arbeitgebermodell im Sinne des § 17 Abs. 2, 4 SGB IX iVm §§ 61 Abs. 2 SGB XII, 29 SGB IX, 54 SGB XII iVm §§ 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX, 58 SGB IX sowie § 37 Abs. 2 SGB V ab dem 01.01.2015 monatlich einen Betrag in Höhe von mindestens 8.574,48 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat die notwendigen ausergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen und die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht zu tragen.
Weiterhin wird beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren und dem Unterzeichner beizuordnen.
Begründung:
1.
Der Antragsteller leidet an einer Form der Multiplen Sklerose mit primär chronischem Verlauf. Es bestehen multiple Läsionen (Schädigungen, Verletzungen) der BWS und HWS, eine linksbetonte Tetraparese, schmerzhafte Streck- und Beugespastiken der Beine, deutliche Kraftminderung der Extremitäten und eine fehlende Rumpfstabilität, linksseitige Mißempfindungen, eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Es besteht eine häufig schnelle Erschöpfbarkeit und Müdigkeit.
Glaubhaftmachung: Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 12.08.2013
Diese gesundheitlichen Einschränkungen bedingen, dass der Antragsteller nicht laufen kann, mit seinen Armen und Händen kaum Sachen – vor allem filigrane Sachen wie Zahnbürsten u. ä. – halten und führen kann und häufig, d. h. mehrfach am Tage, Ruhezeiten wegen seiner schnelle Erschöpfbarkeit einlegen muss.
Der Antragsteller ist seitens des Versorgungsamtes mit einem GdB von 100 verbeschieden worden. Zudem sind dem Antragsteller die Merkzeichen „aG“, „G“, „B“, „H“ und „RF“ zuerkannt.
Glaubhaftmachung: wie zuvor
2.
Der Antragsteller stellte unter dem 18. Juli 2011 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Assistenzkosten in Form eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell.
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Mit Bescheid vom 23.02.2012 wurde dem Antragsteller erstmalig und seit dem durchgängig mit Bescheiden vom 25.06.2012, 20.09.2012 und 27.02.2014 Leistungen eines persönlichen Budgets in Form eines Arbeitgebermodells für die Deckung seines Pflege- und Eingliederungshilfebedarfs gewährt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2014 durch die Antragsgegnerin bestätigt worden.
Glaubhaftmachung: Widerspruchbescheid vom 05.12.2014
Mit Bescheid vom 17.07.2014 wurde dem Antragsteller durch die Antragsgegner Solzialhilfe nach SGB XII für den Zeitraum vom 01.08.2014 in Form von Sachleistung gewährt. Durch den Bescheid wurde durch die Antragsgegnerin die bisherige Gewährung von Leistungen zur Deckung des Pflege- und Eingliederungsbedarfes des Antragstellers im Rahmen der Gewährung eines persönlichen Budgets in Form eines Arbeitgebermodells umgewandelt und nunmehr nur noch Sachleistungen in der dortigen Höhe bewilligt.
Glaubhaftmachung: Bescheid vom 17.07.2014
Gegen den Bescheid wurde Widerspruch eingelegt, welche mit Widerspruchbescheid vom 05.12.2014 teilweise stattgegeben wurde. Danach wurde der Antrag des Antragstellers auf Gewährung eines persönlichen Budgets ab dem 01.02.2015 zurückgewiesen. In der Zeit von 01.08.2014 bis zum 31.01.2015 wurde dem Antragsteller zur Deckung seiner Hilfebedarfe ein Persönliches Budgets in Höhe von monatlich 6.734,00 € gewährt.
Glaubhaftmachung: Widerspruchbescheid vom 05.12.2014
3.
Durch die Umwandlung der Leistung auf die Gewährung von Sachleistungen verstößt die Antragsgegnerin gegen den gesetzlich in § 17 SGB IX festgeschriebenen Rechtsanspruch des Antragstellers auf weitere Gewährung eines persönlichen Budgets. Dem Bescheid lag auch die gem. § 3 der Budgetverordnung gesetzlich vorgeschriebene Bedarfsfeststellung zugrunde. Die Antragsgegnerin begründet die Gewährung lediglich damit, dass die Kosten der besonderen Pflegekraft auf der Grundlage des [[Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des medizinischen Dienst der Krankenkasse vom 05.07.2013 gewährt werden. Ich habe nichts vom 05.07.2013 in meinen Unterlagen.
4.
Der Antragsteller hat gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf Gewährung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets im Arbeitgebermodell mindestens in dem beantragten Umfang.
Grundsätzlich setzt das persönliche Budgets nach § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX einen Anspruch auf Teilhabeleistungen bzw. andere budgetfähige Sozialleistungen voraus. Der behinderte Mensch hat die Möglcihkeit und das Recht, diese Leistungsansprüche in Form von Geldleistungen als Alternative zu Sachleistungen zu verwirklichen. Als Budgetnehmer erhält der behinderte Mensch die ihm bewilligten Leistungen als Geldbetrag und kann aufgrund der Zielvereinbarung selbst darüber entscheiden, wann, wo, wie und durch wen er seine der Leistung zugrunde liegende Bedarfe deckt und wie und wodurch die vereinbarten Ziele erreicht werden.
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Beim trägerübergreifenden Persönlichen Budget umfasst die Rolle des Beauftragten im gesamten Verfahren von der Beantragung bis zum Bescheid und gegebenenfalls Widerspruch und Klage sowohl die Erstellung des Bescheides über noch festzustellende Grundansprüche auf Leistungen als auch die Funktion der Ermittlung, Ausführung und Koordination der Leistungsform des Persönlichen Budgets.
