Beschluss des SG vom 09.11.16

Aus cvo6
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Inhaltsverzeichnis

Sozialgericht Potsdam

Az.: S 20 SO 152/16 ER

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Oliver Lenz,
Carl-von-Ossietzky-Straße 6, 14471 Potsdam
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt Dr. phil. Falko Drescher,
Helene-Lange-Straße 8, 14469 Potsdam
Az.: 111-16-D

- Antragsteller -

gegen

Landeshauptstadt Potsdam
vertreten durch Fachbereich Soziales
Gesundheit und Umwelt
der Landeshauptstadt Potsdam,
Hegelallee 6-8, 14469 Potsdam,

- Antragsgegnerin -

hat die 20. Kammer des Sozialgerichts Potsdam

am 9. November 2016

durch die Richterin am Sozialgericht H.,
b e s c h l o s s e n :

  1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller unter rechnerischer Berücksichtigung der bislang bewilligten Leistungen von monatlich 7.669,54 € (vgl. dazu den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14. Oktober 2016) ab dem 1. November 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Dezember 2016, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 8.800,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 728,00 € zu bewilligen und auszuzahlen. im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

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2. Für den Monat November 2016 hat die Bezahlung nach Bekanntgabe des Beschlusses in Form eines Barschecks an den Antragsteller zu erfolgen und für Dezember 2016 mit dem regulären Rechenlauf.
3. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 1/3 der außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu erstatten.
4. Dem Antragsteller wird ab dem 10. Oktober 2016 Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz beim Sozialgericht Potsdam —— ohne Zahlung von Raten — unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Falko Drescher aus Potsdam bewilligt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, über dessen Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 12. August 2016 ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet wurde, wobei der bestellte lnsolvenzverwalter, Rechtsanwalt W. aus Potsdam, die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat, begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets zur Deckung der Assistenzkosten des von ihm durchgeführten Arbeitgebermodells.

Der 50-jährige Antragsteller, von Beruf Dipl.-Ing. für Maschinenbau, bezieht krankheitsbedingt eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Er leidet an einer Form der multiplen Sklerose mit primär chronischem Verlauf. Es bestehen multiple Läsionen (Schädigungen, Verletzungen) der BWS und HWS, eine linksbetonte Tetraparese, schmerzhafte Streck- und Beugespastiken der Beine, deutliche Kraftminderung der Extremitäten und eine fehlende Rumpfstabilität, linksseitige Missempfindungen und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Er ist häufig schnell erschöpft und müde. Die gesundheitlichen Einschränkungen bedingen, dass der Antragsteller nicht laufen kann,

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mit seinen Armen und Händen letztlich keinerlei Gegenstände — vor allem filigrane wie Zahnbürsten u.ä. — halten kann. Dies führt dazu, dass er wegen seiner schnellen Erschöpfbarkeit mehrfach am Tage Ruhezeiten einlegen muss. Zwischenzeitlich ist er ausweislich der Feststellungen des Gutachters Dr. J. vom 27. Mai 2015 (Bl. 165 ff. der Gerichtsakte — GA — [[Az.: S 20 SO 40/15 ER|S 20 SO 40/15 ER) auch nicht mehr nennenswert in der Lage, zumindest teilweise selbstständig zu essen und zu trinken; für ihn müssen abgesehen von sehr untergeordneten Eigenleistungen (z.B. tagesformabhängiges Zurechtrücken einer auf dem Tisch stehenden Tasse und durch Vornüberbeugen des Kopfes mögliches Trinken aus einem Trinkhalm sowie Ausüben von einigen Drehbewegungen der auf dem Schoß liegenden Kaffeemühle in der Horizontale etc.) dem Grunde nach sämtliche Tätigkeiten zur Bewältigung des Alltags einschließlich der pflegerelevanten Tätigkeiten stellvertretend erledigt werden. Die Durchführung der erforderlichen pflegerischen Maßnahmen_ist durch häufig auftretende Spastiken bei der Berührung erschwert. Eine Fortbewegung des Antragstellers ist nur mittels eines Rollstuhls möglich.

