Urteil des Landgerichts vom 31.05.18
- Az.: 13 S 68/13
- 24 C 221/12 AG Potsdam
Landgericht Potsdam
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
C., D Str., B.
- - Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte A., H.
gegen
1. Oliver Lenz, Carl-von-Ossietzky-Str. 6, 14471 Potsdam
- - Beklagter zu 1) und Berufungsbeklagter -
2. H. L., L.-str., Potsdam
- - Beklagte zu 2) und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwältin Katja Damrow, Leipziger Straße 58, 14473 Potsdam
hat das Landgericht Potsdam - 13. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht S., die Richterin am Landgericht D. und die Richterin am Landgericht G. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 28.5.2013 — Az. 24 C2 121/12 — wird zurückgewiesen
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2. Klarstellend wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
3. Der Berufungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin
- Es muss Kläger heißen.
nimmt die Beklagten nach erfolgter Eigenbedarfskündigung auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung in Anspruch.
Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte zu 1) und seine — von ihm geschiedene und seit 1999 nicht mehr in der streitgegenständlichen Wohnung lebende ehemalige Ehefrau — die Beklagte zu 2) — hatten seit 1990 von der Pandion Projektentwicklung und Immobilienmanagement GmbH mit Geschäftssitz in 16548 Groß Glienicke im Wohnhaus Carl‑von‑Ossietzky‑Straße 6 in 14471 Potsdam die im dritten Obergeschoss gelegene und aus drei Räumen nebst Bad und Balkon bestehende Mietwohnung angemietet. Nach einer im Jahr 2001 durchgeführten und vertraglich vereinbarten Modernisierungsmaßnahme erhöhte sich die Wohnfläche auf ca. 104,70 qm. An dem Hausgrundstück wurde — wohl zu diesem Zeitpunkt — Wohnungseigentum gebildet. Durch Zuschlagsbeschluss vom 12. Mai 2011 erwarb der Kläger im Zwangsversteigerungsverfahren 2 K 293/09 Amtsgericht Potsdam 1.451/10.000tel Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung Potsdam Flur 23 Flurstück 495 verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nummer 8 bezeichneten Wohnung nebst Kellerraum. In der Abteilung I des Grundbuchs von Potsdam Blatt 14363 wurde das Eigentum des Klägers am 23. September 2011 eingetragen.
Bei dem Haus handelt es sich um ein Wohngebäude aus der Gründerzeit. Die im dritten Obergeschoss gelegene Wohnung, in der der Beklagte zu 1) lebt, ist nur über ein Treppenhaus — ohne Aufzug — mit über 60 Stufen zu erreichen. Der größte Raum in der Wohnung ist das Wohnzimmer. Dieses ist mit der Küche und den übrigen Räumen nur durch eine zweistufige Treppe erreichbar (Anlage K 9, Bl. 47 GA). Da der Beklagte zu 1) auf einen Rollstuhl — auch innerhalb der Wohnung — angewiesen ist, den er ohne Pflegepersonal aufgrund seiner Erkrankung nicht alleine bedienen kann, ist das Wohnzimmer für ihn ohne fremde Hilfe nicht erreichbar. Gleiches gilt für das Verlassen der Wohnung, wobei hierzu ein sog. kettenangetriebener Treppensteiger zur Benutzung gelangt.
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Mit Schreiben vom 1. Juli 2011 (Bl. 19 GA) kündigte der Kläger gegenüber beiden Beklagten das Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs mit einer Kündigungsfrist zum 31. März 2012. Zur Begründung des Eigenbedarfs führte der Kläger aus, dass er die Wohnung für sich und seine Lebensgefährtin und das zum damaligen Zeit noch nicht geborene gemeinsame Kind benötige, da er von H. nach B. umziehen wolle. Eine Alternativwohnung konnte er nicht anbieten. Zugleich hat er die Beklagten auf das Widerspruchsrecht nach § 574 BGB hingewiesen und der Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprochen. Ihren Widerspruch formulierten beide Beklagten in ihrem Schreiben vom 26.12.2011 (Bl. 20/21 GA), unter anderem mit dem Hinweis auf die Erkrankung des Beklagten zu 1, die angesichts der Einordnung in die Pflegestufe III die Aufnahme eines Pflegepersonals erfordere, die Aufnahme seiner aus einer anderen Beziehung stammenden minderjährigen Kinder, die Erfolglosigkeit der Anmietung einer behindertengerechten gleichwertigen Ersatzwohnung zu der für die vorliegende Wohnung zu zahlenden geringeren Miete (392,03 EUR).
Der Kläger hat behauptet, die Wohnung für sich und seine zu gründende Familie zu benötigen, zumal er seine geschäftlichen Aktivitäten – Immobilienvermittlung –‚ deren Mittelpunkt ohnehin in B. liegen, von H. ganz nach B. verlegen wolle. Unstreitig hat der Kläger seinen Lebensmittelpunkt sowohl beruflich als auch privat nach B. verlegt und ist mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind während des Rechtsstreits nach B. in eine 2,5 Zimmerwohnung gezogen, die auch das Büro für den Geschäftsbetrieb beherbergt, während er seine ursprüngliche Geschäftsadresse in H. weiterhin aufrechterhält.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
- die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner die im Wohnhaus Carl‑von‑Ossietzky‑Straße 6, 14471 Potsdam im dritten Obergeschoss links gelegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Bad und Balkon zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.
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Die Beklagten haben beantragt,
- die Klage abzuweisen.
Sie haben den Eigennutzungswillen des Klägers bestritten und die Meinung vertreten, dass die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung nur vorgeschoben sei. Dies ergebe sich unter anderem aus der Werbung der Immobilieninvestments, die sich auch auf das Objekt Carl-von-Ossietzky-Straße 6 in Potsdam beziehe (Bl. 36 GA). Sie sind der Auffassung gewesen, dass die Kündigung unwirksam sei, weil die Kündigungserklärung keine Begründung zum Eigenbedarf enthalte, die ein Erwerbsverlangen der Wohnung in Potsdam rechtfertige. Für den Beklagten zu 1) stelle die Kündigung eine unzumutbare soziale Härte dar, die die Belange des Klägers zur Eigennutzung seines Eigentums überragen würden. Er hat behauptet, an einer primären progredienten Multiplen Sklerose erkrankt zu sein, die zurzeit eine achtstündige Pflegeversorgung erfordere, während die Pflege während der übrigen Tages- und Nachtstunden durch Familienmitglieder, Freunde und sog. Honorarkräfte wahrgenommen werden würde. Er sei zu 100 Prozent körperbehindert und sei in die Pflegestufe 3 mit den Merkmalen „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert), „B" (Begleitung erforderlich) und „H“ (hilflos) eingeordnet. Aus eigener körperlicher Kraft könne er sich nicht bewegen; dies gelte auch für den Rollstuhl, der ihm nur dann eine Fortbewegungshilfe sei, wenn dieser durch das Pflege-/Hilfspersonal bewegt würde. Er hat behauptet, dass die jetzige Wohnung behindertengerecht sei, da die zu den Räumen führenden Türen eine ausreichende Breite aufwiesen, um mit dem Rollstuhl passiert zu werden. Zudem würden die Räume — mit Ausnahme des Wohnzimmers — keine Schwellen aufweisen. Die zum Wohnzimmer führenden beiden Stufen könnten mit Hilfe Dritter überwunden werden. Durch den Einsatz der Treppenraupe sei es ihm mit der Hilfe des Pflegepersonals auch möglich, mit dem Rollstuhl die Treppenstufen des Treppenhauses zu überwinden, wobei es zwischen den Parteien streitig ist, ob hierdurch aufgetretene Beschädigungen an den aus Stein bestehenden Stufen verursacht worden sind. Für ihn sei der Verbleib in der Wohnung wichtig, weil er so Kontakt zu seinen beiden minderjährigen Kindern aus seiner vormaligen Beziehung halten könne, die ihn, da sie in räumlicher Nähe zu seiner jetzigen Wohnung in einer Entfernung von ca. 500 Metern mit der Mutter leben, besuchen und während der Schulzeit auch von Freitag auf den Samstag übernachten könnten. Ebenso könne er so Kontakt noch zu seinen beiden erwachsenen Kindern aus erster Ehe halten, wobei die Tochter ihn meistens am Montag auf ihrer
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Fahrt zur Universität besuchen und Hilfe geben könne. Zudem habe sich ein enger Kontakt zu seinen Nachbarn ergeben, die ihm im Notfall Hilfen geben könnten. Der Verlust der Wohnung wäre für ihn lebensbedrohlich‚ da die Wohnung angesichts des sich stetig verschlechternden Gesundheitszustandes den Mittelpunkt seines sozialen Lebens darstelle. Weiterhin könne er in Potsdam keinen geeigneten. bezahlbaren und in räumlicher Nähe zu den Kindern und seiner ehemaligen Lebensgefährtin
- vor allen den Eltern
gelegenen Wohnraum erlangen, der zudem noch behindertengerecht sei. Er benötige drei Räume, und zwar auch einen Raum zur Unterbringung des jeweiligen Mitarbeiters des Pflegedienstes
- Ich merke wieder an, daß bei mir kein Pflegedienst tätig ist, sondern selbstorganierte Assistent*innen.
sowie einen weiteren Raum zur Übernachtung der Kinder.