5.
Die Ausführung des Persönlichen Budgets erfolgt dabei nach der Budgetverordnung (BudgetVO).
Gemäß § 3 der BudgetVO unterreichtet der nach § 17 Abs. 2 SGB IX zuständige Leistungsträger (Beauftragter) unverzüglich die an der Komplexleistung beteiligten Leistungsträger und holt von diesen Stellungnahmen ein. Insbesondere werden Stellungnahmen dazu eingeholt zu dem Bedarf, der durch budgetfähige Leistungen gedeckt werden kann, unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 Abs. 1 SGB IX. Die beteiligten Leistungsträger sollen ihre Stellungnahmen innerhalb von zwei Wochen abgeben. Der Beauftragte und, soweit erforderlich, die beteiligten Leistungsträger beraten gemeinsam mit der Antrag stellenden Person in einem trägerübergreifenden Bedarfsfeststellungsverfahren die Ergebnisse der von ihnen getroffenen Feststellungen sowie die gemäß § 4 BudgetVO abzuschließende Zielvereinbarung.
Insbesondere sei an dieser Stelle noch auf die kurzfristige Durchführung des Verfahrens nach §§ 14, 15 SGB IX hingewiesen.
6.
Die dem Antragsteller zustehenden Ansprüche stellen sich – aufgrund der beim Antragsteller vorliegenden gesundheitlichen Situation – wie folgt dar:
Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß § 61 Abs. 2 S. 1, 3 SGB XII. Bei Schwerstpflegebedürftigkeit (Stufe III), welche beim Antragsteller vorliegt, hat der Antragsteller Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von 700,00 € sowie weitere Leistungen wie Aufwendungsersatz, Beihilfen und Alterssicherungsbeiträge, Pflegekraftübernahme, Kommunikationshilfen, Kosten von Beratung und Entlastung Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII, wobei diese Leistungen neben den Leistungen nach §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX bestehen. Hier seien insbesondere Leistungen wie Kosten der Begleitperson nach der Eingliederungs-Hilfeverordnung genannt, Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 26 SGB IX, Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 SGB IX, hier insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX. Die einzelnen, hierzu zu zählenden Leistungen, regelt § 58 SGB IX. Dort heißt es, dass die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen (Nr. 1), Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (Nr. 2) oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen der Art und Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend möglich ist (Nr. 3). Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V für die Medikamentengabe 3 x täglich/7 x wöchentlich sowie das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe.
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Aufgrund der beim Antragsteller unstreitig vorliegenden Grunderkrankung hat er einen Anspruch auf die oben benannten Leistungen für einen Zeitraum von 24 Stunden für 7 Tage in der Woche.
Die vom Antragsteller der Antragsgegnerin bisher übergebene Zeitaufstellungen entsprechen grundsätzlich den Ansprüchen, die der Antragsteller gegenüber den einzelnen Leistungsträgern hat und die ihm im Rahmen seines Antrages auf ein Persönliches Budget im Arbeitgebermodell monatlich in Form des beantragten Geldbetrages mindestens zur Verfügung gestellt werden müssen.
Dabei dürfen die Leistungen der Behandlungspflege oder Eingliederungshilfe sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht ausschließlich auf die reinen Verrichtungstätigkeiten begrenzt werden, sondern auch die notwendigen Beobachtungszeiten umfassen. Mithin darf die Antragsgegnerin nicht – wie bislang geschehen – die Kostenübernahmen auf die reinen Maßnahmen begrenzen (Urteil des BSG vom 10. November 2005, Az.: B 3 KR 38/04 R, Urteil des SG Leipzig vom 12. Februar 2004, Az.: S 13 KR 25/03). Die Behandlungspflege findet beim Antragsteller nicht nur punktuell statt, sondern beginnt gegen 08.00 Uhr morgens und endet in dem Augenblick, wenn der Antragsteller zu Bett geht. In der Nacht benötigt der Antragsteller wegen der bei ihm unregelmäßig, aber immer wiederkehrenden, einschießenden Spastiken ebenfalls durchgehende, wenn auch eingeschränkte, Behandlungspflege.
7.
Die notwendige Höhe des monatlichen Finanzbedarfs des Antragstellers ergibt sich aus der anliegenden Übersicht. Daraus ergibt sich ein durschnittlicher Jahresbedarf in Höhe von 102.893,76 € und ein monatlicher Bedarf in Höhe von 8.574,48 €.
Glaubhaftmachung: Übersicht des notwendigen Finanzbedarfs/der durchschnittlichen Lohnkosten
8.
Der Antragsteller hat auch ein besonderes Interesse an der Sofortvollziehung. Die Antragsgegnerin hat mit Widerspruchbescheid bis zum 31.01.2015 ein persönliches Budgets in Höhe von 6.734,00 € gewährt. Sowohl mit der Höhe als auch mit der Dauer des genehmigten Betrag ist es dem Antragsteller unmöglich, die für ihn dringend notwendigen Leistungen der Pflege, der Eingliederungshilfe, der Assistenz, der Rehabilitation, der häuslichen Krankenpflege und der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft über einen Zeitraum von 24 Stunden täglich abzudecken.
Die dahinter stehende unmittelbare Gefahr für den Antragsteller besteht darin, dass er in Situationen, in den er sich nicht selbst behelfen kann, für den Antragsteller konkret Gefahr für Leib und Leben besteht (z. B. einschießende Spastiken, ohne anwesende Assistenz oder Pflegefachkraft und daraus folgende Bewegungsunfähigkeit im Rollstuhl, auf der Erde, beim Aussteigen aus dem Rollstuhl, etc.).
M. STROHM
Rechtsanwältin