Das Landesamt für Soziales und Versorgung erkannte dem Antragsteller einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Merkzeichen 36, G, B, H und RF zu. Die zuständige Pflegekasse (Techniker Krankenkasse) gewährt ihm entsprechend des MDK-Gutachtens vom 12. August 2013 Leistungen der Pflegestufe III. Dabei wurde ein Pfiegeaufwand für Körperpflege von 158 Minuten pro Tag, für Ernährung von 77 Minuten pro Tag und für Mobilität von 251 Minuten pro Tag, insgesamt für Grundpflege von wöchentlich 56,70 Stunden und für Hauswirtschaft von 23 Stunden, somit 79,70 Stunden wöchentlich‚ festgestellt. Das Pflegegeld von monatlich derzeit 728,00 € wird direkt an den Antragsteller ausgezahlt.

Das stimmt nicht mehr. Das Pflegegeld geht an die LHP. Von dort bekomme ich das Geld ausgezahlt.

Ungeachtet seiner erheblichen körperlichen Einschränkungen nimmt der Antragsteller unverändert wie auch in der Vergangenheit aktiv am gesellschaftlichen Leben teil: Er geht zur „Go-Arbeitsgemeinschaft“ in der Montessori—Schule, dem „Go-Klub" im Neuen Palais (Mittwoch) und in Spandau (Donnerstag), nimmt Bewegungsbäder, singt im Hans-Beimler—Chor in Berlin, macht Zen—Meditation und verabredet sich abends zum geselligen Beisammensein (u.a. Behindertenstammtisch, Stammtisch vom Freifunk Potsdam). Zudem ist er jeweils im Vorstand des Mietervereins Potsdam und des Fördervereins der Montessorischule Potsdam aktiv.

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Der Antragsteller stellte erstmals am 20. Juli 2011 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Assistenzkosten in Form eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets. Seither ist zwischen den Beteiligten trotz diverser Fallkonferenzen, Erörterungen zum bestehenden Hilfebedarf und zahlreicher Entscheidungen der Kammer die Höhe der dem Antragsteller zu gewährenden Leistungen streitig, wobei die Antragsgegnerin im Verfahren S 20 S0 40/15 ER zusätzlich noch in Frage gestellt hatte, ob dieser überhaupt einer 24-stündigen Assistenz bedarf. Dazu hatte die Kammer in dem genannten Verfahren in Absprache mit den Beteiligten ein medizinisches Sachverständigengutachten des freiberuflichen sozialmedizinischen Gutachters (Schwerpunkt SGB V, XI und XII) Dr. med. J. mit folgenden Fragen eingeholt:

1.) Verfügt der Antragsteller über ein bedarfsgerechtes (behindertengerechtes) Bett? Ist dieses z.B. auch mit einer sog. Wechse1druckmatratze oder ähnlich geeigneten Matratze ausgestattet?
2.) Sind beim Antragsteller Mängel in der Pflege erkennbar?
3.) Für wieviele Stunden täglich benötigt der Antragsteller an Pflege und Betreuung (Assistenz)? Kann sich bei einer von der Antragsgegnerin angestrebten Reduzierung der Pflege- und Betreuungszeiten eine Gefahrensituation für den Antragsteller ergeben oder ist eine ununterbrochene Anwesenheit notwendig? Können die benötigten Stunden für Pflege und Betreuung z.B. durch andere Hilfsmittel (Notfallknopf, Windeln, Rollstuhlhaltesystem etc.) zumutbar reduziert werden? Ggf. in welchem Umfang?
4.) Gibt es in der Wohnung des Antragstellers einrichtungstechnische Gegebenheiten, die die Ausführung der pflegerischen Verrichtungen behindern oder verhindern bzw. den Antragsteller in seiner Selbstständigkeit hindern?
5.) Wirken sich die umfangreichen und zeitintensiven Freizeitaktivitäten (z.B. mehrstündige/mehrtägige Go-Turniere) positiv oder negativ auf das Krankheitsbild des Antragstellers aus bzw. beeinflussen diesen den körperlichen Zustand des Antragstellers nicht?
6.) Wäre eine stundenweise Abwesenheit des. Assistenten zumutbar und eine hierdurch entstehende Ruhephase dem Gesundheitszustand des Antragstellers dienlich?