Der Kläger hat eine die Fortsetzung des Mietverhältnisses überragende soziale Härte in der Person des Beklagten zu 1) in Abrede gestellt. Seine ausschließlich durch Hilfe Dritter mögliche Mobilität rechtfertige nicht die Annahme, dass er in der Umgebung verwurzelt sei, da er die Umgebung als solche nicht mehr eigenständig erfahren könne. Die für seine Lebensführung benötigten Räume und die Umgebung könne er auch in einer anderen Wohnung und einem anderen Umfeld erlangen. Es werde bestritten, dass ihm ein anderer Wohnraum nicht zur Verfügung stehe. Ebenso sei sein Vortrag zum Pflegeaufwand und dem Pflegepersonal nicht frei von Widersprüchen.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben, und zwar einerseits zur Frage der Ernsthaftigkeit des Eigennutzungswunsches durch Vernehmung der Lebensgefährtin des Klägers — Zeugin H. — sowie zur Besuchshäufigkeit und zum Pflegebedarf des Beklagten zu 1) andererseits durch Vernehmung der Zeugen MD, HL und FL, EM.
Das Amtsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Mai 2013 die Klage auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass dem Kläger kein aus § 546 Abs. 1 BGB resultierender Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung zustehe, weil seine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung vom 1. Juli 2011 das Mietverhältnis nicht beendet habe. Zwar sei dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein berechtigtes Interesse an der Nutzung seines Eigentums nicht abzusprechen. Mit der Bekundung der Zeugin H. stehe nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die Wohnung für sich und seine Familie benötige. Jedoch führe die Berücksichtigung der vom Beklagten zu 1) vorgetragenen Gründe, dass die aus der Eigentumsgarantie des Klägers
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schützenswerten Belange an der Nutzung seines Eigentums hinter den auf Art. 2 Abs. 1, 2 GG ruhenden Belangen des Mieters zurücktreten müssen, da für diesen der Verlust der Mietwohnung eine soziale Härte im Sinne des § 574 BGB darstelle. Zwar führe allein der Gesundheitszustand des Beklagten zu 1), von dem sich das Gericht in den Verhandlungsterminen habe einen Eindruck verschaffen können, nicht zwangsläufig zur Räumungsunfähigkeit. Es sei aber im besonderen Maße zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1) zu 100 Prozent körperbehindert und die Pflegestufe 3 mit den besonderen Merkzeichen der außergewöhnlichen Gehbehinderung, der Erforderlichkeit einer Begleitung sowie der Hilflosigkeit eingestuft werden sei. Dies rechtfertige es, die Interessen des Klägers zurückzustellen. Die Wohnung sei für den Beklagten zu 1) auch geeignet. So habe seine ehemalige Lebensgefährtin bekundet, dass die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder den Beklagten zu 1) besuchen würden, was in einer anderen Wohnung nicht möglich sei. Denn in einer anderen Wohnung sei die Treppenraupe nicht einsetzbar. Ebenso habe der erwachsene Sohn bestätigt, dass die Wohnung ausreichend groß sei, zumal dort auch Pflegepersonal übernachten könne. Seine erwachsene Tochter habe dies bestätigt, da die Wohnung auch das Unterstellen von zwei Rollstühlen, einem Lifter und zwei Trainingsgeräten erlaube. Zudem würde die örtliche Lage der Wohnung es dem Beklagten zu 1) erlauben, leichter am sozialen Leben teilnehmen zu können, da sie für seine Kinder schneller und bequemer erreichbar sei. Die Belange des Klägers müssten demgegenüber aber zurücktreten, wenngleich sein aus dem Eigentum nach Art. 14 GG resultierendes Recht auf Eigennutzung Verfassungsrang habe. Den in ihrer sozialen Bedeutung gewichtigen Wohnraummietrechten des Beklagten zu 1) gebühre aber in diesem Fall der Vorrang.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen die unterlassene und damit im Ergebnis mit Rechtsfehlern behaftete Entscheidung rügt, da er jegliche Darstellung der Belange des Klägers in dem Abwägungsprozess vermisse. Auch würden die Ausführungen des Ausgangsgerichts zu den Belangen des Mieters, wie sie im Hinblick der Geeignetheit der Wohnung dargestellt worden seien, gerade keine soziale Härte im Sinne des Gesetzes ausfüllen. Die Lage der Wohnung im dritten Obergeschoss einerseits und ihr Zuschnitt auf zwei Ebenen sprächen gerade gegen die Geeignetheit der Wohnung. Zudem sei die Wohnung für eine Person zu groß. Tatsächliche Umstände, die auf eine Verwurzelung des Beklagten zu 1) im räumlichen und sozialen Umfeld hindeuteten, seien gerade auch nach der Beweisaufnahme nicht sichtbar geworden. Angesichts der Immobilität des Beklagten zu 1) beschränke sich sein Kontakt allein auf die Kontakte zu seinen Kindern und sein Engagement im Internet; dort stelle er diesen Rechtsstreit mit allen Schriftsätzen ein.
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Der Kläger bestreitet, dass sich der Gesundheitszustand des Beklagten zu 1 durch eine Räumung dauerhaft und signifikant verschlechtern werde. Der Beklagte zu 1 habe einen großen Freundeskreis. Er habe an den Meisterschaften des Brettspiels „Go“ im „Nil“ teilgenommen und sei sehr aktiv bei Twitter. Ferner engagiere er sich auf lokaler Ebene bei der Partei „Die Linke“. Es sei auch nicht ansatzweise erkennbar, dass der Beklagte zu 1) in Potsdam keinen vergleichbaren Wohnraum in einem seinen Bedürfnissen entsprechenden Umfang erhalten könne. Gänzlich unberücksichtigt blieben die Belange des Klägers und seiner Familie, die in einer 2-Zimmerwohnung mit Bürobetrieb bei Einlagerung ihres Mobiliars leben müssten. Das Amtsgericht habe auch nicht über den weiteren Kündigungsgrund der Beschädigung des Gemeinschaftseigentums befunden. Hierbei sei lediglich ein Kündigungsgrund nachgeschoben worden, was gemäß § 574 Abs. 3 BGB zulässig sei. Zudem bestreite er nach wie vor, dass der Beklagte zu 1) auf die Bereitstellung eines Zimmers für eine Pflegeperson angewiesen sei, da nicht erkennbar sei, dass eine derartige Person dort übernachte. Bestritten werde auch weiterhin, dass die Kinder bei ihm übernachten würden.
Die Räumungsklage sei auch gegen die Beklagte zu 2 begründet. Nach der Rechtsprechung des BGH richte sich der Herausgabe- und Räumungsanspruch nach § 546 BGB nach Beendigung des mit mehreren Mietern begründeten Wohnraummietverhältnisses auch gegen diejenigen Mieter, der den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben habe (Beschluss vom 22.11.1995 VIII ARZ 4/95, NJW 1996, 515).
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 28. Mai 2013 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die im Wohnhaus Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam im dritten Obergeschoss links gelegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Bad und Balkon zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
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- die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und meinen, dass das Amtsgericht nicht über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden habe, die ihrer Auffassung nach nicht gegeben sei. Hierüber habe das Berufungsgericht zu entscheiden, da sie angesichts der Klageabweisung zur Einlegung einer Anschlussberufung mangels Beschwer nicht befugt gewesen seien. Zudem habe das Amtsgericht gerade kein Gestaltungsurteil im Sinne des § 574a Abs. 2 BGB erlassen, wie dies bei einer Entscheidung nur bezogen auf die soziale Härte notwendig wäre. Hieraus folge, dass auch das Amtsgericht von der Unwirksamkeit der Kündigung ausgegangen sei, da es die Leistungsklage abgewiesen habe. Andernfalls hätte das Mietverhältnis aufgrund der auf Eigenbedarf gestützten Kündigung zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt.
Der Beklagte zu 1) behauptet, dass sich sein Krankheitszustand jetzt so verschlechtert habe, dass er ohne fremde Hilfe sein Leben nicht mehr gestalten könne. Insbesondere sei seine Immobilität so weit fortgeschritten, dass er die einfachsten Dinge des Lebens nicht mehr ohne Hilfe machen könne. Sie behaupten, dass der Beklagte zu 1) an 24 Stunden des Tages und der Nacht eine Pflegeperson benötige (Beweis: Zeugnis S., Stadt Potsdam, Fachbereich Soziales, Gesundheit, Umwelt, Bl. 252 GA; Therapiebericht an den behandelnden Arzt Dr. Christian Albert, St. Josefs Krankenhaus Potsdam vom 25. August 2014, Bl. 446, 447 GA).
Erstmals in der Berufungsinstanz behaupten die Beklagten ergänzend zur Notwendigkeit der Fortführung des Mietverhältnisses, dass der Beklagte zu 1) im Falle eines Umzugs
- eine deutliche Verschlechterung seines Krankheitsverlaufs infolge der Angst, in einer neuen Umgebung nicht zurechtzukommen, erleiden werde,
- eine konkrete Gefährdung seines Gesundheitszustandes in der neuen Umgebung zu befürchten sei, weil die neue Nachbarschaft zu einer Hilfestellung nicht eingespielt sei,
- eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei nächtlicher Hilfebedürftigkeit befürchten müsse, weil in einer kleineren Wohnung kein Pfleger übernachten könne,
- eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes befürchten müsse, weil er mit Wegfall von Geschäften in unmittelbarer räumlicher Nähe zu seiner Wohnung nicht jederzeit Essen bestellen könne, das ihm ansonsten geliefert werde,
- eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bei einer Wohnung ohne
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- Klimaanlage zu befürchten sei und er den Ausbau der vorhandenen Klimaanlage nicht finanzieren könne,
- eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ohne einen großen Gesellschaftsraum befürchten müsse,
- er befürchten müsse, ein nicht seinen Bedürfnissen entsprechendes Bad in einer neuen Wohnung zu haben,
- er befürchte, keinen Balkon in der neuen Wohnung zu haben, so dass die Gefahr bestehe, bei fehlender Helligkeit der Wohnung an Winterdepression und an Lungenentzündung zu erkranken.
Weiterhin behaupten sie, dass für den Beklagten zu 1) in seiner bisherigen Wohnumgebung sowie im Stadtgebiet Potsdam aufgrund einer allgemeinen Wohnungsmangellage kein angemessener Ersatzwohnraum zu finden sei. Entweder sei die Miete zu hoch oder aber die Räume, insbesondere das Bad zu eng und mit dem Rollstuhlfahrer nebst Hilfskraft nicht befahrbar. Oder die Wohnungen seien von der Zimmeranzahl zu klein, da er sowohl einen Raum für die Hilfskraft als auch einen weiteren Raum für die Übernachtung seiner Kinder benötige (vgl. Aufstellung Bl. 394-399 GA als Anlage zum Schriftsatz vom 10. Juni 2014).
Das Mietverhältnis sei auch nicht durch die außerordentlich fristlose Kündigung des Klägers wegen der angeblichen Beschädigung der Fliesen der Treppenstufen im Treppenhaus beendet worden, da eine solche Beschädigung durch Einsatz des Rollstuhls einen solchen Kündigungsgrund nicht ausfülle. Zudem werde bestritten, dass die Treppenstufen durch den Einsatz des Lifters zerstört worden seien.
Der Kläger bestreitet die Verschlechterung der Erkrankung und den Pflegebedarf für 24 Stunden am Tag und damit die Notwendigkeit der Übernachtung in der Wohnung der Beklagten. Ebenso werde bestritten, dass der Beklagte zu 1) sich nicht mehr selbständig bewegen und versorgen könne. Letztlich könne dies dahinstehen, da diese Umstände in jeder Wohnung angetroffen werden würden, die der Beklagte zu 1) beziehe. Es werde weiterhin bestritten, dass die beiden minderjährigen Kinder, die aus der ehemaligen nichtehelichen Lebensgemeinschaft hervorgegangen seien, zeitweise in der Wohnung mitwohnen würden. Hierauf komme es aber nicht an, da die Kinder auch in einer anderen Wohnung in Potsdam den Beklagten zu 1) aufsuchen können. Es werde weiterhin bestritten, dass die erwachsenen Kinder aus der Ehe den
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Beklagten zu 1) nicht aufsuchen könnten, wenn er im Stadtgebiet von Potsdam eine neue Wohnung beziehe. Auf die Wohnung sei er nunmehr dringend angewiesen, da seine Lebensgefährtin ein weiteres Kind erwarte und die Familie deshalb in der bisherigen Wohnung nicht verbleiben könne.
Die Beklagten sind angesichts des Familienzuwachs nunmehr der Auffassung, dass nunmehr der Eigenbedarf an der Mietwohnung für den Kläger entfallen sei, weil eine vierköpfige Familie mit Tieren nicht in eine Drei-Zimmerwohnung ziehe, zumal der Kläger über mehrere Wohnungen als Eigentümer verfüge. Zudem sei die Nutzung auch zu gewerblichen Zwecken nach der Teilungserklärung unzulässig.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat gemäß der Beweisbeschlüsse vom 15.6.2015 (Bl. 502 ff.) und 12.1.2017 (Bl. 725 ff.) zur Frage der Unzumutbarkeit der Räumung für den Beklagten zu 1 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten von Prof. Dr. med. A. vom 25.6.2016 (Bl. 579 ff.) sowie auf sein Ergänzungsgutachten vom 25.9.2017 (Bl. 782 ff.) verwiesen. Das Berufungsgericht hat den Gutachter in der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2018 ergänzend angehört. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen (Bl. 913 ff.).
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist das statthafte Rechtsmittel gegen das Endurteil des Amtsgerichts (§ 511 ZPO). Das Rechtsmittel ist innerhalb der gesetzlichen Notfrist von einem Monat ab Zustellung bei dem Landgericht form- und fristgerecht eingegangen und
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innerhalb der weiteren Frist von einem Monat frist- und formgerecht begründet werden (§ 517, § 520 Abs. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, da die Beschwer die Berufungssumme von 600 € überschreitet (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
II.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zwar hat der Kläger das zwischen den Parteien gemäß § 566 BGB, § 58 ZVG bestehende Wohnraummietverhältnis am 1.7.2011 wirksam wegen Eigenbedarfs gekündigt (dazu 1.). Allerdings steht dem Räumungsanspruch vorliegend der Mieterwiderspruch wegen unzumutbarer Härte entgegen, § 574 BGB (dazu 2.). Ein Räumungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 besteht nicht, da diese bereits seit langer Zeit nicht mehr in der Wohnung lebt und konkludent aus dem Mietverhältnis ausgeschieden ist (dazu 3.).
1. Kündigungsgrund gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB
a) Formelle Wirksamkeit
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sind sowohl die Frage der Wirksamkeit der seitens des Klägers ausgesprochenen Kündigungserklärung vom 1. Juli 2011 als auch die Frage des Eigenbedarfs nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Kläger nimmt die hierzu ergangenen Feststellungen des Ausgangsgerichts als ihm günstig hin; die Beklagten ihrerseits haben das Urteil des Amtsgerichts Potsdam nicht mit der Anschlussberufung angefochten, so dass das Berufungsgericht die hierzu ergangenen Feststellungen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO seiner Entscheidung zugrundezulegen hat (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. unter anderem BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 — VI ZB 81/04 — NJW-RR 2005, 285; BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 — XII ZB 572/10 Rn 10 ff).
aa)
Darüber hinaus übersehen die Beklagten, dass das Amtsgericht bei seiner Entscheidung von der Wirksamkeit der Kündigungserklärung ausgegangen ist, da es andernfalls weder über die Frage
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des Eigenbedarfs hätte Beweis erheben dürfen noch zur Feststellung des Vorliegens des Eigenbedarfs hätte kommen dürfen. Da das Amtsgericht bei seiner Entscheidung, die Bestandsinteressen des Beklagten zu 1) an der Mieterwohnung höher bewertet hat als die Erlangungsinteressen des Klägers, wäre es gemäß § 574 a Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen, durch Gestaltungsurteil gemäß [§ 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO § 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO] über die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu befinden. Das Unterlassen des richterlichen Gestaltungsaktes durch das Amtsgericht führt nicht dazu, dass die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) unwirksam gewesen ist (vgl. Grapentin in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. IV Rn. 252 f; Lützenkirchen in: Lützenkirchen, Mietrecht ‚ 574a Rn. 11; Staudinger/Rolfs, BGB (2014) § 574a Rn. 9; Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 4. Aufl. § 574a Rn. 25 mit weiteren Nachweisen; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 — 1 BvR 2335/14 — NZM 2015, 161 Rn. 14). Das Gericht befasst sich nämlich mit den im Gesetz (§ 574 BGB) benannten Härtefallgründen erst dann, wenn die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung formell wirksam und inhaltlich begründet ist. Verneint das Gericht die formelle Wirksamkeit der Kündigung und ihre inhaltliche Begründetheit, weist es die auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung gerichtete Klage des Vermieters schon aus diesem Grunde zurück.
bb)
Die Ausführungen des Amtsgerichts erweisen sich aber auch im Ergebnis als richtig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigungserklärung des Klägers nicht deshalb formell unwirksam, weil er mit seiner Formulierung „den Wohnsitz mit seiner Familie von H. nach B. verlegen zu wollen“, den unzutreffenden Eindruck erweckt habe, dass er gar nicht in die in seinem Eigentum stehende Wohnung nach Potsdam einziehen wolle. Diese Ungenauigkeit in der Formulierung ist jedoch für die formelle Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Kündigung ohne Bedeutung. Unrichtige Angaben des Vermieters im Kündigungsschreiben können zwar dazu führen, dass die Kündigung materiell unbegründet ist, soweit nach dem wirklichen Sachverhalt der Eigenbedarf nicht besteht oder nur vorgeschoben ist. Im Einzelfall mögen solche Erklärungen auch ein Indiz gegen die Ernsthaftigkeit des vom Vermieter angeführten Eigennutzungswunsches darstellen. Vorliegend ist dies aber nicht einmal ansatzweise erkennbar. Denn der Kläger ist Eigentümer der von den Beklagten als Mieter genutzten Wohnung und hat sich insoweit — auch aus Sicht der Beklagten — offensichtlich sprachlich vergriffen, als er B. mit Potsdam gleichsetzte. Dies hat aber nicht zur Folge, dass es an der nach § 573 Abs. 3 BGB erforderlichen Begründung fehlt und die Kündigung bereits aus formellem Grund unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2010, VIII ZR 70/09, NZM 2010,
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400 Rn. 10; Milger NZM 2014, 770, 779).
cc)
Es liegen weiterhin auch keine Umstände vor, die die Feststellungen des Amtsgerichts zur Bejahung des berechtigten Interesses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses über die von den Beklagten gemietete Wohnung in Frage stellen.