Der Sachverständige erstattete dem Gericht das Gutachten nach vorheriger Begutachtung des Antragsteilers in der Häuslichkeit unter dem 27. Mai 2015. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen des Gutachters wird auf Bl. 165 ff. GA S 20 SO 40/15 ER

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Dieser hat sich dem festgestellten Hilfebedarf des MDK vom 12. August 2013 hinsichtlich der erforderlichen Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgungen im Sinne des SGB XI im Wesentlichen angeschlossen, aber ausgeführt, dass die formellen Kriterien für die Anerkennung eines Härtefalls erfüllt seien. Zur Frage des benötigten Assistenzbedarfs hat er folgendes ausgeführt:

„Für den Unterzeichner steht außer Frage, dass der Antragsteller einer lückenlosen, d.h. 24-stündigen Assistenz, bedarf. Dies ergibt sich allein schon daraus, dass er nicht mehr in der Lage ist, banalste Verrichtungen wie Naseputzen oder Verscheuchen einer Mücke selbständig zu tätigen. Zudem sind auch die im SGB-XI-Gutachten dargestellten grundpflegerischen Hilfebedarfe teilweise zeitlich nicht vorhersehbar, hier insbesondere (auch durch einschießende Spastik erforderliche) Positionswechsel sowie die Notdurftverrichtung.

Die Stunden können nicht reduziert werden, etwa durch Einsatz eines Notfallknopfes, Windeln oder eines Rollstuhlhaltesystems. Verzögerungen der erforderlichen Hilfestellungen, z.B. bei einschießender Spastik oder auch nur banalen Hilfestellungen wie Naseputzen, weil erst Hilfe (von außerhalb) herbeigerufen werden muss, sind unzumutbar. Abgesehen davon sehen die gängigen Hausnotrufverträge ausdrücklich keine pflegerischen Hilfen vor, sondern lediglich Notfälle. Ebenso ist der Einsatz von Windeln bei einem ansonsten nicht inkontinenten und zudem hochgradig intertrigogefährdeten Patienten unzumutbar.

Diesem Assistenzbedarf ordnen sich die sonstigen Einzelbedarfe quasi unter: Wie hoch auch immer der grundpflegerische Hilfebedarf gem. SGB-XI-Gutachten, Hauswirtschaft und Teilhabe am Leben sein mag bzw. bewertet wird, ändert dies nichts daran, dass der Antragsteller aus o.g. Gründen einer 24-stündigen Assistenz bedarf.

Es mag für den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die verschiedenen Leistungsarten (Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe) von Belang sein, welcher Anteil z.B. für eine wie auch immer geartete „angemessene“ Teilhabe am Leben aus dem entsprechenden „Topf“ ausgereicht wird, für den Antragsteller bzw. die Gesamtsumme kann dies aber kaum von Belang sein.

Wesentlich ist für ihn, aber auch den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die Kosten, dass die verschiedenen Bedarfe zeitgleich, d.h. durch ein und dieselbe Hilfskraft abgedeckt werden können, und nicht etwa, dass der Eingliederungshelfer, der den Antragsteller zu Veranstaltungen begleitet, nicht in der Lage ist, pflegerische Verrichtungen vorzunehmen, was in einem Bedarf >24 Stunden/Tag resultieren würde.“

Die Antragsgegnerin stellt den 24-stündigen Hilfebedarf des Antragstellers seit dem Beschluss der Kammer vom 25. August 2015 zum Aktenzeichen S 20 SO 40/15 ER nicht mehr in Abrede.