(1)
Zutreffend hat das Ausgangsgericht angenommen, dass das Kündigungsschreiben vom 1. Juli 2011 formell ordnungsgemäß ist im Sinne des § 573 Abs. 1 BGB und eine hinreichende Begründung enthält. Der Zweck des Begründungsverlangen besteht darin, dem Mieter zum frühstmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so benennt, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (BGH, Urteil vom 30. April 2014 — VIII ZR 284/13 — NJW 2014, 2102 Rn. 7; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2010, VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 10; BGH, Urteil vom 17. März 2010 — VIII ZR 70/09 — NZM 2010, 400 Rn. 8; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008, VIII ZR 254/06, NZM 2008, 281 Rn. 24; BGH, Urteil vom 7. Juni 2006, VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 23). Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend. Weitere Angaben sind nicht zu fordern. Insbesondere ist nicht zu fordern, dass die Kündigung so detailliert ist. dass alle Umstände, die mit dem Lebenssachverhalt, um den es geht, auch nur entfernt zu tun haben, in allen Einzelheiten auszubreiten sind oder gar mögliche Einwände des Mieters vorweggenommen werden müssen. Derartige Details spielen erst im Rahmen einer späteren gerichtlichen Beweisaufnahme über den streitigen Kündigungsgrund eine Rolle; auf der formellen Ebene ist ihre Angabe nicht erforderlich (BGH a.a.0. NJW 2014, 2102; so schon BayObLG NJW 1981, 2197, 2199; siehe auch Milger NZM 2014, 770, 778).
(2)
Diesen Anforderungen wird das Kündigungsschreiben des Klägers vom 1. Juli 2011 gerecht.
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Dem Kündigungsschreiben ist nämlich ausreichend deutlich zu entnehmen. dass der Kläger die Wohnung für sich, seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB „benötigt“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es bei einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung aus, dass der Vermieter für seinen Willen, in den eigenen Räumen zu wohnen, vernünftige und nachvollziehbare Gründe für seinen Eigenbedarfswunsch hat (grundlegend BGH, RE, vom 20. Januar 1998 — VIII ARZ 4/87 — NJW 1988, 904; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2010, VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 10; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2004, - VIII ZR 246/03 - NZM 2005, 943; Milger NZM 2014, 770, 773; so auch die Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 68, 361, 367 ff = NJW 1985, 2633; BVerfG, Beschluss vom 23. April 2014 — 1 BvR 2851/13 — NJW 2014, 2417 Rn. 28). Nicht erforderlich ist es, dass der Vermieter oder eine begünstigte Person einen Mangel an Wohnraum hat oder der Vermieter sich in einer wohnungsbedarfstypischen Lage befindet oder dass der Vermieter in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt begründet, so dass auch ein zeitlich begrenzter Bedarf einer Wohnung die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung erfüllen kann (vgl. BGH, a.a.O. NZM 2005, 143; LG Berlin WuM 2013, 741; LG München | NZM 2014, 638; so auch BVerfG a.a.O. NJW 2014, 2417 Rn. Rn. 28, 29, 30 mit zahlreichen Nachweisen; siehe hierzu Milger NZM 2014, 770, 773 f mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt insoweit nur allein darauf an, ob der Vermieter für seinen Nutzungswunsch vernünftige und nachvollziehbare Gründe vorträgt und im Bestreitensfalle beweist. Die Interessen des Mieters (Erhaltungsinteresse) gehören nicht zum Inhalt des § 573 BGB und sind (erst) im Rahmen des § 574 BGB zu berücksichtigen.
Vemünftige und nachvollziehbare Gründe für das Erlangungsinteresse des Klägers sind in seiner Kündigungserklärung enthalten. Dies ist nämlich bei dem Wunsch des Vermieters, mit seiner Familie in den eigenen Räumen zu wohnen, regelmäßig der Fall. Eine darüber hinausgehende Begründung in Gestalt von Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen bedarf es nicht.
b) Materielle Begründetheit des Erlangungsinteresses
Das Amtsgericht hat das berechtigte Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses rechtsfehlerfrei bejaht.
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aa)
Bei der Auslegung und Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB haben die Gerichte die in § 573 Abs. 2 Nr. 2, §§ 574 ff. BGB zum Ausdruck kommende Interessenabwägung des Gesetzgebers zwischen dem Erlangungsinteresse des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters in einer Weise nachzuvollziehen, die dem beiderseitigen Eigentumsschutz Rechnung trägt und die beiderseitigen Belange in einen verhältnismäßigen Ausgleich bringt (BVerfGE 89, 1, 8 ff.; BVerfG, NJW-RR 1999, 1097, 1098).
Der Vermieter wird durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Freiheit geschützt, die Wohnung bei Eigenbedarf selbst zu nutzen oder durch privilegierte Angehörige nutzen zu lassen (BVerfGE 89, 1, 9). Dabei haben die Fachgerichte den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den - eng gezogenen - Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu achten und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen (BVerfGE 68, 361, 373 f.; 79, 292, 304 f.; BVerfG, NJW 1991, 158; NJW 1994, 309, 310; NJW 1995, 1480, 1481). Ebenso haben sie grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht (BVerfGE 68, 361, 373 f.; 79, 292, 304 f.; 89, 1, 9; BVerfG, NJW 1993, 1637; NJW-RR 1994, 333; NJW 1994, 995; NJW 1995, aaO; NJW-RR 1999, 1097, 1098; WuM 2002, 21 f.). Die Gerichte sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen (BVerfGE 79, 292, 305 f.; 89, 1, 9; BVerfG, NJW-RR 1994, 333 f.; NJW 1994, 995 f.; NJW 1994, 2605; NJW 1995, 1480; NJW-RR1999, 1097, 1098).
Dem Erlangungswunsch des Vermieters sind allerdings zur Wahrung berechtigter Belange des Mieters Grenzen gesetzt. Die Gerichte dürfen den Eigennutzungswunsch des Vermieters daraufhin nachprüfen, ob dieser Wunsch ernsthaft verfolgt wird, ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist (BGH, RE, Beschluss vom 20. Januar 1988 — VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91, 100; BVerfG, WuM 2002, 21 f. mwN) oder ob er missbräuchlich ist, etwa weil der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen (frei gewordenen) Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann
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(BVerfG, NJW 1994, 309, 310; NJW 1993, 1637, 1638; NJW 1994, 994 f.; NJW 1995, 1480, 1481). Ferner wird der Mieter über die so genannte Sozialklausel des § 574 BGB geschützt (vgl. BVerfG, NJW 1994, 309, 310 mwN; zum Verhältnis von § 573 Abs. 2 Nr. 2 und § 574 BGB vgl. BGH a.a.O., Beschluss vom 20. Januar 1988 - VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91, 100 f.; BVerfGE 79, 292, 302 f.), indem er Härtegründe anbringen kann. Dabei hat der Mieter im Hinblick darauf, dass das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist, Anspruch darauf, dass die Gerichte seinen gegen den Eigennutzungswunsch und den geltend gemachten Wohnbedarf vorgebrachten Einwänden in einer Weise nachgehen, die der Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses gerecht wird (BVerfGE 89, 1, 9 f.).
bb)
Die Beantwortung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, erfordert somit eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Dabei setzt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zum einen voraus, dass der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 2015 — VIII ZR 166/14; BGH, Urteil vom 26. September 2012, VIII ZR 330/11, NJW 2013, 225 Rn. 13; BGH, Urteil vom 23. Mai 2007, VIII ZR 122/06, NJW-RR 2007, 1460 Rn. 12). Zum anderen ist zu beachten, dass der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründen gleichgewichtig ist. Ein solches Interesse des Vermieters im Sinne des §8 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt regelmäßig unter anderem vor, wenn er die vermieteten Räume als Wohnung für sich selbst und seine zur Familie gehörenden Angehörigen benötigt; hierbei zählt der Lebenspartner zu den Haushaltsangehörigen (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl. § 573 Rn. 51). Dabei genügt es, wenn für den Willen des Vermieters in den eigenen Räumen zu leben, ein vernünftiger, nachvollziehbarer Grund besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 1988, VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91,96; BGH, Urteil vom 18. Mai 2005, VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395).
cc)
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Mit der Bekundung der Zeugin H. hat das Amtsgericht auch richtigerweise keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens des Klägers feststellen können. Die Zeugin hat in diesem Zusammenhang auch Gründe genannt, warum man in Potsdam den Wohnsitz nehmen wollte, obwohl die geschäftlichen Aktivitäten des Klägers in B. stattfinden. Es kam ihr nämlich auf das ruhigere Wohnumfeld an, das so in B. gerade nicht herrscht. In diesem Zusammenhang haben sowohl das Gericht als auch der Mieter, den Wunsch des Vermieters, in den eigenen Räumen zu leben, zu respektieren. Sie sind nicht befugt, ihm den Wunsch auszureden oder ihn auf andere Wohnungen zu verweisen, selbst wenn diese in seinem Eigentum stehen. Dies folgt aus der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 GG.
Es sind aber auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger den Eigenbedarf nur vorgeschoben hat, weil er in Wahrheit seinen privaten und beruflichen Lebensmittelpunkt nach wie vor in H. habe. Der entsprechende Einwand der Beklagten berücksichtigt nicht, dass der Kläger bei Ausspruch der Kündigung im Juli 2011 die Verlegung seiner Aktivitäten von H. nach B. erst vorbereitet hatte. Zudem steht der Ernsthaftigkeit seines Anliegens nicht entgegen, wenn seine geschäftlichen Aktivitäten mit seinen privaten Lebens- und Wohnverhältnissen sowohl in H. als auch in B. stattfinden. An der Ernsthaftigkeit seines Wunsches, in der eigenen Wohnung in Potsdam zu leben, bestehen hierdurch keine durchgreifenden Bedenken.
Ebenso wenig erzeugt sein Beruf als Immobilienmakler von vornherein Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Wunsches, mit seiner Familie in Potsdam in dem erworbenen Wohnungseigentum zu leben. Zu dem Berufsbild eines Maklers zählt der Umstand, dass er in seinem Portfolio eine ausreichende Anzahl von Wohnungen für seinen Kundenkreis aufweisen kann und hiermit Werbung setzt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Damit ist allerdings notwendigerweise die Vorstellung der Beklagten verbunden, dass diese Immobilien im Eigentum stehen müssen; sie können dem Makler auch durch Eigentümer, die ihre Immobilien veräußern wollen, vertraglich „an die Hand“ gegeben worden sein, um sie im Sinne des Vertragspartners und Eigentümers zu verkaufen. Selbst wenn der Kläger Wohnungen in seinem Eigentum stehend besitzen sollte, was dem Gericht auch durch die Beklagten nicht mitgeteilt worden ist, steht nicht fest, dass diese zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung den Bedürfnissen des
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Klägers und seiner Familien entsprochen haben und zudem frei waren.
dd)
Das Erlangungsinteresse des Klägers ist auch entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten nicht dadurch entfallen, dass der Kläger in der Mietwohnung auch seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen will. Die Ausführungen der Beklagten betreffen allein die gegenwärtig vom Kläger angemietete Wohnung in B. in der D.Straße, nicht aber die hiesige Wohnung, die in seinem Eigentum steht.
ee)
Dass die absehbare Vergrößerung der Familien zum Entfallen des Kündigungsgrundes „Eigenbedarf" geführt hat, weil die Wohnung mit ihren drei Wohnräumen den Anforderungen an die Bedürfnisse eines Vierpersonenhaushalts nicht entsprechen, wie dies die Beklagten meinen, steht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht im Einklang. Unterstellt, dass der Kläger, was dieser allerdings in Abrede stellt, aufgrund der Vergrößerung der Familie den Nutzungswillen an der Wohnung aufgegeben hat, so spielt dies für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle.
Mit der herrschenden Meinung ist der Wegfall des Nutzungs- oder Überlassungswillens nur bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist zu beachten (vgl. BGH. Urteil vom 9. November 2005 — VIII ZR 339/04 — NJW 2006, 220, bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 18. April 2006 - 1 BvR 31/06 - NJW 2006, 2033; Hannapel in: BeckOK BGB, Stand Mai 2015 § 573 Rn. 57; Häublein in: MünchKommBGB, BGB. 6. Aufl. § 573 Rn. 74; aA unter anderem Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl. § 573 Rn. 74 f: Berücksichtigung des Wegfalls des Eigenbedarfs sowie eine entsprechende Mitteilungspflicht des Vermieters bis zum Auszug des Mieters aus der Wohnung, wobei teilweise auf die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) verwiesen wird unter Hinweis auf BayObLG NJW 1987, 626; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1994, 80; LG Heidelberg, WuM 1992, 30; Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 573 Rdnrn. 61, 62).
Wie das BverfG in seiner das vorgenannte Urteil des BGH bestätigenden Entscheidung
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ausgeführt hat, ist zwar von dem Grundsatz auszugehen, dass der Vermieter verpflichtet ist, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten. Diese gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme beruht auf der besonderen Bedeutung, die der Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen zukommt und dem Besitzrecht des Mieters einen eigentumsgleichen Rang im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG verleiht (st. Rspr. seit BVerfGE 89, 1). Aus dem Gebot der Rücksichtnahme hat der BGH den weiteren Grundsatz abgeleitet, dass der Vermieter, der ein Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigt, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindliche und verfügbare Wohnung zur Anmietung anzubieten hat. Kommt der Vermieter dieser Anbietpflicht nicht nach, so ist die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 — VIII ZR 311/02 - NJW 2003, 2604).
Dieser Grundgedanke ist auch für die vorliegende Fallgestaltung heranzuziehen, wenn es um die Frage geht, welche rechtlichen Folgen sich daraus ergeben, dass der ursprünglich vorhandene Eigenbedarf des Vermieters an der vermieteten Wohnung nach der Erklärung der Kündigung entfallen ist. Die tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede der beiden Sachverhalte rechtfertigen es nicht, den Schutz des Mieters in zeitlicher Hinsicht über die Grenze der Kündigungsfrist hinaus auszudehnen. Insbesondere lässt sich eine solche Ausweitung des Mieterschutzes nicht mit verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten begründen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung - BVerfGE 89, 1 - eingehende Richtlinien für den Schutz der Grundrechtspositionen des Wohnungsmieters aufgestellt. Es hat zunächst darauf hingewiesen, dass es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers ist, die schutzwürdigen Interessen beider Seiten — des Mieters und des Vermieters — zu berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Dabei hat er dem eigentumsgleichen Bestandsinteresse des Mieters Rechnung zu tragen; das bedeutet aber nicht, dass im Konflikt der beiderseitigen, durch die Verfassung geschützten Eigentumspositionen das Bestandsinteresse des Mieters in jedem Fall vorgeht. Für die Regelfälle ordentlicher Kündigungen hat der Gesetzgeber in § 573 Abs. 1 und 2 BGB und in §§ 574 — 574 b BGB die notwendige Interessenabwägung in angemessener Weise vorgenommen. Den Fachgerichten kommt die Aufgabe zu, bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmung über die Kündigung wegen Eigenbedarfs ebenfalls die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachzuvollziehen,
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die den beiderseitigen Eigentumsschutz beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob die materiellen Voraussetzungen des Eigenbedarfs, der herrschenden Ansicht folgend, nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vorliegen müssen oder ob der Wegfall des Eigenbedarfs noch zu berücksichtigen ist, wenn er bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten ist, in seinem Beschluss vom 3. Februar 2003 (1 BvR 619/02, NZM 2003, 692) erörtert. Bei dieser Entscheidung dürfen schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die allgemeinen Prinzipien des Privatrechts nicht außer Betracht bleiben. Hierzu zählt im vorliegenden Zusammenhang vornehmlich die Rechtswirkung einseitiger Gestaltungserklärungen.
Einseitige Gestaltungserklärungen, wie insbesondere die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, führen — sofern ihre tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind — die gewollten Rechtswirkungen zu dem gesetzlich vorgesehenen oder individuell bestimmten Zeitpunkt herbei. Eine wirksame Kündigung beendet das Mietverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist; deshalb ist der Mieter zur Rückgabe der Mietsache an den Vermieter zu diesem Zeitpunkt verpflichtet (§ 546 BGB). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so schuldet er dem Vermieter die vereinbarte Miete nicht mehr als die ihm obliegende vertragliche Leistung, sondern kraft Gesetzes als Entschädigung für die Dauer der Vorenthaltung (§ 546 a Abs. 1 BGB).
Solange die Rechtswirkungen der Kündigung noch nicht eingetreten sind, sprechen keine zwingenden Gründe dagegen, vielmehr erfordert es der Schutz des Mieters, einer zunächst wirksamen Kündigung nachträglich ihre Wirksamkeit abzusprechen, wenn dies aus überwiegenden Gesichtspunkten, etwa dem Verbot des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB), geboten erscheint. Ein derartiger Rechtsmissbrauch läge insbesondere dann vor, wenn der geltend gemachte Eigenbedarf des Vermieters vor dem Ablauf der Kündigungsfrist und der erst hierdurch bewirkten rechtlichen Beendigung des Mietverhältnisses entfallen ist und der Vermieter dennoch aus formalen Gründen an der im Zeitpunkt der Erklärung berechtigten Kündigung festhalten würde.
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Mit dem (rechtlichen) Ende des Mietverhältnisses erlischt das Besitzrecht des Mieters, der keine originäre, sondern nur eine abgeleitete Beziehung zu der von einem anderen geschaffenen Wohnung hat (BVerfGE 89, 1, 7 f.); die Verfügungsbefugnis des Vermieters, in aller Regel des Eigentümers der betreffenden Wohnung, erlangt wieder ihren vollen, von der Verfassung in Art. 14 GG anerkannten und garantierten Umfang. Verweigert der Mieter die Herausgabe der Wohnung, obwohl die Kündigung wirksam ist und ein gesetzlicher Grund für die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Sozialklausel der §§ 574 ff. BGB nicht vorliegt, so verletzt er seine Pflicht zur Rückgabe der Mietsache (§ 546 Abs. 1 BGB) und verhält sich damit rechtswidrig; auf den eigentumsgleichen Rang seines auf dem Mietvertrag beruhenden Rechts zum Besitz der Wohnung (BVerfGE 89, 1, 6 ff) kann er sich nach der Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr berufen. Aus diesen Gründen versagt hier auch das Gebot der Schonung des vertragstreuen Mieters. Ein Mieter, der die gemietete Sache nach der durch die wirksame Kündigung herbeigeführten Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter nicht zurückgibt, verhält sich von da an nicht mehr vertragstreu; auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an.