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In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen den Beteiligten in untunlicher Weise erheblich belastet und nach der Einschätzung der Kammer teilweise auch nicht mehr in hinreichender Weise von der gebotenen Sachlichkeit geprägt. Grund hierfür dürfte im Wesentlichen sein, dass der Antragsteller in der Vergangenheit neben den diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen auch tatsächliche oder vermeintliche Hilfe durch politische Gremien gesucht hatte, die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers häufig wechselten und die Kommunikation insgesamt zwischen einzelnen „Akteuren“ der Beteiligten wegen der dem Antragsteller vorgeworfenen fehlenden transparenten und schlüssigen Nachweisführung der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel und der aufgelaufenen Schulden gegenüber dem Finanzamt. den Krankenversicherungen, der Knappschaft und dem Soziaiversicherungsträger nicht störungsfrei verlief. Nach der Einschätzung der Kammer haben die Beteiligten zwischenzeitlich ihren Umgang miteinander professionalisiert.

Daneben ist der Antragsteller seit einiger Zeit mit zivilrechtlichen Verfahren belastet, weil ihm der Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt hat. Eine abschließende Entscheidung hat das Landgericht Potsdam - soweit ersichtlich - bislang nicht getroffen.

Zudem hat das Amtsgericht Potsdam, wie dargestellt, mit Beschluss vom 12. August 2016 über das Vermögen des Antragstellers ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet; Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt W. aus Potsdam. Dieser hat ausweislich einer E-Mail an den Antragsteller (Bl. 44 der Gerichtsakte) die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben.

Mit einem ersten Bescheid vom 23. Februar 2012 hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 1. Februar 2012 Leistungen in Form des persönlichen Budgets als Arbeitgebermodell von 1.469,53 € bewilligt. Die nachfolgenden Bewilligungsbescheide und geführten Auseinandersetzungen hat die Kammer vor allem im Beschluss vom 21. Oktober 2013 zum Aktenzeichen S 20 SO 67/13 ER zusammengefasst, auf den Bezug genommen wird. Dort hatte das Gericht die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Juli 2014, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 6.500,00 € zu bewältigen und auszuzahlen.

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Mit Vergleichsbeschluss der Kammer vom 7. April 2014 schlossen die Beteiligten für die Vergangenheit sodann einen Vergleich, wonach sich die Antragsgegnerin verpflichtet hatte, dem Antragsteller für den Zeitraum von August 2012 bis einschließlich Februar 2013 ein persönliches Budget von insgesamt 2.800,00 Euro monatlich unter Anrechnung des jeweils bislang gezahlten Betrages von 2.373,14 Euro zzgl. des Pflegegeldes von 700,00 Euro zu bewilligen und zu zahlen. Für den Zeitraum ab dem 1. März 2013 bis einschließlich Juli 2014 bewilligt die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Betrag von 6.734,25 Euro für das beantragte persönliche Budget (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 700,00 Euro).

Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2014 ein persönliches Budget. Eine Zielvereinbarung schlossen die Beteiligten für diesen Zeitraum nicht mehr ab, weil die Antragsgegnerin diese nicht unterzeichnete. Stattdessen bewilligte diese dem Antragsteller mit Bescheid vom 17. Juli 2014 zur Deckung des Pflege— und Eingliederungshilfebedarfs für den Zeitraum ab dem 1. August 2014 Sachleistungen, zahlte ihm allerdings bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Leistungen in Form des persönlichen Budgets weiter. Den gegen den Bescheid vom 17. Juli 2014 erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2014 zurück. Über die am 5. Januar 2015 erhobene Klage zum Aktenzeichen S 20 SO 3/15 fand zuletzt am 19. September 2016 eine mündliche Verhandlung statt; eine Entscheidung ist noch nicht ergangen. Die Kammer hat der Antragsgegnerin im Ergebnis der Erörterungen aufgegeben, die Höhe des persönlichen Budgets unter Berücksichtigung einer täglich 24-stündigen Assistenzzeit unter Zugrundelegung eines Arbeitnehmerbruttolohns entsprechend des in der PflegeArbbV vorgesehenen Mindestentgelts von derzeit (ab dem 1. Januar 2016) 9,00 € pro Stunde für das Land Brandenburg bezogen auf die gesamte erforderliche Assistenzzeit pro Tag, d.h. unter Außerachtlassung der bisher von ihr vorgenommenen Einteilung in sog. „aktive Zeit“ und „aktive Bereitschaft“ zu berechnen. Dem ist die Antragsgegnerin nachgekommen. Danach ergibt sich, dass dem Antragsteller ein monatliches persönliches Budget von 8.665,08 € zuzüglich des Pflegegeldes von 728,00 € zustehen würde. Auf die Berechnung der Antragsgegnerin im Verfahren S 20 SO 3/15 (Bl. 406 GA) wird Bezug genommen.