Nachvertragliche Treuepflichten, die einen Vorrang des Bestandsinteresses des Mieters gegenüber dem Rückgabeanspruch des Vermieters gebieten würden, sind nicht anzuerkennen. Dies hat der BGH (Urteil vom 9. Juli 2003 a.a.O.) in ähnlicher Weise für den Fall einer freiwerdenden Wohnung des Vermieters bei fortbestehendem Eigenbedarf an der gekündigten Wohnung ausgesprochen (vgl. auch BGH NZM 2007, 679 Rn. 22; BGH NZM 2008. 642 Rn. 13; Staudinger/Rolfs a.a.O. § 573 Rn. 124; beachte hierzu aber Milger NZM 2014, 770, 775 aE mit dem Hinweis, dass bis zum Auszug des Mieters ein nachvertragliches Abwicklungsverhältnis besteht, so dass nicht ausgeschlossen erscheint, Treuepflichten zu bejahen). Nach bislang herrschender Meinung kann für die vorliegende Fallgestaltung aber nichts anderes gelten. Die Annahme einer nachvertraglichen Pflicht des Vermieters, den Mieter über den nach Beendigung des Mietverhältnisses eingetretenen Wegfall des Kündigungsgrundes zu unterrichten, würde zu einer systemwidrigen Durchbrechung der Grundsätze über die rechtsgestaltende Wirkung von Kündigungserklärungen führen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Mieter auf materiell-rechtlicher Ebene vor einem derartigen nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs hat schützen wollen, bestehen nicht. Dass der Gesetzgeber das Problem des nachträglichen Eintritts neuer Umstände gesehen hat, ergibt sich aus der Regelung über das Unwirksamwerden einer auf Zahlungsverzug gestützten außerordentlichen Kündigung des Vermieters bei nachträglicher Tilgung des Mietrückstandes (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Dem Interesse des Mieters am Erhalt der Wohnung könnte daher nur durch eine nachvertragliche Pflicht des Vermieters,
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dem Mieter den Neuabschluss eines Mietvertrages über dieselbe Wohnung anzubieten, Rechnung getragen werden. Dass der Gesetzgeber einen solchen Kontrahierungszwang des Vermieters gewollt hat, ist nicht ersichtlich und lässt sich insbesondere auch nicht den Materialien des Mietrechtsreformgesetzes entnehmen.
Soweit die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter auch bei Abwägung mit den berechtigten Interessen des Vermieters eine unzumutbare Härte darstellen würde, kann er trotz Vorliegens eines Kündigungsgrundes die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach den §§ 574 ff. BGB verlangen. Dabei hat er die Härtegründe grundsätzlich spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Vermieter geltend zu machen (§ 574 b Abs. 2 Satz 1 BGB); andernfalls endet das Mietverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Ein schutzwürdiges Interesse an der Fortsetzung des Mietverhältnisses ist von da an nicht mehr anzuerkennen (ebenso MünchKommBGB/Häublein aaO Rn. 74)
Die Berücksichtigung eines nach dem Wirksamwerden der Kündigung eingetretenen Wegfalls des Eigenbedarfs des Vermieters hätte schließlich eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechte des Vermieters und eine ungerechtfertigte Besserstellung des vertragsuntreuen gegenüber dem vertragstreuen Mieter zur Folge.
Dürfte der Mieter damit rechnen, dass derartige nachträgliche Ereignisse zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären, so könnte er dazu verleitet werden, die Räumung der Wohnung mit allen Mitteln zu verzögern. Der Vermieter wäre für einen unbestimmten Zeitraum an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert; er müsste einen möglicherweise langwierigen Räumungsprozess auch in den Fällen führen, in denen die Rechtsverteidigung des Mieters keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Dadurch würde sich in ungerechtfertigter Weise die Chance des Mieters erhöhen, infolge einer anderweitigen, gerade durch die Verzögerung verursachten Disposition des Vermieters oder durch sonstige Ereignisse einen Wegfall des Eigenbedarfs zu erreichen (vgl. dazu von Stebut, NJW 1985, 289, 292). Zugleich würde das berechtigte Interesse des Vermieters, auf die Rechtsfolgen einer wirksamen Kündigung vertrauen und seine Planungen danach ausrichten zu können, erheblich eingeschränkt; bei langwierigen Räumungsstreitigkeiten bliebe es oft dem Zufall überlassen, ob der Vermieter seine Wohnung zurückerhält oder ob nicht vorhersehbare
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nachträgliche Umstände sogar nach Jahren noch der Kündigung ihre rechtliche Grundlage entziehen könnten. Das ist mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes, den auch der Vermieter für sich in Anspruch nehmen kann, nicht zu vereinbaren. Eben dies wäre aber die Folge, wenn nachträglich eingetretene Umstände noch bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Räumungsverfahrens, bis zum Ablauf einer nach § 721 ZPO bewilligten Räumungsfrist oder sogar bis zu einem noch späteren Auszug des Mieters berücksichtigt werden müssten. Erst recht gilt dies für Zulassung eines derartigen Einwandes in der Zwangsvollstreckung (§ 767 ZPO).
Die Pflicht des Vermieters zur Mitteilung eines etwaigen Wegfalls des Eigenbedarfsgrundes an die Klägerin mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Zu diesem Zeitpunkt bestand der mit der Kündigung geltend gemachte Wohnbedarf jedoch noch.
2.
Dem auf der berechtigten Eigenbedarfskündigung beruhenden Räumungsanspruch steht vorliegend allerdings der Mieterwiderspruch wegen unzumutbarer Härte entgegen. Dies folgt aus § 574 BGB.
Eine Vertragsfortsetzung nach § 574 BGB kommt nur in solchen Fällen in Betracht, in denen den Erhaltungsinteressen des Mieters nach Durchführung einer Interessenabwägung eindeutig der Vorrang gebührt. Dabei ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass selbst in Fällen, wo die Interessen beider Parteien gleich schwer wiegen, dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorrang zu geben ist (vgl. LG Hamburg ZMR 2013, 635 Rn. 16; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. § 574 Rn. 64 mwN; Bamberger/Roth/Holtappels, BGB, 3. Aufl. § 574 Rn. 27; MK/Häublein, BGB, 6. Aufl. § 574 Rn. 22). Der Begriff der unzumutbaren Härte im Sinne des § 574 BGB impliziert, dass Gründe vorliegen müssen, die über die Nachteile und Unannehmlichkeiten, die für jeden Mieter mit einem von ihm nicht gewünschten Umzug verbunden sind, deutlich hinausgehen. Für sich genommen vermögen eine unbillige Härte weder eine lange Mietzeit noch der Umstand, dass der Umzug Kosten verursacht, noch dass eine
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vergleichbare Wohnung — wie meist — nur zu einer deutlich höheren Miete erhältlich ist, nicht auszufüllen. Abzustellen ist dabei stets auf den konkreten Einzelfall und seine Besonderheiten. Da es sich bei der Widerspruchsfrist von zwei Monaten vor Beendigung des Mietverhältnisses (§ 574b Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht um eine Ausschlussfrist handelt, sind auch die Gründe zu würdigen, die der Beklagte zu 1) nach Ablauf der Frist innerhalb des Rechtsstreits vorgetragen hat.
Zu der im Schriftsatz des Klägers vom 30. Dezember 2016 aufgeworfenen Rechtsfrage des Zeitpunkts des im Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung des Mietverhältnisses vorgebrachten sozialen Härtegrundes, verweist das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VIII. Zivilsenat). Selbst im Falle einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB sind, obwohl es auch hier auf das Vorliegen des Kündigungsgrundes zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung für die Rechtsfrage der Beendigung des Mietverhältnisses ankommt, etwaige Härtegründe auf Seiten des Mieters zu berücksichtigen und in die Würdigung bei der Entscheidung einzubeziehen. Es ist unzulässig, diese Härtegründe in das Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 765a ZPO zu verlagern. Die Gerichte sind nämlich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehalten, ihre Entscheidung auch verfassungsrechtlich auf eine tragfähige Grundlage zu stellen und den Gefahren der Verschlechterung der Gesundheit Rechnung zu tragen (vgl. unter anderem BGH, Urteil vom 9. November 2016, VIII ZR 73/16, Rn. 19, 22 unter Hinweis auf BVerfG WM 2016, 1449, 14450; BVerfG NJW-RR 2014, 584, 585; BVerfG NJW-RR 2001, 1523 f; VerfG NZM 2005, 657, 658f.; BVerfG NJW 1998, 295, 296; BVerfG NJW 1991, 3207; siehe auch BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016, VZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 6, 10 ff.).
Das Gericht ist daher verpflichtet, im Rahmen der Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter auch den weiteren Verlauf der Erkrankung des beklagten Ehemannes mit in seine Entscheidung einzubeziehen. Die von der Klagepartei offenbar vertretene gegenteilige Auffassung, dass hinsichtlich des vom Beklagten geltend gemachten sozialen Härtegrundes allein auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abzustellen sei, würde der vorgenannten Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts zuwiderlaufen und die Thematik in das ZwangvolIstreckungsverfahren verlagern, wenn dort der Härtegrund des § 765a ZPO geltend gemacht wird.
Ob für den Beklagten zu 1) die Aufgabe seiner Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 104 qm eine soziale Härte darstellt, wird nicht vor dem Hintergrund zu bejahen sein, dass er aufgrund seiner Erkrankung an primärer progredienter Mutipler Sklerose die Bereitstellung eines Raumes
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als Übemachtungsmöglichkeit für Pflegepersonal benötigt. Grund hierfür ist, dass der Sachvortrag des Beklagten zu 1) zum Grad seiner Erkrankung und ihrer Auswirkungen auf seine Lebensführung wenig Klarheit aufweist. Zwar hat er durch Vorlage des Therapieberichts vom 29. August 2014 nunmehr den Grad seiner fortschreitenden Immobilität aufgrund des Verlustes der Kontrollfähigkeit seines Körpers und damit die Notwendigkeit dargelegt, ohne fremde Hilfe nicht in der Lage zu sein, sein Leben innerhalb und außerhalb der Wohnung eigenverantwortlich gestalten zu können. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass die Pflegebedürftigkeit des Beklagten zu 1) durch Dritte nicht substantiiert dargelegt sei, verkennt er, dass es zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „soziale Härte“ bereits ausreichend ist, wenn der Beklagte zu 1) tatsächliche Umstände darlegt, die in Zusammenhang mit einem Rechtssatz geeignet sind, dass das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden möglich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 — IX ZR 195/14 -; BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 — X ZR 76/13 — Rn. 49) oder eine im Gesetz vorgesehene ihm günstige Rechtsfolge auszulösen vermag (BGH, Urteil vom 29. Februar 2012 — VIII ZR 155/11 — NJW 2012, 1547 Rn. 16; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 — VIII ZR 125/11 — NJW 2012, 382 Rn. 16; BGH, Urteil vom 11. November 2014 — VIII ZR 302/13 — NJW 2015, 409; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 — VIII ZR 34/14 — WuM 2014, 741; so auch BVerfG WuM 2007, 565). Mit der Vorlage einer Auswahl von Arbeitsverträgen mit sog. Hilfskräften aus dem Zeitraum 2012 und 2013 sowie der Einsatzpläne für das Jahr 2014 und dem vorgenannten Therapiebericht genügt der Beklagte zu 1) seiner Darlegungslast, dass er nicht nur körperlich erkrankt ist, sondern auch dass er auf Pflegedienste angewiesen ist und diese in Anspruch nimmt. Zur Ausfüllung dieser Tatsachen dient auch der zur Gerichtsakte gereichte Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2013 — S 20 30 33/13 ER —. Vor diesem Hintergrund würde das Gericht den Grundsatz rechtlichen Gehörs verletzten (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn es diesen Lebenssachverhalt nicht zur Kenntnis nehmen würde und ggfl. hierüber keinen Beweis erheben würde, nachdem der Kläger den gesamten Sachverhalt zu den Auswirkungen der Erkrankung des Beklagten zu 1) in Abrede gestellt hat.
Allein die vorgenannte Erkrankung und der Umstand auf dauerhafte Pflege angewiesen zu sein begründet allerdings keine unzumutbare Härte im Sinne des Gesetzes. Dies gilt auch bezogen auf seine Familie, die ihn in der Wohnung aufsucht. Zwar kann nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten zu 1) und nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1) die Wohnung auch zur Wohnraumgewährung für seine Familie nutzt. Einerseits ist die Beklagte zu 2) seit der Ehescheidung nicht mehr in der Mietwohnung wohnhaft. Andererseits sind die aus der Ehe stammenden Kinder ebenfalls nicht
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in der Wohnung wohnhaft. Die Zeugin D., mit der der Beklagte zu 1) zwei weitere Kinder hat, wohnt nicht in der Mietwohnung; ihre Anwesenheit beschränkt sich — was allerdings streitig geblieben ist, da hierüber kein Beweis erhoben worden ist — ebenso auf Besuche wie die der beiden Kinder, die sich über einen Abend in der Woche während der Schulzeit erstrecken.
Es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte zu 1) aufgrund seiner Erkrankung nicht zur Räumung verpflichtet ist.
Zur sozialen Härte wird die Räumung für den Beklagten zu 1) dann, wenn sich der Wechsel der Mietwohnung für den Beklagten zu 1) krankheitsbedingt zu besonderen Schwierigkeiten führt, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben; nur dann kommen sie als Härtegrund in Betracht (BGH, Urteil vom 20. März 2013, VIII ZR 233/12, NJW 2013, 1596 Rn. 15; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013, VIII ZR 57/13, NZM 2013, 739 Rn. 17). Dies ist der Fall, wenn der Krankheitszustand und Krankheitsverlauf den Verbleib des Beklagten zu 1) in der Wohnung erfordert, d. h. dass der Umzug des Beklagten zu 1) in eine andere Wohnung den Verlauf seiner Krankheit maßgeblich verschlechtert und damit eine akute, insbesondere psychische Gefahrenlage befürchten lässt, weil sich seine Krankheit auf alle Formen der Lebensführung auswirken kann und ein erzwungener Wohnungswechsel eine Überforderung des Beklagten zu 1) mit den Folgen physischer und psychischer Konsequenzen darstellen kann.
Hierzu war ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 — VIII ZR 57/13 — NZM 2013, 824; VerfGH Berlin, Beschluss vom 18. Juni 2013 — 153/13 — NZM 2014, 784; vgl. auch LG Bonn, Beschluss vom 8. Oktober 2010 - 6 S 130/13; LG Wuppertal WuM 1995, 654; AG Bremen ZMR 2012, 961).
Die Kammer ist nach der Einholung dieses neurologischen Sachverständigengutachtens, eines Ergänzungsgutachtens sowie der Anhörung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der mit dem Umzug für den Beklagten zu 1 verbundene Stress geeignet ist, eine Verschlechterung der beim Beklagten zu 1 vorliegenden schwerwiegenden MS-Erkrankung auszulösen. Nachdem sein jetziger Funktionszustand in verschiedenen neurologischen Systemen bereits sehr schlecht ist und nach Aussage des Gutachters „an einem seidenen Faden hängt“, muss eine Progression der Erkrankung, welche mit dem Umzugsstress verbunden sein kann, unbedingt vermieden werden. Das Räumungsinteresse des Klägers muss hinter diesen gesundheitlichen Interessen des Beklagten zu 1 zurückstehen.
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Im Einzelnen:
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass beim Beklagten zu 1 ein Zustandsbild bei einer Multiplen Sklerose nach einem 15-jährigen Verlauf mit einem schwerst ausgeprägten neurologischen Defektsyndrom vorliege. Es handelt sich um eine so genannte Tetraspastik und Tetraparese mit Lähmungen aller vier Extremitäten, nur noch erhaltenen Restfunktionen an der rechten Hand, zusätzlich Sehstörungen und zusätzlich Kontinenzprobleme. Sehr wahrscheinlich habe die Erkrankung mit einer schubförmigen MS begonnen und es habe sich dann eine sekundär chronische MS entwickelt. Dies folgert der Sachverständige nach der Durchsicht der Verläufe und Kommentare der Erkrankung seitens der St. Josef-Ambulanz. Besonders die behandlungsresistente schwere Beuge- und Streckspastik mit auftretenden Muskelkloni stelle ein großes Problem für den Beklagten zu 1 wie auch ein pflegerisches Problem dar. In den Kernspintomogrammen zeigten sich eine Vielzahl von entzündlichen MS-Herden insbesondere im Bereich der Hals und Brustwirbelsäule. In der Zusammenfassung kommt der Gutachter für das Gericht nachvollziehbar daher zu der Einschätzung, dass die letzten neurologischen und neuropsychologische Funktionen, die dem Beklagten zu 1 zur Verfügung stünden, gewissermaßen „an einem seidenen Faden hingen“.
Der mit dem Umzug und dem Wohnungswechsel verbundene Stress kann nach Auffassung des Gutachters dazu führen, dass weitere Schübe der MS-Erkrankung aufträten; der Verlauf der Erkrankung werde sich durch den auftretenden Stress wahrscheinlich maßgeblich verschlechtern. Es gebe nach aktuellem Wissensstand deutliche Hinweise dafür, dass Zusammenhänge zwischen Stress und Multipler Sklerose bestünden und dass Stressfaktoren und Stresssituationen wichtige Zusatzfaktoren für die Auslösung von MS, weiteren Schüben, einer Verschlechterung oder auch einer Progression der Erkrankung sein könnten. Beim Beklagten zu 1 sei hierbei zu beachten, dass schon ein winziger neuer MS-Herd an einer regional bedeutsamen Stelle im Gehirn, insbesondere unter anderem bei der komplizierten Sehstörungen mit Läsionen im Hirnstamm, katastrophale Folgen hätte. Die beim Beklagten vorliegenden MS-Herde wiesen ohnehin heikle Lokalisation auf, unter anderem am Rückenmark. Darüber hinaus gebe es bereits eine komplizierte Sehstörung, die auf einen Herd zwischen den Augen zurückgehe. Im Fall der Bildung weiterer Herde dort könne es zu einer dramatischen Verschlechterung kommen.
Der Gutachter geht sicher davon aus, dass sowohl der Umzug als auch der Wohnungswechsel für den Beklagten zu 1 negativen Stress bedeuteten. Dies folgert er aus der Synopse der vorliegenden Daten. Außerdem habe der Beklagte zu 1 ihm dies bei der Untersuchung auch
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gesagt. Der Verlauf von 5 Jahren Prozessführung bedeute für den Beklagten zu 1 ebenfalls negativen Stress. Ein Umzug würde dies jedoch noch einmal zuspitzen: Es käme zu einer akuten Situation, in der neurologische Funktionsstörungen und neue Herde auftreten könnten.
Auch im Rahmen einer chronischen MS könne es zu schubförmigen Verschlechterungen kommen, die sich möglicherweise nicht abbilden ließen. Beim Beklagten seien derartig viele Herde zu sehen, so dass es ohnehin schwierig sein könnte, einen zusätzlichen Herd zu identifizieren.
Ein Wohnungswechsel lässt ferner nach Einschätzung des Sachverständigen eine akute, insbesondere psychische Gefahrenlage befürchten, weil sich die Krankheit des Beklagten zu 1 auf alle Formen der Lebensführung auswirke und ein erzwungener Wohnungswechsel eine Überforderung mit den Folgen psychischer und physischer Konsequenz darstelle; der Beklagte zu 1 müsse befürchten, seine sozialen Kontakte in seinem sozialen Umfeld nicht mehr in der bisher erfolgten Art und Weise erfahren zu können. Der Beklagte zu 1 leide an einer Depression, die reaktiv und latent sei. Dies lasse sich aus den vorliegenden Befunden, insbesondere des Joseph-Krankenhauses, schlussfolgern. Man könne dies mit verschiedenen Tests noch untermauern bzw. genauer darstellen. Eine Depression liege jedenfalls vor.