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Im Übrigen hatte der Antragsteller im Februar 2015 zum Aktenzeichen S 20 SO 19/15 ER einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Weitergewährung der Leistungen für das persönliche Budget gestellt, im Rahmen der dazu geführten Erörterungen hatte die Kammer erhebliche Zweifel daran, dass der von der Antragsgegnerin für die Leistungserbringung in Form der Sachleistungen in Aussicht genommene Dienstleister, die Einzelfallhilfe-Manufaktur e.V., dazu berechtigt ist. Gleichwohl hatte der Antragsteller am 17. Februar 2015 sein Einverständnis zur Übertragung der Budgetverantwortung auf diesen Verein erklärt, da dieser einen erheblichen Teil der vom Antragsteller bislang angestellten Personen mangels ausreichenden eigenen Personals übernehmen wollte. Sodann erklärte der Verein, der zuvor als monatlichen erforderlichen Gesamtbetrag für das Budget mindestens 8.500,00 € kalkuliert hatte, nur die Eingliederungshilfeleistungen, nicht aber die pflegerischen Leistungen im Rahmen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets zu übernehmen. Das Vertragsverhältnis kam somit nicht zustande. Daraufhin nahm die Antragsgegnerin mit der Pflegestation „Am Luisenpiatz“ Kontakt auf, damit diese ab Anfang März 2015 die Leistungen entsprechend des letzten MDK-Gutachtens erbringt.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2015 verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin im Verfahren S 20 SO 19/15 ER, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis einschließlich 31. März 2015 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 7.000,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 700,00 € [richtig wäre allerdings 728,00] zu bewilligen und auszuzahlen. Die dagegen von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde verwarf das LSG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 7. Mai 2015 als unzulässig (L 15 SO 121/15 B ER).

Auf seinen erneuten Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Weitergewährung des persönlichen Budgets im Verfahren S 20 SO 40/15 ER verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 25. August 2015 dem Antragsteller unter rechnerischer Berücksichtigung der aufgrund der Hängebeschlüsse der Kammer vom 28. April 2015 und 26. Juni 2015 bereits ausgezahlten Beträge ab dem 1. April 2015 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. November 2015, monatlich einen Betrag für das beantragte

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persönliche Budget von 7.0000,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes von 728,00 €) zu bewilligen und auszuzahlen.

Schließlich schlossen die Beteiligten zum Verfahren S 20 SO 155/15 ER, das der Antragsteller im Oktober 2015 ebenfalls mit dem Ziel der Verpflichtung zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen i.R.d. persönlichen Budgets in Höhe von 8.532,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes) geführt hatte, am 2. Dezember 2015 einen Vergleich. Darin erkannte die Antragsgegnerin den Anspruch des Antragstellers auf die Gewährung eines persönlichen Budgets in Form des Arbeitgebermodells für Dezember 2015 teilweise in Höhe von 7.184,58 € (7.912,58 € abzüglich 728,00 €) und weiterführend ab Januar 2016 unter Berücksichtigung der Änderungen in der ab dem 1. Januar 2016 gültigen Pflegearbeitsbedingungsverordnung und der Änderungen der Sozialversicherungsbeiträge an. Der Antragsteller verpflichtete sich zum Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung. Die Beteiligten waren sich gem. Ziffer 4. des Vergleichs darüber einig, dass der Abschluss der Zielvereinbarung keine Bindungswirkung für die endgültige Höhe des persönlichen Budgets enthält.