Eine Vorbereitung auf den eigentlichen Umzug durch psychologische oder medikamentöse Maßnahmen erscheint nach Auffassung des Sachverständigen nicht möglich. Ein Stressbewältigungstraining, wie es in der Studie von Mohr zum Einsatz gekommen sei, stehe in B. nicht zur Verfügung und sei darüber hinaus auch gar nicht auf die vorliegende Situation ausgerichtet. Eine Verhaltenstherapie sei grundsätzlich möglich, allerdings nicht vorstellbar. Der Therapeut behandle ja einen Konflikt und müsse sagen, auf welcher Seite er stehe.
Eine medikamentöse Vorbereitung, um Angst und/oder Stress beim Beklagten zu 1 zu vermeiden, überschreite eindeutig ethische Grenzen. Das vom Kläger angesprochene Medikament „Ocrelizumab" befinde sich noch in der Zulassungsphase und zähle zu den modernen MS-Therapien. Teilweise hätten diese Therapien schwere bis tödliche Nebenwirkungen, so dass eine Behandlung des Beklagten zu 1 hiermit nicht gerechtfertigt sei. Der Gutachter kommt zu der abschließenden Einschätzung, dass die Krankheit des Beklagten zu 1 seinen Verbleib in der Mietwohnung auf unbestimmte Zeit erfordert. Dieser Beurteilung schließt sich das Gericht aufgrund des nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachtens an.
Einer weitergehenden Beweisaufnahme durch die Einholung eines Gutachtens zur
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Stressresistenz des Beklagten zu 1 bedurfte es nicht. Zwar hat der gerichtlich bestellte Gutachter bekundet, dass er den Beklagten zu 1 daraufhin nicht untersucht habe. Er hat allerdings auch ausgeführt, dass nach seinen bisherigen Erkenntnissen keine Anhaltspunkte für die Behauptung des Klägers vorlägen, dass der Beklagte mit einer stressfesten und robusten Psyche ausgestattet sei. Er habe im Rahmen der Erhebung des psychomentalen Status festgestellt, dass der Beklagte häufig dissimuliere, also die vorliegenden Symptome verneine und so tue als sei alles in Ordnung. Bei einer entsprechenden Befragung breche er dann aber in Tränen aus.
Das Gericht sieht auch aufgrund des Schriftsatzes des Klägers vom 25.5.2018 und 29.05.2018 keinen Grund, das Verfahren gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen und die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anzuordnen.
Soweit der Kläger rügt, dass es keine wissenschaftlich einwandfreien Belege für den Zusammenhang von Stress und Krankheitsverschlechterung bei MS-Kranken gebe, jedenfalls nicht für Art und Umfang dieses Einflusses, so mag dies zutreffen. Die Studie von MOHR et. al setzt diese Annahme eines Zusammenhangs vielmehr voraus, indem überprüft wurde, wie sich Stressmanagementprogramme auf Krankheitsmarker in MRI-Bildern bei Patienten auswirken. Entsprechend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass das eingesetzte Stressmanagementverfahren nützlich dafür sein kann, die Entwicklung neuer, mit dem MRI-Verfahren festzustellender Hirnläsionszeichen sein kann. Der gerichtliche Gutachter hat hierzu in seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, dass die Studie von MOHR den Neurologen „die Augen geöffnet“ habe. Zwischenzeitlich sei der Zusammenhang zwischen Stress und schubförmigen Verlauf von MS etabliert. Insoweit hat der gerichtliche Gutachter mit dieser Aussage den Autor Delbrück zitiert. Es habe weitere Studien gegeben, welche diesen Zusammenhang belegten. Genannt wurde in diesem Zusammenhang die Studie von Artemiadis et. al. (2011), bei der bei 15 von 17 Studien ein Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und MS-Beginn bzw. Schubauslösung habe gezeigt werden können. Auch wenn die Autoren keine sicheren Schlüsse bezüglich der verschiedenen Aspekte von Stresseinflüssen zu ziehen vermögen, konnten doch immerhin 10 % der registrierten Krankheitsschübe auf erfasste Stressbezüge zurückgeführt werden. Bei den übrigen blieb dieser Zusammenhang offen, d.h. der Stressbezug war nicht erfassbar. Ob er deswegen nicht besteht, bleibt ebenfalls offen.
Für das Gericht ist es für den vorliegenden Fall ausreichend, dass die Gefahr einer Verschlechterung besteht. Wie der Sachverständige nachvollziehbar und eindrücklich geschildert hat, könnten dem Beklagten zu 1, welcher auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen ist, bereits bei einer geringen Verschlechterung (1 zusätzlicher Herd) die letzten neurologischen und
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neurophysiologischen Funktionen genommen werden. Dass eine solche Gefahr besteht, stellt auch der klägerseits beauftragte Gutachter Dr. med. D. letztlich nicht in Abrede. Abgestellt wird lediglich auf wissenschaftlich tragfähige „Beweise“ für den Zusammenhang zwischen Stress und MS-Schüben. Insoweit erachtet das Gericht auch die möglicherweise fehlende Differenzierung verschiedener Verlaufsformen im Rahmen der Studien für nicht ausschlaggebend.
Soweit der Kläger nunmehr ausführt, dass das Medikament „Ocrelizumab“ auch in Deutschland in der EU für die Erkrankung des Beklagten zu 1) zugelassen und dieser hiermit behandelt werden könne, um mögliche negative Folgen einer Überforderung bei einem Wohnungswechsel auszuschließen, hat das Gericht mit dem Sachverständigen auf die ethischen Grenzen einer solchen Behandlung mit dem Ziel eines Wohnungswechsels abgestellt. Grundsätzlich ist es Ziel einer Behandlung, dem betroffenen Patienten zu helfen, nicht ihn „umzugsfähig“ zu machen. Ferner hat der Sachverständige auf die erheblichen Nebenwirkungen dieses Medikaments hingewiesen und nachvollziehbar erklärt, er schließe eine Behandlung des Beklagten aufgrund der drohenden Nebenwirkungen bei dessen Krankheitsbild aus.
Soweit der Kläger rügt, dass die Frage, ob der erzwungene Wohnungswechsel eine Überforderung mit den Folgen nicht nur physischer, sondern auch psychischer Konsequenzen für den Kläger
- Beklagten
darstelle, nicht abschließend beantwortet habe, so ist dies zutreffend, aber für das Gericht nicht entscheidend. Die Kammer erachtet die Gefahr physischer Konsequenzen vorliegend als ausreichend. Auf die obigen Ausführungen kann verwiesen werden.
Für das Vorliegen einer robusten Psyche beim Beklagten zu 1), welche Stressfaktoren evtl. kleinhalten oder vermeiden könnte, fehlt es wie ausgeführt an hinreichenden Anhaltspunkten.
Auf die weitergehenden Einwände des Klägers insbesondere im Hinblick auf möglichen Ersatzwohnraum kommt es nicht an; ebenso wenig auf weitere mögliche Kündigungsgründe wie beispielsweise die (bestrittene) Beschädigung von Gemeinschaftseigentum durch den Treppenlifter.
Nachdem hinsichtlich der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung ein wirksamer Widerspruch vorliegt, war festzustellen, dass das Mietverhältnis fortbesteht. Mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine nur temporäre Gefahr der Verschlechterung des Krankheitszustandes durch einen erzwungenen Wohnungswechsel, besteht das Mietverhältnis unbefristet fort.
Das Berufungsgericht hat dies klarstellend in den Tenor aufgenommen, nachdem das Amtsgericht lediglich in den Gründen hat erkennen lassen, dass es von einer unbefristeten
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Fortsetzung ausgeht und dies versehentlich nicht in den Tenor aufgenommen hat (574 a Abs. 2 BGB).
3.
Ein Räumungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 besteht nicht. Zwar richtet sich nach der Rechtsprechung des BGH der vertragliche Herausgabe und Räumungsanspruch nach 546 BGB nach Beendigung des mit mehreren Mietern begründeten Wohnraumverhältnisses auch gegen denjenigen Mieter, der im Gegensatz zum anderen Mieter den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben hat (BGH Beschluss vom 22.11.1995, VIII A RZ 4/95). Allerdings ist vorliegend von einem konkludenten Mieterwechsel auszugehen. Die Ehe der Beklagten ist seit 1999 geschieden. Die Beklagte zu 2) ist aus der Wohnung ausgezogen und hat seitdem eine eigene Wohnung, so dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung nicht mehr um die Ehewohnung handelt. Die Eigentümerin der Wohnung im Jahr 2000, die Pandion GmbH, hat nach dem Auszug der Beklagten zu 2 das Klingelschild der Wohnung auf den Namen „D./Lenz“ verändert. Letzteres hat der Kläger nur unsubstantiiert bestritten. Es ist damit von einem konkludenten Mieterwechsel auszugehen. Ob die Lebensgefährtin des Beklagten zu 1 D. dort wohnt, ist unerheblich. Das Mietverhältnis besteht jedenfalls weiterhin mit dem Beklagten zu 1; die Beklagte zu 2 ist konkludent aus dem Mietverhältnis ausgeschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem die Voraussetzungen des §§ 543 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert wird auf 2.172,36 € festgesetzt und ergibt sich aus dem Jahresbetrag der zu zahlenden Miete (§ 41 Abs. 2 Abs. 1 S. 2 GKG).
S. | D. | G. |
Vorsitzender Richter | Richterin | Richterin |
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