Am 11. Februar 2016 unterzeichnete der Antragsteller eine Zielvereinbarung mit der Antragsgegnerin mit einer Gültigkeit für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016.

Mit einem weiteren Beschluss der Kammer vom 26. Mai 2016 zum Aktenzeichen S 20 SO 16/16 ER verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin, dem Antragsteller unter rechnerischer Berücksichtigung der bislang bewilligten Leistungen von monatlich 8.066,76 € ab dem 1. Februar 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Oktober 2016, monatlich einen Betrag für das beantragte persönliche Budget von 8.500,00 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes)zu bewilligen und auszuzahlen. Obwohl das Gericht - wie bereits in diversen vorherigen Verfahren auch - der Antragsgegnerin mit Blick auf die nach wie vor bestehenden und eine endgültige Beilegung des Rechtsstreits verhindernden Differenzen betreffend die Frage, ob im konkreten Fall eine Differenzierung der Assistenzzeiten in sog. „aktive Arbeitszeit“ und — weniger vergütete — „aktive Bereitschaftszeit“ zulässig ist, geraten hatte, die Entscheidung vom LSG im Rahmen einer Beschwerde überprüfen zu lassen, wurde auch dieser Beschluss wieder rechtskräftig, während sie im

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Verfahren S 20 SO 3/15 an ihrer bisherigen Auffassung zu der streitgegenständlichen Problematik festhält.

Der Antragsteller hat am 10. Oktober 2016 erneut einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung gestellt. Mit dieser verfolgt er sein Begehren auf Gewährung höherer Leistungen im Rahmen des ihm derzeit gewährten persönlichen Budgets weiter. Er macht geltend: Das Vorgehen der Antragsgegnerin, die Leistungen in Arbeitszeit und aktive Bereitschaftszeit zu unterteilen, sei unzulässig. Der tatsächliche Aufwand von sechs Stunden werde auf diese Weise fiktiv reduziert, so dass nur 4,2 Stunden bezahlt würden. Auf diese Weise werde der Mindestlohn unterschritten. Die Regelungen der 2. Pflegearbeitsbedingungsverordnung würden für ihn nicht gelten. Insbesondere führe er keinen Pflegebetrieb. Er sei mit Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam verpflichtet worden, einer bei ihm tätigen Assistentin die dem Mindestentgalt nach § 2 der 2. PflArbbv entsprechende Vergütung sowie einen 20%igen Zuschlag für die Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 i.V.m. § 2 Abs. 3 ArbZG zu zahlen. Aufgrund der andauernden Unterdeckung des Budgets sei er nicht in der Lage gewesen, seinen Arbeitgeberpflichten u.a. hinsichtlich der Krankenkassenbeiträge nachzukommen. Daher sei ein Regelinsolvenzverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Dabei entstehe ein erheblicher Mehraufwand bei den Regiekosten. Aufgrund des unzureichenden Budgets komme es zu neuen Schulden und weiteren Problemen (Kündigungen von Assistenten, arbeitsgerichtlicher Streit, Strafverfahren). Die Antragsgegnerin habe seinen Antrag vom 11. August 2016 auf Durchführung einer Büdgetkonferenz abgelehnt. Ihm entstünden monatliche Kosten von voraussichtlich 11.658,96 €. Auf seine diesbezügliche Kalkulation (Bl. 48 GA) werde Bezug genommen. Die Sache sei auch eilbedürftig, weil schon mit Ablauf des Monats Oktober 2016 seine Versorgung nicht mehr gewährleistet sei.

Er beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm unter rechnerischer Berücksichtigung der bislang bewilligten Leistungen von monatlich 8.066,76 € ab dem 1. November 2016 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Dezember 2016, monatlich einen Betrag für das persönliche Budget von 11.658,96 € (ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes) zu bewilligen und auszuzahlen.

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